1. Irreführung mit Selbstverständlichkeiten
2. Beispiele für (k)eine Werbung mit Selbstverständlichkeiten
a) Nr. 10 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG
b) Werbung mit Leistungen oder Eigenschaften, die auch beim Wettbewerb üblich sind
Versicherter Versand beim Verbrauchsgüterkauf
Kostenlose Schätzung (beim Goldankauf)
Aufzählung positiver Produkteigenschaften
Irreführung mit Selbstverständlichkeiten
BGH, Beschl. v. 23.10.2008, I ZR 121/07
Eine Werbung, die Selbstverständlichkeiten herausstellt, kann trotz objektiver Richtigkeit der Angaben gegen § 5 UWG verstoßen, sofern das angesprochene Publikum annimmt, dass mit der Werbung ein Vorzug gegenüber anderen Erzeugnissen der gleichen Gattung und den Angeboten von Mitbewerbern hervorgehoben wird (BGH, Urt. v. 9.7.1987, I ZR 120/85 - Gratis-Sehtest). Das ist insbesondere dann der Fall, wenn dem Publikum nicht bekannt ist, dass es sich bei der betonten Eigenschaft um einen gesetzlich vorgeschriebenen oder zum Wesen der Ware gehörenden Umstand handelt. Wesensgemäße Eigenschaften der Ware und gesetzlich vorgeschriebene Angaben sind jedoch lediglich Beispiele einer unlauteren Werbung mit Selbstverständlichkeiten. Entscheidend ist, dass der Verkehr in der herausgestellten Eigenschaft der beworbenen Ware oder Leistung irrtümlich einen Vorteil sieht, den er nicht ohne weiteres, insbesondere auch nicht bei Bezug der gleichen Ware oder Leistung bei der Konkurrenz, erwarten kann.
ebenso BGH, Urt. v. 28.11.2013, I ZR 94/13, Tz. 13 – Kostenlose Schätzung; OLG Oldenburg, Urt. v. 6.10.2010, 1 U 6/10; OLG Hamm, Beschl. v. 20.12.2010, I-4 W 121/10; OLG Celle, Urt. v. 31.1.2013, 13 U 128/13, II.2; OLG München, Beschl. v. 21.11.14, 6 W 2103/14 (= MD 2015, 112); OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.12.2014, I-20 U 227/13, Tz. 13 - laktosefrei; OLG Hamburg, Urt. v. 20.6.2019, 3 U 137/17, Tz. 63
BGH, Urt. v. 11.7.2024, I ZR 164/23, Tz. 85 - nikotinhaltige Liquids
Eine Werbung, die Selbstverständlichkeiten herausstellt, kann trotz objektiver Richtigkeit der Angaben gegen § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG aF (§ 5 Abs. 2 Nr. 1 UWG nF) verstoßen, wenn dem angesprochenen Verkehr nicht bekannt ist, dass es sich bei der betonten Eigenschaft um einen gesetzlich vorgeschriebenen oder zum Wesen der Ware gehörenden Umstand handelt, und der angesprochene Verkehr deshalb annimmt, dass mit der Werbung ein Vorzug gegenüber anderen Erzeugnissen der gleichen Gattung und den Angeboten von Mitbewerbern hervorgehoben wird.
Beispiele für (k)eine Werbung mit Selbstverständlichkeiten
Nr. 10 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG
Einen Beispielsfall einer Werbung mit Selbstverständlichkeiten nennt Nr. 10 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG, wonach eine per se unlautere geschäftliche Handlung in der unwahren Angabe oder dem Erwecken des unzutreffenden Eindrucks liegt, gesetzlich bestehende Rechte stellten eine Besonderheit des Angebots dar.
