Ihr Rechtsanwalt im Wettbewerbsrecht
Dr. Hermann-Josef Omsels*

Eine Darstellung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und wettbewerbsrechtlicher Nebengesetze



 

2. Aufwendungsersatz bei Abschlussschreiben

Die Kosten für die Aufforderung zur Abgabe einer Abschlusserklärung (Abschlussschreiben) sind grundsätzlich erstattungsfähig und separat zu den Kosten zu erstatten, die ggfs. schon mit einer Abmahnung verbunden sind.

1. Abschlussschreiben gebührenrechtlich neue Angelegenheit

2. Erstattungsanspruch für die Kosten eines Abschlussschreiben

3. Höhe der Kosten

4. Unternehmen mit eigener Rechtsabteilung

5. Schadenersatz bei unterlassener Aufklärung

Lit.: Ahrens, Hans-Jürgen, Kosten des nur teilweise berechtigten Abschlussschreibens, WRP 2021, 4

Abschlussschreiben gebührenrechtlich neue Angelegenheit

Mit dem Abschlussschreiben wird der Anspruchsgegner, gegen den eine einstweilige Verfügung ergangen ist, aufgefordert, die einstweilige Verfügung als abschließende Regelung anzuerkennen. Dadurch soll die Durchführung eines Klageverfahrens in derselben Sache vermieden werden.

Das Abschlussschreiben ist gegenüber dem einstweiligen Verfügungsverfahren und der davor ausgesprochenen Abmahnung gebührenrechtlich eine eigene Angelegenheit; d.h. dass der Anspruchsgegner für ein berechtigtes Abschlussschreiben eines Rechtsanwalts eine weitere Gebühr zahlen muss.

BGH, Urt. v. 4.2.2010, I ZR 30/08, Tz. 27

Die Anforderung der Abschlusserklärung gehört hinsichtlich der Rechtsanwaltsgebühren nicht mehr zum vorangegangenen Eilverfahren, sondern zur Hauptsacheklage. Das Abschlussschreiben ist daher als eine neue, selbständig zu honorierende Angelegenheit i.S. des § 17 Nr. 4 lit. b RVG anzusehen. Fordert der Rechtsanwalt im Auftrag seines Mandanten nach Erwirkung einer auf Unterlassung gerichteten einstweiligen Verfügung den Anspruchsgegner dazu auf, die einstweilige Verfügung als endgültige Regelung anzuerkennen und auf die Rechte aus §§ 924, 926 und 927 ZPO zu verzichten, so will er auf diese Weise die Klaglosstellung seines Mandanten und damit ein Ergebnis erzielen, wie es nur mit dem Hauptsacheprozess erreicht werden kann. Aus diesem Grund gehört die von ihm entfaltete weitere Tätigkeit sachlich zum Hauptsacheprozess und damit zu einer nach § 17 Nr. 4 lit. b RVG vom Verfahren über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung verschiedenen Angelegenheit. Die Zuordnung eines Abschlussschreibens zum Hauptsacheverfahren setzt nicht voraus, dass bereits ein Auftrag zur Hauptsacheklage erteilt worden ist. Vielmehr genügt es, dass der Mandant dem Rechtsanwalt einen über die Vertretung im Eilverfahren hinausgehenden Auftrag erteilt hat.

Ebenso BGH, Urt. v. 8.3.2008, VI ZR 176/07

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Ersatzanspruch für die Kosten eines Abschlussschreiben

Dem Gläubiger steht für das Abschlussschreiben ein Kostenerstattungsanspruch zu, wenn es die Voraussetzungen einer Geschäftsführung ohne Auftrag erfüllt. Eine analoge Anwendung des § 13 Abs. 3 UWG kommt mangels Regelungslücke nicht in Betracht (BGH, Vers.-Urt. v. 9.2.2023, I ZR 61/22, Tz. 30 - Kosten für Abschlussschreiben III).

BGH, Urt. v. 15.12. 2011, I ZR 174/10, Tz. 45 – Bauheizgerät

Ein Anspruch auf Erstattung der Kosten eines Abschlussschreibens - also der Aufforderung zur Abgabe einer Abschlusserklärung nach Erlass einer einstweiligen Verfügung - kann nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677, 683, 670 BGB) gegeben sein. Ein solcher Anspruch setzt voraus, dass dem Gläubiger gegenüber dem Schuldner zum Zeitpunkt der Aufforderung zur Abgabe einer Abschlusserklärung ein Unterlassungsanspruch zustand und die Aufforderung zur Abgabe der Abschlusserklärung dem Interesse und dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Schuldners entsprach.

