Die üblichen Kostenpositionen, die im Rahmen einer vorprozessualen Abmahnung oder in einem Gerichtsverfahren entstehen und die unter Umständen ersatzfähig sind, sind
c. Ersatzanspruch bei mehreren Abmahnungen eines Rechtsanwalts
i. Mehrere Abmahnung für ein Unternehmen
ii. Mehrere Abmahnungen für verschiedene Unternehmen
d. Anrechnung der Geschäfts- auf die Verfahrensgebühr
e. Fälligkeit des Ersatzanspruchs
a. Mitwirkung an einer Wettbewerbsstreitigkeit
b. Mitwirkung bei der Abmahnung wegen der Verletzung eines Schutzrechts
c. Mitwirkung eines Patentanwalts an Gerichtsverfahren um Schutzrechte
d. Verletzung der Auskunftspflicht des Patentberühmers
3. Abmahnkosten und Abmahnpauschale bei Verbänden
5. Sachverständigen/Gutachterkosten
6. Meinungsforschungsgutachten
Rechtsanwaltskosten
Rechtsanwaltskosten fallen sehr häufig an. Jeder Unternehmer ist berechtigt, zur Verfolgung wettbewerbsrechtlicher Ansprüche einen Rechtsanwalt hinzuziehen. Das gilt auch, wenn das Unternehmen über eine eigene Rechtsabteilung verfügt.
Im Gerichtsverfahren müssen alle Parteien einen Rechtsanwalt haben, weil in der ersten Instanz immer das Landgericht zuständig ist und dort Anwaltszwang herrscht.
Wiederholte Abmahnung durch einen Rechtsanwalt/Zweitabmahnung
Wer ohne Rechtsanwalt erfolglos selber abmahnt und danach durch einen Rechtsanwalt noch einmal abmahnen lässt, hat auch bei einer berechtigten Abmahnung keinen Anspruch auf die Erstattung der dadurch entstehenden Geschäftsgebühr des Rechtsanwalts.
BGH, Urt. v. 21. 1. 2010, I ZR 47/09, Tz. 5 - Kräutertee
Es ist der Sinn der vorgerichtlichen Abmahnung nach § 12 Abs. 1 Satz 1 UWG, dem Schuldner Gelegenheit zu geben, den Streit durch Abgabe einer mit einer angemessenen Vertragsstrafe bewehrten Unterlassungserklärung beizulegen. Die Abmahnung soll dem Schuldner den Weg weisen, wie er den Gläubiger klaglos stellen kann, ohne dass die Kosten eines Gerichtsverfahrens anfallen. Nur wenn die Abmahnung diese Funktion erfüllt, handelt es sich um eine berechtigte Abmahnung im Sinne von § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG. Denn der gesetzliche Kostenerstattungsanspruch rechtfertigt sich daraus, dass die Abmahnung auch im Interesse des Schuldners liegt. Hat der Gläubiger den Schuldner bereits auf die Möglichkeit der Streitbeilegung durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung hingewiesen, kann eine zweite Abmahnung diese Aufgabe nicht mehr erfüllen.
BGH, Urt. v. 21. 1. 2010, I ZR 47/09, Tz. 10 - Kräutertee
Der Anspruch auf Erstattung der Kosten der zweiten Abmahnung ergibt sich aus denselben Gründen auch nicht aus Geschäftsführung ohne Auftrag (§ 683 Satz 1, §§ 677, 670 BGB).
OLG Frankfurt, Beschl. v. 9.4.2019, 6 U 13/19
Allerdings ist fraglich, ob dies auch dann gilt, wenn der Zweitabmahnung eine Antwort des Verletzers auf die Erstabmahnung vorausging, in der ausdrücklich um eine Erläuterung des Unterlassungsverlangens gebeten wurde, und wenn die die anwaltliche Zweitabmahnung nicht nur den Inhalt der Erstabmahnung wiederholt, sondern vertiefte tatsächliche oder rechtliche Ausführungen enthält (zum letzten Gesichtspunkt vgl. Senat WRP 2018, 116 - Zweitabmahnung). Die Frage bedarf jedoch im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Denn selbst wenn man unter diesen Voraussetzungen die Erstattungsfähigkeit der Kosten für die weitere anwaltliche Abmahnung grundsätzlich für möglich hält, wäre weiter erforderlich, dass der Kläger zu der erbetenen Erläuterung seines Unterlassungsverlangens ohne Hinzuziehung eines Rechtsanwalts nicht in der Lage war. ...
Der Kläger als Wettbewerbsverband, der sich die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen zum satzungsgemäßen Ziel gesetzt hat, muss personell und sachlich so ausgestattet sein, dass er durchschnittlich schwierige Abmahnungen ohne anwaltliche Hilfe mit eigenen Kräften bearbeiten kann. Dann muss gleiches für nachträgliche Erläuterungen zu einer bereits ausgesprochenen Eigenabmahnung gelten.
BGH, Urt. v. 19.7.2012, I ZR 199/10, Tz. 31 - Unbedenkliche Mehrfachabmahnung
Hat der Gläubiger den Schuldner bereits auf die Möglichkeit der Streitbeilegung durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung hingewiesen, kann eine zweite Abmahnung wegen desselben Wettbewerbsverstoßes diese Aufgabe allerdings nicht mehr erfüllen. Nach Sinn und Zweck des § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG muss dasselbe gelten, wenn die Abmahnung nicht wegen desselben, sondern wegen eines kerngleichen Wettbewerbsverstoßes ausgesprochen wurde.
Abmahnung im Selbstauftrag
Wenn der Verletzte selber Rechtsanwalt ist, sind die Kosten seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt häufig kein erstattungsfähiger Schaden. Etwas anderes gilt nur, wenn der Rechtsanwalt über keine näheren Kenntnisse im Wettbewerbsrecht verfügt und die Sach- und Rechtslage schwieriger zu beurteilen ist.
BGH, Urt. v. 12.9.2013, I ZR 208/12, Tz. 29 f - Empfehlungs-E-Mail
Aufwendungen für eine Abmahnung sind unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes von dem Verletzer aber nur dann zu ersetzen, wenn die konkrete anwaltliche Tätigkeit aus der maßgeblichen Sicht des Geschädigten mit Rücksicht auf seine spezielle Situation zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig war.
Die Beauftragung eines Rechtsanwalts zur Abmahnung eines Verstoßes gegen einen deliktsrechtlichen Tatbestand ist dann nicht notwendig, wenn der Abmahnende selbst über eine hinreichende eigene Sachkunde zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung eines unschwer zu erkennenden Verstoßes verfügt (vgl. BGH, GRUR 2004, 789, 790 - Selbstbeauftragung). Ein Rechtsanwalt muss im Fall der eigenen Betroffenheit seine Sachkunde bei der Abmahnung eines deliktischen Handelns unter dem Gesichtspunkt der Schadensvermeidung (§ 254 Abs. 1 BGB) einsetzen. Die Hinzuziehung eines weiteren Rechtsanwalts ist bei typischen, unschwer zu verfolgenden Rechtsverletzungen nicht notwendig. Es besteht dann kein Anspruch auf Erstattung der dafür anfallenden Kosten. Entsprechendes gilt für den Fall einer Selbstbeauftragung (vgl. BGH, GRUR 2004, 789, 790 - Selbstbeauftragung).
BGH, Urt. v. 6.5.2004, I ZR 2/03, II.1.a,b – Selbstauftrag
Aufwendungen für eine Abmahnung sind unter dem Gesichtspunkt einer Geschäftsführung ohne Auftrag von dem Verletzer nur zu erstatten, wenn sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig sind. Das gilt auch hinsichtlich der Kosten für die Beauftragung eines Rechtsanwalts. Auszugehen ist dabei von dem mutmaßlichen Willen (§ 683 BGB) des Abgemahnten, die Aufwendungen für eine Abmahnung möglichst niedrig zu halten.
