Neu
OLG Saarbrücken, Urt. v. 2.4.2014, 1 U 11/13, 2.a
Wer eine Ware als neu verkauft, erklärt damit, dass die Ware fabrikneu ist. Mangels gegenteiliger Absprache der Vertragsparteien ist bei einem Verkauf als neu die Fabrikneuheit der Ware eine konkludent zugesicherte Eigenschaft der Kaufsache (vgl. BGH, Urt. v. 5.4.1995, I ZR 59/93 = GRUR 1995, 610, 612 - Neues Informationssystem). Als in diesem Sinne fabrikneu kann eine Sache nur angesehen werden, wenn sie noch nicht benutzt wurde, durch Lagerung keinen Schaden erlitten hat und nach wie vor in der gleichen Ausstattung hergestellt wird (vgl. BGH, a.a.O.; Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm, UWG, § 5 Rn. 4.61).
Bei technischen Gegenständen, bei denen nach einer gewissen Zeit nicht mehr gewährleistet ist, dass sie noch einwandfrei funktionieren, obwohl sie noch nicht gebraucht wurden, kann nicht mehr von 'neu' gesprochen werden.
OLG Saarbrücken, Urt. v. 2.4.2014, 1 U 11/13, 2.a
Die Beklagte darf die Kugellager nicht mehr als „neu“ bezeichnen, wenn diese durch die Lagerung einen Schaden erlitten haben oder die Verkehrskreise dem Alter der Kugellager im Hinblick auf mögliche Lagerungsschäden wertbemessende Bedeutung zubilligen.
Im Bereich des Fahrzeugkaufs ist anerkannt, dass ein PKW nicht mehr als „neu“ bezeichnet werden kann, wenn zwischen Herstellung des Fahrzeugs und Abschluss des Kaufvertrags mehr als zwölf Monate liegen. Die Lagerdauer ist nach der Verkehrsanschauung für die Wertschätzung eines Kraftfahrzeugs von wesentlicher Bedeutung. Eine lange Standdauer ist für den Neuwagenkäufer ein wertmindernder Faktor, da sich der Zustand des Fahrzeugs durch Zeitablauf auf Grund von Materialermüdung, Oxydation und anderen physikalischen Veränderungen verschlechtert (vgl. BGH, Urt. v. 15.10.2003, VIII ZR 227/02). ...
... Der Kunde, der einen Gegenstand der vorliegenden Art als „neu“ erwirbt, geht davon aus, diesen unbesehen verwenden zu können. Gerade bei einem technisch sensiblen Ersatzteil, das für den Einbau in einen Personenkraftwagen gedacht ist, gebietet daher der nie auszuräumende Verdacht von Schäden bei längerer Lagerdauer derartige Waren zumindest nicht ohne klarstellenden Zusatz als „neu“ zu bezeichnen. Erst hierdurch erhält ein Kunde Veranlassung zur Überprüfung der Kugellager. Fehlt ein derartiger Hinweis ist die Bezeichnung als „neu“ irreführend im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 2 UWG.
OLG München, Urt. v. 30.6.2016 6 U 531/16, II.A.2.b - Verkaufsaktion für Brillenfassungen
Der angesprochene Verkehr gebraucht in Bezug auf Produkte aus der Modebranche (zu denen auch Brillenfassungen gezählt werden können) sowie dort in Bezug auf die Kollektionszugehörigkeit die Attribute „neue“, „neueste“ und „aktuelle“ Kollektion synonym und versteht darunter stets nur diejenigen Produkte, die vom Hersteller (und nicht vom Händler) zuletzt auf den Markt gebracht wurden.
