1. Ersatzanspruch des Abmahnenden aus § 13 Abs. 3 UWG
b. Voraussetzung: Berechtigte Abmahnung
ii. Vorliegen einer inhaltlich und formell gesetzeskonformen Abmahnung
iii. Berechtigte und erforderliche Abmahnung
(a) Berechtigung der Abmahnung
(b) Erforderlichkeit der Abmahnung
iv. Irrtum über den Verantwortlichen
vi. Keine Berechtigung der Abmahnung allein wegen der Abgabe einer Unterlassungserklärung ?
c. Besonderheiten bei Telemedien, E-Commerce und Datenschutz
3. Ersatzanspruch des Abmahnenden aus Geschäftsführung ohne Auftrag?
4. Ersatzanspruch des Abmahnenden aus § 9 UWG ?
5. Ersatzanspruch gegen (ehemalige) Arbeitnehmer?
6. Ersatzanspruch des Abgemahnten
7. Zur Kostentragung im Gerichtsverfahren
8. Zu den Kosten der Aufforderung zur Abgabe einer Abschlusserklärung
Lit.: Buchmann, Felix/Panfili, Chiara, (K)ein selbständiger Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten?, WRP 2022, 1074
Ersatzanspruch des Abmahnenden aus § 13 Abs. 3 UWG
§ 13 Abs. 3 UWG bestimmt, dass der berechtigterweise Abgemahnte die Kosten der Abmahnung zu ersetzen hat. Damit sind in der Regel die Kosten des abmahnenden Rechtsanwalts, der vom Wettbewerber mit der Abmahnung beauftragt wurde, gemeint. Welche Kosten sich darüber hinaus dahinter verbergen können, wird an anderer Stelle dargestellt.
BGH, Urt. v. 19.5.2010, I ZR 140/08, Tz. 26 - Vollmachtsnachweis
Der Gläubiger kann Ersatz der ihm tatsächlich entstandenen und erforderlichen Aufwendungen verlangen. Dazu gehören die durch die Einschaltung eines Rechtsanwalts entstandenen Gebühren und Auslagen.
Es werden aber nur Kosten ersetzt, wenn sie im Zusammenhang mit der Abmahnung entstanden sind. Kosten, die danach aufgewendet werden, den Rechtsverstoß zu beweisen, gehören nicht dazu.
OLG Karlsruhe, Urt. v. 9.12.2020, 6 U 52/20 (bei juris)
Die Vorschrift erfasst allein die tatsächlich entstandenen erforderlichen Kosten der Abmahnung (vgl. Brüning in Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 4. Aufl., § 12 Rn. 84 ff).
OLG Karlsruhe, Urt. v. 9.12.2020, 6 U 52/20 (bei juris)
Ob die Klägerin es für erforderlich hätte halten dürften, bereits zur Vorbereitung der Abmahnung ... kostenpflichtige Dienste in Anspruch zu nehmen, ist unerheblich. Fiktive Kosten sind, auch wenn sie als erforderlich anzusehen gewesen wären, nach § 12 Abs. 1 Satz 2 ZPO nicht zu erstatten.
Zweck der Regelung
BGH, Urt. v. 21. 1. 2010, I ZR 47/09, Tz. 5 - Kräutertee
Es ist der Sinn der vorgerichtlichen Abmahnung nach § 12 Abs. 1 Satz 1 UWG (a.F.), dem Schuldner Gelegenheit zu geben, den Streit durch Abgabe einer mit einer angemessenen Vertragsstrafe bewehrten Unterlassungserklärung beizulegen. Die Abmahnung soll dem Schuldner den Weg weisen, wie er den Gläubiger klaglos stellen kann, ohne dass die Kosten eines Gerichtsverfahrens anfallen. Nur wenn die Abmahnung diese Funktion erfüllt, handelt es sich um eine berechtigte Abmahnung im Sinne von § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG (a.F.). Denn der gesetzliche Kostenerstattungsanspruch rechtfertigt sich daraus, dass die Abmahnung auch im Interesse des Schuldners liegt.
Ebenso OLG Karlsruhe, Urt. v. 9.12.2020, 6 U 52/20
BGH, Urt. v. 7.10.2007, I ZR 216/07, Tz. 13 – Schubladenverfügung
Zweck der Abmahnung ist es, dem Schuldner, der sich nicht streitig stellt, eine Möglichkeit zu geben, den Streit kostengünstig beizulegen.
BGH, Urt. v. 7.10.2007, I ZR 216/07, Tz. 11 – Schubladenverfügung
Die Bestimmung des § 12 Abs. 1 UWG regelt das Institut der Abmahnung und Unterwerfung sowie den Aufwendungsersatzanspruch. Die durch eine Verletzungshandlung veranlasste Abmahnung dient im Regelfall dem wohlverstandenen Interesse beider Parteien, da sie das Streitverhältnis auf einfache, kostengünstige Weise vorprozessual beenden und einen Rechtsstreit vermeiden soll. Auf dieses Rechtsinstitut der vorgerichtlichen Abmahnung bezieht sich auch die Regelung des Aufwendungsersatzanspruchs in § 13 Abs. 3 UWG.
Voraussetzung: Berechtigte Abmahnung
Vorliegen einer Abmahnung
Erste Voraussetzung für einen Kostenerstattungsanspruch ist es, dass überhaupt eine Abmahnung vorliegt. Näheres dazu hier.
OLG Karlsruhe, Urt. v. 27.6.2012, 6 U 15/11
Der Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten ist nicht begründet. Das vom Kläger hierzu vorgelegte Schreiben stellt rechtlich keine Abmahnung dar. Eine solche setzte voraus, dass der Kläger die Beklagte zur Abgabe einer Unterlassungserklärung auffordert und ihr für den Fall, dass sie nicht bereit ist, eine solche innerhalb der gesetzten Frist abzugeben, gerichtliche Schritte androht.
Vorliegen einer inhaltlich und formell gesetzeskonformen Abmahnung
Ein Aufwendungsersatzanspruch besteht nur, wenn die Abmahnung den inhaltlichen und formellen Voraussetzungen des § 13 Abs. 2 UWG genügt. Zu diesen Voraussetzungen siehe hier.
Berechtigte und erforderliche Abmahnung
BGH, Urt. v. 31.10.2018 - I ZR 73/17, Tz. 24 - Jogginghosen
Eine Abmahnung ist berechtigt im Sinne von § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG (a.F.), wenn sie begründet ist, ihr also ein materiell-rechtlicher Unterlassungsanspruch zugrunde liegt, und sie außerdem wirksam sowie erforderlich ist, um dem Unterlassungsschuldner einen Weg zu weisen, den Unterlassungsgläubiger ohne Inanspruchnahme der Gerichte klaglos zu stellen.