Entsprechende Erwägungen sind für die Entscheidung der Frage maßgeblich, ob die Gebühren des abmahnenden Rechtsanwalts als eigener Schaden zu erstatten sind. Auch unter schadensersatzrechtlichen Gesichtspunkten ist danach zu fragen, ob die eingesetzte Maßnahme - hier die Selbstbeauftragung - aus der Sicht des Geschädigten zur Schadensbeseitigung erforderlich war. Auch wenn es sich um ein die Kläger schädigendes schuldhaftes wettbewerbswidriges Verhalten der Beklagten handelte, muss doch die Einschaltung eines Rechtsanwalts von der Sache her erforderlich sein. Allein die zeitliche Inanspruchnahme des Geschädigten durch die Schadensbearbeitung kann nicht ausreichen, um die Erstattungsfähigkeit der Kosten aus der Beauftragung des Rechtsanwalts zu begründen. Es ist vielmehr jeweils zu prüfen, ob der Geschädigte im einzelnen Schadensfall die Heranziehung eines Rechtsanwalts für erforderlich halten durfte, was in einfach gelagerten Fällen in der Regel zu verneinen sein wird.
Die Ausführungen des BGH lassen offen, ob ein Kostenerstattungsanspruch nur dann nicht besteht, wenn es sich um eine einfachere Materie handelt, oder ob der Anwalt auch dann keinen Erstattungsanspruch hat, wenn er sich zunächst intensiver in die Rechtslage einarbeiten muss. Deshalb ist die Instanzrechtsprechung nicht überholt.
OLG Hamm, Urt. v. 29.3.2012, 4 U 167/11, Tz. 81
Zwar hat ein Abmahnender, der auch Rechtsanwalt ist, für seine Selbstbeauftragung grundsätzlich weder einen Schadensersatzanspruch noch einen Kostenerstattungsanspruch gemäß § 12 Abs. 1 S. 2 UWG. Dies gilt aber nur, wenn ein unschwer zu erkennender Wettbewerbsverstoß von ihm selbst geltend gemacht wird. Die Beauftragung eines Rechtsanwalts zur Abmahnung eines Verstoßes gegen das Wettbewerbsrecht ist nicht erforderlich, wenn der Abmahnende selbst über eine hinreichende eigene Sachkunde zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung eines unschwer zu erkennenden und zu verfolgenden Wettbewerbsverstoßes verfügt. Im Fall der eigenen Betroffenheit muss ein Rechtsanwalt daher seine Sachkunde bei der Abmahnung eines Wettbewerbsverstoßes einsetzen, wenn die gerügten Verstöße typisch, einfach gelagert und unschwer zu verfolgen sind.
Das OLG Hamm nennt als einfache Angelegenheiten beispielhaft Fälle, die vom Rechtsanwalt aufgrund vorhandener Sachkenntnis 'herunterdiktiert' werden können (ebd., Tz 83). Und: "Verteidigt sich der in Anspruch Genommene mit großem Nachdruck und auch wettbewerbsrechtlicher Kompetenz gegen den Vorwurf eines unlauteren Verhaltens, so spricht dies dafür, dass der Vorwurf nicht einfach, klar und zweifelsfrei durchzusetzen ist." (ebd., Tz 84)
S.a. OLG Hamm, Urt. v. 1.9.2011, I-4 U 41/11; OLG Hamm, Urt. v. 7.5.2013, 4 U 192/12
Strenger wird die Rechtslage nunmehr beurteilt in:
OLG Hamm, Urt. v. 28.2.2013, 4 U 159/12, Tz. 10
Schon bei Verbänden zur Förderung gewerblicher Interessen, die in der Lage sind, typische und durchschnittlich schwer zu verfolgende Wettbewerbsverstöße ohne anwaltlichen Rat zu erkennen, ist die Beauftragung eines Rechtsanwalts mit der Abmahnung eines solchen Verstoßes damit nicht erforderlich (BGH GRUR 1984, 691, 692 - Anwaltsabmahnung). Dementsprechend muss erst recht ein Rechtsanwalt im Falle der eigenen Betroffenheit seine Sachkunde bei der Abmahnung eines Wettbewerbsverstoßes einsetzen. Die Zuziehung eines weiteren Rechtsanwaltes ist deshalb auch für ihn bei typischen, unschwer zu verfolgenden Wettbewerbsverstößen nicht notwendig. Allein die zeitliche Beanspruchung für die Rechtsverfolgung reicht nicht aus, um die Erstattungsfähigkeit der Anwaltskosten zu begründen.
Ebenso OLG Hamm, Urt. v. 7.5.2013, 4 U 192/12, Tz. 129
Ersatzanspruch bei mehreren Abmahnungen eines Rechtsanwalts
Mehrere Abmahnungen für ein Unternehmen
Es kommt durchaus vor, dass ein Unternehmen von einem Anwalt, der einen oder mehrere Mandanten vertritt, mehrmals abgemahnt wird. Soweit darin kein Fall eines Rechtsmissbrauchs liegt, stellt sich die Frage, ob die Kosten der mehreren Abmahnungen getrennt erstattet werden müssen. Diese Frage beurteilt sich aufgrund der Umstände des Einzelfalls.
BGH, Urteil vom 21.6.2011, VI ZR 73/10, Tz. 8 ff
Bei der Beurteilung der Frage, ob und in welchem Umfang der dem Geschädigten zustehende Schadensersatzanspruch auch die Erstattung von Rechtsanwaltskosten umfasst, ist zwischen dem Innenverhältnis des Geschädigten zu dem für ihn tätigen Rechtsanwalt und dem Außenverhältnis des Geschädigten zum Schädiger zu unterscheiden. Voraussetzung für einen Erstattungsanspruch im geltend gemachten Umfang ist grundsätzlich, dass der Geschädigte im Innenverhältnis zur Zahlung der in Rechnung gestellten Kosten verpflichtet ist und die konkrete anwaltliche Tätigkeit im Außenverhältnis aus der maßgeblichen Sicht des Geschädigten mit Rücksicht auf seine spezielle Situation zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig war.
Die für die Höhe des Anspruchs des Prozessbevollmächtigten im Innenverhältnis maßgebliche Frage, ob von einer oder von mehreren Angelegenheiten auszugehen ist, lässt sich nicht allgemein, sondern nur im Einzelfall unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände beantworten, wobei insbesondere der Inhalt des erteilten Auftrags maßgebend ist.
Weisungsgemäß erbrachte anwaltliche Leistungen betreffen in der Regel dieselbe Angelegenheit, wenn zwischen ihnen ein innerer Zusammenhang besteht und sie sowohl inhaltlich als auch in der Zielsetzung so weitgehend übereinstimmen, dass von einem einheitlichen Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit gesprochen werden kann. Die Annahme einer Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne setzt nicht voraus, dass der Anwalt nur eine Prüfungs-aufgabe zu erfüllen hat. Von einem einheitlichen Rahmen der anwaltlichen Tä-tigkeit kann vielmehr grundsätzlich auch dann noch gesprochen werden, wenn der Anwalt zur Wahrnehmung der Rechte des Geschädigten verschiedene, in ihren Voraussetzungen voneinander abweichende Anspruchsgrundlagen zu prüfen bzw. mehrere getrennte Prüfungsaufgaben zu erfüllen hat. Denn unter einer Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne ist das gesamte Geschäft zu verstehen, das der Rechtsanwalt für den Auftraggeber besorgen soll. Ihr Inhalt bestimmt den Rahmen, innerhalb dessen der Rechtsanwalt tätig wird. Die Angelegenheit ist von dem Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit abzugrenzen, der das konkrete Recht oder Rechtsverhältnis bezeichnet, auf das sich die anwaltliche Tätigkeit bezieht. Eine Angelegenheit kann mehrere Gegenstände umfassen. Für die Annahme eines einheitlichen Rahmens der anwaltlichen Tätigkeit ist es grundsätzlich ausreichend, wenn die verschiedenen Gegenstände in dem Sinne einheitlich vom Anwalt bearbeitet werden können, dass sie verfahrensrechtlich zusammengefasst bzw. in einem einheitlichen Vorgehen geltend gemacht werden können. Ein innerer Zusammenhang ist zu bejahen, wenn die verschiedenen Gegenstände bei objektiver Betrachtung und unter Berücksichtigung des mit der anwaltlichen Tätigkeit nach dem Inhalt des Auftrags erstrebten Erfolgs zusammen gehören.
ebenso BGH, Urt. v. 22.3.2011, VI ZR 63/10, Tz. 9
Diese Grundsätze finden auf Kostenerstattungsanprüche für Abmahnungen von Verbänden zur Förderung der gewerblichen Interessen ihrer Mitglieder keine Anwendung.