Ebenso in OLG München, Urt. v. 30.6.2016, 6 U 531/16, II.A.3.b - Verkaufsaktion für Brillenfassungen
OLG Frankfurt, Urt. v. 10.8.2017, 6 U 63/17, II.2.a - "Eine neue Klasse analytischer Messgenauigkeit"
Es ist irreführend, wenn die Antragsgegnerin ihr Produkt etwa ein Jahrzehnt nach der Markeinführung noch als "neu" bewirbt
Neueröffnung
Zu einer Neueröffnung des Ganzen, wenn nur ein Teil eines Handelshauses umgebaut und neu eröffnet wurde:
OLG Hamm, Urt. v. 21.03.2017, 4 U 183/16
Mit dem ... Begriff "Neueröffnung" wird der durchschnittlich informierte und verständige Verbraucher, welcher der Werbung die der Situation angemessene Aufmerksamkeit entgegenbringt (§ 3 Abs. 2 UWG), unter den gegebenen Umständen im Sinne des § 5 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 2 UWG über den Anlass des Verkaufs irregeführt, womit dahinstehen kann, ob die Bezugspunkte der Irreführung in § 5 Abs. 1 S. 2 UWG abschließend aufgeführt sind. ...
Der Begriff des "Eröffnens" wird in diesem Zusammenhang nicht anders als im Sinne von Aufschließen oder Aufmachen des Ladenlokals verstanden und setzt damit schon begrifflich voraus, dass dieses geschlossen war (so auch schon OLG Frankfurt, Urt. v. 30.10.2003, 6 U 120/02 Rn. 9). Dies wird dem Publikum nicht ausdrücklich mitgeteilt, jedoch suggeriert. Die Werbeaussage ist insoweit nicht einmal mehrdeutig, geschweige denn unklar oder vollständig.
Diese Vorstellung wird nicht durch den Zusatz "Nach Totalumbau und großer Erweiterung" korrigiert. Hieraus ergibt sich allenfalls, dass es sich nicht um eine Neu-Eröffnung handelte. Hiermit wird jedoch mitnichten klargestellt, dass es keine Schließung gab. Im Gegenteil macht gerade dieser Hinweis die Werbeaussage umso schlüssiger. Denn es ist plausibel, dass gerade bei derart umfangreichen Baumaßnahmen eine Schließung notwendig wurde.
OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.6.2019, 2 U 55/18, Tz. 75 ff
Es kann dahinstehen, ob die Werbung mit einer „Neueröffnung“ bereits dann irreführend ist, wenn es sich tatsächlich um keine Neu-, sondern um eine Wiedereröffnung handelt (dafür: OLG Koblenz, GRUR 1988, 555; differenzierend: OLG Stuttgart, Urt. v. 10.12.1993, 2 U 156/93; dagegen: OLG Frankfurt, Urt. v. 30.10.2003, 6 U 120/02). Dagegen spricht, dass die Beklagte ihre „Neueröffnung“ jeweils in den Kontext des Umbaus und der Umgestaltung vieler Abteilungen stellt. Damit ist auch für den situationsadäquat aufmerksamen Betrachter, der die Beklagte nicht kennt, klar, dass diese zumindest früher an dieser Stelle bereits ein Möbelgeschäft betrieben hat. Er geht dementsprechend nicht davon aus, dass ein neuer Wettbewerber in den Markt eintritt, sondern erkennt, dass sich ein bereits vorhandener Anbieter lediglich „ein neues Gesicht“ gegeben hat, in dem insbesondere viele Abteilungen neu gestaltet wurden (so i.E. auch OLG Stuttgart, a.a.O.).
Unabhängig davon ist die Werbung der Beklagten irreführend, weil sie mit dem ausdrücklichen Hinweis auf eine Neueröffnung, in dem der Wortbestandteil „neu“ auch noch blickfangmäßig hervorgehoben ist, den Eindruck erweckt, das Geschäft der Beklagten werde jedenfalls nach einer vorübergehenden Schließung zum Zwecke der Durchführung von Umbauarbeiten sowie der Umgestaltung vieler Abteilungen wiedereröffnet. Diese Feststellung kann der Senat aus eigener Sachkunde treffen. Bei der angegriffenen Werbung handelt es sich um Publikumswerbung, die sich im Prinzip an Jedermann und damit letztlich auch an die Mitglieder des Senats richtet (so auch OLG Hamm, GRUR-RR 2017, 330).