BGH, Urt. v. 19.3.2014, I ZR 185/12 - Geld-zurück-Garantie III
Eine unzulässige geschäftliche Handlung ist nach Nr. 10 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG die unwahre Angabe oder das Erwecken des unzutreffenden Eindrucks, gesetzlich bestehende Rechte stellten eine Besonderheit des Angebots dar. Aus der Vorschrift ergibt sich kein Anhalt für das … Erfordernis einer hervorgehobenen Darstellung. Nichts anderes folgt auch aus der für die gebotene unionsrechtskonforme Auslegung dieser Regelung maßgeblichen Bestimmung der Nummer 10 des Anhangs I der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken, nach der den Verbrauchern gesetzlich zugestandene Rechte nicht als Besonderheit des Angebots präsentiert werden dürfen. Eine hervorgehobene Angabe wird daher weder im deutschen Recht noch im für dessen Auslegung maßgeblichen Unionsrecht vorausgesetzt. Erforderlich, aber auch ausreichend ist es vielmehr jeweils, dass beim Verbraucher der unrichtige Eindruck erweckt wird, der Unternehmer hebe sich bei seinem Angebot dadurch von den Mitbewerbern ab, dass er dem Verbraucher freiwillig ein Recht einräume. Das kann durch eine blickfangmäßige Herausstellung geschehen. Zwingend ist ein Blickfang aber nicht.
Für diese Sichtweise spricht vor allem der Wortlaut der genannten Bestimmungen. Dieser stellt auf eine Besonderheit des Angebots und nicht auf eine besondere oder hervorgehobene Darstellung des Angebots ab. Es kommt hinzu, dass nach der Nummer 10 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG auch das Erwecken des Eindrucks, das seiner Natur nach nicht ausdrücklich oder in hervorgehobener Weise erfolgen muss, unzulässig ist.
Anders noch OLG Köln, Beschl. v. 1.2.2013, 6 W 21/13, Tz. 4
OLG Brandenburg, Urt. v. 22.10.2019, 6 U 54/18, Tz. 26 – provisionsfrei
Mit gesetzlich bestehenden Rechten ... sind ausschließlich subjektive Rechte des Verbrauchers gegenüber dem Unternehmen gemeint. Dies betrifft insbesondere zivilrechtliche Gewährleistungs- und Kündigungsrechte (Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 37. Aufl., Anh. zu § 3 Rn 10.3), nicht aber ordnungsrechtlich zu verstehende Gebote und Verbote.
Werbung mit Leistungen oder Eigenschaften, die auch beim Wettbewerb üblich sind
Wer Leistungen herausstellt, die auch bei Wettbewerbern üblich sind, wirbt zwar mit einer Selbstverständlichkeit. Er führt dadurch aber noch nicht in die Irre. Denn mit der Werbung wird nicht notwendigerweise auch behauptet, dass es dieselben Leistungen beim Konkurrenten nicht gibt. Kritisch wird es aber, wenn die Werbung den Eindruck erweckt, als ob diese Leistungen beim Werbenden eine Besonderheit wäre, obwohl dies nicht der Fall ist. Allerdings ist jedem Unternehmer erlaubt, darauf hinzuweisen, dass er bestimmte Leistungen im Interesse des Verbrauchers freiwillig erbringt.
BGH, Urt. v. 28.11.2013, I ZR 94/13, Tz. 17 – Kostenlose Schätzung
Auf freiwillige, für einen Verbraucher nicht mit finanziellen Risiken verbundene Leistung muss der Anbieter auch dann werbend hinweisen dürfen, wenn er sie nicht allein gewährt, sondern eine entsprechende Übung auch bei seinen Mitbewerbern besteht (vgl. BGH, GRUR 1987, 916, 917 - Gratis-Sehtest).
Außerdem kann die (hervorgehobene) Information über bestimmte Produkteigenschaften ein berechtigtes Interesse bestimmter Verbraucherkreise befriedigen, auch wenn die Produkteigenschaft allen Produkten eigen ist.
OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.12.2014, I-20 U 227/13, Tz. 13 - laktosefrei
Eine Irreführung scheidet aus, wenn ... ein nicht zu leugnendes Informationsinteresse potentieller Kunden erfüllt wird (vgl. BGH GRUR 2013, 950 Rdnr. 16 ff – auch zugelassen am OLG Frankfurt).
Originalware
OLG Hamm, Beschl. v. 20.12.2010, I-4 W 121/10
Einem verständigen Verbraucher ist bekannt, dass der Verkäufer grundsätzlich verpflichtet ist, seine Ware als Originalware zu verkaufen, es sei denn, dass er die Ware als Nachbildung kennzeichnet. Damit hat der Verbraucher Kenntnis von dieser selbstverständlich bestehenden Verpflichtung. Eine Irreführung des Verbrauchers ist insoweit also nicht möglich. Dementsprechend ist die Werbung der Antragstellerin, mit der sie sich von Anbietern von Imitaten und Fälschungen, wie es sie auf dem Markt des Textilhandels durchaus häufig gibt, abgrenzen will, als zulässig einzustufen.