KG, Urt.v.28.5.13, 5 U 93/12, C. (= MD 2013, 592)
Der Kläger hat gegen jede der zwölf Beklagten einen Anspruch auf Zahlung einer Kostenpauschale in Höhe von je € 166,60 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 04.01.2012 (§§ 12 1 S. 2 UWG, 291, 288 1 BGB). Dem steht nicht entgegen, dass nach der vom VI. Zivilsenat des BGH vertretenen Auffassung (BGH NJW 2010, 3035) ein Rechtsanwalt, der mit der Abmahnung der zwölf Beklagten betraut worden wäre, nur Gebühren für eine Angelegenheit hätte berechnen können. Der Kläger, ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsgemäßen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder gehört, insbesondere die Achtung darauf, dass die Regeln des lauteren Wettbewerbs eingehalten werden, macht keine nach den Vorschriften des RVG zu berechnenden eigenen oder fremden Vergütungsansprüche geltend, sondern einen pauschalen Ausgleich für die anteiligen Personal- und Sachkosten, die ihm infolge der Abmahnungen der Beklagten entstanden sind.
Mehrere Abmahnungen für verschiedene Unternehmen
BGH, Urteil vom 21.6.2011, VI ZR 73/10, Tz. 11
Der Annahme einer Angelegenheit steht nicht entgegen, dass der Anwalt mehrere Geschädigte vertreten soll. Ein einheitlicher Auftrag kann nämlich auch dann vorliegen, wenn der Anwalt von mehreren Mandanten beauftragt wird, wobei gegebenenfalls durch Auslegung ermittelt werden muss, ob der Anwalt für die verschiedenen Auftraggeber gemeinsam oder für jeden von ihnen gesondert tätig werden sollte. Die Annahme derselben Angelegenheit kommt insbesondere in Betracht, wenn dem Schädiger eine gleichgerichtete Verletzungshandlung vorzuwerfen ist und demgemäß die erforderlichen Abmahnungen einen identischen oder zumindest weitgehend identischen Inhalt haben.
Wenn trotz mehrerer Streitgegenstände nur eine Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne vorliegt, werden die Gegenstandwerte der einzelnen Gegenstände zusammengerechnet. Auf der Grundlage des summierten Gegenstandswert wird dann die Rechtsanwaltsgebühr ermittelt, in der Regel eine 1,3 Geschäftsgebühr zzgl. Auslagenpauschale und ggfs. Mehrwertsteuer.
Anrechnung der Geschäfts- auf die Verfahrensgebühr
Wenn sich an die Abmahnung ein einstweiliges Verfügungs- oder ein Klageverfahren oder beides anschließt, wird die Geschäftsgebühr zur Hälfte auf die Verfahrensgebühr, maximal aber in Höhe einer 0,75 Gebühr angerechnet. Schließen sich ein Verfügungs- und ein Klageverfahren an, erfolgt die Anrechnung aber nur einmal.
OLG Hamburg, Beschl. v. 12.5.2016, 8 W 49/16 (= MD 2016, 1087)
Verdient ein Rechtsanwalt im Abmahnungsverfahren eine Geschäftsgebühr gemäß VV RVG 2300, so ist diese gemäß VV Vorbemerkung Abs. 4 zur Hälfte, maximal aber mit einem Gebührensatz von 0.75 auf die Verfahrensgebühr im einstweiligen Verfügungsverfahren bzw. im Hauptsacheverfahren anzurechnen. Da die Anrechnung aber lediglich verhindern soll, dass die gleiche oder annähernd gleiche Tätigkeit zweimal honoriert wird, wenn sie hinsichtlich unterschiedlicher Angelegenheiten anfällt, zum Beispiel zunächst als außergerichtliche und später als gerichtliche, ist die vom Antragsgegner zur Anrechnung postulierte Geschäftsgebühr für das Abmahnverfahren aber bereits dadurch „verbraucht“, dass dort lediglich eine 0.65 Geschäftsgebühr geltend gemacht worden ist. Findet nämlich wegen desselben Unterlassungsanspruchs ein Eil- und ein Hauptsacheverfahren statt, ist zwar der Gegenstand der Abmahnung derselbe. Dennoch findet eine doppelte Anrechnung nicht statt, weil das Gesetz eine doppelte Anrechnung nicht kennt. Eine erneute Anrechnung würde nicht eine doppelte Honorierung verhindern, sondern das Honorar des Rechtsanwalts auf Antragstellerseite unverdient doppelt mindern.
Fälligkeit des Erstattungsanspruchs
BGH, Urt. v. 22.3.2011, VI ZR 63/10, Tz. 18
Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 RVG kann der Rechtsanwalt die Vergütung für seine Tätigkeit grundsätzlich nur aufgrund einer von ihm unterzeichneten und dem Auftraggeber mitgeteilten Berechnung einfordern kann. Diese Bestimmung betrifft jedoch lediglich die Frage, wann eine entstandene und nach § 8 Abs. 1 Satz 1 RVG mit Erledigung des Auftrags oder Beendigung der Angelegenheit fällige Gebühr von dem Mandanten einforderbar ist. Hiervon zu unterscheiden ist der materiell-rechtliche Kostenerstattungsanspruch. Der Gegner kann hier nicht einwenden, dass er nicht zur Zahlung verpflichtet sei, weil ihm keine Berechnung vorgelegt worden sei, die den Anforderungen der §§ 10 RVG, 14 UStG entspreche. Dies betrifft lediglich das Innenverhältnis zum Mandanten. Dem Gebührenanspruch fehlt insoweit auch nicht die Bestimmbarkeit der Höhe des Gebührenanspruchs. Denn jedenfalls wenn der mit der zugrunde liegenden Angelegenheit beauftragte Rechtsanwalt den materiell-rechtlichen Gebührenanspruch für seinen Mandanten einklagt, hat er in der von ihm selbst verfassten Klageschrift von seinem Bestimmungsrecht im Sinne des § 14 RVG hinreichend Gebrauch gemacht.
Patentanwaltskosten
Die Erstattung der Kosten für die Mitwirkung eines Patentanwalts an einer Wettbewerbsstreitigkeit wird nur ausnahmsweise geschuldet. Die Mitwirkung des Patentanwalts muss aus Sicht einer verständigen Partei erforderlich gewesen sein und das genuine Aufgabengebiet eines Patentanwalts betreffen. Dies kann z.B. der Fall sein, wenn es darum geht, irreführende Aussagen über die Schutzrechtslage zu einer bestimmten Technik zu beurteilen (siehe etwa OLG Karlsruhe, Urt. v. 9.12.2020, 6 U 52/20 (bei juris)).
Mitwirkung an einer Wettbewerbsstreitigkeit
BGH, Urt. v. 24.2.2011, I ZR 181/09, Tz. 27 - Kosten des Patentanwalts II
Die Mitwirkung eines Patentanwalts wird regelmäßig nur dann als erforderlich anzusehen sein, wenn er Aufgaben übernommen hat, die zum typischen Arbeitsgebiet eines Patentanwalts gehören.
OLG Frankfurt, Beschl. v. 12.10.2010, 6 W 132/10
Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats kann in Wettbewerbssachen – insbesondere bei der Geltendmachung ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes – die Einschaltung eines Patentanwalts ausnahmsweise notwendig erscheinen, wenn Tätigkeiten erforderlich werden, die in das typische Arbeitsfeld eines Patentanwalts gehören. Hierzu zählt grundsätzlich auch die Durchführung von Recherchen zum Formenschatz.