Ebenso BGH, Urt. v. 28.7.2022, I ZR 205/20, Tz. 23 - Servicepauschale II; BGH, Urt. v. 21.1.2021, I ZR 17/18, Tz. 13 - Berechtigte Gegenabmahnung; BGH, Urt. v. 19.7.2012, I ZR 199/10, Tz. 28 - Unbedenkliche Mehrfachabmahnung, BGH, Urt. v. 19.5.2010, I ZR 140/08, Tz. 16 f - Vollmachtsnachweis
Es kommt für die rechtliche Prüfung ausschließlich auf den Zeitpunkt an, zu dem die Abmahnung ausgesprochen wurde.
BGH, Urt. v. 21.1.2021, I ZR 17/18, Tz. 13 - Berechtigte Gegenabmahnung
Für den Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten ist das zum Zeitpunkt der Abmahnung geltende Recht maßgeblich.
Ebenso BGH, Urt. v. 13.7.2023, I ZR 152/21, Tz. 71 - muenchen.de; BGH, Vers-Urt. v. 23.3.2023, I ZR 17/22, Tz. 37 – Aminosäurekapseln; BGH, Urt. v. 28.7.2022, I ZR 205/20, Tz. 23 - Servicepauschale II; BGH, Urteil vom 27.1.2022, I ZR 7/21, Tz. 11; BGH, Urt. v. 18.11.2021, I ZR 214/18, Tz. 71 - Gewinnspielwerbung II; BGH, Urt. v. 9.12.2021, I ZR 146/20, Tz. 67 - Werbung für Fernbehandlung
BGH, Urt. v. 21.1.2021, I ZR 17/18, Tz. 32 - Berechtigte Gegenabmahnung
Der Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten ist anders als der Unterlassungsanspruch nicht in die Zukunft gerichtet. Dementsprechend kommt es für ihn nicht - wie für den Unterlassungsanspruch - außer auf die Umstände im Zeitpunkt seiner Entstehung im Falle seiner gerichtlichen Geltendmachung auch noch auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung an.
BGH, Urteil vom 27.1.2022, I ZR 7/21, Tz. 12
Der Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten ist kein im Verhältnis zum Unterlassungsanspruch unselbständiger Nebenanspruch, der als solcher das Schicksal des Hauptanspruchs teilt. Der Anspruch ist nur insofern unselbständig, als er dann nicht entsteht, wenn im Zeitpunkt des Zugangs der Abmahnung kein Unterlassungsanspruch (mehr) besteht und die Abmahnung daher unberechtigt ist. Der beim Vorliegen eines Unterlassungsanspruchs entstandene Erstattungsanspruch besteht dagegen alsdann unabhängig davon fort, ob der mit der Abmahnung geltend gemachte Unterlassungsanspruch fortbesteht, durch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung erloschen ist oder der späteren gerichtlichen Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs die Rechtsmissbräuchlichkeit der Klage entgegensteht.
Ebsnso BGH, Urt. v. 21.1.2021, I ZR 17/18, Tz. 34 - Berechtigte Gegenabmahnung
BGH, Urt. v. 21.1.2021, I ZR 17/18, Tz. 26 - Berechtigte Gegenabmahnung
In einer im Sinne von § 13 Abs. 3 UWG berechtigten Abmahnung ist (nur) der Sachverhalt, der den Vorwurf rechtswidrigen Verhaltens begründen soll, genau anzugeben und der darin erblickte Verstoß so klar und eindeutig zu bezeichnen ist, dass der Abgemahnte die gebotenen Folgerungen ziehen kann. Der Abmahnende muss daher (nur) die begangene Verletzungshandlung in tatsächlicher Hinsicht so detailliert schildern, dass dem Abgemahnten deutlich wird, was der Abmahnende konkret beanstandet und was der Abgemahnte abstellen oder künftig unterlassen soll (vgl. BGH, Urt. v. 12.2.2015, I ZR 36/11 - Monsterbacke II; Urt. v. 11.10.2017, I ZR 78/16 - Tiegelgröße). Dagegen unterliegt die Abmahnung als vorprozessuale Handlung nicht dem strengen Bestimmtheitsgrundsatz des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, sondern reicht es aus, dass sie dem Schuldner einen Weg weist, wie er sich verhalten soll, damit ein Prozess vermieden wird (vgl. BGH, Urt. v. 16.11.2006, I ZR 191/03 - Telefonwerbung für "Individualverträge").
Eine Abmahnung ist allerdings nur berechtigt, wenn sie den Rechtsverstoß, der in der beanstandeten geschäftlichen Handlung liegt, auch tatsächlich benennt. Es reicht nicht, dass die geschäftliche Handlung aus anderen Gründen beanstandet wird, die tatsächlich nicht gegeben sind.
BGH, Urt. v. 12.2.2015, I ZR 36/11, Tz. 44 - Monsterbacke II
Die von der Klägerin ausgesprochene Abmahnung war nicht berechtigt. In dem Abmahnschreiben ... hat die Klägerin lediglich geltend gemacht, das Zutatenverzeichnis auf der Verpackung des Produkts "Monsterbacke" entspreche nicht den Erfordernissen nach § 3 Abs. 3 LMKV, und der Slogan "So wichtig wie das tägliche Glas Milch!" stelle eine im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LFGB aF irreführende Lebensmittelwerbung dar. Das Abmahnschreiben versetzte die Beklagte damit nicht in die Lage, den vermeintlichen Verstoß gegen Art. 10 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 zu erkennen.
BGH, Urt. v. 21. 1. 2010, I ZR 47/09, Tz. 5 - Kräutertee
Es ist der Sinn der vorgerichtlichen Abmahnung nach § 12 Abs. 1 Satz 1 UWG, dem Schuldner Gelegenheit zu geben, den Streit durch Abgabe einer mit einer angemessenen Vertragsstrafe bewehrten Unterlassungserklärung beizulegen. Die Abmahnung soll dem Schuldner den Weg weisen, wie er den Gläubiger klaglos stellen kann, ohne dass die Kosten eines Gerichtsverfahrens anfallen. Nur wenn die Abmahnung diese Funktion erfüllt, handelt es sich um eine berechtigte Abmahnung im Sinne von § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG (a.F.). Denn der gesetzliche Kostenerstattungsanspruch rechtfertigt sich daraus, dass die Abmahnung auch im Interesse des Schuldners liegt.
Berechtigung der Abmahnung
Eine Abmahnung ist berechtigt, wenn der erhobene Unterlassungsanspruch besteht, und die Abmahnung nicht rechtsmissbräuchlich ist. Für die Berechtigung der Abmahnung ist es unschädlich, wenn die geforderte Unterlassungserklärung möglicherweise zu weit geht. Darin kann allerdings ein Indiz für einen Rechtsmissbrauch liegen.