Ebenso BGH, Vers-Urt. v. 23.3.2023, I ZR 17/22, Tz. 85 – Aminosäurekapseln; BGH, Urt. v. 30.3.2017, I ZR 263/15, Tz. 53 -BretarisGenuair; BGH, Urt. v. 4.2.1010, I ZR 30/08, Tz. 26BGH, Urt. v. 19.5.2010, I ZR 177/07, Tz. 26 - Folienrollos; OLG Hamburg, Urt. v. 6.2.2014, 3 U 119/13, B.I.1BGH, Urt. v. 22.7.2021, I ZR 123/20, Tz. 41 – Vorstandsabteilung

Eine GoA setzt voraus:

BGH, Vers.-Urt. v. 9.2.2023, I ZR 61/22, Tz. 16 - Kosten für Abschlussschreiben III

Ein Aufwendungsersatzanspruch nach §§ 677, 683 Satz 1, § 670 BGB kommt für das Abschlussschreiben grundsätzlich in Betracht. Eine berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag liegt ... jedoch nur dann vor, wenn die im Abschlussschreiben enthaltene Aufforderung an den Schuldner, die einstweilige Verfügung als endgültige Regelung anzuerkennen und auf die Rechte aus §§ 924, 926 und 927 ZPO zu verzichten, objektiv dem Interesse und subjektiv dem wirklichen oder dem mutmaßlichen Willen des Schuldners entspricht.

BGH, Vers-Urt. v. 23.3.2023, I ZR 17/22, Tz. 86 – Aminosäurekapseln

Eine berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag liegt vor, wenn die Übernahme der Geschäftsführung dem Interesse und dem wirklichen oder dem mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn entspricht (§ 683 Satz 1 Halbsatz 1 BGB). Vorrangig kommt es auf den ausdrücklich oder konkludent geäußerten wirklichen Willen des Geschäftsherrn an. Hat dieser seinen Willen nicht geäußert, ist sein mutmaßlicher Wille maßgeblich; dieser ist deckungsgleich mit seinem (objektiven) Interesse, soweit keine anderweitigen Anhaltspunkte vorliegen.

BGH, Vers.-Urt. v. 9.2.2023, I ZR 61/22, Tz. 19 f, 22 - Kosten für Abschlussschreiben III

Die Übernahme einer Geschäftsführung entspricht im Sinne von § 683 Satz 1 BGB dem Interesse des Geschäftsherrn, wenn sie ihm objektiv vorteilhaft und nützlich ist. Maßgeblich ist die konkrete Situation des Geschäftsherrn.

Ein Abschlussschreiben ist für den Schuldner objektiv vorteilhaft und nützlich, wenn es ihm die Gelegenheit zur endgültigen Beilegung des Rechtsstreits durch Abgabe einer Abschlusserklärung eröffnet, wodurch ein unter Umständen kostenintensives Hauptsacheverfahren vermieden werden kann. Hat der Schuldner indes schon Widerspruch gegen die Beschlussverfügung erhoben oder Berufung gegen die Urteilsverfügung eingelegt, hat er sich bereits dafür entschieden, die einstweilige Verfügung nicht als endgültige Regelung zu akzeptieren. Die Aufforderung zur Abgabe einer Abschlusserklärung ist für ihn dann nicht mehr von Nutzen. ...

Auf die … Frage, ob der wirkliche Wille der Beklagten der Klägerin bekannt oder für sie erkennbar war, kommt es daher nicht entscheidend an. … Soweit sich aus der Senatsentscheidung Bretaris-Genuair anderes ergeben sollte (vgl. BGH, GRUR 2017, 1160 [juris Rn. 58]), hält der Senat daran nicht fest.