Ebenso OLG Frankfurt, Beschl. v. 26.3.2019, 6 W 1/19, II.2.a
OLG Köln, Beschl. v. 31.5.2013, 17 W 32/13, Tz. 10
Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Senats, die in Einklang mit der sonstigen obergerichtlichen Rechtsprechung steht, dass in – reinen - Wettbewerbssachen, bei denen es nicht um technische Fragen im Zusammenhang mit Patents-, Geschmacksmuster- oder Kennzeichenrechtsverletzungen geht, die Kosten eines Patentanwalts nach § 91 ZPO grundsätzlich nicht notwendig sind, da der erforderliche Sachvortrag im Rahmen einer Wettbewerbsstreitigkeit in der Regel alleine durch einen Rechtsanwalt erfolgen kann. Nur ausnahmsweise können die Kosten für die Hinzuziehung eines Patentanwaltes im Rahmen eines auf Ansprüche nach dem UWG gestützten Prozesses erstattungsfähig sein, wenn technische oder sonderschutzrechtliche Fragen von besonderer Schwierigkeit dies erfordern, mithin das „typische Arbeitsfeld des Patentanwaltes“ tangiert ist (BGH, s.o.; OLG Jena, GRUR-RR 2003, 30; OLG Zweibrücken, GRUR 2000, 455 f.).
Mitwirkung bei der Abmahnung wegen der Verletzung eines Schutzrechts
Das Markengesetz, Patentgesetz, Geschmacksmustergesetz und andere Gesetze enthalten Regelungen, wonach die Kosten eines Patentanwalts, der an dem Rechtsstreit auf Seiten der obsiegenden Partei mitwirkt, vom Gegner erstattet werden müssen (z.B. § 140 Abs. 3 MarkenG). Es war lange Zeit fraglich, ob diese Vorschriften auf die vorgerichtliche Abmahnung entsprechende Anwendung findet. Dafür sprachen sich lange Zeit nahezu alle Gerichte aus. Mittlerweile ist dieser Auffassung veraltet. Zu § 140 Abs. 3 MarkenG:
BGH, Urt. v. 24.2.2011, I ZR 181/09, Tz. 13 - 15 - Kosten des Patentanwalts II
Die Regelung des § 140 Abs. 3 MarkenG gilt unmittelbar nur für Kosten, die durch die Mitwirkung eines Patentanwalts in einem Rechtsstreit entstanden sind und nicht für Kosten, die - wie hier die Abmahnkosten - durch die Mitwirkung eines Patentanwalts außerhalb eines Rechtsstreits angefallen sind. Die Vorschrift gibt - in Ergänzung zu § 91 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 ZPO - lediglich einen prozessualen und keinen materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch (vgl. OLG Düsseldorf, Mitt. 2008, 561, 562; Omsels, MarkenR 2009, 27, 31).
Die Bestimmung des § 140 Abs. 3 MarkenG kann auch nicht in entsprechender Anwendung als Grundlage für einen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die außergerichtliche Tätigkeit eines Patentanwalts herangezogen werden. Voraussetzung für die entsprechende Anwendung einer Vorschrift ist das Bestehen einer planwidrigen Regelungslücke und einer vergleichbaren Interessenlage. Hier liegt schon keine Regelungslücke vor. Die materiell-rechtlichen Anspruchsgrundlagen - hier §§ 677, 683 Satz 1, § 670 BGB und § 14 Abs. 6 Satz 1 MarkenG - regeln abschließend, unter welchen Voraussetzungen ein Anspruch auf Erstattung außergerichtlicher Kosten der Rechtsverfolgung besteht.
Der Anspruch auf Erstattung der Kosten der Rechtsverfolgung einschließlich der Aufwendungen für eine Abmahnung ist unter dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677, 683 Satz 1, § 670 BGB) ebenso wie als Schadensersatzanspruch (§ 14 Abs. 6 Satz 1 MarkenG) nur begründet, soweit diese Kosten erforderlich waren. Für den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf Erstattung der Kosten, die durch die Mitwirkung des Patentanwalts an der Abmahnung der Beklagten wegen der Markenverletzung entstanden sind, gelten insoweit keine Besonder-heiten. Er ist daher nur begründet, soweit die Klägerin darlegt und nachweist, dass diese Kosten zur Rechtsverfolgung erforderlich waren.
BGH, Urt. v. 24.2.2011, I ZR 181/09, Tz. 24 - Kosten des Patentanwalts II
Diese Voraussetzung ist regelmäßig nur erfüllt, wenn der Patentanwalt dabei Aufgaben übernommen hat, die - wie etwa Recherchen zum Registerstand oder zur Benutzungslage - zum typischen Arbeitsgebiet eines Patentanwalts gehören.
Das gilt im Grundsatz auch für die Mitwirkung eines Patentanwalts bei der Abmahnung wegen der Verletzung eines Patentrechts. Aber:
BGH, Urt. v. 24.2.2011, I ZR 181/09, Tz. 29 - Kosten des Patentanwalts II
Die Erforderlichkeit der Einschaltung eines Patentanwalts bei Abmahnungen aus einem technischen Schutzrecht liegt näher als bei Abmahnungen aus einem Kennzeichenrecht.
Die Rechtslage zur Abmahnung wegen einer Marken- oder Patentsverletzung gilt für Abmahnungen anderer Schutzrechte entsprechend.
Mitwirkung eines Patentanwalts an Gerichtsverfahren um Schutzrechte
Das Markengesetz, Patentgesetz, Geschmacksmustergesetz und andere Gesetze enthalten Regelungen, wonach die Kosten eines Patentanwalts, der an dem Rechtsstreit auf Seiten der obsiegenden Partei mitwirkt, vom Gegner erstattet werden müssen. Eine Überprüfung, ob die Mitwirkung des Patentanwalts erforderlich war, fand lange Zeit nicht statt.
Ein Rechtsstreit wird auf eine Schutzrechtsverletzung gestützt, wenn sich aus dem Vortrag ausdrücklich oder konkludent ergibt, dass ein Anspruch - jedenfalls auch - aus einer Schutzrechtsverletzung geltend gemacht wird.
Ob in solchen Streitigkeiten die Kosten des mitwirkenden Patentanwalts erstattet werden, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.
BGH, Beschl. v. 13.10.2022, I ZB 59/19, Tz. 12 - Kosten des Patentanwalts VII
Die Vorschrift des § 140 Abs. 3 MarkenG aF ist vielmehr mit Blick auf Art. 3 und Art. 14 der Richtlinie 2004/48/EG dahingehend richtlinienkonform auszulegen, dass nur die Kosten der für die zweckentsprechende Rechtsverfolgung notwendigen patentanwaltlichen Mitwirkung erstattungsfähig sind.
GH, Beschl. v. 13.10.2022, I ZB 59/19, Tz. 18 - Kosten des Patentanwalts VII
Art. 3 und Art. 14 der Richtlinie 2004/48/EG sind deshalb dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung oder einer Auslegung dieser Regelung entgegenstehen, die es dem mit einem unter diese Richtlinie fallenden Verfahren befassten Gericht nicht erlaubt, bei der Beurteilung, ob die der obsiegenden Partei entstandenen Prozesskosten zumutbar und angemessen sind, in jedem ihm vorgelegten Fall dessen spezifischen Merkmale gebührend zu berücksichtigen (EuGH, GRUR 2022, 853, Tz. 55 - NovaText).
Im Anschluss an seine Entscheidung erfolgten diverse Beschlüsse des BGHs in Kostenfestsetzungsverfahren, z.B. BGH, Beschl. v. 13.10.2022, I ZB 12/20.
Verletzung der Auskunftspflicht des Patentberühmers
OLG Karlsruhe, Urt. v. 9.12.2020, 6 U 52/20 (bei juris)
Der Anspruch auf Geldersatz für den Schaden in Höhe des Nettobetrags der Honorarforderung des Patentanwalts von ... € ergibt sich aus § 280 Abs. 1, 3, § 281 Abs. 1 BGB i.V.m § 146 PatG.
Zwischen den Parteien bestand ein Schuldverhältnis im Sinn von § 280 Abs. 1 BGB mit der Pflicht des Beklagten, der Klägerin nach § 146 Alt. 2 PatG Auskunft darüber zu geben, auf welches Patent sich die Verwendung der Bezeichnung des dezentralen Klärschlammtrocknungssystems als "Patentrechtlich gesichert" in der beanstandeten Werbung stützte. ...
... In der Eingehung der für die geleisteten Dienste des Patentanwalts begründeten Honorarverbindlichkeit liegt ein nach § 280 Abs. 1, 3, § 281 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. § 249 Abs. 1 BGB zu ersetzender Schaden.