Versicherter Versand beim Verbrauchsgüterkauf
OLG Hamm, Urt. v. 22.11.2011, 4 U 98/11, Tz. 89 f
Mit dem durch den Fettdruck besonders herausgestellten Hinweis auf die Versicherung des Versandes wird dem Durchschnittsverbraucher der Eindruck vermittelt, dass ihm als Besteller respektive Käufer durch diese Versicherung ein prinzipieller Vorteil erwächst, mithin diese in seinem Interesse liegt; ansonsten würde sich eine solchermaßen betonte Information seitens des Verkäufers an den Käufer erübrigen. Ein solcher Vorteil kann sich für den Verbraucher aus seiner Sicht nur dann ergeben, wenn ihm durch die Versicherung ein mit dem Versand der zuvor erworbenen Ware generell verbundenes, seinem eigenen Einflussbereich entzogenes Risiko abgenommen wird. Denn andernfalls läge sie nicht ohne weiteres und von vorneherein in seinem Interesse.
Beim Verbrauchsgüterkauf ist jedoch gemäß § 474 Abs. 2 S. 2 BGB die Regelung des § 447 BGB zum Gefahrübergang beim Versendungskauf nicht anwendbar. Die Vergütungs-/Preisgefahr bleibt damit solange beim Verkäufer, bis der Käufer in den Besitz der Sache gelangt (§ 446 BGB). Das heißt, das generelle Versandrisiko wird beim Verbrauchsgüterkauf dem Verkäufer (Unternehmer) überbürdet (Palandt-Weidenkaff, 70. Aufl., § 474 BGB, Rn. 12). Den Interessen des Käufers ist also bereits durch die die VerbrGKRL umsetzende Regelung des § 474 BGB, wenn auch in einer anderen Form – und insoweit handelt es sich auch nicht etwa um eine Werbung mit Selbstverständlichkeiten - Rechnung getragen. Der Abschluss der in den Versandbestimmungen des Beklagten hervorgehobenen Versicherung dient damit in erster Linie den eigenen Interessen des Verkäufers, der im Falle des zufälligen Untergangs oder der zufälligen Beschädigung der verkauften Ware beim Versand den Anspruch auf die Gegenleistung des Kaufpreises verlieren würde (§ 326 Abs. 1 S. 1 BGB), ohne sich seinerseits an den Beförderer der Ware halten zu können.
auch zugelassen beim OLG xy
Unter den Oberlandesgerichten war längere Zeit umstritten, ob ein Rechtsanwalt in der Werbung, auf Briefbögen oder im Impressum einer Website darauf hinweisen darf, bei welchen Gerichten er zugelassen ist. Diese Diskussion hat der BGH beendet. Der Hinweis auf die Zulassung bei allen Gerichten in Zivilsachen (außer beim BGH) ist keine Werbung mit Selbstverständlichkeiten.
BGH, Urt. v. 20.2.2013, I ZR 146/12, Tz. 17 ff - auch zugelassen am OLG Frankfurt
Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass es den potentiellen Mandanten, die der Beklagte mit den Angaben auf seinem Briefkopf anspricht, durchweg bekannt ist, dass heute jeder Rechtsanwalt an allen Oberlandesgerichten, mithin auch am Oberlandesgericht Frankfurt am Main, „zugelassen“ und damit postulationsfähig ist. Die Beschränkungen der Postulationsfähigkeit an den Oberlandesgerichten haben sich erst seit dem Jahre 2002 gelockert; erst im Jahre 2007 sind sie vollständig gefallen. Bis 2002 galt in Hessen die Singularzulassung mit der Folge, dass ein am Oberlandesgericht Frankfurt zugelassener Rechtsanwalt an keinem anderen Gericht zugelassen sein konnte und auch ein etwa am Landgericht Gießen zugelassener Rechtsanwalt nicht berechtigt war, vor dem Oberlandesgericht aufzutreten (§§ 25, 226 Abs. 2 BRAO aF). Nachdem das Bundesverfassungsgericht die Bestimmung des § 25 BRAO aF, in der die Singularzulassung geregelt war, für verfassungswidrig erklärt hatte (BVerfGE 103, 1), galt in Hessen bis 2007 die Simultanzulassung; nunmehr konnten Rechtsanwälte, die seit mindestens fünf Jahren beim Landgericht zugelassen waren, gleichzeitig beim Oberlandesgericht zugelassen werden (§ 20 Abs. 1 Nr. 2 BRAO aF), wobei seit dem 1. August 2002 die Zulassung an einem Oberlandesgericht die Postulationsfähigkeit an allen anderen Oberlandesgerichten eröffnete. Seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Stärkung der Selbstverwaltung der Rechtsanwaltschaft am 1. Juni 2007 ist auch die gesonderte Zulassung an einem Oberlandesgericht entfallen; seitdem kann jeder zugelassene Rechtsanwalt vor allen Oberlandesgerichten auftreten.