Ebenso BGH, Vers-Urt. v. 23.3.2023, I ZR 17/22, Tz. 88 – Aminosäurekapseln. Zu letzterem noch a.A. die Vorinstanz OLG Hamburg, Urt. v. 20.1.2022, 3 U 66/21, Tz. 20 und OLG Karlsruhe, Urt. v. 22.1.2014, 6 U 135/10, Tz. 90

Wer also an den Anspruchsgegner ein Abschlussschreiben verschickt, das objektiv nicht im Sinne des Anspruchsgegners war, weil er sich bereits entschieden hatte, Widerspruch gegen eine Beschlussverfügung oder Berufung gegen eine Urteilsverfügung einzulegen, hat keinen Kostenerstattungsanspruch nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag. Allerdings kommt als Grundlage für die Kostenerstattung ein Schadenersatzanspruch in Betracht. Dazu hier.

Außerdem besteht ein Aufwendungsersatzanspruch nur, wenn der Gläubiger die Wartefrist abgewartet hat.

BGH, Vers.-Urt. v. 9.2.2023, I ZR 61/22, Tz. 16 - Kosten für Abschlussschreiben III

Ein kostenauslösendes Abschlussschreiben ist nur dann erforderlich und entspricht dem mutmaßlichen Willen des Schuldners, wenn der Gläubiger dem Schuldner angemessene Zeit gewährt hat, um die Abschlusserklärung unaufgefordert von sich aus abgeben zu können. Hierbei ist eine Wartefrist von zwei Wochen, gerechnet ab der Zustellung der einstweiligen Verfügung, im Regelfall geboten und ausreichend. Diese Grundsätze gelten sowohl für eine durch Beschluss als auch für eine durch Urteil erlassene oder nach Widerspruch bestätigte einstweilige Verfügung.

Ebenso BGH, Vers-Urt. v. 23.3.2023, I ZR 17/22, Tz. 87 – Aminosäurekapseln

Weiterhin:

BGH, Urt. v. 15.12. 2011, I ZR 174/10, Tz. 47 – Bauheizgerät

Es entspricht nicht dem Interesse des Schuldners, eine zu Unrecht ergangene einstweilige Verfügung durch eine Abschlusserklärung als endgültige Regelung anzuerkennen.

Ein Abschlussschreiben ist auch nicht erforderlich, wenn der Anspruchsgegner dem Anspruchsteller von sich aus mitteilt, dass er sich rechtzeitig dazu äußern wird, ob er die einstweilige Verfügung als abschließende Regelung anerkennt.

OLG München, Urt. v. 13.8.2020, 29 U 1872/20 - Abbestelltes Abschlussschreiben

Die Beklagte hat mit der Formulierung, dass es eines Abschlussschreibens nicht bedürfe, zum Ausdruck gebracht, dass die Übersendung eines solchen überflüssig sei und nicht ihrem Willen entspreche. Aufgrund der Schreiben der Beklagten … war die Übersendung eines Abschlussschreibens in der Tat überflüssig und die Beklagte konnte dieses ... mit diesen Schreiben „abbestellen“, ohne sich mit der „Abbestellung“ bereits verbindlich dazu zu äußern, ob eine Abschlusserklärung abgegeben wird oder nicht.

OLG Hamburg, Urt. v. 6.2.2014, 3 U 119/13, B.I.1.b

Das Abschlussschreiben und die damit verbundenen Kosten sind nicht erforderlich, wenn  der Schuldner unmissverständlich zu erkennen gibt, dass er die einstweilige Verfügung nicht als endgültige Regelung akzeptiert. Das kann – nach verbreiteter Ansicht – etwa durch Einlegung des Widerspruchs oder der Berufung sowie durch einen Antrag auf Anordnung der Klageerhebung gemäß §§  936, 926 ZPO geschehen (vgl. Köhler/Bornkamm, UWG, § 12 Rn. 3.70; Teplitzky, Kap. 43 Rn. 28).

Eine Ausnahme gilt wiederum, wenn der Schuldner/Antragsgegner das Widerspruchsverfahren über einen längeren Zeitraum nicht betreibt.

OLG Köln, Urt. v. 17.5.2013, 6 U 174/12

Nachdem die Beklagte trotz der gerichtlichen Mitteilung, Termin werde erst nach Einreichen einer Widerspruchsbegründung anberaumt, mehrere Monate verstreichen ließ, konnte die Klägerin annehmen, dass die Beklagte an ihrem Widerspruch nicht länger festhalten wollte. Durch Abgabe einer entsprechenden Abschlusserklärung hätte die Beklagte nicht nur das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes beenden, sondern zugleich ein Hauptsacheverfahren insgesamt vermeiden können. Dies wäre daher auch für die Beklagte der kostengünstigste Weg gewesen, die Angelegenheit zu bereinigen.