BGH, Vers.-Urt. v. 26.8.2018, I ZR 248/16, Tz. 40 – Abmahnaktion II
Eine missbräuchliche Abmahnung ist nicht berechtigt im Sinne des § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG (a.F.) und begründet keinen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen (BGH, GRUR 2012, 730 Rn. 13 - Bauheizgerät).
Für die Beurteilung der Berechtigung der Abmahnung kommt es auf den Zeitpunkt der Abmahnung an.
BGH, Urt. v. 19.5.2010, I ZR 140/08, Tz. 16 f - Vollmachtsnachweis
Für den Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten kommt es auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der Abmahnung an.
S.a. OLG Celle, Urt. v. 30.5.2013, 13 U 160/12, II.3
Allerdings ist es nicht erforderlich, dass die Abmahnung den Sachverhalt und die Rechtslage richtig wiedergibt.
KG Berlin, Urt. v. 20.7.2012, 5 U 90/11, Tz. 27
Die Abmahnung muss (u.a.) mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck bringen, welches konkrete Verhalten beanstandet wird, für das die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung verlangt wird. … Soweit die Abmahnung die vorgeworfene Handlung nicht - wie es richtig gewesen wäre - als unlauteres Verhalten darstellt, sondern - unzutreffend - als "Verstoß gegen die in der einstweiligen Verfügung ausgesprochenen Verbote" (die allein gegen die W... GbR ergangenen Verbote zeitigten keinerlei Rechtswirkung gegen den Beklagten), ist das ohne Belang. Denn eine unzutreffende rechtliche Würdigung in der Abmahnung ist grundsätzlich unschädlich; es genügt insoweit, dass der Abgemahnte das konkret als wettbewerbswidrig beanstandete Verhalten rechtlich beurteilen und daraus die notwendigen Folgerungen ziehen kann.
OLG Hamm, Urt. v. 12.6.2012, I-4 U 9/12, Tz. 25
Die Abmahnung war nicht schon deshalb unberechtigt, weil in der vorformulierten Unterlassungserklärung von der Klägerin ein Verbot formuliert worden ist, auf das sich der Beklagte wegen der weiten Fassung nicht hätte einlassen müssen. Da die Abmahnung selbst die konkrete Beanstandung deutlich genug machte und die Aufforderung zur Abgabe der Unterlassungserklärung enthielt, war sie zur Streitbeilegung geeignet und wirksam. Für ihre Wirksamkeit war es insbesondere unschädlich, dass die vorformulierte Unterlassungserklärung zu weit ging und die Klägerin somit mehr gefordert hat, als der Beklagte schuldete (Köhler/Bornkamm, a.a.O. § 12 UWG, Rdn. 1.17).
Eine Abmahnung ist unberechtigt, wenn mit ihr eine geschäftliche Handlung beanstandet wird, die unter dem beanstandeten Aspekt nicht wettbewerbswidrig ist, auch wenn sie unter einem anderen, in der Abmahnung nicht erwähnten Aspekt wettbewerbswidrig sein sollte. Das gilt auch, wenn eine Irreführung in falscher Hinsicht beanstandet wird.
BGH, Urt. v. 11.10.2017, I ZR 78/16, Tz. 34 f - Tiegelgröße
Die Abmahnung war bei einer Irreführung über die Tiegelgröße nicht berechtigt im Sinne von § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG (a.F.) , weil sie allein auf die unbegründete Irreführung über die Füllmenge gestützt war.
Erforderlichkeit der Abmahnung
§ 12 Abs. 1 S. 1 UWG geht davon aus, dass eine Abmahnung grundsätzlich erforderlich ist. Es gibt aber auch Ausnahmen.
So gibt es Situationen, in denen für den Gläubiger erkennbar ist, dass eine Abmahnung nichts bringt. So liegt der Fall etwa, wenn er den Unterlassungsschuldner wegen einer kerngleichen und gleich intensiven Verletzungshandlung bereits erfolglos abgemahnt hat. Eine Abmahnung ist immer erforderlich, wenn der Gläubiger andernfalls riskiert, dass der Schuldner den Anspruch in einem Gerichtsverfahren sofort anerkennen könnte.
BGH, Urt. v. 19.7.2012, I ZR 199/10, Tz. 32 - Unbedenkliche Mehrfachabmahnung
Die im zweiten Newsletter gänzlich fehlende Versandkostenangabe stellte sich gegenüber dem vom beanstandeten Warenangebot räumlich getrennten Hinweis auf „Versandkosten laut unseren AGB“ am Ende des ersten Newsletters deutlicher als Wettbewerbsverstoß dar. Es war deshalb nach der dafür maßgeblichen objektiven Sicht durchaus möglich, dass die Beklagte wegen des zweiten Verstoßes eine Unterwerfungserklärung abgeben würde, auch wenn sie dies hinsichtlich des ersten Verstoßes wegen des Hinweises auf Versandkosten am Ende des ersten Newsletters abgelehnt hatte. Hätte die Klägerin unter diesen Umständen nicht abgemahnt und hätte die Beklagte nach Klageerhebung den entsprechenden Unterlassungsanspruch sofort anerkannt, wären der Klägerin gemäß § 93 ZPO die Kosten auferlegt worden.
Ein Kostenerstattungsanspruch wurde für eine erneute Abmahnung abgelehnt, die nach dem Verstoß des Schuldners gegen eine Unterlassungserklärung ausgesprochen wurde und inhaltlich im Wesentlichen der Abmahnung entsprach, die zur Abgabe der Unterlassungserklärung geführt hatte.
OLG Düsseldorf, Urt. v. 24.9.2015, I-2 U 3/15, Tz. 151
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Abmahnung II. Es fehlt an der Erforderlichkeit der zweiten Abmahnung. Sie ist zu verneinen, weil die zweite Abmahnung ... praktisch vollständig mit der bereits in den Händen des Klägers befindlichen Unterlassungserklärung I übereinstimmt, so dass eine zweite inhaltsgleiche Unterwerfung dem Kläger keine weiteren Rechte verschaffen konnte (vgl. BGH, GRUR 2013, 307 – Unbedenkliche Mehrfachabmahnung). Die ausbedungene Vertragsstrafe für das Unterlassungsversprechen II war nicht zwingend höher als die Bewehrung des Unterlassungsversprechens I. Der Kläger hätte bei der Ausübung seines Bestimmungsrechtes zwar einen höheren Betrag angeben können; diese Möglichkeit bot ihm aber auch schon das erste Versprechen. Eine zweifache Unterlassungspflicht hätte im Falle eines Verstoßes auch nicht zu einer Verdopplung (oder sonstigen Erhöhung) der angemessenen Vertragsstrafe geführt.
Eine weitergehende Frage ist, ob bestimmte Kosten, insbesondere für die Einschaltung eines Rechtsanwalts, für die Aussprache einer Abmahnung erforderlich waren.
BGH, Urt. v. 18.11.2021, I ZR 214/18, Tz. 72 - Gewinnspielwerbung II
Wettbewerbsverbände und Fachverbände, zu deren satzungsmäßigen Aufgaben die Verfolgung der in ihrem Gebiet auftretenden Wettbewerbsverstöße gehört, müssen in personeller und sachlicher Hinsicht so ausgestattet sein, dass sich für typische und durchschnittlich schwierige Abmahnungen die Einschaltung eines Rechtsanwalts erübrigt.
OLG Stuttgart, Urt. v. 11.9.2014, 2 U 178/13, Tz. 27 ff
Das Tatbestandsmerkmal der Erforderlichkeit, vergleichbar der Notwendigkeit der Kosten der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in § 91 Abs. 1 ZPO und der erforderlichen Aufwendungen im Sinne des § 249 BGB, führt dazu, dass die Kosten für einen zum Zwecke der Abmahnung eingeschalteten Rechtsanwalt nicht in allen Fällen verlangt werden können (vgl. auch OLG Köln, Urt. v. 1.10.2010, 20 U 126/09, u.H. auf OLG Hamburg, Urt. v. 27.7.2010, 9 U 235/09; zum Ganzen Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm, UWG, Rn. 1.93 ff. zu § 12 UWG).
Erforderlich sind nur diejenigen Kosten, die eine vernünftige, wirtschaftlich denkende Partei auf sich genommen hätte, hätte sie davon ausgehen müssen, ihre Aufwendungen nicht erstattet zu erhalten. Erstattungsfähig sind jedenfalls nur die tatsächlich angefallenen Aufwendungen und Kosten, nicht hingegen fiktive (vgl. Hans. OLG Hamburg, Urt. v. 12.11.2008, 5 U 245/07; Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm, UWG, Rn. 1.77 zu § 12 UWG).
Ein Unternehmen kann in der Regel, aber nicht stets, die für eine Abmahnung entstandenen Anwaltskosten ersetzt verlangen (OLG Stuttgart, WRP 2007, 688, zur Abschlusserklärung). Dies gilt auch dann, wenn dieses Unternehmen über eine eigene Rechtsabteilung verfügt, die aber mit anderen Bereichen als dem Wettbewerbsrecht befasst ist (BGH, GRUR 2008, 928 - Abmahnkostenersatz; BGH, GRUR 2010, 1120, Rn. 26 - Vollmachtsnachweis). Selbst ein Rechtsanwalt, der in eigener Sache abmahnt, kann nicht durchgängig Kostenerstattung nach Maßgabe des RVG verlangen (vgl. BGH, GRUR 2004, 789 - Selbstauftrag; KG, AfP 2010, 271).
Beauftragt ein Verband oder eine qualifizierte Einrichtung im Sinne des § 3 Abs. 1 UKlaG einen Anwalt für die erste Abmahnung, so geschieht dies regelmäßig im eigenen, nicht im fremden Interesse (vgl. Bornkamm, UWG, § 12, Rn. 97, u.H. auf BGH, GRUR 1984, 691, 692 - Anwaltsabmahnung; BGH, GRUR 2004, 448 - Auswärtiger Rechtsanwalt IV; u.a.). Durfte der Verband anwaltliche Hilfe nicht für erforderlich halten, so steht ihm kein Anspruch auf Erstattung der anwaltlichen Kosten für die erste Abmahnung zu.
Ebenso wie für eine auf eine erfolglose erste Abmahnung folgende zweite, nachfassende Abmahnung können Rechtsanwaltskosten dann nicht als notwendig angesehen werden, wenn der Auftrag an einen Rechtanwalt erteilt wurde, nachdem die entscheidenden Rechtsfragen bereits gegenüber einem Dritten geklärt wurden (vgl. zur Obliegenheit, ein Abschlussschreiben selbst zu verfassen OLG Köln, WRP 2000, 226, 230 u.H. auf BGH, GRUR 1984, 691, 692 - Anwaltsabmahnung).
Eine anwaltliche Abmahnung ist nicht mehr erforderlich, wenn der Gläubiger selber bereits abgemahnt hat.
BGH, Urt. v. 21. 1. 2010, I ZR 47/09, Tz. 5 - Kräutertee
Hat der Gläubiger den Schuldner bereits auf die Möglichkeit der Streitbeilegung durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung hingewiesen, kann eine zweite Abmahnung diese Aufgabe nicht mehr erfüllen.
Ebenso OLG Karlsruhe, Urt. v. 9.12.2020, 6 U 52/20
OLG Frankfurt, Beschl. v. 17.08.2017, 6 U 80/17, II.1
Dies gilt nicht nur, wenn es sich bei dem Unterlassungsgläubiger um eine Wettbewerbsverband i.S.v. § 8 III Nr. 2 UWG handelt, der für die erste Abmahnung regelmäßig keiner anwaltlichen Hilfe bedarf, sondern auch für die Abmahnung durch einen Mitbewerber i.S.v. § 8 III Nr. 1 UWG, der einer solchen Beschränkung nicht unterliegt (vgl. hierzu die einen solchen Fall betreffende Entscheidung BGH GRUR 2013, 307 - Unbedenkliche Mehrfachverfolgung, Tz. 31).
Eine vorgerichtliche Abmahnung hat den Zweck, dem Verletzer die Möglichkeit einer Klaglosstellung durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung zu geben und ihm damit nach Klageerhebung die Möglichkeit eines sofortigen Anerkenntnisses mit der Kostenfolge aus § 93 ZPO abzuschneiden. Diesen Zweck kann eine zweite Abmahnung grundsätzlich nicht mehr erfüllen, wenn der Verletzer einer bereits ausgesprochenen, inhaltlich ausreichenden Abmahnung nicht nachgekommen ist und dem Gläubiger damit der Klageweg ohne das sich aus § 93 ZPO ergebende Kostenrisiko eröffnet ist.
OLG Frankfurt, Beschl. v. 17.08.2017, 6 U 80/17, II.2
In diesem Zusammenhang kann dahinstehen, ob eine andere Beurteilung dann in Betracht kommt, wenn das anwaltliche Abmahnschreiben im Wesentlichen nicht nur den Inhalt der Eigenabmahnung wiederholt (vgl. hierzu OLG Frankfurt, MMR 2012, 249; OLG Karlsruhe, Urt. v. 23.1.2012, 6 U 136/11, Tz. 36), sondern vertiefte tatsächliche oder rechtliche Ausführungen enthält, die die berechtigte Erwartung zulassen, der Verletzer werde unter dem Eindruck dieser Ausführungen seine bisherige Position überdenken und zur Abgabe der verlangten Erklärungen bereit sein.
Zugang der Abmahnung?
OLG München, Urt. v. 22.2.2018, 29 U 1336/17
Der Zugang der Abmahnung ist für die Frage der Ersatzfähigkeit von Abmahnungsaufwendungen ohne Belang, weil der Abmahnende im Zeitpunkt der Kostenentstehung, nämlich bei der Vornahme der berechtigten Abmahnung, noch nicht weiß, dass deren Zugang später scheitern wird. § 12 Abs. 1Satz 2 UWG kann ebenso wenig entnommen werden, dass nur erfolgreiche Abmahnungen einen Anspruch auf Aufwendungsersatz begründeten, wie dies im Bereich der Geschäftsführung ohne Auftrag bei der entsprechenden Vorschrift des § 683 BGB der Fall ist.
Irrtum über den Verantwortlichen
BGH, Urt. v. 23.11.2006, I ZR 276/03, Tz. 24 – Abmahnaktion
Die Kosten, die durch die Inanspruchnahme einer falschen Person entstanden sind, gehören grundsätzlich auch dann nicht zu dem durch ein wettbewerbswidriges Verhalten adäquat verursachten Schaden, wenn der Verletzer durch sein Verhalten die Gefahr der falschen Inanspruchnahme geschaffen hat. Etwas anderes kommt jedoch in Betracht, wenn die Herbeiführung der Gefahr der falschen Inanspruchnahme selbst einen eigenständigen Wettbewerbsverstoß darstellt.
ABER: Ein Erstattungsanspruch für die Abmahnung des Falschen kann ausnahmsweise gegen den richtigen Schuldner bestehen, wenn die Abmahnung des Falschen ein sinnvolles Mittel der Sachverhaltsaufklärung darstellt. Zur Abmahnung eines Anschlussinhabers wegen einer Urheberrechtsverletzung
BGH, Vers.Urt. v. 22.3.2018, I ZR 265/16, Tz. 19, 25 - Riptide
Die schadensersatzrechtliche Erforderlichkeit der Abmahnung kann sich aus ihrer Funktion als Mittel der Sachverhaltsaufklärung ergeben. ...
Die Rechtsprechung des Senats, nach der die Kosten der Inanspruchnahme einer falschen Person nicht zu dem durch ein wettbewerbswidriges Verhalten adäquat verursachten Schaden zählen, sofern die Herbeiführung der Verwechslungsgefahr nicht einen eigenständigen Wettbewerbsverstoß darstellt, steht dem nicht entgegen. In der vorliegenden Konstellation ist die Abmahnung nicht gegenüber dem falschen Adressaten ergangen, sondern hat der Rechtsinhaber den … einzigen ihm zur Verfügung stehenden Ansprechpartner abgemahnt. Erst durch die vom Anschlussinhaber zu erlangenden Informationen wird der Rechtsinhaber in die Lage versetzt, den Rechtsverletzer in Anspruch zu nehmen. Begeht dieser eine rechtswidrige Handlung unter Inanspruchnahme des Internetanschlusses eines Dritten und ist er deshalb für den Rechtsinhaber zunächst nicht identifizierbar, so ist der für die Informationserlangung eingegangene Kostenaufwand ein adäquater Schaden der Rechtsverletzung. Denn es liegt keinesfalls außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit, sondern es ist - im Gegenteil - damit zu rechnen, dass der Rechtsinhaber Anstrengungen unternimmt, um den Rechtsverletzer zu ermitteln.
Kein Rechtsmissbrauch
Ein Aufwendungsersatzanspruch entfällt selbstverständlich, wenn die Abmahnung rechtsmissbräuchlich war. Zum Rechtsmissbrauch siehe hier. Bei einem Rechtsmissbrauch hat der Abgemahnte einen Anspruch auf Erstattung seiner Kosten. Dazu siehe hier.
Keine Berechtigung der Abmahnung, weil eine Unterlassungserklärung abgegeben wurde
Wer eine Unterlassungserklärung abgibt, erkennt damit noch nicht an, dass er auch die Kosten der Abmahnung tragen muss.
BGH, Urt. v. 24.9.2013, I ZR 219/12, Tz. 10 - Medizinische Fußpflege
Sofern der Abgemahnte den Anspruch auf Zahlung der Abmahnkosten nicht förmlich anerkennt oder sonst ausdrücklich zu erkennen gibt, dass der Vorwurf des Abmahnenden zu Recht erfolgt ist, sondern lediglich eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgibt, kann darin nicht das Anerkenntnis des zugrundeliegenden gesetzlichen Unterlassungsanspruchs und der Pflicht zur Übernahme der Abmahnkosten gesehen werden. Die Unterlassungserklärung hat die Funktion, mit Wirkung für die Zukunft die Wiederholungsgefahr zu beseitigen und so den Streit zwischen den Parteien beizulegen. Dabei ist es für die Wirksamkeit der Unterlassungserklärung unerheblich, ob der Abgemahnte der Ansicht ist, die Abmahnung sei berechtigt gewesen, oder ob er sich unterwirft, weil er zukünftig am angegriffenen Wettbewerbsverhalten kein Interesse mehr hat oder lediglich Kostenrisiken und Prozessaufwand vermeiden möchte. Dies gilt auch dann, wenn der Abgemahnte die Unterlassungserklärung abgibt, ohne zugleich zu erklären, dass dies ohne Anerkennung einer Rechtspflicht, aber gleichwohl rechtsverbindlich erfolgt. Da in der strafbewehrten Unterlassungserklärung selbst keine Anerkennung der Berechtigung der Abmahnung liegt, hat ein solcher Zusatz eine allein klarstellende Funktion (Hess in Ullmann aaO § 12 Rn. 31; Bornkamm in Köhler/Bornkamm, UWG, § 12 Rn. 1.111).
OLG Hamm, Urt. v. 12.6.2012, I-4 U 9/12, Tz. 26
Die Berechtigung des geltend gemachten Unterlassungsanspruchs ergibt sich ... nicht schon daraus, dass der Beklagte Unterwerfungserklärungen gegenüber der Klägerin abgegeben hat. Damit hat er nicht zwangsläufig den geltend gemachten Unterlassungsanspruchs anerkannt.