Diese wechselvolle Geschichte wird - davon ist auszugehen - den wenigsten bekannt sein, die einen Rechtsanwalt mandatieren wollen. Gerade für die Teile des Verkehrs, die nicht ständig Rechtsstreitigkeiten führen, ist es des-halb keineswegs selbstverständlich, dass ein mit der landgerichtlichen Vertretung betrauter Rechtsanwalt die Sache auch vor dem Oberlandesgericht vertreten kann.
… Diesem Hinweis kommt damit vor dem Hintergrund der verschiedenen Regelungen, die in der Vergangenheit gegolten haben, ein Informationswert zu, an dem sowohl ein potentieller Mandant als auch der Beklagte ein berechtigtes Interesse haben.
A.A. noch die Vorinstanz: OLG Köln, Urt. v. 22.6.2012, 6 U 4/12, Tz. 21; sowie OLG Bremen, Beschl. v. 20.2.2013, 2 U 5/13 - Zulassung OLG, LG, AG; zuvor schon deutlich zurückhaltender KG Berlin, Beschl. v. 14.6.2013, 5 W 119/13, II.3f
Die Präposition 'bei' in 'bei dem Landgericht und dem Oberlandesgericht' soll demgegenüber unzulässig sein, weil sie eine besondere Nahe zum Gericht suggeriere (BGH, Beschl. v. 30.12.2012, AnwZ (Brfg) 27/11).
Kostenlose Schätzung (beim Goldankauf)
BGH, Urt. v. 28.11.2013, I ZR 94/13, Tz. 17 – Kostenlose Schätzung
Auch wenn es sich bei der Schätzung des Wertes einer zum Kauf angebotenen Sache um eine üblicherweise von Edelmetallankäufern unentgeltlich vorgenommene Leistung handelt, bleibt es doch gerade in den Fällen, in denen die Wertermittlung unabhängig von einer Verkaufsabsicht des Verbrauchers erfolgt, eine freiwillige Sonderleistung der Beklagten, die nicht als selbstverständlich angesehen werden kann und daher auch nicht mit einer gesetzlich vorgeschriebenen Angabe oder mit einem zum Wesen der Ware gehörenden Umstand vergleichbar ist.
OLG Celle, Urt. v. 31.1.2013, 13 U 128/13, II.2
Bei dem Angebot der Beklagten, die Edelmetalle der Kunden kostenlos zu schätzen, handelt es sich um eine freiwillige Sonderleistung. Insbesondere ist dieser Aspekt kein Umstand, der sich lediglich auf die Preisfestsetzung durch den Käufer bezieht. Denn die kostenlose Schätzung führt die Beklagte unabhängig davon durch, ob es anschließend zum Kaufvertragsabschluss kommt oder nicht. Diese freiwillige Sonderleistung der Beklagten bezieht sich auch weder auf eine Eigenschaft der angebotenen Leistung, die dieser wesensmäßig und deshalb selbstverständlich ist, noch auf einen Umstand, der gesetzlich vorgeschrieben und deshalb gleichfalls für alle gleichartigen Leistungsangebote selbstverständlich ist (vgl. Nr. 10 des Anhanges zu § 3 Abs. 3 UWG). Vielmehr handelt es sich bei dem Angebot der Beklagten um eine zwar üblicherweise von Goldankäufern vorgenommene, nichtsdestoweniger aber freiwillige Sonderleistung, die wegen dieser Freiwilligkeit nicht als gleichermaßen selbstverständlich wie eine gesetzlich vorgeschriebene oder durch ihr Wesen zwangsläufig vorgegebene Leistung angesehen werden kann.