Der Begriff des „Eröffnens“ setzt bereits begrifflich voraus, dass das Geschäft zuvor zumindest vorübergehend für einen gewissen Zeitraum geschlossen war (so auch OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 30.10.2003, 6 U 120/02; OLG Hamm, GRUR-RR 2017, 330, 331; LG Münster, Urt. v. 19.01.2018, 026 O 43/17; Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 35. Aufl., § 5 Rz. 2.71). Dem steht der durch die Beklagte stets verwendete Zusatz „nach Umbau & Umgestaltung vieler Abteilungen“ nicht entgegen, sondern stützt ein solches Verständnis vielmehr. Gerade die Umgestaltung vieler Abteilungen lässt es plausibel erscheinen, dass das Geschäft der Beklagten für die in diesem Zusammenhang erforderlichen Arbeiten zumindest vorübergehend geschlossen war. Soweit die Beklagte darauf verweist, es sei heutzutage bei baulichen Großprojekten im Einzelhandel gang und gäbe, vorhandene Bauten aus wirtschaftlichen Erwägungen während der Bauphase weiterhin eingeschränkt zu nutzen, mag dies sein. Dies rechtfertigt es jedoch nicht, nach Abschluss der Arbeiten mit einer – in einem solchen Fall tatsächlich nicht vorhandenen – Neu- oder Wiedereröffnung zu werben (so auch OLG Hamm, a.a.O., Rz. 49 und 51).
OLG Hamm, Urt. v. 21.03.2017, 4 U 183/16, Tz. 88
Der Begriff der "Neueröffnung" übt auf den Verbraucher generell einen ganz erheblichen Anreiz aus.
OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.6.2019, 2 U 55/18, Tz. 75 ff
Die angegriffene Werbung mit einer „Neueröffnung“ ist auch geeignet, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte (§ 5 Abs. 1 UWG). Unabhängig davon, ob die Beklagte ihrem Publikum wie von ihr behauptet ein umgebautes und völlig neu ausgerichtetes Möbelhaus bereitgestellt hat, dessen Strahlkraft ein Einkaufserlebnis garantiert, übt der Begriff „Neueröffnung“ auf den Verbraucher generell einen ganz erheblichen Anreiz aus (OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 30.10.2003, 6 U 120/02; OLG Hamm, s.o.). Auch wenn die mit der Irreführung verbundene Gefahr nicht so hoch wie bei einer Irreführung mit unmittelbarer Relevanz für die Marktentscheidung sein mag, erfasst das in § 5 UWG verankerte Verbot selbst eine solche Irreführung, von der „lediglich“ eine derartige Anlockwirkung ausgeht (OLG Hamm, s.o.; Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 35. Aufl., § 5 Rz. 1.91). Der Tatbestand der geschäftlichen Entscheidung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 9 UWG umfasst nämlich außer der Entscheidung über den Erwerb oder Nichterwerb eines Produkts auch damit unmittelbar zusammenhängende Entscheidungen wie das Betreten eines Geschäftes (EuGH, GRUR 2014, 196, 198 – Trento Sviluppo; BGH, GRUR-RR 2015, 698, 700 – Schlafzimmer komplett; OLG Hamm, a.a.O.).
Neuwagen
OLG Karlsruhe, Urt. v. 22.9.2020, 4 U 57/19 (WRP 2021, 100)
Auf dem relevanten Markt der Neuwagen wird zwischen denen mit und ohne Tageszulassung unterschieden. Der informierte Durchschnittsverbraucher bezieht die Angabe „Neufahrzeug“ auf ein solches ohne Tageszulassung, bei dem er als erster Halter eingetragen wird. Der entsprechende Eindruck entsteht auch deswegen, weil die Internetplattform „mobile.de“ für die beiden Kategorien „mit und ohne Tageszulassung“ unterschiedliche Rubriken vorhält, in die der Anbieter das Fahrzeug einstellen kann. Der Beklagte hat den Opel Karl Active nicht in der vorgegebenen Rubrik (Fahrzeugart: „Tageszulassung“) eingestellt, was ihm möglich gewesen wäre. Ein Fahrzeug mit Tageszulassung wird in aller Regel deutlich preisgünstiger als ein Neuwagen zum Kauf an Endverbraucher abgegeben (so auch OLG Köln, Urt. v. 5.4.2019, I-6 U 179/18, juris, Tz. 23).