Ebenso mit Darstellung des früheren Meinungsstandes in Rechtsprechung und Literatur: OLG Celle, Urt. v. 15.11.2012, 13 U 57/12, II.1.a.bb
Ob diese Auffassung in gleicher Weise für die Abschlusserklärung gilt, wenn diese nicht ausrücklich ohne Annerkenntnis einer Rechtsüflicht abgegeben wird, wurde noch nicht abschließend geklärt. In einer noch nicht so alten BGH-Entscheidung heißt es:
BGH, Urt. v. 19.7.2012, I ZR 199/10, Tz. 13 - Unbedenkliche Mehrfachabmahnung
Hinsichtlich des mit dieser Abmahnung geltend gemachten Verstoßes gegen das Irreführungsverbot hat die Beklagte mit Abschlusserklärung vom ... die einstweilige Verfügung ... „als endgültige und zwischen den Parteien materiell rechtlich wirksame Regelung gleich einem Hauptsacheurteil anerkannt“. ... Damit ist ... von einer berechtigten Abmahnung auszugehen, so dass ein Kostenerstattungsanspruch der Klägerin besteht.
Besonderheiten bei Telemedien, E-Commerce und Datenschutz
Im Rahmen der UWG-Reform 2020 wurde der Aufwendungsersatzanspruch des Mitbewerbers bei bestimmten Rechtsverstößen ausgeschlossen. Dazu heißt es in § 13 Abs. 4 UWG nunmehr:
Der Anspruch auf Ersatz der erforderlichen Aufwendungen nach Absatz 3 ist für Anspruchsberechtigte nach § 8 Absatz 3 Nummer 1 ausgeschlossen bei
1. im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien begangenen Verstößen gegen gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflichten oder
2. sonstigen Verstößen gegen die Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1, L 314 vom 22.11.2016, S. 72) und das Bundesdatenschutzgesetz durch Unternehmen sowie gewerblich tätige Vereine, sofern sie in der Regel weniger als 250 Mitarbeiter beschäftigen.
Dazu heißt es in der Gesetzesbegründung in BT-Drcks. 19/12084, Seite 32:
Absatz 4 schließt den Anspruch auf Ersatz der Aufwendungen für eine Abmahnung durch klagebefugte Mitbewerber aus, wenn es sich um Verstöße gegen Informations- und Kennzeichnungspflichten handelt, die auf Telemedien begangen werden, oder um sonstige Verstöße gegen die Datenschutz-Grundverordnung oder das Bundesdatenschutzgesetz durch Kleinstunternehmen sowie kleine Unternehmen nach Artikel 2 des Anhangs zur Empfehlung der Kommission K(2003) 1422 sowie vergleichbare Vereine, soweit sie gewerblich tätig sind.
Die Ausnahme für Verstöße gegen Informations- und Kennzeichnungspflichten auf Telemedien berücksichtigt den Umstand, dass der Großteil der Abmahnungen von Wettbewerbern wegen Verstößen im Online-Handel ausgesprochen wird, weil in diesem Bereich Verstöße durch den Einsatz von Crawlern einfach und automatisiert festgestellt werden können und zahlreiche besondere Informationsverpflichtungen bestehen. Beispiele für Kennzeichnungs- und Informationspflichten sind § 5 des Telemediengesetzes, Informationspflichten in Fernabsatzverträgen nach § 312d des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), die Pflicht zur Widerrufsbelehrung und die Vorschriften der Preisangabenverordnung. Hierunter fallen auch Verstöße gegen datenschutzrechtliche Informationspflichten. Es muss sich nicht um spezifische Informations- und Kennzeichnungspflichten im Online-Handel oder auf Webseiten handeln, sondern es ist ausreichend, dass die Verstöße in diesem Bereich auftreten. Die Verpflichtung muss nicht die Begriffe „informieren“ oder „kennzeichnen“ beinhalten. Es darf sich jedoch nicht um Warnhinweise handeln, auch die grundsätzliche Pflicht zur Kennzeichnung geschäftlicher Handlungen ist nicht erfasst. Die sämtliche Datenschutzverstöße einbeziehende Sondervorschrift in Nummer 2 trägt den Sorgen insbesondere kleiner Unternehmen sowie gemeinnütziger Vereine vor kostenpflichtigen Datenschutzabmahnungen Rechnung.
Die Regelung bezieht sich nur auf den Aufwendungsersatz für die Abmahnung. Die Abmahnung als solche bleibt berechtigt. Der Abmahnende kann bei Erfolglosigkeit der Abmahnung auch ohne weiteres gerichtliche Maßnahmen einleiten. Auf den Kostenerstattungsanspruch im Gerichtsverfahren hat § 13 Abs. 4 UWG keine Auswirkungen (siehe Gesetzesbegründung in BT-Drcks. 19/12084, Seite 32.
Fraglich ist, welche Informations- und Kennzeichnungspflichten in Telemedien und im elektronischen Geschäftsverkehr § 13 Abs. 4 UWG erfasst. Nach der Gesetzesbegründung soll er eindeutig für Impressumspflichten nach § 5 DDG und die Informationspflichten bei Fernabsatzverträgen nach § 312d BGB iVm Art. 246a und Art. 246b EGBGB erfassen. Die in § 312d BGB ebenfalls erwähnten Informationspflichten bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen, die kein Fernabsatz sind, werden nicht erfasst, weil kein elektronischer Geschäftsverkehr vorliegt.
Weiterhin ergibt sich aus der Gesetzesbegründung, dass auch bei fehlerhaften Belehrungen über ein Widerrufsrecht, bei unterbliebenen Informationen zum Datenschutz oder bei Verstößen gegen die Preisangabenverordnung (dazu OLG Hamm, Beschl. v. 6.2.2024, 4 W 22/23, Tz. 31) kein Aufwendungsersatzanspruch des abmahnenden Wettbewerbers besteht. Allerdings gehen Verstöße gegen die PAngV oft einher mit einem Verstoß gegen § 5 UWG, so dass sich die Frage stellt, ob für eine, ggfs. u.a. darauf gestützte Abmahnung ebenfalls kein Aufwendungsersatzanspruch besteht oder die Irreführung nicht doch eine andere Qualität hat als eine unterlassene Information.
Der Gesetzgeber will jedenfalls, dass der Aufwendungsersatzanspruch des Mitbewerbers für alle Verstöße gegen Informations- und Kennzeichnungspflichten entfällt, die in Telemedien und im elektronischen Geschäftsverkehr begangen werden, auch wenn im Gesetz nicht ausdrücklich steht, dass der Unternehmer über dieses informieren und jenes in bestimmter Weise kennzeichnen muss. Darunter fällt dann wohl auch das Vorenthalten wesentlicher Informationen nach § 5a Abs. 2 UWG einschließlich der Unterfälle in § 5a Abs. 3 UWG und § 5a Abs. 4 UWG, zumal über 5a Abs. 4 UWG auf viele EU-Verordnungen und DE-Gesetze referiert wird, in denen ausdrücklich Informations- und Kennzeichnungspflichten normiert sind.