Bestätigt durch BGH, Urt. v. 28.11.2013, I ZR 94/13 – Kostenlose Schätzung; a.A.: OLG München, Urt. v. 24.5.2012, 29 U 4217/11
Die Rezept-Apotheke
OLG Stuttgart, Urt. v. 20.12.2018, 2 U 26/18, Tz. 62
Die Werbung erweckt beim Verbraucher den falschen Eindruck, die Beklagte biete ihm eine Leistung, die ihm eine andere Apotheke bei der Rezepteinlösung nicht biete, ohne dass diese Zusatzleistung in der für eine informierte Marktentscheidung erforderlichen Weise beschrieben wäre.
Aufzählung positiver Produkteigenschaften
Der angesprochene Verkehr wird die Aufzählung von positiven Eigenschaften auf der Verpackung dahingehend verstehen , dass es sich bei den Angaben um Produkteigenschaften handelt, die nicht allen Waren der Produktgattung ... zukommen. ln diesem Zusammenhang können auch die weiteren Angaben ... für das Verständnis herangezogen werden, die nicht auf alle gleichen Produkte zutreffen.
Klinisch belegte Wirksamkeit
OLG Hamburg, Urt. v. 11.3.2021, 3 U 33/19, Tz. 33 f
Die Antragstellerin trägt vor, dass dem angesprochenen Verkehr durch die beanstandete Aussage der Eindruck vermittelt werde, dass es sich bei der ausgelobten "klinisch belegten Wirksamkeit“ um eine Besonderheit handele, die nicht auf alle konventionellen Arzneimittel zutreffe.
Dieses Verkehrsverständnis lässt sich der Aussage nach Einschätzung des Senats nicht entnehmen. Zwar wird die Aussage durch den Störer optisch hervorgehoben, was dafür sprechen kann, dass es sich dabei um eine Besonderheit handelt. Dies führt jedoch nicht dazu, dass die angesprochenen Fachkreise (Pharmazeutisch Technische Assistenten) davon ausgehen könnten, dass es auch konventionelle Arzneimittel gäbe, die ohne eine im Rahmen des Zulassungsverfahrens zu belegende Wirksamkeit zugelassen würden. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass sie darum wissen, dass es sich dabei um die zentrale Zulassungsvoraussetzung für konventionelle Arzneimittel handelt - anders als für Erfahrungsarzneimittel, für welche heilmittelwerberechtlich der Hinweis nach § 4 Abs. 1 Satz 2 HWG erforderlich ist. Vor diesem Hintergrund können die angesprochenen Fachkreise der „Selbstverständlichkeit“ der klinisch belegten Wirksamkeit die Information entnehmen, dass es sich bei dem beworbenen Produkt um ein konventionelles Arzneimittel handelt.
Glutenfrei
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 25.5,2022, 9 A 2719/19, Tz. 26
Dem Verbraucher wird durch den Hinweis „Das Produkt ist glutenfrei.“ suggeriert, dass sich die Produkte durch ihre Glutenfreiheit besonders auszeichneten und damit auch eine besondere Qualität verbunden sei. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass bei einem durchschnittlichen Verbraucher nicht nur der (unzutreffende) Eindruck entstehe, dass die Klägerin besondere Anstrengungen auf sich genommen habe, glutenhaltige Zutaten aus der Produktionskette zu entfernen. Vielmehr sei mit der Angabe „glutenfrei“ bei einem durchschnittlichen Verbraucher auch die Auffassung verbunden, es handle sich um ein besonders gesundes Produkt. So weise die Deutsche Zöliakie-Gesellschaft e. V. regelmäßig darauf hin, dass eine immer größer werdende Zahl an Verbrauchern eine glutenfreie Ernährung als bloßen Diät- oder Modetrend wahrnehme und sich einem vermeintlichen Zeitgeist entsprechend freiwillig glutenfrei ernähre.
… Eine glutenfreie Ernährung existiert derzeit durchaus (auch) als Diät- oder Modetrend, und der Hinweis auf die Glutenfreiheit ist deshalb geeignet, dem insoweit maßgeblichen Durchschnittsverbraucher einen besonderen Vorzug dieser Lebensmittel zu suggerieren.