Eine analoge Anwendung des § 13 Abs. 3 UWG (n.F.; § 12 Abs. 1 S. 2 UWG a.F.) kommt nicht in Betracht.

BGH, Urt. v. 22.1.2015, I ZR 59/14, Tz. 14f - Kosten für Abschlussschreiben II

Der Klägerin steht ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für das Abschlussschreiben als Aufwendungsersatzanspruch nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677, 683, 670 BGB) zu. Da keine Regelungslücke besteht, bedarf es insoweit nicht der analogen Anwendung von § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG (Fezer/Büscher, UWG, 2. Aufl., § 12 Rn. 181; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 10. Aufl., Kap. 43 Rn. 30).

Ein Kostenerstattungsanspruch besteht auch nur dann, wenn der Unterlassungsgläubiger dem Anspruchsgegner ausreichend Zeit gelassen hat, eine einstweilige Verfügung als abschließende Regelung anzuerkennen. Zur Wartefrist siehe hier.

Die Aufforderung, die einstweilige Verfügung als abschließende Regelung anzuerkennen (Abschlussschreiben) löst eine weitere Geschäftsgebühr aus, die der Schuldner erstatten muss, wenn die einstweilige Verfügung zu Recht ergangen ist. Um dieser Gebühr zu entgehen, sollte der Schuldner bereits unmittelbar nach der Zustellung einer einstweiligen Verfügung überlegen, ob er die einstweilige Verfügung nicht als abschließende Regelung anerkennt, bevor er dazu kostenpflichtig aufgefordert wird.

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Höhe der Kosten

BGH, Urt. v. 22.1.2015, I ZR 59/14, Tz. 29 - Kosten für Abschlussschreiben II

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs handelt es sich bei einem Abschlussschreiben in der Regel nicht um ein Schreiben einfacher Art nach Nr. 2302 RVG-VV (BGH, GRUR 2010, 1038 Rn. 30 f. - Kosten für Abschlussschreiben I). Dies kann im Einzelfall zwar anders zu beurteilen sein. Von einer solchen Fallkonstellation ist der Senat ausgegangen, wenn der Antragsgegner seinen Widerspruch in der mündlichen Verhandlung im Verfügungsverfahren zurückgenommen und dort bereits die Abgabe einer Abschlusserklärung in Aussicht gestellt hat (BGH, GRUR 2010, 1038 Rn. 32 - Kosten für Abschlussschreiben I).

Ebenso BGH, Vers.-Urt. v. 9.2.2023, I ZR 61/22, Tz. 38 - Kosten für Abschlussschreiben III

BGH, Urt. v. 22.1.2015, I ZR 59/14, Tz. 33 ff - Kosten für Abschlussschreiben II

Aus der Senatsrechtsprechung ergibt sich nicht, dass für ein Abschlussschreiben regelmäßig eine 0,8-fache Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG-VV als angemessen anzusehen ist. Vielmehr hat der Senat auf den von Nr. 2300 RVG-VV vorgesehenen Gebührenrahmen von 0,5 bis 2,5 verwiesen und in diesem Zusammenhang die Rechtsprechung der Instanzgerichte angeführt, die im Regelfall teils eine 1,3-fache Geschäftsgebühr (etwa OLG Hamm, Urteil vom 2. Juli 2009 - 4 U 39/09, juris), teils eine 0,8-fache Gebühr (OLG Hamburg, Urteil vom 21. Mai 2008 - 5 U 75/07, juris; OLG Düsseldorf, Urteil vom 30. Oktober 2007 - 20 U 52/07, juris) für angemessen halten (BGH, GRUR 2010, 1038 Rn. 30 - Kosten für Abschlussschreiben I).

Wie der Bundesgerichtshof aber zwischenzeitlich auch für das seit 1. Juli 2004 geltende Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestätigt hat, fällt in durchschnittlichen Rechtssachen die 1,3-fache Geschäftsgebühr als Regelgebühr an. Eine höhere Gebühr kann nur gefordert werden, wenn eine Tätigkeit umfang-reich und schwierig und daher "überdurchschnittlich" war.

Gegen eine Herabsetzung der Gebühr unter die 1,3-fache Regelgebühr spricht die Funktion des Abschlussschreibens, die einer die Hauptsache vorbereitenden Abmahnung vergleichbar ist (vgl. BGH, GRUR-RR 2008, 368 Rn. 9). Auch für berechtigte Abmahnungen ist regelmäßig eine Gebühr von 1,3 angemessen (vgl. BGH, Urt. v. 19.5.2010, I ZR 140/08 - Vollmachtsnachweis). Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich das Abschlussschreiben in der Regel nicht in einer bloßen Bezugnahme auf die bereits ergangene einstweilige Verfügung erschöpft, sondern mit ihm das Ziel verfolgt wird, einen Verzicht des Antragsgegners auf sämtliche Gegenrechte herbeizuführen. Zudem ist nach Zugang der Abschlusserklärung regelmäßig eine Prüfung erforderlich, ob die Erklärung inhaltlich ausreicht, um das Rechtsschutzziel zu erreichen (BGH, GRUR 2010, 1038 Rn. 31 - Kosten für Abschlussschreiben I).

BGH, Urt. v. 4.2.2010, I ZR 30/08, Tz. 30f - Kosten für Abschlussschreiben

In der Rechtsprechung der Instanzgerichte wird bislang die Auffassung vertreten, dass es sich bei einem Abschlussschreiben in der Regel nicht um ein Schreiben einfacher Art i.S. von Nr. 2302 RVG VV handele, so dass die dafür anfallende Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG VV zu bemessen sei (1,3 Geschäftsgebühr: OLG Hamm, Urt. v. 2.7.2009 - 4 U 39/09; KG, Urt. v. 3.4.2008 - 10 U 245/07; OLG Hamm, Urt. v. 3.5.2007 - 4 U 1/07; 0,8 Geschäftsgebühr: OLG Hamburg [3. Zivilsenat] WRP 2009, 1152; OLG Hamburg, Urt. v. 21.5.2008 - 5 U 75/07; OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.10.2007 - 20 U 52/07; LG Hamburg, Urt. v. 2.10.2009 - 324 O 174/09).

Nach Ansicht des Senats ist die für ein Abschlussschreiben entstehende Geschäftsgebühr im Allgemeinen auf der Grundlage von Nr. 2300 RVG VV zu berechnen, die einen Gebührenrahmen von 0,5 bis 2,5 vorsieht. Ein Abschlussschreiben erschöpft sich in der Regel nicht in einer bloßen Bezugnahme auf die bereits ergangene einstweilige Verfügung, sondern verfolgt insbesondere das Ziel, einen Verzicht des Antragsgegners auf sämtliche Gegenrechte herbeizuführen. Der Schwierigkeitsgrad eines solchen Schreibens ist daher in der Regel höher anzusetzen als bei bloßen Zahlungsaufforderungen, Mahnungen oder Einwohnermeldeamtsanfragen, die anerkanntermaßen der Nr. 2302 RVG VV unterfallen. Zudem bedarf es nach Zugang der Abschlusserklärung im Regelfall einer Prüfung, ob die abgegebene Erklärung zur Erreichung des Sicherungsziels inhaltlich ausreicht.

Ebenso BGH, Urt. v. 22.3.2011, VI ZR 63/10, Tz. 24; OLG Köln, Urt. v. 17.5.2013, 6 U 174/12; s.a. BGH, Urt. v. 22.7.2021, I ZR 123/20, Tz. 41 – Vorstandsabteilung

Im Einzelfall kann auch eine 0,3 Gebühr jedoch ausreichend sein. Eine 1,3 Gebühr ist  ebenfalls nicht ausgeschlossen (OLG Frankfurt, Urt. v. 19.9.2013, 6 U 105/12). Ein Standardschreiben ohne erforderliche rechtliche Prüfung, dass nur zu einer 0,3 Gebühr berechtigt, liegt nicht mehr vor, wenn die Abschlusserklärung von der geforderten Erklärung abweicht und daraufhin gepüft werden muss, ob sie ausreichend ist.