In der Konsequenz hat der Mitbewerber keinen Aufwendungsersatzanspruch u.a. bei Verstößen gegen die Fundstellenangabe bei der Test- und Prüfsiegelwerbung, fehlenden Informationen zu Verkaufsförderungsmaßnahmen oder Gewinnspielen, dem Verschweigen wesentlicher Merkmale im Rahmen einer Aufforderung zum Kauf etc. – alles solange das im Internet passiert. Außerhalb des Internets besteht der Ausschluss demgegenüber nicht. Ob das eine angemessene Differenzierung ist, müssen die Gerichte entscheiden, zumal wenn bedacht wird, dass die Rechtsverfolgung bei allen Verstößen in Telemedien und im elektronischen Geschäftsverkehr ohnehin schon dadurch erschwert ist, dass der fliegende Gerichtsstand in § 14 Abs. 2 UWG gestrichen wurde.
Bei Abmahnungen von Verstößen gegen die Pflicht zu Warnhinweisen (dazu hier und hier) besteht der Aufwendungsersatzanspruch nach der Gesetzesbegründung weiter. Das gleiche gilt bei Abmahnungen wegen Verstößen gegen die Pflicht zur Kennzeichnung geschäftlicher Handlungen als solcher (§ 5 Abs. 6 UWG).
Dabei lässt sich nicht immer leicht unterscheiden, was eine Informationspflicht und was eine Warnpflicht ist. So hat das OLG Köln etwa angenommen, dass aus § 5a Abs. 2, Abs. 3 Nr. 1 UWG folge, dass der Anbieter von Autositzbezügen darüber informieren müssen, ob ein Autositzbezug zur Verwendung in Fahrzeugen mit Seitenairbag in der Rückenlehne von Fahrer- und Beifahrersitz geeignet, weil sich der Airbag bei mangelnder Eignung nicht schnell genug entfalten kann. Eine Pflicht, auf die Gefahr für Leib und Leben hinzuweisen, hat es demgegenüber abgelehnt, weil der Verbraucher durch den Hinweis auf die mangelnde Eignung erkenne, worauf er sich einlasse (OLG Köln, Urt. v. 8.5.2020, 6 U 241/19, Tz. 78, 80 f).
Zu Informationspflichten siehe auch hier, zu Kennzeichnungspflichten hier.
Bei Datenschutzverstößen (dazu siehe hier) besteht der Aufwendungsersatzanspruch nur bei Unternehmen mit bis zu 250 Mitarbeitern nicht. Die Anzahl soll nach Ansicht des Rechtsausschusses insbesondere nach § 23 Absatz 1 Satz 4 Kündigungsschutzgesetz ermittelt werden. Danach sind teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden mit 0,5 und nicht mehr als 30 Stunden mit 0,75 zu berücksichtigen. Wie der Unterlassungsgläubiger, der auf den Ausschluss des Aufwendungsersatzanspruchs nach § 13 Abs. 2 Nr. 5 UWG hinweisen muss, wissen soll, wie viele Mitarbeiter der Abgemahnte hat, ist völlig unklar.
Der Streitwert wird durch die Regelung des § 13 Abs. 4 UWG nicht berührt. Wenn ein Erstattungsanspruch besteht, richtet der sich nach § 51 GKG. Auch der Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts des Abmahnenden gegen den Abmahnenden wird von der Regelung nicht tangiert.
Ersatzanspruch des Abmahnenden aus Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677, 683 Satz 1, § 670 BGB)
Wegen der Regelung in § 13 Abs. 3 UWG ist im Falle einer wettbewerbsrechtlichen Abmahnung ein Rückgriff auf die Grundsätze zur Geschäftsführung ohne Auftrag nicht erforderlich. Sie sind aber bei Abmahnungen aus einem gewerblichen Schutzrechte (Markenrecht, Patentrecht, Urheberrecht etc.) heranzuziehen, da eine § 13 Abs. 3 UWG entsprechende Regelung in diesen Gesetzen fehlt. Beide Anspruchsgrundlagen führen aber in der Regel zu den gleichen Ergebnissen.
Darüber hinaus hat der Gesetzgeber im Rahmen der UWG-Reform 2020 in der Gesetzesbegründung in BT-Drcks. 19/12084, Seite 32 festgehalten
Die Regelungen in Absatz 3 zur Erstattungsfähigkeit von Aufwendungen für berechtigte Abmahnungen ist auf Grund ihrer Spezialität abschließend, der Abmahnende kann sich daneben nicht auf eine Erstattungsfähigkeit nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag oder aus anderem Rechtsgrund berufen.
Ersatzanspruch des Abmahnenden aus § 9 UWG ?
Ob ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für eine vorprozessuale Abmahnung auch aus § 9 UWG möglich ist, war in der Rechtsprechung und Literatur umstritten.
BGH, Urt. v. 23.11.2006, I ZR 276/03, Tz. 20 f – Abmahnaktion
Früher war es in der Rechtsprechung und im Schrifttum weithin anerkannt, dass dem abmahnenden Wettbewerber wegen des für die Abmahnung Aufgewendeten ein Schadensersatzanspruch zusteht, wenn der Beklagte die unlautere Wettbewerbshandlung vorsätzlich oder fahrlässig begangen hatte. Allerdings wird mittlerweile vertreten, dass die Klassifizierung der Abmahnkosten als nach den wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen ersatzfähiger Schaden dem Schutzzweck dieser Bestimmungen nicht entspreche.
Demgegenüber war es allgemeine Auffassung, dass sich ein Anspruch auf Ersatz der Kosten für eine vorprozessuale Abmahnung jedenfalls dann aus § 9 UWG ergibt, wenn das wettbewerbswidrige Verhalten in einer noch nicht abgeschlossenen Dauerhandlung besteht.
BGH, Urt. v. 23.11.2006, I ZR 276/03, Tz. 20 – Abmahnaktion
Es besteht Übereinstimmung darin, dass Abmahnkosten jedenfalls dann als ersatzfähiger Schaden angesehen werden können, wenn es sich – wie beim Einstellen einer wettbewerbswidrigen Werbung in das Internet – nicht um einen Einzelverstoß, sondern um eine Dauerhandlung handelt. Hierfür spricht die Erwägung, dass in einem solchen Fall die Abmahnung zugleich dazu dient, den Schaden abzuwenden oder zu mindern, so dass der Mitbewerber mit der Abmahnung die Obliegenheit aus § 254 Abs. 2 S. 1 BGB erfüllt. Daher sind die dadurch entstandenen Kosten im Falle ihrer Erforderlichkeit als adäquat-kausal verursachter Schaden anzusehen.