Sie ist adäquat kausale und vom Schutzzweck des § 146 PatG erfasste Folge der Nichterfüllung der Auskunftspflicht. Denn sie war zu zur Aufklärung des Sachverhalts hinsichtlich etwaiger wettbewerbsrechtlicher Ansprüche wegen Irreführung, die nach § 146 PatG vom Auskunftsschuldner zu leisten wäre, erforderlich und zweckmäßig (siehe auch BGH, GRUR 2018, 914 Rn. 27 - Riptide). Dass die Klägerin sich bereits zuvor zur Abmahnung entschlossen hatte, steht nicht entgegen. Mit Recht weist sie darauf hin, dass ihr nicht zuzumuten gewesen ist, ohne die vom Beklagten verweigerte Auskunft nach § 146 PatG auch noch das weitere Kostenrisiko einer Unterlassungsklage einzugehen, ohne zuvor selbst die Patentlage im Rahmen des ihr mit sachkundiger Unterstützung Möglichen näher zu klären. Insoweit durfte sie die Hinzuziehung eines Patentanwalts für erforderlich halten, so dass deren Kosten zu erstatten sind (siehe Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 4. Aufl., § 12 Rn. 269 mwN).
Abmahnkosten und Abmahnpauschale bei Verbänden
Verbände zur Förderung der gewerblichen Interessen ihrer Mitglieder (§ 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG) und Fachverbände müssen personell so ausgestattet sein, dass sie selber in der Lage sind, Wettbewerbsverstöße zu erkennen und zu verfolgen. Die Kosten eines Rechtsanwalts sind in diesem Fall nicht erstattungsfähig.
BGH, Urt. v. 27.4.2000, I ZR 287/97, Tz. 15 - Fachverband
Bezweckt der Verband die Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, muss er in der Lage sein, das Wettbewerbsverhalten zu beobachten und zu bewerten, so dass typische und durchschnittlich schwer zu verfolgende Wettbewerbsverstöße von ihm selbst erkannt und abgemahnt werden können, falls er sich nicht, was ihm freisteht, im Einzelfall eines Rechtsanwaltes bedienen wollte.
BGH, Urt. v. 17.7.2008, I ZR 219/05, Tz. 38 - Clone-CD
Wettbewerbsverbände müssen ohne anwaltlichen Rat in der Lage sein, typische und durchschnittlich schwer zu verfolgende Wettbewerbsverstöße zu erkennen und abzumahnen. Sie können deshalb in solchen Fällen die Anwaltskosten einer Abmahnung nicht erstattet verlangen (vgl. BGH GRUR 1984, 691, 692 - Anwaltsabmahnung; BGH GRUR 2004, 448 - Auswärtiger Rechtsanwalt IV). Dies folgt daraus, dass solche Verbände nur dann gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG klage- und anspruchsbefugt sind, wenn sie insbesondere nach ihrer personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung im Stande sind, ihre satzungsmäßigen Aufgaben der Verfolgung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen tatsächlich wahrzunehmen.
Ebenso BGH, Urt. v. 20.11.2018, I ZR 237/16, Tz. 55 - Versandapotheke; BGH, Urt. v. 6.4.2017, I ZR 33/16, Tz. 13 - Anwaltsabmahnung II
BGH, Urt. v. 6.4.2017, I ZR 33/16, Tz. 14 - Anwaltsabmahnung II
Ein Fachverband, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben die Verfolgung der in seinem Gebiet auftretenden Wettbewerbsverstöße gehört, muss ebenfalls in personeller und sachlicher Hinsicht so ausgestattet sein, dass sich für typische und durchschnittlich schwierige Abmahnungen die Einschaltung eines Rechtsanwalts erübrigt.
Aus diesem Grunde erhält der Verband für eine Abmahnung nur eine Pauschale, die dem durchschnittlichen finanziellen Aufwand entspricht, der dem Verband für jede einzelne Abmahnung zusteht. Er darf für die Abmahnung zwar einen Rechtsanwalt hinzuziehen, bekommt aber in diesem Falle nichts.
BGH, Urt. v. 6.4.2017, I ZR 33/16, Tz. 21 f - Anwaltsabmahnung II
Ein nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG klagebefugter Fachverband muss in der Lage sein, das Wettbewerbsverhalten zu beobachten und zu bewerten, so dass typische und durchschnittlich schwer zu verfolgende Wettbewerbsverstöße von ihm selbst erkannt und abgemahnt werden können. Dabei muss er Abmahnungen nicht selbst aussprechen. Es steht ihm frei, sich im Einzelfall eines Rechtsanwalts zu bedienen.
Der Umstand, dass die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen bei der Klägerin keinen erheblichen Umfang hat und sie nach ihrem eigenen Vorbringen jährlich weniger als 20 anwaltliche Abmahnungen aussprechen lässt - nach dem Vorbringen des Beklagten sind es ungefähr doppelt so viele - , ist der wirtschaftlichen Entscheidung der Klägerin geschuldet, für diese Tätigkeit kein hinreichend qualifiziertes Personal einzustellen. Dies ändert jedoch nichts daran, dass es sich bei der Verfolgung von typischen und durchschnittlich schwer zu verfolgenden Wettbewerbsverstößen um eine ihr als Fachverband originär selbst obliegende Aufgabe handelt. Ein nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG klagebefugter Verband muss in der Lage sein, das Wettbewerbsverhalten zu beobachten und zu bewerten. … Aus diesem Grund oblag es der Klägerin, den Beklagten selbst abzumahnen. Soweit ihr durch die Delegation dieser Aufgabe an einen Rechtsanwalt Kosten entstanden sind, sind diese nicht im Sinne von § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG erforderlich und deshalb auch nicht vom Beklagten zu erstatten.
BGH, Urt. v. 11.2.2021, I ZR 227/19, Tz. 25 - Rechtsberatung durch Architektin
Bei dem in Rede stehenden Verstoß gegen § 3 RDG handelte es sich um einen typischen und auch nur durchschnittlich schwer zu verfolgenden Verstoß. Für die Klägerin als rechtsfähigen Verband zur Förderung selbständiger beruflicher Interessen im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG waren die ihr insoweit entstandenen Kosten für die Beauftragung eines Rechtsanwalts daher nicht im Sinne von § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG in seiner für den Streitfall gemäß § 15a Abs. 2 des Gesetzes zur Stärkung des fairen Wettbewerbs vom 26. November 2020 (BGBl. I S. 2568) maßgeblichen, bis zum 1. Dezember 2020 geltenden Fassung, der § 13 Abs. 3 UWG nF entspricht, zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich (vgl. BGH, Urteil vom 6. April 2017 - I ZR 33/16, GRUR 2017, 926 Rn. 13 bis 22 = WRP 2017, 1089 - Anwaltsabmahnung II, mwN). Der Umstand, dass die Klägerin berechtigt gewesen wäre, von der Beklagten im Falle einer Abmahnung durch eigenes Personal pauschale Abmahnkosten zu verlangen, führt zu keinem anderen Ergebnis. Derartige Kosten sind der Klägerin nicht entstanden; fiktive Kosten sind nicht erstattungsfähig (BGH, GRUR 2017, 926 Rn. 23 - Anwaltsabmahnung II, mwN).
Ebenso BGH, Urt. v. 18.11.2021, I ZR 214/18, Tz. 75 - Gewinnspielwerbung II
Andererseits erhält der Verband die Pauschale aber auch dann in voller Höhe, wenn die von ihm selbst ausgesprochene Abmahnung nur teilweise begründet ist.
Die Kostenerstattung bei Verbraucherverbänden richtet sich nach den gleichen Grundsätzen.
Anderer Ansicht noch die Vorinstanz: OLG Frankfurt, Urt. v. 4.2.2016, 6 U 150/15; jetzt aber OLG Frankfurt, Urt. v. 1.2.2018, 6 U 37/17, II.3
Detektivkosten
Im Zusammenhang mit der Aufklärung eines wettbewerbswidrigen Verhaltens können Kosten für die Tätigkeit eines Detektivs anfallen. Diese Kosten sind erstattungsfähig, wenn sie aus objektiver Sicht erforderlich waren und tatsächlich für die Aufklärung eines konkreten Einzelfalls verwendet wurden. Sie sind nicht erstattungsfähig, wenn die wettbewerbswidrige Handlung nur gelegentlich der Tätigkeit eines Detektivs aufgefallen ist.
