1. Aufnahme oder Aufgabe von Geschäftsbeziehungen
2. Verzicht auf Unterlassungsansprüche
Nichtigkeit entsprechender Verträge
3. Sicherung eigener rechtswidrig erlangter Vorteile
5. Verselbständigung der Abmahntätigkeit des Rechtsanwalts
8. Paralleles Verfügungs- und Klageverfahren
10. Erschleichen einer einstweiligen Verfügung
Sonstiges Vorenthalten einer Stellungnahme des Antragsgegners
11. Selektives Vorgehen gegen einzelne Mitbewerber
Aufnahme oder Aufgabe von Geschäftsbeziehungen
OLG Hamburg, Urt. v. 7.7.2010, 5 U 16/10
Es stellt eine sachfremde Erwägung dar, wenn ein Anspruchsberechtigter seinen wettbewerbsrechtlichen Anspruch als Mittel einsetzt, um sich oder einem Dritten erhebliche Gelder zu verschaffen. Dazu ist ihm die Klagebefugnis nicht eingeräumt worden.
Das gleiche gilt auch, wenn als „Preis“ für die Abstandnahme von einem Abmahnverfahren die Aufgabe der Geschäftsbeziehung zu dem Lieferanten des Unterlassungsschuldners und die Aufnahme einer Geschäftsbeziehung zu Unterlassungsgläubiger selbst verlangt wird. Auch in diesem Fall geht es nicht in ausreichendem Maße um einen Schutz der Allgemeinheit vor unlauteren geschäftlichen Handlungen (hier Irreführung), sondern allein um den eigenen geschäftlichen Vorteil. Dies zeigt sich vor allem daran, dass der Gläubiger über das Ziel einer Unterbindung der weiteren Verwendung der irreführenden Aussage „hinausgeschossen“ ist. Denn die Allgemeinheit wäre durch eine Einstellung der beanstandeten Handlung geschützt, der Gläubiger verlangte aber mehr, nämlich die Aufnahme einer Geschäftsbeziehung zu ihr selbst. Dies dient ersichtlich alleine seinem eigenen Vorteil.
Verzicht auf Unterlassungsansprüche
Die Rechtsprechung begegnet jeglichen Versuchen, sich den Unterlassungsanspruch aus § 8 UWG 'abkaufen' zu lassen, skeptisch und nimmt in solchen Fällen einen Rechtsmissbrauch an. Denn der Unterlassungsanspruch ist insbesondere den Mitbewerber nicht deshalb gegeben, um sich dadurch einen unmittelbaren wirtschaftlichen Vorteil zu verschaffen, sondern um die Lauterkeit im Wettbewerb wieder herzustellen. Wer abgemahnt worden ist und eine Gegenabmahnung ausspricht, um den Gegner zur Rücknahme seiner Abmahnung oder zu einem Verzicht auf eine Unterlassungserklärung zu veranlassen, handelt in der Regel rechtsmissbräuchlich.
OLG Hamm, Urt. v. 8.11.2012, 4 U 86/12, II.2.b, c
Jedenfalls bei der Abmahnung vom 18. November 2011 ging es der Beklagten erkennbar nicht um den lauteren Wettbewerb. Ihre mit der Abgabe der Unterlassungserklärung verbundene eigene Rechtsverfolgung diente nach dem Wortlaut des Schreibens allein dazu, die vorherige Abmahnung zu neutralisieren und im Hinblick auf eine mögliche Kostenerstattung eine gleich hohe Gegenforderung zu begründen. … Die Abmahnung wegen der eigenen Verstöße der Klägerin erfolgte in erster Linie, um diese zu dem vorgeschlagenen Verzicht auf die Vertragsstrafenansprüche zu veranlassen und die Position der Beklagten im Hinblick auf Kostenerstattungsansprüche zu verbessern. … Nach der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs und der vorgeschlagenen Vertragsstrafe von 5.001,-- EUR für jeden Fall der Zuwiderhandlung schlug die Beklagte ausdrücklich eine Vereinbarung im Wege eines Vergleiches dahin vor, dass die Klägerin aus der abgegebenen Unterlassungserklärung nicht gegen die Beklagten vorgeht, insbesondere auf Vertragsstrafeansprüche verzichtet. Im Gegenzug sollte die Beklagte dann in Bezug auf den jetzt gerügten Verstoß auf die Abgabe einer Unterlassungserklärung verzichten. Die gegenseitigen Ansprüche sollten sämtlich erledigt sein. … Die für den Schutz des lauteren Wettbewerbs so wichtige Beseitigung der Wiederholungsgefahr war somit für die Beklagte gerade nicht von besonderer Bedeutung. Das zeigt weiter, dass die Beklagte auch nach dem Scheitern des Vergleichs nichts unternommen hat, um ihre vermeintlichen Ansprüche durchzusetzen. Sie hat insbesondere keine Unterlassungsklage erhoben. ...
Es reicht unter diesen Umständen für ein rechtsmissbräuchliches Verhalten aus, dass gerade die hiesige Abmahnung der Beklagten mit ihren Besonderheiten in erster Linie und damit sachfremd als Druckmittel eingesetzt wurde, um die Klägerin zu dem vorgeschlagenen Vergleich zu veranlassen. Für den Einsatz als Druckmittel spricht insbesondere, dass eine besonders belastende Unterlassungserklärung verlangt und die Aufforderung zur Abgabe dieser Unterlassungserklärung sogleich wieder zur Disposition gestellt wird.
S.a. OLG Hamm, Urt. v. 19.8.2010, 4 U 35/10; OLG Hamm, Urt. v. 11.7.2013, 4 U 34/13, Tz. 93
OLG Frankfurt, Beschl. v. 10.5.2024, 6 W 41/24
Ein Missbrauch kann anzunehmen sein, wenn ein Anspruch geltend gemacht wird, nachdem der Anspruchsberechtigte zuvor vergeblich versucht hat, sich die Anspruchsberechtigung „abkaufen“ zu lassen (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 22.6.2004. 4 U 13/04, Tz. 32 f., zur Erledigung der Angelegenheit gegen Zahlung von 500.000 Euro; OLG München, Urt. v. 22.12.2011, 29 U 3463/11, Tz. 71 f. - Ablauf eines titulierten Unterlassungsanspruchs, Branchenbuchformular; ...). Zwar rechtfertigt die bloße Unnachgiebigkeit des Anspruchstellers (Goldmann aaO, § 8c Rn. 44) oder seine Bereitschaft zu einer vergleichsweisen Regelung noch nicht den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs. Dieser Vorwurf kann aber gerechtfertigt sein, wenn der Anspruchsteller anbietet, die Fortsetzung des als unlauter beanstandeten Verhaltens im Fall einer Gegenleistung zu dulden (vgl. OLG Frankfurt, Urt. v. 11.1.2018, 6 U 150/17, Tz. 19 - 3 Jahre Garantie).
Einschränkend:
OLG München, Urt. v. 14.11.2013, 1888/13, II. 1
In der obergerichtlichen Rechtsprechung wird in bestimmten Fallgestaltungen ein Rechtsmissbrauch dann bejaht, wenn die Rechtsverfolgung des Antragstellers allein dazu dient, die vorherige Abmahnung des Antragsgegners aus der Welt zu schaffen und höhere Gegenforderungen zu begründen, da es dem Antragsgegner dann nicht in erster Linie um die Unterbindung des wettbewerbswidrigen Verhaltens des Antragsgegners geht, sondern sachfremde Gründe im Vordergrund stehen, nämlich die Streitigkeit zu erledigen, ohne dass gerade auch das Abstellen der beanstandeten Verstöße gesichert wird (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 20.1.2011, Az. I-4 U 175/10, Tz. 39,40).
Dies ist jedoch vorliegend nicht der Fall. Die Formulierung auf S. 2 des anwaltlichen Begleitschreibens der Antragstellerin vom 3.1.2013, in der diese vorschlägt, dass vor dem Hintergrund der wechselseitig erhobenen Ansprüche "in Erwägung gezogen werden sollte, die Angelegenheiten einvernehmlich beizulegen" und "...beispielsweise erwogen werden könne, gegenseitig auf die Abgabe von strafbewehrten Unterlassungserklärungen zu verzichten", lässt nicht die zwingende Schlussfolgerung zu, dass es der Antragstellerin auf die Lauterkeit des Wettbewerbs bei ihrer Abmahnung nicht ankam, sondern allein sachfremde Erwägungen, insbesondere die Beseitigung der eigenen Kostenerstattungspflicht und die Fortsetzung ihres nicht wettbewerbskonformen Verhaltens eine Rolle gespielt haben.
Zur Abmahnaktion einer Internetapotheke, gegen die vom Bayerischen Apothekenverband mehrfach gerichtlich vorgegangen wurde und gegen die hohe Ordnungsgelder verhängt wurden:
OLG München, Urt. v. 25.4.2013, 29 U 194/13
Das vorrangige Motiv dieses Vorgehens liegt offenkundig nicht darin, Wettbewerbsverstöße der Antragsgegner aufzuzeigen und zukünftig zu unterbinden, sondern durch diese gewählte Verfahrensweise … ein Druckpotential aufzubauen, damit dieser aus seinen erwirkten Titeln nicht weiter gegen die Antragstellerin vorgeht … Letztlich werden die sachfremden Motive der Antragstellerin deutlich durch den von ihr unterbreiteten …Vergleichsentwurf, in dem die Antragstellerin vorschlägt, auf alle ihr erwachsenen Ansprüche aus den Testkäufen zu verzichten, wenn der BAV seinerseits bereit ist, auf seine in den abgeschlossenen Verfahren erworbenen Ansprüche und Rechte zu verzichten, die entsprechenden Titel gegen die Antragstellerin zu entwerten und aus diesen nicht mehr vorzugehen.