OLG Frankfurt, Urt. v. 19.9.2013, 6 U 105/12, Tz. 41

Standardformulierungen ohne neue rechtliche Prüfung stehen der Entstehung einer vollen Geschäftsgebühr nicht entgegen, wenn es einer erneuten rechtlichen Prüfung jedenfalls zu dem Zeitpunkt bedarf, zu dem die Abschlusserklärung abgegeben wurde. Bei der Bemessung der Gebührenhöhe für die Tätigkeit im Zusammenhang mit dem Abschlussschreiben ist zu berücksichtigen, ob es nach Zugang der Abschlusserklärung einer Prüfung bedarf, ob diese zur Erreichung des Sicherungsziels inhaltlich ausreicht. Daran fehlt es nur dann, wenn sich die abgegebene Erklärung inhaltlich im Wesentlichen mit dem im Abschlussschreiben Verlangten deckt ((Urt. v. 4.2.2010, I ZR 30/08, Rn. 31, 32 jeweils a.E.).

Wenn das Abschlussschreiben nur teilweise berechtigt war, weil die einstweilige Verfügung teilweise zu unrecht ergangen ist, berechnet sich der Kostenerstattungsanspruch durch eine Quotelung des geltend gemachten Gesamtanspruchs:

BGH, Vers.-Urt. v. 9.2.2023, I ZR 61/22, Tz. 24 ff - Kosten für Abschlussschreiben III

Richtet sich die Höhe der Kosten für das Abschlussschreiben nach dem Gegenstandswert, sind die Kosten eines nur teilweise berechtigten Abschlussschreibens nur zu ersetzen, soweit das Abschlussschreiben berechtigt war. Dabei ist die Höhe des Ersatzanspruchs nach dem Verhältnis des Gegenstandswerts des berechtigten Teils des Abschlussschreibens zum Gegenstandswert des gesamten Abschlussschreibens zu bestimmen (zur Abmahnung vgl. BGH, Urt. v. 14.1.2016, I ZR 61/14, Tz. 45 - Wir helfen im Trauerfall; Urt. v. 31.10.2018, I ZR 73/17, Tz. 38 - Jogginghosen, jeweils mwN). Soweit der Senatsentscheidung BretarisGenuair insoweit Gegenteiliges zu entnehmen sein sollte (vgl. BGH, GRUR 2017, 1160, Tz. 60), hält der Senat daran nicht fest.

Zinsen:

BGH, Vers.-Urt. v. 9.2.2023, I ZR 61/22, Tz. 24 ff - Kosten für Abschlussschreiben III

Zinsen auf einen etwaigen Zahlungsanspruch kann die Klägerin erst ab dem Zeitpunkt verlangen, zu dem die Beklagte die Erfüllung des Anspruchs ernsthaft und endgültig verweigert hat (vgl. BGH, GRUR 2015, 1021, Tz. 34 - Kopfhörer-Kennzeichnung).

BGH, Urt. v. 22.7.2021, I ZR 123/20, Tz. 43 f – Vorstandsabteilung

Verzugszinsen schuldet die Beklagte in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, nicht jedoch in Höhe von neun Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 288 Abs. 2 BGB.

Unter Entgeltforderungen im Sinne von § 288 Abs. 2 BGB sind nur solche Forderungen zu verstehen, die auf Zahlung eines Entgelts als Gegenleistung für die vom Gläubiger erbrachte oder zu erbringende Leistung gerichtet sind, wozu Ansprüche aus Vertragsstrafeversprechen und Ansprüche auf Erstattung von Ab-mahnkosten nicht zählen.

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Unternehmen mit eigener Rechtsabteilung

BGH, Urt. v. 4.2.1010, I ZR 30/08, Tz. 23 f

Die Beklagte war nicht gehalten, die Abmahnung und das Abschlussschreiben von ihrer Rechtsabteilung fertigen zu lassen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt es im Rahmen des Kostenerstattungsrechts auf die tatsächliche Organisation eines an einem Rechtsstreit beteiligten Unternehmens und nicht darauf an, welche Organisation das Gericht für zweckmäßig erachtet. Dementsprechend braucht sich ein Unternehmen, das keine Rechtsabteilung unterhält, nicht so behandeln zu lassen, als ob es über eine eigene Rechtsabteilung verfügte