OLG Saarbrücken, Urt. v. 7.3.2018, 1 U 17/17, B.IV
Die dem Kläger entstandenen Detektiv- und Auskunftskosten in Höhe von insgesamt 146,74 € waren zur Ermittlung des Wettbewerbsverstoßes erforderlich. Sie sind dem Kläger mangels Mitbewerbereigenschaft zwar nicht als Schadensersatz gemäß § 9 Satz 1 UWG (hierzu: OLG Karlsruhe, Urt. v. 23.9.2009, 6 U 52/09, Tz. 12) zu ersetzen, aber nach dem Dafürhalten des Senats unter dem Gesichtspunkt eines Anspruchs nach § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG auf Erstattung der erforderlichen Kosten für die berechtigte vorgerichtliche Abmahnung (vgl. Köhler/Bornkamm, § 9 Rn. 1.11; JurisPK- UWG/Link, § 9 Rn. 14 i.V.m. § 12 Rn. 30 ff.).
OLG München, Urt. v. 10.11.2011, 29 U 1614/11, S. 19 – Meisterpräsenz
Voraussetzung für die Erstattungsfähigkeit von Aufwendungen wie Detekteikosten, die zum Nachweis eines Verstoßes anfallen, ist ein konkreter Verdacht gegen den Inanspruchgenommenen. Erforderlich ist eine Abgrenzung zu allgemeinen Vorsorgekosten, etwa Kosten der allgemeinen Marktbeobachtung, die nicht erstattungsfähig sind (vgl. OLG Karlsruhe NJOZ 2010, 1421 [1422]). ...
Ebenso OLG Hamm , Urt. v. 16.6.2015, 4 U 32/14, Tz. 217 - Le Pliage
Außerdem muss die Beauftragung einer Detektei zur Klärung der Sachlage erforderlich sein (OLG München, Urt. v. 10.11.2011, 29 U 1614/11, S. 19 – Meisterpräsenz).
OLG Koblenz, Beschl. v. 29.12.2010, 14 W 757/10
Dient die Beauftragung einer Detektei ganz offensichtlich dazu, Tatsachen zu ermitteln, die den konkreten Verdacht eines rechtswidrigen Verhaltens belegen, um darauf gestützt eine einstweilige Verfügung zu beantragen, ist die Einschaltung der Detektei sachgemäß und zur Verfahrensvorbereitung auch notwendig.
Der Auftrag an die Detektei muss sich allerdings auf das zur Klärung der Beweisfrage Erforderliche beschränken. Er ist so zu gestalten, dass die Partei die Ausführung überwachen kann und die Entscheidung über Beginn, Inhalt, Umfang, Dauer und Abbruch der Ermittlungen nicht völlig dem Detektiv überlässt. Ferner hat die Partei im Interesse der gebotenen kostenbewussten Prozessführung die Einschaltung der Detektei so zu gestalten, dass überflüssige Kosten vermieden werden.
Sachverständigen/Gutachterkosten
Kosten für ein Rechtsgutachten sind nicht erstattungsfähig.
OLG Frankfurt, Beschl. v. 26.3.2019, 6 W 1/19, II.3
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes sind erstattungsfähige notwendige Kosten nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO nur solche, die für Maßnahmen anfallen, die eine verständige und wirtschaftlich vernünftig denkende Partei als sachdienlich ansehen darf. Für die Beurteilung der Notwendigkeit ist auf den Zeitpunkt der Veranlassung der die Kosten auslösenden Maßnahme abzustellen. Zu den erstattungsfähigen Kosten können die Kosten für die Einholung eines Privatsachverständigengutachtens nur ausnahmsweise gehören, wenn sie unmittelbar prozessbezogen sind. Die Prozessbezogenheit reicht für sich alleine nicht aus. Zusätzlich muss die Begutachtung ausnahmsweise sachdienlich sein.
Für die Beurteilung einer unlauteren Nachahmung bedarf es im Regelfall keiner gutachterlichen Beurteilung. Die sich stellenden Rechtsfragen können von den beauftragten Fachanwälten und dem beauftragten Patentanwalt selbst beantwortet werden. … Es reicht nicht aus, dass sich eine Partei von der besonderen Expertise oder der fachlichen Autorität eines bekannten Praktikers und eines Rechtsgelehrten im gewerblichen Rechtsschutz Vorteile verspricht. Sie muss die hierfür aufgewendeten Kosten selbst tragen.
Wie sich aus dem vorstehenden Zitat ergibt, muss bei Kosten für Gutachten zur Feststellung eines Sachverhalts zwischen vorgerichtlichen Kosten und Kosten während eines Gerichtsverfahrens unterschieden werden. Sachverständigenkosten sind zwar in beiden Fällen nur zu erstatten, wenn sie in direktem Zusammenhang mit der Verfolgung von Rechtsansprüchen stehen. Das lässt sich aber leichter nachweisen, wenn ein Gerichtsverfahren schon begonnen hat.
BGH, Urt. v. 17. 12. 2002, VI ZB 56/02 (II. 1.)
In Rechtsprechung und Literatur besteht Einigkeit darüber, dass die Kosten für vorprozessual erstattete Privatgutachten nur ausnahmsweise als Kosten des Rechtsstreits angesehen werden können. Insoweit genügt es nicht, wenn das Gutachten irgendwann in einem Rechtsstreit verwendet wird, sondern das Gutachten muss sich auf den konkreten Rechtsstreit beziehen und gerade mit Rücksicht auf den konkreten Prozess in Auftrag gegeben worden sein. Deshalb sind diejenigen Aufwendungen, die veranlasst werden, bevor sich der Rechtsstreit einigermaßen konkret abzeichnet, nicht erstattungsfähig.
BGH, Urt. v. 17. 12. 2002, VI ZB 56/02 (II. 2.)
Die Frage, ob ein Gutachten notwendig war, hat sich daran auszurichten, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei diese die Kosten auslösende Maßnahme ex ante als sachdienlich ansehen durfte. Dabei darf die Partei die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderlichen Schritte ergreifen. Unter diesem Blickpunkt kommt eine Erstattung der Kosten eines Privatgutachtens dann in Betracht, wenn die Partei infolge fehlender Sachkenntnisse nicht zu einem sachgerechten Vortrag in der Lage ist.
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 22.12.2010, II., II.1
Der im Verfahren unterlegene Kläger hat die dem Gegner erwachsenen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten, wenn sie zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig waren, §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 103 Abs. 1 ZPO. Auch die Kosten eines im Verfahren verwendeten Privatgutachtens können erstattungsfähig sein.
Diese Kosten sind allerdings nur ausnahmsweise als notwendige Kosten i.S.d. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO anzusehen. Dies gilt insbesondere für die Kosten eines während des laufenden Verfahrens eingeholten Privatgutachtens. Die Beurteilung der Notwendigkeit hat sich daran auszurichten, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei die kostenauslösende Maßnahme ex ante - also vor der Beauftragung des Gutachters - als sachdienlich ansehen durfte. Dabei darf die Partei die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderlichen Schritte ergreifen. Allerdings ist es grundsätzlich Sache des Gerichts die Einholung eines Sachverständigengutachtens anzuordnen, wenn es dies für erforderlich hält. Deshalb ist gerade hinsichtlich der Frage, ob die Einholung eines Privatgutachtens notwendig war, ein strenger Maßstab anzulegen. Danach ist die Einholung eines Privatgutachtens im laufenden Verfahren nur dann notwendig, wenn im Prozess erforderlicher substantiierter Sachvortrag ohne dessen Einholung nicht möglich ist. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn technische oder medizinische Kenntnisse erforderlich sind, um ausreichend vortragen zu können. Auch kommt in Betracht, dass nach Erstattung eines vom Gericht eingeholten Sachverständigengutachtens gegen eine Partei entschieden würde, und sie dem Ergebnis der Begutachtung erst nach Einholung eines Privatgutachtens entgegentreten kann. Erst in zweiter Linie kann es dann für die Frage der Erstattungsfähigkeit der Gutachterkosten darauf ankommen, ob das Privatgutachten den Prozess beeinflusst hat (zum Meinungsstand vgl. Herget in Zöller a.a.O.).