… Die Antragstellerin benutzt somit ihre Antragsbefugnis gegenüber dem Antragsgegner und den anderen Apothekern, bei denen sie Testkäufe durchgeführt hat, um trotz der bestehenden Unterlassungstitel ihre Geschäfte unter Fortsetzung ihrer Rabattverstöße sanktionslos fortsetzen zu können und sich finanzielle Vorteile bezüglich der vom BAV gegen sie gerichteten Verfahren zu "erkaufen"; dies ist rechtsmissbräuchlich (vgl. OLG München GRUR-RR 2012, 169, 171 – Branchenbuchformular).
Das gilt aber nicht, wenn der ursprünglich Abmahnende auf eine Gegenabmahnung hin anregt, die Unterlassungsansprüche wechselseitig fallen zu lassen.
OLG Bremen, Beschl. v. 1.7.2013, 2 U 44/13
Dass es der Klägerin hier nicht … darauf ankam, einen gegen sie gerichteten Angriff abzuwehren, zeigt sich bereits daran, dass sie als erste die Beklagte wegen verschiedener Wettbewerbsverstöße abmahnte. Genau umgekehrt zu dem zuletzt geschilderten Fall des OLG Hamm entgegnete hierauf die Beklagte mit eigenen Vorwürfen, statt die begehrte Unterlassungsverpflichtung abzugeben, so dass diese es war, die sich aus Sicht der Klägerin … unlauter verhielt.
Allerdings ist es nicht anstößig, für zukünftige Rechtsverletzungen eines modus vivandi zu finden.
BGH, Urt. v. 21.1.2021, I ZR 17/18, Tz. 45 - Berechtigte Gegenabmahnung
Gegen den Schluss auf ein im Sinne von § 8 Abs. 4 Satz 1 UWG aF (§ 8c Abs. 1 und 2 UWG) missbräuchliches Verhalten spricht dessen in dem Schreiben vom ... gemachter Vorschlag, die Parteien sollten die wechselseitig gerügten Verstöße einstellen und bei von ihnen in der Zukunft festgestellten Verstößen versuchen, diese ohne kostenauslösende Abmahnungen abzustellen. Dieser Vorschlag zielte als pragmatische Lösung darauf ab, künftig ein beiderseits wettbewerbskonformes Verhalten zu erreichen, ohne dass die Parteien dabei darauf verzichteten, Ansprüche im Falle des Nichtzustandekommens einer Einigung doch noch gerichtlich geltend zu machen.
Nichtigkeit entsprechender Verträge
Verträge, die über den Verzicht auf die Durchsetzung eines Titels geschlossen werden, sind nach § 138 BGB nichtig.
OLG München, Urt. v. 22.12.2011, 29 U 3463/11, S. 8 - Abkauf eines titulierten Titels
Das Rechtsgeschäft, das in der Gestattung der durch die einstweilige Verfügung verbotenen Handlungen gegen Zahlung eines Betrags von mindestens einer Million Euro liegt, ist gemäß § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig und daher nichtig.
Ist eine Kommerzialisierung in einem Lebensbereich anstößig, so kann das zur Sittenwidrigkeit eines entgeltlichen Rechtsgeschäfts führen.
Das Lauterkeitsrecht räumt Unternehmern und Verbänden Unterlassungsansprüche mit dem Ziel ein, Mitbewerber, Verbraucher sowie sonstige Marktteilnehmer vor unlauteren geschäftlichen Handlungen zu schützen; gleichzeitig soll dadurch das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb geschützt werden (vgl. § 1 UWG). Insbesondere dienen Unterlassungsansprüche wegen irreführender geschäftlicher Handlungen auch dem Schutz der Marktgegenseite. Lässt sich der Inhaber eines solchen Anspruchs, der nicht - wie etwa ein Anspruch wegen gezielter Mitbewerberbehinderung oder aus ergänzendem wettbewerblichen Leistungsschutz (vgl. BGH GRUR 2009, 416 - Küchentiefstpreis-Garantie Tz. 22 f.) - nur seine Interessen, sondern die Interessen Dritter und der Allgemeinheit schützt, seine Berechtigung vom Schuldner abkaufen, so läuft das der Funktion des Unterlassungsanspruchs zuwider, weil nicht die entsprechenden unlauteren Handlungen unterbunden und dadurch die Drittinteressen geschützt werden, sondern die Handlungen fortgesetzt werden und die Drittinteressen weiterhin beeinträchtigen können. Jedenfalls wenn zudem die Zahlung an den Gläubiger gerade aus den Einnahmen aus den rechtlich missbilligten Geschäften stammt, und der Schuldner deshalb einen zusätzlichen Ansporn hat, die unlautere Praxis fortzuführen, um so seiner Zahlungsverpflichtung nachkommen zu können, wird die Kommerzialisierung des lauterkeitsrechtlichen Unterlassungsanspruchs derart anstößig, dass sie als sittenwidrig i. S. d. § 138 Abs. 1 BGB anzusehen ist.
Sicherung eigener rechtswidrig erlangter Vorteile
Es ist rechtsmissbräuchlich, wenn ein Unternehmer einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch einsetzt, um sich dadurch die wirtschaftlichen Vorteile zu sichern, die er sich durch eine eigenes rechtwidriges, insbesondere wettbewerbswidriges Verhalten verschafft hat.
OLG Frankfurt, Urt. v. 9.12.2011, 25 U 106/11, Tz. 10
Die Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs verstößt gegen § 8 Abs. 4 UWG i.V.m. § 242 BGB, wenn es der Gläubigerin darum geht, die Früchte ihres eigenen, ihr wettbewerbsrechtlich bereits untersagten Verhaltens zu ernten. Das hat nichts mit der Frage zu tun, ob und inwieweit im Wettbewerbsrecht der aus dem angloamerikanischen Rechtsraum überlieferte Einwand der „unclean hands“ Gültigkeit beanspruchen kann. Vielmehr geht es um die seit jeher im Rahmen von § 242 BGB bekannte Fallgruppe, dass Vorteile aus einer Rechtsposition dann nicht geltend gemacht werden können, wenn diese Position auf unredliche Weise erlangt worden ist.
Verzicht gegen Geld
OLG Hamburg, Urt. v. 7.7.2010, 5 U 16/10
Ein Anspruch wird missbräuchlich geltend gemacht, wenn der Anspruchsberechtigte zuvor vergeblich versucht hat, sich die Anspruchsberechtigung „abkaufen“ zu lassen. Es stellt nämlich eine sachfremde Erwägung dar, wenn ein Anspruchsberechtigter seinen wettbewerbsrechtlichen Anspruch als Mittel einsetzt, um sich oder einem Dritten erhebliche Gelder zu verschaffen. Dazu ist ihm die Klagebefugnis nicht eingeräumt worden. Es geht bei der Durchsetzung von Wettbewerbsansprüchen nicht nur um die Durchsetzung von Individualansprüchen, sondern auch um die Reinhaltung des Wettbewerbs im Interesse der Mitbewerber, der Verbraucher und der Allgemeinheit. Mit dieser Interessenwahrnehmung verträgt es sich in keiner Weise, wenn ein Mitbewerber seine Klagebefugnis nicht zur Unterbindung von Wettbewerbsverstößen nutzt, sondern sie unter Hinnahme weiterer Verstöße in Geld umzusetzen sucht und damit missbraucht.
ebenso OLG Hamm, Urt. v. 20.1.2011, I-4 U 175/10, B.II.1,2
OLG München, Urt. v. 22.12.2011, 29 U 3463/11, S. 10 - Abkauf eines titulierten Titels
Ein Mitbewerber missbraucht seine Klagebefugnis, wenn er sie nicht zur Unterbindung von Wettbewerbsverstößen einsetzt, sondern sie unter Hinnahme weiterer Verstöße des Anspruchsgegners in finanzielle Vorteile für sich umzuwandeln versucht, indem er sich die Anspruchsdurchsetzung abkaufen lassen will. Es stellt eine sachfremde Erwägung dar, wenn er seinen wettbewerbsrechtlichen Anspruch als Mittel einsetzt, um sich erhebliche Gelder zu verschaffen. Dazu ist ihm die Klagebefugnis nicht eingeräumt worden. Es geht bei der Durchsetzung von lauterkeitsrechtlichen Unterlassungsansprüchen, zumal wegen Irreführung, nicht nur um die Durchsetzung von Individualansprüchen, sondern auch um die Schutz des lauteren Wettbewerbs im Interesse der Mitbewerber, der Verbraucher und der Allgemeinheit. Dieser Interessenwahrnehmung läuft es zuwider, wenn ein Mitbewerber seine Klagebefugnis nicht zur Unterbindung von Wettbewerbsverstößen nutzt, sondern sie unter Hinnahme weiterer Verstöße in Geld umzusetzen sucht.