S.a. BGH, Vers. Urt. v. 22.3.2018, I ZR 265/16, Tz. 26 f - Riptide
Diese Rechtsauffassung kann im Rahmen der UWG-Reform 2020 obsolet geworden sein. Der Gesetzgeber will§ 13 Abs. 3 UWG laut Gesetzesbegründung in BT-Drcks. 19/12084, Seite 32 als abschließende Regelung zum Aufwendungsersatzanspruch des Abmahnenden beurteilt wissen:
Die Regelungen in Absatz 3 zur Erstattungsfähigkeit von Aufwendungen für berechtigte Abmahnungen ist auf Grund ihrer Spezialität abschließend, der Abmahnende kann sich daneben nicht auf eine Erstattungsfähigkeit nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag oder aus anderem Rechtsgrund berufen.
Der BGH lässt die Frage offen: BGH, Vers.-Urt. v. 9.2.2023, I ZR 61/22, Tz. 29 - Kosten für Abschlussschreiben III
Ersatzanspruch gegen (ehemalige) Arbeitnehmer?
Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 d ArbGG sind die Arbeitsgerichte für Klageverfahren zuständig, in denen ein Arbeitgeber Ansprüche aus einer unerlaubten Handlung geltend macht, die mit einem Arbeitsverhältnis in Verbindung steht. Diese Zuständigkeit besteht auch noch, wenn das Arbeitsverhältnis beendet wurde.
Im Arbeitsgerichtsverfahren trägt in der 1. Instanz jede Partei ihre eigenen Kosten.
§ 12a ArbGG Kostentragungspflicht
(1) In Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs besteht kein Anspruch der obsiegenden Partei auf Entschädigung wegen Zeitversäumnis und auf Erstattung der Kosten für die Zuziehung eines Prozeßbevollmächtigten oder Beistands. Vor Abschluß der Vereinbarung über die Vertretung ist auf den Ausschluß der Kostenerstattung nach Satz 1 hinzuweisen. Satz 1 gilt nicht für Kosten, die dem Beklagten dadurch entstanden sind, daß der Kläger ein Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit, der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit, der Finanz- oder Sozialgerichtsbarkeit angerufen und dieses den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht verwiesen hat.
(2) Werden im Urteilsverfahren des zweiten und dritten Rechtszugs die Kosten nach § 92 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung verhältnismäßig geteilt und ist die eine Partei durch einen Rechtsanwalt, die andere Partei durch einen Verbandsvertreter nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 und 5 vertreten, so ist diese Partei hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten so zu stellen, als wenn sie durch einen Rechtsanwalt vertreten worden wäre. Ansprüche auf Erstattung stehen ihr jedoch nur insoweit zu, als ihr Kosten im Einzelfall tatsächlich erwachsen sind.
BAG, Urt. v. 30.4.1992, 8 AZR 288/91, Tz. 23
Der Normzweck des § 12 a Abs. 1 Satz 1 ArbGG ... wird zu Recht in der "Verbilligung" des erstinstanzlichen arbeitsgerichtlichen Verfahrens gesehen. Keine Partei soll damit rechnen können und müssen, daß ihr im Falle des Obsiegens die eigenen Kosten ihres Prozeßbevollmächtigten erstattet werden, oder daß ihr im Falle des Unterliegens die Kosten des Prozeßbevollmächtigten des Gegners auferlegt werden könnten.
Die Regelung gilt auch, wenn in einem Arbeitsgerichtsverfahren wettbewerbsrechtliche Ansprüche geltend gemacht werden.
Fraglich ist, ob diese Kostenregelung Auswirkungen auf den materiell-rechtlichen Anspruch auf Kostenerstattung aus § 12 Abs. 1, S. 2 UWG hat. Die wettbewerbsrechtliche Rechtsprechung und Literatur hat sich dem Problem bislang noch nicht angenommen. Für einen Ausschluss des Kostenerstattungsanspruchs spricht
BAG, Urt. v. 30.4.1992, 8 AZR 288/91, Tz. 15
§ 12 a Abs. 1 Satz 1 ArbGG schränkt nicht nur den prozessualen Kostenerstattungsanspruch ein, sondern entfaltet zugleich materiell-rechtliche Wirkungen. In Höhe der Kosten für die Zuziehung eines Prozeßbevollmächtigten steht der Annahme eines nach materiell-rechtlichen Normen ersatzfähigen Schadens § 12 a Abs. 1 Satz 1 ArbGG entgegen.
BAG, Urt. v. 30.4.1992, 8 AZR 288/91, Tz. 19
§ 12 a Abs. 1 Satz 1 ArbGG schließt jeden "Anspruch der obsiegenden Partei" "auf Erstattung der Kosten für die Zuziehung eines Prozeßbevollmächtigten" aus. Damit ist bereits dem Wortlaut nach jeder Kostenerstattungsanspruch unabhängig von seiner Anspruchsgrundlage und folglich auch ein materiell-rechtlich begründeter Kostenerstattungsanspruch entsprechend gemindert.
LArbG Stuttgart, Urt. v. 8.4.2013, 9 Sa 92/12, II.1
§ 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG nimmt nicht jedwede Kosten von der Kostenerstattung aus, sondern nur solche Kosten, die zum einen Prozesskosten im Sinne von § 91 ZPO sind und zugleich Kosten der Hinzuziehung eines Prozessbevollmächtigten.
LArbG Stuttgart, Urt. v. 8.4.2013, 9 Sa 92/12, II.1
Eine Ausnahme hiervon liegt nur vor, wenn der Schädiger die Regelung des § 12a ArbGG zweckwidrig einsetzt, um dem Gegner einen Schaden gerade dadurch zuzufügen, dass er wegen der Regelung des § 12a ArbGG Kosten aufwenden muss, die er sodann nicht erstattet verlangen kann. Der Fall liegt hier nicht vor. Die Beklagten mögen wettbewerbswidrig gehandelt haben, jedoch nicht mit der Zielsetzung, der Klägerin den Schaden nicht erstattungsfähiger Kosten für die Hinzuziehung eines Prozessbevollmächtigten zuzufügen.
... Vorbereitungskosten für den Arbeitsgerichtsprozess gehören grundsätzlich zu den Kosten nach § 91 ZPO (Zöller/Herget, ZPO, § 91 Rn. 13 Stichwort Vorbereitungskosten) und als solche unterliegen sie wiederum jedenfalls dann, wenn sie durch Einschaltung eines Rechtsanwaltes angefallen sind, dem Ausschluss der Kostenerstattung nach § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG, der auch einen konkurrierenden materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch … erfasst.
Im Rechtstreit vor dem LArbG Stuttgart ging es u.a. um die Erstattung von Kosten für die Tätigkeit eines Rechtsanwalts im Zusammenhang mit der Einleitung eines Arbeitsgerichts- und eines Strafverfahrens wegen eines Verstoßes gegen § 17 UWG. Ein Kostenerstattungsanspruch aus § 13 Abs. 3 UWG war nicht Gegenstand des Verfahrens.
Zitiervorschlag zur aktuellen Seite
Omsels, Online-Kommentar zum UWG