Dabei ist aber auch zu berücksichtigen, dass das Gericht das Verständnis der angesprochenen Verkehrskreise, z.B. der Verbraucher, in Wettbewerbsstreitigkeiten regelmäßig ohne Sachverständigengutachten aufgrund einer Prognose beurteilt. Wenn eine Partei das Gericht davon überzeugen möchte, dass die Prognose falsch ist, bleibt ihr nur die Wahl einer repräsentativen Umfrage, Siehe dazu nachfolgend.
[tooltip content="Zur Verfügung gestellt vom Justizportal Nordrhein-Westfalen (www.nrw.de)" url="" ]OLG Köln, Beschluss vom 31. Mai 2013, 17 W 32/13, Tz. 23[/tooltip]
In Eilverfahren sind die Kosten für eine Meinungsumfrage schon dann erstattungsfähig, wenn die Partei Grund zu der Annahme hatte, das Gericht könne von ihr die Glaubhaftmachung bestimmter, nur durch ein demoskopisches Gutachten aufzuklärender Tatsachen verlangen. … Bei einer erheblichen wirtschaftlichen Bedeutung ist – ähnlich wie bei Patentverletzungsklagen – ein großzügiger Maßstab anzulegen.
Es ist umstritten, ob für die Annahme der Prozessbezogenheit schon ein sachlicher Zusammenhang zwischen Gutachten und Rechtsstreit ausreichend ist, ob zusätzlich ein enger zeitlicher Zusammenhang erforderlich ist oder ob ein langer zeitlicher Zwischenraum sogar als ein Indiz für fehlenden sachlichen Zusammenhang zu werten ist.
Meinungsforschungsgutachten
Meinungsforschungsgutachten können insbesondere bei rechtlichen Auseinandersetzungen über die Irreführung einer Aussage relevant sein. Die Erstattung der Kosten für ein Meinungsforschungsgutachten richtet sich nach den gleichen Grundsätzen wie die Erstattung der Kosten für ein Sachverständigengutachten.
OLG Brandenburg, Beschl. v. 11.5.2011, 6 W 87/10
Bei der Beurteilung der Frage, ob aufgewendete Kosten im Sinne des § 91 ZPO notwendig waren, kommt es darauf an, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei die die kostenauslösende Maßnahme im Zeitpunkt ihrer Veranlassung als sachdienlich ansehen durfte. Dabei darf die Partei ihr berechtigtes Interesse verfolgen und die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderlichen Schritte ergreifen. Für Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz gilt dabei, dass auch Kosten für Privatgutachten, die grundsätzlich nicht als Kosten einer notwendigen Rechtsverfolgung anzusehen sind, als notwendig gelten können. Denn in diesem Verfahren sind sowohl der Verfügungsanspruch als auch der Verfügungsgrund glaubhaft zu machen, so dass die Parteien auf präsente Beweismittel im Sinne des § 294 ZPO angewiesen sind. Welche Beweismittel die verständige Partei, die auf die volle Wahrung ihrer Rechte bedacht sein darf, zu zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich erachten kann, richtet sich nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens, ohne dass es darauf ankommt, ob das Beweismittel vom Gericht benutzt wird. Diese Grundsätze gelten auch in wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsklagen, wenn es um die Feststellung einer Irreführung im Sinne des § 5 UWG geht. Eine Feststellung hierzu mittels eines Sachverständigengutachtens auf der Grundlage einer Meinungsumfrage ist nicht etwa durch das Gemeinschaftsrecht ausgeschlossen. Zwar ist nach Übernahme des Europäischen Verbraucherleitbild in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Frage der Irreführung nach einem normativen Maßstab zu entscheiden, so dass das tatsächliche Verständnis der Verkehrskreise grundsätzlich keine unmittelbare Rolle spielt. Der Prozentsatz tatsächlich irregeführter Personen kann jedoch im Rahmen der wertenden Betrachtung ein Indiz für das Verständnis des nicht notwendig real existierenden Durchschnittsverbrauchers sein, und damit auch im Rahmen des normativen Ansatzes Bedeutung erlangen.
Im Hauptklageverfahren könnte ein Gericht selber ein Meinungsforschungsgutachten in Auftrag geben, um ein bestimmtes Verständnis der angesprochenen Verkehrskreise von einer Werbeaussage ermitteln zu lassen. Da die Gerichte von dieser Möglichkeit in der Regel aber keinen Gebrauch machen (müssen), kann auch in solchen Verfahren ein Meinungsforschungsgutachten sinnvoll sein, um die Beurteilung des Verständnisses einer Aussage durch das Gericht zu erschüttern.
Testkosten/Testkäufe
Literatur: Mes, Peter, Testkauf zur Vorbereitung des Prozesses im gewerblichen Rechtsschutz und Wettbewerbsrecht, GRUR 2013, 767
Die Erstattung von Testkaufkosten kann als Schadenersatz oder im Rahmen eines Kostenfestsetzungsverfahrens geltend gemacht werden. In beiden Fällen richtet sich die Erstattungsfähigkeit nach denselben Grundsätzen.
BGH, Urt. v. 30.3.2017, I ZR 263/15, Tz. 64 -BretarisGenuair
Nach § 249 Abs. 1 BGB sind diejenigen adäquat verursachten Rechtsverfolgungskosten zu ersetzen, die aus Sicht des Schadensersatzgläubigers zur Wahrnehmung und Durchsetzung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren. Dass der Klägerin insoweit - möglicherweise - ein prozessualer Kostenerstattungsanspruch gegen die Beklagte aus §§ 91 ff. ZPO zusteht, steht der Verfolgung des auf Kostenersatz gerichteten materiellen Schadensersatzanspruchs im streitigen Verfahren wegen der insoweit ungewissen Rechtslage nicht entgegen.
BGH, Vers.-Urt. v. 26.8.2018, I ZR 248/16, Tz. 41 – Abmahnaktion II
Testkäufe zur Vorbereitung rechtsmissbräuchlicher Abmahnungen oder Unterlassungsklagen dienen keiner zweckentsprechenden Rechtsverfolgung. Ein Antrag auf Schadensersatz nach § 9 UWG für solche Testkäufe ist unbegründet (vgl. BGH, Urteil vom 30. März 2017 - I ZR 263/15, GRUR 2017, 1160 Rn. 64 f. = WRP 2017, 1337 - BretarisGenuair).
OLG Frankfurt, Beschl. v. 4.10.2023, 6 W 129/20
Zu den Kosten, die im Kostenfestsetzungsverfahren geltend gemacht werden können, zählen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aus Gründen der Prozesswirtschaftlichkeit auch diejenigen Kosten, die der Vorbereitung eines konkret bevorstehenden Rechtsstreits dienen, wie etwa Kosten für Testkäufe (vgl. z.B. BGH, Beschl. v. 20.10.2005, I ZB 21/05, Tz. 11 mwN - Geltendmachung der Abmahnkosten; Beschl. v. 20.07.2006, I ZB 105/05, Tz. 11; Beschl. v. 11.12.2014, I ZB 7/14, Tz. 9). Erstere beiden Entscheidungen beziehen sich auf einstweilige Verfügungsverfahren. Es ist kein sachlicher Grund dargetan oder ersichtlich, warum Testkaufkosten entsprechend der Auffassung der Antragsgegnerin nur in einem (regelmäßig nachfolgenden) Hauptsacheverfahrens festgesetzt werden können sollten, zu dem es - etwa bei Abgabe einer Abschlusserklärung oder strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung - schon nicht stets kommt.