Ebenso OLG Hamburg, Urt. v. 11.8.2016, 3 U 56/15
OLG Frankfurt, Urt. v. 11.1.2018, 6 U 150/17, II.2.e
Der Vorwurf der "Erpressung" von "Lösegeldzahlungen" könnte zwar den Tatbestand des § 8 IV UWG begründen. Das setzt aber voraus, dass die Antragstellerin zumindest angeboten hätte, sich den ihr zustehenden Unterlassungsanspruch "abkaufen zu lassen", d.h. im Fall einer entsprechenden Gegenleistung, insbesondere Zahlung, die Fortsetzung des von ihr als unlauter erkannten Verhaltens zu dulden. Dagegen rechtfertigt eine bloße Bereitschaft zu einer vergleichsweisen Regelung, etwa zur Gewährung von Aufbrauchs- oder Umstellungsfristen oder zum Verzicht auf Schadensersatzansprüche, den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs noch nicht.
OLG Köln, Urt. v. 29.5.2013, 6 U 220/12, Tz. 259
Davon abzugrenzen ist allerdings der Fall, dass die Klägerin mit dem vorliegenden Verfahren versucht haben soll, Einfluss auf eine markenrechtliche Auseinandersetzung in Großbritannien zu nehmen. … Im vorliegenden Fall können vielmehr die Vorgehensweise der Klägerin und eine etwaige markenrechtliche Auseinandersetzung in Großbritannien als Teilaspekte einer umfassenden Auseinandersetzung zwischen konkurrierenden Unternehmen oder Unternehmensgruppen auf dem Markt der Bach-Blüten-Produkte und Nahrungsergänzungsmittel verstanden werden. Eine solche Motivation stellt sich aber nicht als sachfremd dar.
Vom BGH in BGH, Urt. v. 11.12.2014, I ZR 113/13, Tz. 17 – Bezugsquellen für Bachblüten nicht beanstandet.
OLG Hamburg, Urt. v. 7.7.2010, 5 U 16/10
Es stellt eine sachfremde Erwägung dar, wenn ein Anspruchsberechtigter seinen wettbewerbsrechtlichen Anspruch als Mittel einsetzt, um sich oder einem Dritten erhebliche Gelder zu verschaffen. Dazu ist ihm die Klagebefugnis nicht eingeräumt worden.
Verselbständigung der Abmahntätigkeit des Rechtsanwalts
BGH, Vers.-Urt. v. 26.8.2018, I ZR 248/16, Tz. 21 – Abmahnaktion II
Ein Anhaltspunkt für eine missbräuchliche Rechtsverfolgung kann sich daraus ergeben, oder der Abmahnende systematisch überhöhte Abmahngebühren oder Vertragsstrafen verlangt (BGH, GRUR 2016, 961 Rn. 15 - Herstellerpreisempfehlung bei Amazon, mwN). Weiteres Indiz für ein missbräuchliches Vorgehen ist es, wenn der Abmahnende an der Verfolgung des beanstandeten Wettbewerbsverstoßes kein nennenswertes wirtschaftliches Interesse haben kann, sondern seine Rechtsverfolgung aus der Sicht eines wirtschaftlich denkenden Gewerbetreibenden allein dem sachfremden Interesse der Belastung seiner Mitbewerber mit möglichst hohen Kosten dient. Das ist etwa der Fall, wenn der Prozessbevollmächtigte des Klägers das Abmahngeschäft "in eigener Regie" betreibt, allein um Gebühreneinnahmen durch die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen zu erzielen.
Ebenso BGH, Urt. v. 14..2.2019, I ZR 6/17, Tz. 21 - Kündigung der Unterlassungsvereinbarung; OLG Nürnberg, Urt. v. 15.1.2019, 3 U 724/18, Tz. 27OLG Hamburg, Urt. v. 11.8.2016, 3 U 56/15
OLG Nürnberg, Urt. v. 15.1.2019, 3 U 724/18, Tz. 28
Das Fehlen einer ordnungsgemäßen Bevollmächtigung spricht für die Missbräuchlichkeit der Abmahnung, was anzunehmen ist, wenn nur eine Blankovollmacht unterschrieben wurde. Dann liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass die ausgesprochene Abmahnung nicht auf einen einzelnen individuellen Auftrag der Klagepartei zurückzuführen ist, sondern auf Eigeninitiative ihres Prozessbevollmächtigten beruht.
Behinderungsabsicht
OLG Frankfurt, Beschl. v. 10.5.2024, 6 W 41/24
Die Annahme einer missbräuchlichen Anspruchsverfolgung kommt auch in Betracht, wenn die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs von der Absicht getragen ist, den Verletzer im Wettbewerb zu behindern oder zu schädigen (Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 42. Auflage 2024, § 8c Rn. 37).
Wurde im konkreten Fall bejaht.
KG, Beschl. v. 12.5.2021, 5 W 58/21, Tz. 32
Unter dem Gesichtspunkt einer Wettbewerbsbehinderung (vgl. § 4 Nr. 4 UWG) kann eine Anspruchsverfolgung nur dann missbräuchlich sein, wenn sich für sie objektiv kein anderer Grund feststellen lässt als das Bestreben, den Verletzer im Wettbewerb zu behindern oder ihn sogar zu schädigen (MüKoUWG/Fritzsche, 2. Aufl. 2014, UWG § 8 Rn. 471). … Es besteht grundsätzlich ein allgemeines Interesse an der Unterbindung aller spürbaren Wettbewerbsverstöße und liegt es im Wesen der Anspruchsberechtigung von Mitbewerbern (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 UWG), dass die Einhaltung von Marktverhaltensregeln auch von denjenigen, die hierdurch ihre eigene Marktposition stärken können, sichergestellt wird.
OLG Saarbrücken, Urt. v. 23.6.2010, 1 U 365/09 – 91
Missbräuchlich ist die Geltendmachung des wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs insbesondere, wenn sie maßgeblich von der Absicht getragen ist, den Verletzer im Wettbewerb zu behindern. Zwar ist es grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn der Anspruchsberechtigte nur gegen einen oder einzelne von mehreren Verletzer vorgeht, da es den in Anspruch Genommenen freisteht, ihrerseits gegen die anderen Verletzer vorzugehen. Etwas anderes gilt aber, wenn die Auswahl des in Anspruch Genommenen diskriminierend erfolgt.
OLG Köln, Urt. v. 29.5.2013, 6 U 220/12, Tz. 257
Neben dem im Gesetz ausdrücklich genannten Fall, dass die Rechtsverfolgung vorwiegend der Gebührenerzielung dient … stellt sich die Rechtsverfolgung auch dann als missbräuchlich dar, wenn sie maßgeblich von der Absicht getragen ist, den Verletzer im Wettbewerb zu behindern.
Ebenso OLG Köln, Urt. v. 21.8.2015, 6 U 41/15, Tz. 31, dass darunter auch den Fall fasst, dass der Anspruchsgegner den Verletzer mit möglichst hohen Prozesskosten und Risiken belastet und seine personellen und finanziellen Kräfte gebunden werden sollen.
OLG Hamm, Urt. v. 26.7.2011, I-4 U 49/11, B.II.a
Der Kläger ist massiv und konzentriert vor allem gerade gegen die Beklagte vorgegangen, bei der er bis Januar 2005 beschäftigt war und die er mit Beginn seiner eigenen gewerblichen Tätigkeit als seine unmittelbare Mitbewerberin besonders beobachtet. … Nur im Falle der Angebotsdarstellung bei wap.ebay im Jahre 2008 ging der Kläger auch gegen andere Mitbewerber vor.
Allein schon dieses massive Vorgehen des Klägers gegen die Beklagte birgt ein erhebliches und unverhältnismäßiges Kostenrisiko. Gerade die Verbindung hoher Gegenstandswerte mit einem nicht übermäßig hohen operativen Geschäftsvolumen kann den Verdacht begründen, dass sich die Abmahntätigkeit irgendwann verselbständigt hat und vorrangig Behinderungszwecke verfolgt … Berücksichtigt man dies alles, erscheinen die Abmahnungen mit einem solchen Kostenrisiko jedenfalls nicht wirtschaftlich vernünftig, auch wenn sie für sich ebenfalls noch nicht zwingend auf einen Rechtsmissbrauch hindeuten.
Neben der ungewöhnlichen damaligen Konzentrierung der Angriffe des Klägers auf die Beklagte und dem damit verbundenen erheblichen Kostenrisiko sprechen gerade auch die Äußerungen des Klägers in verschiedenen Internetforen für andere Motive als die Reinhaltung des Wettbewerbs:
- "Ausschalten" der Konkurrenz mittels Abmahnung;
- dass es ihm darum gehe, in seiner Nische keinen Wettbewerber mit besonders günstigen Preisen mehr zu dulden, damit er seine Preise erhöhen könne
Wahl des Gerichtsstands
Ein Rechtsmissbrauch kann vorliegen, wenn die Umstände des Einzelfalls dafür sprechen, dass es dem Anspruchsberechtigten mit der Art und Weise der Durchsetzung des Anspruchs darum geht, dem Gegner einer Rechtsverteidigung möglichst schwer zu machen, um dadurch eine Rechtsverteidigung möglichst zu verhindern. Das kann beispielsweise anzunehmen sein, wenn der Anspruchsberechtigte die Grundsätze zur örtlichen Zuständigkeit zulasten des Gegners so einsetzt, dass er seinen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung oder seine Klage an einem Gerichtsstand geltend macht, der räumlich möglichst weit vom Antragsgegner entfernt ist. Im Grundsatz gilt aber: Der Anspruchsteller darf unter allen in Betracht kommenden Gerichtsständen frei auswählen. Dies hat der BGH in einem Beschluss bestätigt, in dem es der Sache nach um die Erstattung von Reisekosten ging, die durch die Wahrnehmung eines Termins am dritten (entfernten) Gerichtsstand entstanden sind:
BGH, Beschl. v. 12.9.2013, I ZB 42/13, Tz. 11f
Die Partei darf ihr berechtigtes Interesse verfolgen und die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderlichen Schritte ergreifen. Sie ist lediglich gehalten, unter mehreren gleichartigen Maßnahmen die kostengünstigste auszuwählen. Insoweit sind Gesichtspunkte denkbar, die aus der Sicht ex ante einer verständigen und wirtschaftlich vernünftig handelnden Partei eine Klageerhebung an einem dritten Ort als sachdienlich erscheinen lassen. So kann es zu den berechtigten Interessen des Klägers gehören, bei der ihm gesetzlich eingeräumten Wahl des Gerichtsstandes zu berücksichtigen, ob ein Gericht nach Einschätzung seines Prozessbevollmächtigten bereits Erfahrungen in dem für sein Klagebegehren maßgebenden Sach- oder Rechtsgebiet aufweist oder sogar spezialisierte Spruchkörper gebildet hat. Dass eine Spezialisierung des Gerichts der sachlichen Förderung oder schnelleren Erledigung von Rechtsstreitigkeiten dienen kann, ist vom Gesetzgeber ausdrücklich anerkannt (vgl. § 140 Abs. 2 MarkenG; § 105 UrhG; § 92 GWB; § 143 Abs. 2 PatG; § 13a GVG) und kann von der klagenden Partei auch sonst bei der Auswahlentscheidung gemäß § 35 ZPO zugrunde gelegt werden, ohne dass dies zu Kostennachteilen führt. Ebenso ist es grundsätzlich nicht rechtsmissbräuchlich, sondern entspricht seinem berechtigten Interesse an einer erfolgreichen Rechtsdurchsetzung, wenn der Kläger aus prozesstaktischen Erwägungen einen Gerichtsstand wählt, an dem nach Einschätzung seines Prozessbevollmächtigten für sein konkretes Begehren voraussichtlich die besten Erfolgsaussichten bestehen.
Da der nach diesen Gesichtspunkten vom Kläger ausgewählte Gerichtsstand naturgemäß auch ein Ort sein kann, der weder mit dem Gerichtsstand des Beklagten noch mit dem des Sitzes seines Prozessbevollmächtigten übereinstimmt, sondern unter Umständen weit von diesen entfernt liegt, ist dieser Umstand für sich allein nicht geeignet, eine rechtsmissbräuchliche Ausübung des Wahlrechts gemäß § 35 ZPO anzunehmen.
Im Zusammenhang mit dem Rechtsmissbrauchtatbestand des § 8 Abs. 4 UWG:
OLG Hamm, Urt. v. 23.8.2011, I-4 U 67/11, Tz. 45
Der Senat hat schon wiederholt entschieden, dass es dem Kläger im Rahmen seines Wahlrechts unbenommen bleiben muss, einen Gerichtsstand zu wählen, an dem mit einer für ihn günstigen Rechtsprechung zu rechnen ist. Es stellt gerade keine zweckwidrige Ausnutzung von formal gegebenen Rechtspositionen dar, wenn der Gerichtsstand nach der mutmaßlichen Erfolgsaussicht ausgewählt wird. Insbesondere kann aus einer solchen Ausübung des Wahlrechts unter Ausnutzung eines etwaigen Rechtsprechungsgefälles auch nicht auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten geschlossen werden (vgl. auch Köhler/Bornkamm, UWG, § 8 Rdn. 4.23).
OLG Hamm, Urt. v. 10.9.2013, 4 U 48/13, Tz. 86 f
§ 14 Abs. 2 UWG eröffnet den besonderen Gerichtsstand des Tatortes. Dieser umfasst sowohl den Handlungsort als auch den Erfolgsort. In Anbetracht der Verbreitung des Internets ist prinzipiell jeder Ort der Bundesrepublik Deutschland als Erfolgsort anzusehen. Damit besteht eine Vielzahl von Tatortgerichtsständen (sog. fliegender Gerichtsstand), zwischen denen die Antragstellerin nach § 35 ZPO die freie Wahl hatte (vgl. Ahrens-Bähr, Kap. 17 Rdnr. 15ff.).
Das von der Antragstellerin insoweit praktizierte „Forum Shopping“ ist im Rahmen des deutschen Wettbewerbsrechts grundsätzlich zulässig (vgl. Köhler/Bornkamm, § 8 UWG Rn. 4.23). Die Antragstellerin … durfte sich zur Durchsetzung ihres Verfügungsanspruchs dasjenige Landgericht in Deutschland aussuchen, vor dem sie sich die größten Erfolgsaussichten für ihr Begehren versprach.
OLG Köln, Urt. v. 13.7.2018, 6 U 180/17, Tz. 358 - DWD
Gemäß § 35 ZPO hat der Kläger die Wahl unter mehreren zuständigen Gerichten (hier ergibt sich die Zuständigkeit von mehreren Gerichten aus § 32 ZPO), ohne dass das Gesetz das Wahlrecht an weitere Voraussetzungen knüpft. Die Wahlfreiheit besteht deshalb bis zur Grenze des Rechtsmissbrauchs im Einzelfall, unabhängig davon, welcher Gerichtsstand die geringsten Kosten für den Gegner verursachen würde (vgl. BGH, Beschl. v. 12.9.2013, I ZB 40/13). Für die Frage, ob die Wahl eines Gerichtsstands rechtsmissbräuchlich ist, sind auch die Interessen des Klägers zu berücksichtigen. Zu diesen berechtigten Interessen im Rahmen der Wahl des Gerichtsstandes ist zu berücksichtigen und daher grundsätzlich nicht als rechtsmissbräuchlich anzusehen, wenn der Kläger – wie im Streitfall – aus prozesstaktischen Erwägungen einen Gerichtsstand wählt, an dem nach Einschätzung seines Prozessbevollmächtigten für sein konkretes Begehren voraussichtlich die besten Erfolgsaussichten bestehen (vgl. BGH, Beschl. v. 12.9.2013, I ZB 40/13, juris).
Ausnahmsweise kann die Wahl des Gerichtsstand ein Indiz für einen Rechtsmissbrauch sein.
KG, Beschl. v. 25.1.2008, 5 W 371/07
Mag normalerweise allein die Anzahl ausgesprochener Abmahnungen für sich genommen noch nicht genügen, um einen Missbrauch anzunehmen, so wird im Streitfall das missbräuchliche Verhalten der Antragstellerin aber jedenfalls dadurch belegt, dass sie ihre Prozessführung in besonders kostenverursachender Weise gestaltet, ohne dass dies durch triftige und vernünftige Gründe gerechtfertigt ist. Denn es ist Indiz für einen Missbrauch, wenn dem Anspruchsberechtigten schonendere Möglichkeiten der Anspruchsdurchsetzung zur Verfügung stehen, die er ohne triftigen Grund nicht nutzt.
Der Senat ist nach Würdigung aller Umstände davon überzeugt, dass die Antragstellerin die von ihr beanstandeten Wettbewerbsverletzungen schonender, d.h. vor allem weniger kostenintensiv hätte verfolgen können. Denn die Antragstellerin macht in einer großen Anzahl, wenn nicht gar in der Mehrzahl der Fälle, in denen sie ihre wettbewerbsrechtlichen Ansprüche gerichtlich durchzusetzen versucht, den Prozess unter Berufung auf den im vorliegenden Fall einschlägigen sog. fliegenden Gerichtsstand (§ 14 Abs. 2 S. 1 UWG) bei Gerichten anhängig, die in erheblicher Entfernung zum Geschäfts-/Wohnsitz des Verletzers liegen, ohne dass hierfür schutzwürdige Interessen der Antragstellerin erkennbar sind.
Die durch die Regelung des fliegenden Gerichtsstands ermöglichte deutschlandweite Gerichtswahl schließt die Annahme einer rechtsmissbräuchlichen Wahl im Einzelfall nicht aus. Grundsätzlich ist es allerdings nicht als missbräuchlich (§ 8 Abs. 4 UWG) anzusehen, wenn der Kläger das ihm bequemste oder genehmste Gericht auswählt, also beispielsweise sein Heimatgericht oder das Gericht mit der ihm am günstigsten erscheinenden Rechtsprechung. Es ist gerade in Rechtsstreitigkeiten des gewerblichen Rechtsschutzes weder ungewöhnlich noch anrüchig, wenn angreifende Wettbewerber im Hinblick auf den häufig eröffneten "fliegenden Gerichtsstand" das gerichtliche Forum wählen, welches ihnen im Hinblick auf die dort vorherrschende Rechtsprechung zur Erreichung ihrer Prozessziele am meisten Erfolg versprechend erscheint. Dieser Effekt ist im Hinblick auf § 14 Abs. 2 UWG Ausdruck des gesetzgeberischen Willens. Jede auf den Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs wegen Ausnutzung eines bestehenden "Rechtsprechungsgefälles" gestützte Beschränkung der zur Entscheidung zuständigen Gerichte, die weiter geht als die aus den jeweils anwendbaren allgemeinen Regelungen über die örtliche Zuständigkeit, bedeutet nicht nur eine Verweigerung des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG), sondern zugleich auch eine Missachtung des Gleichheitsgebots. Die Ausnutzung des "fliegenden" Gerichtsstands nach § 14 Abs. 2 UWG, § 35 ZPO ist also grundsätzlich keine unzulässige Rechtsausübung. Denn die Gerichtswahl nach § 35 ZPO kennt grundsätzlich keine Einschränkung, und zwar auch dann nicht, wenn ein Antragsteller unter Ausnutzung diesbezüglicher Möglichkeiten die Rechtsprechung verschiedener Gerichte sozusagen "testet".
Die von der Antragstellerin und ihrer Tochtergesellschaft praktizierte Gerichtsstandswahl zeichnet sich jedoch durch die Besonderheit aus, dass sie offenkundig darauf abzielt, ein dem jeweiligen Gegner ortsfernes Gericht auszuwählen, was aber - auch unter Zugrundelegung vorstehender Grundsätze - die Annahme des Missbrauchs nahe legt:
... Die Verletzer werden deutschlandweit in Anspruch genommen, und zwar möglichst weit von ihrem Wohn- und Geschäftssitz entfernt, und zwar auch dann, wenn das Sitz- oder das nächstgelegene Gericht zum Kreis der ansonsten vom Gläubiger Präferierten zählt. Als besonders krass empfindet es der Senat insoweit, dass vor dem Landgericht Köln ein Antragsgegner aus Hamburg (ferner auch aus Bautzen und Pirmasens) in Anspruch genommen wird, wohingegen vor dem Landgericht Hamburg Antragsgegner aus Bonn und aus der Nähe von Düsseldorf in Anspruch genommen werden, und dass ein Gegner aus der Nähe von Würzburg in Berlin, ein Gegner aus Göppingen demgegenüber in Würzburg in Anspruch genommen wird. Des Weiteren werden etwa Gegner aus Bremen oder Umgebung in Braunschweig oder Berlin und Gegner aus Kaiserslautern oder Pforzheim in Magdeburg in Anspruch genommen. Mangels anderer Anhaltspunkte für wirklich sachliche Motive lässt diese Vorgehensweise - mit Blick auf die drohenden Reisekosten zum Gerichtsort - auf Schädigungsabsicht schließen.
Weitergehend:
OLG Brandenburg, Beschl. v. 17.9.2009, 6 W 141/09
Für Rechtsmissbrauch im Sinne des § 8 Abs: 4 UWG spricht die aus der folgenden Überlegung resultierende, durch das Vorbringen der Antragstellerin nicht ausgeräumte tatsächliche Vermutung:
Aus der Sicht eines vernünftigen und auf sparsame Prozessführung bedachten Rechtsgenossen hätte es nahegelegen, den Antrag beim Landgericht Dresden als dem aus Sicht der Antragstellerin nächstgelegenen Gericht oder andernfalls bei dem für den Geschäftssitz der Antragsgegnerin zuständigen Landgericht Bonn einzureichen. Die Antragstellerin geht aber unter Berufung auf die bundesweite Verbreitung der Internetpräsentation gegen die Antragsgegnerin beim Landgericht Frankfurt (Oder) vor, ohne Angaben zu den Gründen dieser Wahl des Gerichtsstandes zu machen. Dies lässt nur den Schluss zu, dass die Antragstellerin, die nach Kenntnis des Gerichts auch in nicht unerheblichem Umfang in anderen gleichartigen Fällen abmahnend tätig ist, sich scheut, vor dem für ihren Firmensitz zuständigen Landgericht Dresden allzu deutlich als Vielabmahnerin in Erscheinung zu treten, andererseits aber mit der Wahl eines für die Antragsgegnerin weit entfernt liegenden Gerichtsstandes dieser die Rechtsverteidigung möglichst kostspielig machen und sie dadurch von der Rechtsverteidigung abhalten will.
Paralleles Verfügungs- und Klageverfahren
BGH, Urt. v. 6.4.2000, I ZR 76/98, II.2. - Missbräuchliche Mehrfachverfolgung
Es kann sich als missbräuchlich erweisen, dass der Unterlassungsgläubiger, ohne hierzu - etwa mit Blick auf den drohenden, auf andere Weise nicht zu verhindernden Eintritt der Verjährung - genötigt zu sein, neben dem Verfahren der einstweiligen Verfügung gleichzeitig ein Hauptsacheverfahren anstrengt, ohne abzuwarten, ob die beantragte Verfügung erlassen wird und der Schuldner dies in einer Abschlusserklärung als endgültige Regelung akzeptiert.
Ein paralleles Klageverfahren ist auch zulässig, wenn für den Gläubiger schon zu erwarten ist, dass er im einstweiligen Verfügungsverfahren aufgrund der Rechtsprechung des OLGs unterliegen wird.
BGH, Vers-Urt. v. 23.3.2023, I ZR 17/22, Tz. 22 – Aminosäurekapseln
Ein Anhaltspunkt für ein rechtsmissbräuchliches Verhalten kann sich grundsätzlich auch daraus ergeben, dass der Unterlassungsgläubiger ohne sachliche Notwendigkeit neben dem Verfahren der einstweiligen Verfügung gleichzeitig ein Hauptsacheverfahren anstrengt, ohne abzuwarten, ob die beantragte Verfügung erlassen wird und der Schuldner dies in einer Abschlusserklärung als endgültige Regelung akzeptiert (vgl. BGHZ 144, 165 [juris Rn. 22 und 46] - Missbräuchliche Mehrfachverfolgung). Für den Streitfall wurde ein rechtsmissbräuchliches Verhalten zu Recht deshalb verneint, weil der Beklagte gegen die einstweilige Verfügung bereits Widerspruch erhoben und das im einstweiligen Verfügungsverfahren zuständige Oberlandesgericht in einer vergleichbaren Sache die Klage abgewiesen gehabt habe. Der Kläger habe daher Anlass zur Befürchtung gehabt, mit dem einstweiligen Verfügungsverfahren nicht das von ihm angestrebte Ziel zu erreichen.
Retourkutsche
BGH, Urt. v. 21.1.2021, I ZR 17/18, Tz. 44 - Berechtigte Gegenabmahnung
Der Umstand, dass der Kläger, nachdem er zuvor vom Beklagten wegen eines vergleichbaren Verstoßes abgemahnt worden war, seinerseits ... gegen diesen eine Abmahnung ausgesprochen und Ersatz der ihm dadurch entstandenen Kosten verlangt hat, weist nur darauf hin, dass er damit im Ergebnis nicht schlechter stehen wollte als der Beklagte, der seinerseits zuvor gegen den Kläger ... eine Abmahnung ausgesprochen hatte. Für die Annahme eines Rechtsmissbrauchs reicht diese Motivation nicht aus.
Ebenso OLG Hamm, Urt. v. 20.7.2021, 4 U 72/20, Tz. 105
OLG Nürnberg, Urt. v. 18.7.2032, 3 U 1092/23, Tz. 28
Der Umstand, dass das wettbewerbsrechtliche Vorgehen sich als Reaktion auf ein entsprechendes Vorgehen der Gegenseite darstellt („Retourkutsche“), begründet für sich genommen noch nicht den Einwand des Missbrauchs (BGH, GRUR 2012, 949 Rn. 26 – Missbräuchliche Vertragsstrafe). Es reicht insoweit nicht aus, wenn nach einer Abmahnung, einer Klage oder einem Verfügungsantrag das Verhalten des Abmahnenden, Klägers oder Antragstellers überprüft und dieser danach wegen vorgefundener aktueller eigener Verstöße seinerseits abgemahnt oder gerichtlich verfolgt wird (OLG Hamm, Urteil vom 08.11.2012 – 4 U 86/12, GRUR-RS 2013, 11705).
KG Berlin, Beschl. v. 13.4. 2010, 5 W 65/10
Eine Abmahnung ist nicht allein schon deshalb missbräuchlich, weil es sich um einen Gegenangriff auf eine vorangegangene Abmahnung des Dritten. Nichts desto trotz ist schon die Ausgangssituation einer "Retourkutsche" regelmäßig nicht unbedenklich und sie zwingt den (abgemahnten) Abmahnenden in einem besonderen Maß zu einer zurückhaltenden, kostenschonenden Verfahrensweise. Denn es ist nach der Lebenserfahrung nicht völlig fern liegend, dass die eigene Abmahnung vorwiegend deshalb ausgesprochen werden soll, um (auch) den Gegner kostenmäßig zu belasten, so wie der Abmahnende zuvor selbst kostenmäßig belastet worden ist.
OLG Hamm, Urt. v. 7.7.2009, 4 U 28/09
Allein der Umstand, dass es sich bei einer Abmahnung um eine so genannte "Retourkutsche" bzw. einen "Denkzettel" handelt, genügt grundsätzlich nicht für die Annahme eines Missbrauchs im Sinne von § 8 Abs. 4 UWG. Das der Abmahnende seinerseits verbotswidrig handeln mag ("unclean hands"), ist regelmäßig ebenfalls nicht maßgeblich.
Ebenso OLG Hamm, Urt. v. 11.7.2013, 4 U 34/13; OLG Frankfurt v. 05.12.2008, 6 W 157/08; OLG Bremen v. 08.08.2008, 2 U 69/08; OLG Köln, Urt. v. 21.8.2015, 6 U 41/15, Tz. 32
OLG Hamm, Urt. v. 10.9.2013, 4 U 48/13, Tz. 71
Selbst wenn das Vorgehen der Antragsgegnerin Auslöser für das Handeln der Antragstellerin gewesen sein mag, sagt dieser Umstand nichts über die sodann mit der Abmahnung verfolgten Motive aus.
OLG München, Urt. v. 14.11.2013, 1888/13, II.1
Der Umstand, dass ein Mitbewerber erst aus Anlass einer eigenen vorangegangenen Inanspruchnahme im Sinne einer "Retourkutsche" einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch gegenüber geltend macht, begründet kein rechtsmissbräuchliches Verhalten, denn ein Mitbewerber geht seiner Anspruchsberechtigung nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG nicht schon dadurch verlustig, dass er sich selbst in der Vergangenheit einer "erfolgreichen" Abmahnung ausgesetzt gesehen hat.
OLG Köln, Urt. v. 30.8.2024, 6 U 25/24 (WRP 2024, 1380)
Für die Annahme von Rechtsmissbrauch ist es nicht ausreichend, dass die Gegenabmahnung des Klägers in zeitlichem und situativem Zusammenhang mit der von dem Beklagten ausgesprochenen Abmahnung bzw. dem Verfügungsverfahren vor dem Landgericht Düsseldorf stand, mithin der Kläger gegen die Beklagte im Wege einer „Retourkutsche“ vorgegangen ist. Dies ist für sich betrachtet nicht missbräuchlich. Vielmehr reicht es aus, wenn nach einer Abmahnung oder Klage das Verhalten des Abmahnenden überprüft wird und sodann Verstöße entdeckt werden (Senat, GRUR-RR 2021, 176, 178 Rn. 27 – Zeitsprung 1883).
ABER:
Die Retourkutsche wird rechtsmissbräuchlich, wenn sie alleine dem Zweck gedient,
- sich mit dem Gegner bspw. darauf zu einigen, dass beide ihre erhobenen Unterlassungsansprüche wechselseitig fallen lassen oder
- Kostenansprüche zu generieren, mit denen dann gegen die Kosten der Erstabmahnung aufgerechnet werden kann.
OLG Hamm, Urt. v. 20.1.2011, I-4 U 175/10, B.II.1,2
Rechtsmissbrauch liegt vor, wenn der Anspruchsberechtigte versucht hat, sich den Anspruch abkaufen zu lassen. So hat der Senat etwa in der Sache 4 U 35/10, Urt. v. 19.08.2010, eine Rechtsmissbräuchlichkeit aus dem Grunde angenommen, dass dort eine Vereinbarung dahin getroffen werden sollte, dass die dortige Gegnerin nicht mehr gegen die Klägerin und ihre Partner vorgeht. Es war insofern in Aussicht gestellt, dass diese dann in Ruhe gelassen würde. Ein solches Junktim ist mit den wettbewerblichen Interessen, die den Mitbewerbern die Klagebefugnis geben, nicht mehr zu vereinbaren und missbraucht sie somit.
Ebenso OLG Hamm, Urt. v. 8.11.2012, 4 U 86/12, Tz. 40; OLG Köln, Urt. v. 21.8.2015, 6 U 41/15, Tz. 32
S.a. Rechtsmissbrauch durch Forderung auf Verzicht von Unterlassungsansprüchen.
Erschleichen einer einstweiligen Verfügung
Erschleichen einer einstweiligen Verfügung durch Falschvortrag
OLG München, Urt. v. 8.6.2017, 29 U 1210/17, II.1.b – Vorenthalten der Abmahnungserwiderung
Die Geltendmachung der Ansprüche ist missbräuchlich, weil die Antragsteller versucht haben, den Erlass der einstweiligen Verfügung durch eine grobe Verletzung ihrer prozessualen Wahrheitspflicht zu erschleichen. Gemäß § 138 Abs. 1 ZPO haben die Parteien ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben. Statt in der Antragsschrift lediglich mitzuteilen, dass die Antragsgegner der Aufforderung zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung nicht nachgekommen sind, waren die Antragsteller verpflichtet, mitzuteilen, dass die Antragsgegner die Ansprüche vorprozessual zurückgewiesen haben, und das Schreiben der Antragsgegner vom 19.01.2017 vorzulegen. Wegen der Nichterwähnung des Antwortschreibens der Antragsgegner ist die Antragsschrift dahingehend zu verstehen, dass eine Reaktion der Antragsgegner auf die Abmahnung nicht erfolgt ist.
Dieser Verstoß gegen die prozessuale Pflicht zu vollständigen und wahrheitsgemäßen Erklärungen wiegt vorliegend deswegen besonders schwer, weil die Antragsgegner ausdrücklich den Erlass einer einstweiligen Verfügung ohne mündliche Verhandlung beantragt und ausgeführt hatten, der unkollegialen, unseriösen und rechtswidrigen Praxis der Antragsgegner sei durch sofortige einstweilige Verfügung Einhalt zu gebieten, und überdies die Antragsgegner im Schreiben vom 19.01.2017 die Antragsteller in Fettdruck darauf hingewiesen hatten, dass das Schreiben gemäß § 138 Abs. 1 ZPO, § 263 StGB dem Gericht unaufgefordert vorzulegen sei.
... Maßgeblich für die Missbräuchlichkeit des Vorgehens der Antragsteller ist nicht, ob das rechtliche Gehör der Antragsgegner tatsächlich verletzt worden ist, sondern, dass die Antragsteller versucht haben, sich unter planmäßig-gezielter Gehörsvereitelung einen Titel zu erschleichen (vgl. KG GRUR-RR 2017, 128 zum Rechtsmissbrauch beim Forum-Shopping).
... Der Versuch der Erschleichung eines Titels durch einen groben Verstoß gegen die prozessuale Wahrheitspflicht ist auch dann missbräuchlich, wenn der geltend gemachte Anspruch materiell berechtigt ist.
Ebenso OLG München, Urt. v. 19.8.2021, 29 U 6406/20, Tz. 4
Diese Entscheidung des OLG München wird mittlerweile durch einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts gestützt (BVerfG, Beschl. v. 30.9.2018, 1 BvR 1783/17, II.2.a; näheres dazu hier). Darin hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass ein Gericht verfassungswidrig handelt, wenn es nicht dafür Sorge trägt, dass der Antragsgegner in einem einstweiligen Verfügungsverfahren ausreichend Gelegenheit hat, sich zu verteidigen. Diese Verteidigung kann auch im Rahmen einer vorprozessualen Abmahnung erfolgen. Wer nicht abmahnt, hat keinen Anspruch auf eine einstweilige Verfügung ohne mündliche Verhandlung oder ohne dass das Gericht dem Gegner Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat. Wer abmahnt, darauf eine Antwort erhält und diese mit der Begründung, dass nicht geantwortet wurde vorenthält, erschwindelt sich einen Verfassungsbruch.
BVerfG, Beschl. v. 3.12.2020, 1 BvR 2575/20, Tz. 12
Erwiese sich der von der Beschwerdeführerin dargestellte Sachverhalt im weiteren Verlauf des Widerspruchsverfahrens als zutreffend, so bildete dies jedenfalls ein Indiz für ein rechtsmissbräuchliches Verhalten im Sinne von § 8c UWG und § 242 BGB. Dem Verfügungsantrag stünde dann der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegen. Bei Vorliegen eines Rechtsmissbrauchs nach § 8c UWG entfällt die Klagebefugnis, und die auf Unterlassung oder Beseitigung gerichtete Klage ist als unzulässig abzuweisen.
s.a. OLG Frankfurt, Beschl. v. 22.2.2019, 6 W 9/19 ("Ein Indiz für ein rechtsmissbräuchliches Vergehen nach § 8 Abs. 4 UWG kann darin gesehen werden, dass der Antragsteller die Reaktion des Antragsgegners auf eine vorgerichtliche Abmahnung verschweigt.")
Andererseits weist das OLG Nürnberg darauf hin, dass nicht jedes Verschweigen eines Kontaktes oder einer Reaktion des Antragsgegners zur Annahme eines Rechtsmissbrauchs führt:
OLG Nürnberg, Hinweisbeschl. v. 22.4.2021, 3 U 700/21, Tz. 31 f
Eine grobe Verletzung der prozessualen Wahrheitspflicht kann zu bejahen sein, wenn der Antragsteller seine Verpflichtung aus § 138 Abs. 1 ZPO, sich vollständig und wahrheitsgemäß zu erklären, dadurch verletzt, dass er lediglich vorträgt, der Antragsgegner habe auf Abmahnung keine Unterlassungserklärung abgegeben, und verschweigt, dass sich der Antragsgegner umfangreich dazu geäußert hat, weshalb die Abmahnung unberechtigt sei (OLG München, Urt. v. 8.6.2017, 29 U 1210/17 - Vorenthalten der Abmahnungserwiderung).
Dagegen ist es nicht als rechtsmissbräuchlich anzusehen, wenn mit dem Antrag zwar die Abmahnantwort vorgelegt, ein weiterer telefonischer Kontakt zwischen den Parteien dem Gericht jedoch nicht mitgeteilt wird. Die Wiedergabe des Inhalts von Telefongesprächen weist typischerweise eine geringe Validität, zumal der Inhalt von den Gesprächsparteien unterschiedlich wahrgenommen und wiedergegeben wird (OLG Frankfurt, Beschl. v. 22.2.2019, 6 W 9/19, Tz. 10 - gekaufte Kundenbewertungen).
OLG Frankfurt, Beschl. v. 3.7.2023, 6 W 50/23, B.3
Ein Indiz für ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen kann darin gesehen werden, dass der Antragsteller die Reaktion des Antragsgegners auf eine vorgerichtliche Abmahnung verschweigt. Die prozessuale Wahrheitspflicht nach § 138 Abs. 1 ZPO verpflichtet den Antragsteller zu vollständiger Erklärung über die tatsächlichen Umstände (BVerfG WRP 2021, 461, Rnr. 13 unter Verweis auf OLG Frankfurt, Beschl. v. 22. 2. 2019, 1 W 9/19). Zu Recht weist die Antragsgegnerin indes darauf hin, dass der damit verbundene Vorwurf der gezielten Gehörsvereitelung regelmäßig nur unter den Besonderheiten des einseitig geführten Eilverfahrens in Betracht kommt, weil nur unter diesen besonderen Umständen der Antragstellerin mehr Vortrag abverlangt werden kann.
Ist das Verfahren nach Kenntnis der Antragstellerin zweiseitig, kann der Versuch der Gehörsvereitelung der Antragstellerin schlechterdings nicht vorgeworfen werden
Zum (abgelehnten) Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses im Presserecht unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG zur prozessualen Waffengleichheit siehe OLG Hamburg, Beschl. v. 13.1.2022, 7 W 156/21.
Sonstiges Vorenthalten einer Stellungnahme des Antragsgegners
Das OLG München hat zuletzt angedeutet, dass es auch darin einen Rechtsmissbrauch sieht, dass eine beim Antragsteller nach der Antragstellung eingegangene Erwiderung des Antragsgegners nicht unverzüglich an das Gericht weitergeleitet wird (OLG München, Beschl. v. 8.8.2019, 29 W 940/19 - Dringlichkeitsschädliche Sachbehandlung).
OLG München, Urt. v. 19.8.2021, 29 U 6406/20, Tz. 4
Die prozessuale Wahrheitspflicht nach § 138 Abs. 1 ZPO verpflichtet den Antragsteller zu vollständiger Erklärung über die tatsächlichen Umstände (BVerfG, WRP 2021, 461 Rn. 13 unter Verweis auf OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 22. Februar 2019 - 1 W 9/19, BeckRS 2019, 12651 Rn. 10). Kann dem Antragsteller eine planmäßig gezielte Gehörsvereitelung zur Erschleichung eines Titels vorgeworfen werden, kann ein Verfügungsantrag als rechtsmissbräuchlich zurückzuweisen sein (BVerfG, WRP 2021, 461 Rn. 13 unter Verweis auf Senat, Urteil vom 8. Juni 2017 - 29 U 1210/17, WRP 2017, 1523). Entsprechendes kann auch in Betracht kommen, wenn eine vor Antragstellung lediglich vom Antragsgegner angekündigte außergerichtliche Stellungnahme dem Antragsteller erst nach Einreichung des Antrags zugeht, der Antragsteller diese dem Gericht aber gleichwohl nicht unaufgefordert zur Kenntnis bringt (vgl. Senat, WRP 2019, 1375, 3. Leitsatz - Dringlichkeitsschädliche Sachbehandlung).
OLG München, Urt. v. 19.8.2021, 29 U 6406/20, Tz. 8
Ein ersichtlich bewusstes Vorenthalten des außergerichtlichen Schriftwechsels ... kann nicht mehr als redliche Prozessführung angesehen werden, sondern stellt einen Verstoß gegen die aus § 138 Abs. 1 ZPO folgende prozessuale Wahrheitspflicht dar, der nicht anders zu beurteilen ist als das vorsätzliche Verschweigen außergerichtlicher Korrespondenz vor der Antragstellung. Denn in einem einstweiligen Verfügungsverfahren, das seitens des Gerichts einseitig geführt wird und in dem der Antragsgegner somit keine Gelegenheit hat, sich gegenüber dem Gericht entsprechend dem jeweiligen Verfahrensstand zu äußern, treffen nicht nur das Gericht aus den Grundsätzen der prozessualen Waffengleichheit resultierende Pflichten, sondern hat auch der Antragsteller alles ihm Zumutbare und Mögliche zu unternehmen, um das Gericht in die Lage zu versetzen, eine sachgerechte Entscheidung darüber zu treffen, ob, wann und wie der Antragsgegner vor einer Entscheidung in der Sache einzubeziehen ist. Dazu gehört regelmäßig das unaufgeforderte und unverzügliche Einreichen eines die Streitsache betreffenden Schriftsatzes der bislang nicht am Verfahren beteiligten Gegenseite auch dann, wenn das Verfahren bereits in Gang gesetzt wurde und der außergerichtliche Schriftsatz der Gegenseite erst danach, aber vor einer Entscheidung des Gerichts die Antragstellerseite erreicht.
OLG München, Urt. v. 19.8.2021, 29 U 6406/20, Tz. 15
Ob die Antragstellerin dies möglicherweise nicht für nötig befunden hat, weil sie den Inhalt des Schriftsatzes nicht für relevant gehalten hat, ist unerheblich. Denn die Beurteilung der Relevanz tatsächlicher und rechtlicher Ausführungen obliegt nicht der Antragstellerin oder den Antragstellervertretern, sondern dem Gericht, zumal dieses aufgrund dessen in eigener Verantwortung hätte beurteilen können müssen, ob die zu diesem Zeitpunkt ersichtlich beabsichtigte Entscheidung ohne Beteiligung des Antragsgegners noch sachgerecht war oder aber die Grundsätze der prozessualen Waffengleichheit eine förmliche Beteiligung der Gegenseite am Verfahren erforderten bzw. die besondere Dringlichkeit für eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung anders beurteilt werden musste.
OLG München, Urt. v. 19.8.2021, 29 U 6406/20, Tz. 21
Jedenfalls dann, wenn bislang noch keine Stellungnahme der Gegenseite vorgelegt wurde und ein nach Antragstellung, aber vor der Beschlussverfügung in einem einseitigen Verfahren beim Antragsteller eingehender außergerichtlicher Schriftsatz der Gegenseite tatsächliche und/oder rechtliche Ausführungen in Bezug auf verfahrensgegenständliche Ansprüche oder Aspekte enthält, ist die unverzügliche Weiterleitung dieses Schriftsatzes an das Gericht zwingend, um es in die Lage zu versetzen, aufgrund der geänderten Umstände entscheiden zu können, wie weiter zu verfahren ist. Unterbleibt dies, verhindert der Antragsteller seinerseits und unabhängig vom Gericht, dass der Antragsgegner das ihm zustehende rechtliche Gehör erhält.
Selektives Vorgehen gegen einzelne Mitbewerber
OLG Köln, Urt. v. 9.9.2022, 6 U 92/22, Tz. 37
Dass die Klägerin gegen eine Vielzahl anderer Unternehmen nicht vorgeht, stellt kein Indiz für missbräuchliches Vorgehen dar, weil es ihr selbst überlassen ist, gegen wen sie gerichtlich vorgeht (vgl. BGH, Urteil vom 05.10.2017 – I ZR 172/16 -, juris Rn. 15 – Großhandelszuschläge). Bei einer Vielzahl von gleichgelagerten Verstößen kann sie nicht gezwungen sein, gegen alle Mitbewerber vorzugehen.
Heilung
OLG München, Urt. v. 19.8.2021, 29 U 6406/20, Tz. 16f
Eine Heilung des rechtsmissbräuchlichen Verhaltens der Antragstellerin kommt nicht in Betracht.
Die hier vorliegende Fallkonstellation ist nicht mit derjenigen zu vergleichen, in der aufgrund einer Verletzung rechtlichen Gehörs durch das Gericht eine Beschlussverfügung ohne Beteiligung des Gegners erlassen wurde, welche bei ordnungsgemäßer Beachtung der vom BVerfG aufgestellten Grundsätze zur prozessualen Waffengleichheit so nicht hätte ergehen dürfen. In letzteren Fällen nimmt die Rechtsprechung zu Recht an, dass eine derartige Gehörsverletzung nicht mit einem Widerspruch geltend gemacht werden kann, da jedenfalls im Widerspruchsverfahren wegen § 936, § 925 Abs. 1 ZPO nur über die Rechtmäßigkeit der einstweiligen Verfügung im maßgeblichen Zeitpunkt der daraufhin anzuberaumenden mündlichen Verhandlung zu entscheiden ist. Widerspruch und mit Blick auf § 513 ZPO auch eine Berufung gegen eine die einstweilige Verfügung bestätigende Entscheidung können in solchen Fällen zudem schon deswegen nicht zur Aufhebung der Beschlussverfügung führen, weil die gerichtliche Entscheidung nicht auf der eigenständigen Verletzung der Verfahrensgrundrechte beruht, sondern (bei unterstelltem Verfügungsanspruch und -grund) bei verfahrensordnungs- und grundrechtskonformen Vorgehen gerade keine andere Entscheidung in der Sache zu erwarten gewesen wäre (OLG Köln, MDR 2019, 1023 Rn. 45).
Diese Grundsätze finden aber auf den hier zu entscheidenden Fall schon deshalb keine Anwendung, weil vorliegend ... allein die Frage zu entscheiden ist, ob die Antragstellerin gegen die ihr obliegende prozessuale Wahrheitspflicht verstoßen hat, sich deshalb rechtsmissbräuchlich verhalten hat und ihre grundsätzlich bestehende prozessuale Befugnis, ihre (unterstellten) Verfügungsansprüche in einem Eilverfahren zu verfolgen, daher gem. § 242 BGB als unzulässig ausgeübt anzusehen ist.
Sonstige Stichworte
Ein Indiz sind zahlreiche Abmahnungen von Händlern, nachdem der Abmahnende gegen den Hersteller bereits ein Unterlassungsurteil erwirkt hatte, aus dem aber wegen der fortgesetzten Verstöße durch die Händler keine Zwangsvollstreckungsmaßnahmen eingeleitet hat.
OLG Köln, Urt. v. 10.2.2018, 6 U 22/16 (WRP 2018, 867)
Es ist nachvollziehbar und wirtschaftlich sinnvoll, den Hersteller, und damit die Quelle der Störung, anzugehen. Der Sinn und Zweck eines erstrittenen Urteils liegt jedoch darin, bei Nichteinhaltung des Urteils daraus zu vollstrecken und seine Ansprüche gegen den Hersteller im Wege der Zwangsvollstreckung durchzusetzen.
Aber obwohl die Klägerin behauptet hat, festgestellt zu haben, dass trotz ihrer Verurteilung die Streithelferin ihre Briefkastenkennzeichnung zunächst nicht umgestellt hatte und weiter Briefkästen mit den untersagten Werbeaussagen im Handel zu finden waren, hat sie darauf verzichtet, gegen die Streithelferin aus dem Urteil zu vollstrecken. Obwohl sie erst sehr spät von der Umkennzeichnung durch die Streithelferin erfahren haben will, hat sie nicht – was naheliegend gewesen wäre – aus dem erstrittenen Urteil vollstreckt und nicht versucht, den Hersteller mithilfe des erstrittenen vorläufig vollstreckbaren Urteils zeitnah zur Umstellung zu zwingen.
Weniger streng wohl OLG München, Urt. v. 27.10.2016, 29 U 1152/16, Tz. 19
Sonstige Indizien
BGH, Urt. v. 21.1.2021, I ZR 17/18, Tz. 45 - Berechtigte Gegenabmahnung
- die Tatsache, dass der Kläger nicht nur den Beklagten abgemahnt, sondern den dabei geltend gemachten Unterlassungsanspruch später auch gerichtlich geltend gemacht hat, spricht gegen ein missbräuchliches Verhalten
OLG Hamm, Urt. v. 11.7.2013, 4 U 34/13
- Androhung einer anwaltlichen Abmahnung „unter Ausnutzung der vorgesehenen Höchstgrenze“ (Tz. 80)
- „Gleichklang der Fristen“ für Unterlassungserklärung und Kostenerstattung (Tz. 83)
- für den Fall des fruchtlosen Verstreichens auch nur einer dieser Fristen weitere Kosten androhen, obwohl auch für ein solches „Drohszenario“ im Hinblick auf die Zahlungsforderung kein Grund bestand (Tz. 84)
-
Statt zunächst für das eigene wettbewerbskonforme Verhalten zu sorgen, nahm er die Abmahnung zunächst zum Anlass, der Beklagten nunmehr seinerseits fast gleiche Verstöße vorzuwerfen (Tz. 88)
- Unterlassungsansprüche nicht zeitnah, sondern erst kurz vor Ablauf der Verjährungsfrist gerichtlich weiterverfolgt (Tz. 90)
OLG Hamm, Urt. v. 19.11.2013, 4U 65/13, Tz. 30ff
- Abmahntätigkeit in keinem vernünftigen wirtschaftlichen Verhältnis zur gewerblichen Tätigkeit des Abmahnenden (Tz. 30)
- systematisch überhöhte Abmahngebühren oder Vertragsstrafen (Tz. 30), z.B. eine bewusst überhöhte 1,5 Geschäftsgebühr für die Abmahnung (Tz. 32) oder ein erhöhter Gegenstandswert (Tz. 33)
- nicht die Wahl des aussichtsreichsten Gerichtsstands (Tz. 41)
OLG Nürnberg, Urt. v. 12.11.2013, 3 U 410/13, B.I.1.a
- weiteres Indiz ist, dass keine Unterlassungsansprüche gerichtlich verfolgt werden oder
- dass die gerichtliche Verfolgung von Unterlassungsansprüchen erst in die Wege geleitet wird, nachdem negative Feststellungsklagen erhoben wurden, oder
- wenn nur die Abmahnkosten im Mahnbescheidsverfahren geltend gemacht werden.
OLG Brandenburg, Urt. v. 29.4.2014, 6 U 201/12, II.1.b.aa
- es ist unerheblich, dass der Text der vom Kläger vorformulierten Unterlassungserklärung zu weit gefasst oder nicht hinreichend bestimmt war. Selbst wenn dies der Fall wäre, würde dies allenfalls dazu führen, dass das Unterlassungsverlangen des Klägers unbegründet, nicht jedoch rechtsmissbräuchlich wäre.
OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.8.2014, I-2 U 33/14, Tz. 56
- selektives Vorgehen gegen einen von mehreren Unterlassungsschuldnern, z.B. Hersteller oder Händler, reicht als solches nicht aus
OLG München, Urt. v. 3.9.15, 29 U 0721-15 - Kopfhörer-Registrierung
- Unterhaltung eines Fremdgeldkontos bei einem Unternehmen in einer wirtschaftlichen Schieflage, dass mit Einnahmen aus Wettbewerbsverfahren gefüllt wurde und alleine der Finanzierung von Wettbewerbsverfahren diente.
OLG Köln, Urt. v. 21.8.2015, 6 U 41/15, Tz. 32 ff
- Ankündigung einer Abmahnkampagne, um den Anspruchgegner zu einem bestimmten Verhalten zu zwingen;
- kurze Fristen für Unterlassungserklärungen verbunden mit der Ablehnung einer Verlängerungsbitte
OLG Frankfurt, Urt. v. 24.5.2015, 6 U 101/14, II.2.c
- Abmahnung von Händlern, die die Ware gar nicht vorrätig hatten, nachdem schon der Hersteller und Großhändler abgemahnt wurden: "Es ist nicht ersichtlich, welchen wirtschaftlichen Sinn es machen soll, nach Abmahnung des Herstellerunternehmens und des Großhandels gegen einzelne Apotheker vorzugehen, die das Produkt "A" weder beworben noch vorrätig gehalten haben."
OLG Hamburg, Urt. v. 11.8.2016, 3 U 56/15
- Für einen Rechtsmissbrauch kann auch sprechen, dass sich der Gläubiger auf die Verfolgung einfacher Wettbewerbsverstöße beschränkt oder dass er kein Ordnungsmittelverfahren betreibt, weil es für ihn nicht mit finanziellen Vorteilen verbunden ist.
OLG Celle, Urt. v. 8.12.2016, 13 U 72/16
- Kurze Fristen von 8 bis 10 Tagen sind in Wettbewerbssachen aufgrund des besonderen Interesses des Abmahnenden an der Abstellung des Wettbewerbsverstoßes durchaus üblich und angemessen.
- Sind die Unsicherheiten der Rechtsverfolgung überschaubar, wird man nur im Ausnahmefall davon ausgehen können, dass ein wirtschaftlich denkender Kaufmann das Risiko nicht eingegangen wäre, um die ihn beeinträchtigenden Wettbewerbsverstöße abstellen zu lassen.
OLG Karlsruhe, Urt. v. 27.9.2017, 6 U 10/16
- Unternehmen in der Krise ohne eigene finanzielle Mittel und mit vermögenslosem Geschäftsführer (Tz. 26),
- falscher Vortrag zum Umfang der Geschäftstätigkeit (Tz. 27),
- Zweifel, dass der abmahnende Rechtsanwalt bei erfolglosen Abmahnungen bezahlt wird (Tz. 29),
- Verdacht der Verselbständigung der Anwaltstätigkeit (Tz. 30)
OLG Hamburg, Urt. v. 5.7.2012, 3 U 65/10, II.3.d – 40 #1 Hits THE SIXTIES
Es ist grundsätzlich nicht missbräuchlich, wenn der Anspruchsberechtigte nur gegen einen von mehreren Verletzern vorgeht, denn es steht dem Inangespruchgenommenen frei, seinerseits gegen die anderen Verletzer vorzugehen (BGH GRUR 2001, 178 – Impfstoffversand an Ärzte; Köhler/Bornkamm, UWG, § 8 Rn. 4.21).
OLG Nürnberg, Urt. v. 19.5.2015, 3 U 578/15, II.1.c
Die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs ist nicht rechtsmissbräuchlich nach § 8 Abs. 4 UWG, weil ein eigener Verbandsmitarbeiter des Verfügungsklägers durch einen verdeckten Anruf den abgemahnten Sachverhalt ermittelt hat. Denn es ist grundsätzlich zulässig Testmaßnahmen durchzuführen, um Lauterkeits- oder Vertragsverstöße eines Gewerbetreibenden aufzudecken (Köhler a.a.O., § 4 Rn. 10.161 m.w.N.). Der Unternehmer, der sich mit seinem Angebot an die Öffentlichkeit wendet, muss solche Maßnahmen im Interesse der Allgemeinheit und der betroffenen Mitbewerber dulden, sofern sich der Tester wie ein normaler Nachfrager verhält. Dies ist vorliegend der Fall. Dass die Anruferin "heimlich" vorgegangen ist, macht ihr Verhalten nicht unzulässig. Der Einsatz verwerflicher Mittel ist nicht dargetan.