Diese Grundsätze gelten auch für die Erstattung außergerichtlich angefallener Kosten des Gläubigers eines wettbewerbsrechtlichen Anspruchs. Ein Unternehmen mit eigener Rechtsabteilung ist grundsätzlich nicht verpflichtet, dieser neben der rechtlichen Überprüfung der eigenen geschäftlichen Aktivitäten auch die Überprüfung der Wettbewerbshandlungen der Mitbewerber auf ihre wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit zu übertragen. In gleicher Weise steht es einem Unternehmen, das seine Rechtsabteilung mit der Überprüfung der Zulässigkeit der Wettbewerbshandlungen eines Mitbewerbers betraut hat, grundsätzlich frei, die bei festgestellten Wettbewerbsverstößen vor der Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 UWG regelmäßig gebotene Abmahnung entweder selbst oder durch beauftragte Rechtsanwälte aussprechen zu lassen (BGH GRUR 2008, 928 Tz. 14 - Abmahnkostenersatz).

S.a. OLG Karlsruhe, Urt. v. 22.1.2014, 6 U 135/10, Tz. 91

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Schadenersatz bei unterlassener Aufklärung

Ein Anspruchsgegner, der Widerspruch gegen eine Beschlussverfügung oder Berufung gegen eine Urteilsverfügung einlegen will, sollte den Anspruchsteller unverzüglich darüber informieren, da er sich andernfalls wegen der unnötigen Kosten, die mit einem Abschlussschreiben entstehen, schadenersatzpflichtig machen kann.

BGH, Vers.-Urt. v. 9.2.2023, I ZR 61/22, Tz. 24 ff - Kosten für Abschlussschreiben III

In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, dass berechtigte Ansprüche nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb eine - durch die Abmahnung oder auch durch den Erlass einer einstweiligen Verfügung konkretisierte - wettbewerbsrechtliche Sonderbeziehung eigener Art begründen, die in besonderem Maße durch Treu und Glauben und das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme bestimmt wird. Daraus können sich abhängig von den konkreten Umständen Pflichten zur Aufklärung ergeben, insbesondere wenn dem anderen Teil als Folge des Verhaltens des Verletzers Kostenschäden drohen, die durch die Aufklärung unschwer zu vermeiden sind (vgl. BGH, GRUR 2021, 714 [juris Rn. 40] - Saints Row, mwN).

Bei dem Abschlussschreiben handelt es sich um ein in der Praxis gebräuchliches und von der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkanntes Instrument. Daher muss ein im Verfahren der einstweiligen Verfügung unterlegener Schuldner damit rechnen, dass der Gläubiger seinem Rechtsanwalt unmittelbar nach Ablauf der Wartefrist den Auftrag erteilt, ein Abschlussschreiben zu versenden. Der Schuldner muss hierbei berücksichtigen, dass ein Gebührenanspruch des Rechtsanwalts des Gläubigers bereits mit dessen erster Tätigkeit für die Ausführung dieses Auftrags entsteht (vgl. BGH, Urt. v. 7.3.2019, IX ZR 221/18, Tz. 9).

Vor diesem Hintergrund trifft den Schuldner während des Laufs der Wartefrist zwar noch keine Aufklärungspflicht. Mit Ablauf der Wartefrist muss er dem Gläubiger aber mitteilen, dass er sich zur Erhebung eines Widerspruchs entschlossen oder sogar schon Widerspruch erhoben hat. Insbesondere darf er sich nicht darauf verlassen, dass das Gericht dem Gläubiger den Widerspruch zur Kenntnis bringt. Die damit einhergehende Verzögerung kann er unschwer vermeiden, indem er dem Gläubiger seinen Schriftsatz von Anwalt zu Anwalt zustellt oder vorab zur Kenntnis übermittelt. Wird der Widerspruch nicht unmittelbar erhoben, nachdem der Schuldner seinen dahingehenden Entschluss gefasst hat, kann er sogar gehalten sein, den Gläubiger schon vorab zu informieren.

Wird der pflichtwidrig unterlassene Hinweis adäquat kausal für die durch das objektiv nicht erforderliche Abschlussschreiben verursachten Kosten, kann das einen Schadensersatzanspruch nach § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2 BGB auslösen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat der Schädiger allerdings nur solche Rechtsverfolgungskosten zu ersetzen, die aus der Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig gewesen sind (vgl. nur BGH, Urt. v. 22.3.2018, I ZR 265/16, Tz. 16 - Riptide I).

Ebenso BGH, Vers-Urt. v. 23.3.2023, I ZR 17/22, Tz. 91 ff – Aminosäurekapseln

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