OLG Frankfurt, Beschl. v. 4.10.2023, 6 W 129/20
Gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat die unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren. Zu den Kosten, die im Kostenfestsetzungsverfahren geltend gemacht werden können, zählen dabei nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aus Gründen der Prozesswirtschaftlichkeit auch diejenigen Kosten, die der Vorbereitung eines konkret bevorstehenden Rechtsstreits dienen, wie etwa Kosten für Testkäufe (vgl. z.B. BGH, Beschl. v. 20.10.2005, I ZB 21/05, Tz. 11 mwN - Geltendmachung der Abmahnkosten; Beschl. v. 20.7.2006, I ZB 105/05, Tz. 11; Beschl. v. 11.12.2014, I ZB 7/14, Tz. 9). Erstere beiden Entscheidungen beziehen sich auf einstweilige Verfügungsverfahren.
Erstattungsfähig sind nur Aufwendungen für Testkäufe, die von vornherein der Geltendmachung von konkreten Rechtsansprüchen dienen.
OLG Hamm , Urt. v. 16.6.2015, 4 U 32/14, Tz. 217 - Le Pliage
Voraussetzung für die Erstattungsfähigkeit von Aufwendungen, die zum Nachweis eines Verstoßes anfallen, ist ein konkreter Verdacht gegen den Inanspruchgenommenen. Erforderlich ist eine Abgrenzung zu allgemeinen Vorsorgekosten, etwa Kosten der allgemeinen Marktbeobachtung, die nicht erstattungsfähig sind (OLG Karlsruhe, NJOZ 2010, 1421,1422; OLG München, WRP 2012, 579; Köhler/Bornkamm, UWG, § 9 Rn. 1.29).
Unter dieser Voraussetzung können alle Auslagen, die zu Testzwecken aufgewendet wurden, Kosten des Rechtsstreits sein. Dazu gehören Personal-, Honorar-, Material- und Reisekosten, Fangprämien sowie der Preis, der für die getestete Ware oder Dienstleistung aufgewendet wurde. Die Kosten sind allerdings nur in dem Umfang erstattungsfähig, in dem sie aus der Sicht einer sparsamen und wirtschaftlich denkenden Person notwendig waren.
Der Kostenerstattungsanspruch besteht nur Zug um Zug gegen die Herausgabe des gekauften Testprodukts, wenn die Herausgabe geltend gemacht wird.
OLG Hamburg, Beschl. v. 12.3.2014, 4 W 23/14
Eine Festsetzung der Erstattung der Testkaufkosten Zug um Zug gegen Herausgabe des Testkaufgegenstands setzt voraus, dass der Erstattungspflichtige – wie auch bei der Einrede nach § 273 BGB – einen Herausgabeanspruch geltend macht.
Die weiteren Voraussetzungen sind streitig.
OLG Hamburg, Beschl. v. 12.3.2014, 4 W 23/14
Die Frage, ob im Kostenfestsetzungsverfahren erstattungsfähige Testkaufkosten nur Zug um Zug gegen Herausgabe des Testkaufgegenstands festgesetzt werden können, wird in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beurteilt: Nach einer Auffassung erfolgt die Erstattung immer nur Zug um Zug gegen Übereignung des Testkaufprodukts (OLG Stuttgart NJW-RR 1986, 978; KGR Berlin 2003, 163), selbst dann, wenn der Erstattungsgläubiger geltend macht, ihm stehe im Fall der Rückgabe der Sache ein urheberrechtlicher Vernichtungsanspruch zu (KG, a.a.O.). Nach anderer Auffassung kommt eine Einschränkung der Festsetzung der Testkaufkosten durch eine Zug um Zug-Festsetzung nur in Betracht, wenn der Gegenanspruch des Erstattungspflichtigen unschwer feststellbar oder unstreitig ist (OLG Düsseldorf JurBüro 2009, 199; so offenbar auch Zöller-Herget, ZPO, § 91 Rn. 13 „Testkauf“) bzw. wenn der Erstattungspflichtige sämtliche Kosten des Rechtsstreits (und damit auch den Kaufpreis in voller Höhe) zu tragen hat oder der Erstattungsberechtigte mit der Überlassung einverstanden ist (OLG Stuttgart, Die Justiz 1986, 412; Münchener Kommentar-Schulz, ZPO, § 91 Rn. 187). Schließlich wird die Auffassung vertreten, dass die Erstattung der Testkaufkosten nicht von einer Herausgabe des Testkaufprodukts abhängig gemacht werden könne (OLG Koblenz JurBüro 1985, 1865).
Die Umstände des Einzelfalls können es rechtfertigen, dass mehrere Produkte zu Testzwecken gekauft werden.
OLG Celle, Urt. v. 21.11.2013, 13 U 84/13, II.7
Dem Kläger steht ein Anspruch auf Ersatz der Kosten der Testkäufe - Zug um Zug gegen Herausgabe der gekauften Kopfhörer - aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG zu. Diese Testkäufe waren zur Vorbereitung der schließlich vorgenommenen Abmahnung erforderlich.
Alle drei Testkäufe waren noch erforderlich. Der Kläger hatte die Abmahnung erst nach dem dritten Testkauf vorgenommen. Es bleibt ihm unbenommen, einen einzelnen Wettbewerbsverstoß hinzunehmen und erst bei einem wiederholten Verstoß rechtliche Schritte vorzunehmen. Wenn er sich in diesem Sinne zugunsten des Schuldners zurückhält, ist aber auch ein weiterer Testkauf zur Feststellung, ob ein solcher wiederholter Verstoß vorliegt, noch erforderlich und im Übrigen auch angemessen.
Es ist allerdings nicht erforderlich, eigene Waren bei Dritten einzukaufen, um sie mit den Waren eines anderen zu vergleichen.
OLG Frankfurt, Beschl. v. 31.1.2013, 6 W 127/12, Tz. 6
Eine am Wirtschaftlichkeitsgebot orientierte Partei wird in einem Rechtsstreit, in dem Ansprüche aus wettbewerbsrechtlichem Leistungsschutz verfolgt werden, dem Gericht grundsätzlich seine eigenen Produkte vorlegen und sie sich nicht zuvor von Dritter Seite mit entsprechendem Kostenaufwand besorgen.
Übersetzungskosten
OLG Hamburg, Beschl. v. 27.1.2016, 8 W 60/15 (= MD 2016, 544)
Grundsätzlich gilt, dass einer der deutschen Sprache nicht kundigen ausländischen Prozesspartei die Kosten der Übersetzung aller wesentlichen Schriftstücke, vorzulegenden Urkunden, gerichtliche Entscheidungen und Verfügungen zu erstatten sind; allerdings obliegt es der Partei, die Kosten für Übersetzungen niedrig zu halten. Übersetzungskosten, die eine der deutschen Sprache nicht mächtige ausländische Partei aufwendet, um jederzeit dem Rechtsstreit folgen zu können und an ihm beteiligt zu bleiben, sind zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig. Das gilt insbesondere für die Übersetzung der im Prozess gewechselten Schriftsätze, von Urkunden, Beweisprotokollen und Gutachten sowie gerichtlichen Protokollen, Verfügungen und Entscheidungen. Die Erstattungsfähigkeit der Kosten für die Übersetzung gewechselter Schriftsätze kann sich nicht auf Schriftsätze des Gegners beschränken, sondern schließt die Kosten für die Übersetzung der vom eigenen Prozessbevollmächtigten gefertigten Schriftsätze ein. Schon aus Gründen der Gleichstellung eine der deutschen Sprache nicht mächtigen Partei mit einer solchen, die die deutsche Sprache beherrscht, ist es geboten, die diesbezüglichen Übersetzungskosten im obsiegen Fall als erstattungsfähig anzuerkennen. …
… Die Erstattungsfähigkeit der angesetzten Übersetzungskosten bleibt auch aufrecht erhalten, wenn die Partei durch eine Rechtsanwältin vertreten wird, die deren Sprache beherrscht und die Korrespondenz in dieser Sprache zu ihrer täglichen Routine gehört. …
Die wörtliche Übersetzung des Prozessstoffes ist immer dann notwendig, wenn die ausländische Partei ihrer bedarf, um am Prozessgeschehen sachgerecht teilhaben zu können (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 23.7.2012, 2 W 20/12).
Kosten als Schaden
Siehe zur Erstattung von Kosten auch
"Kosten als konkreter Schaden im Rahmen eines Schadenersatzanspruchs"
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Omsels, Online-Kommentar zum UWG: