Ihr Rechtsanwalt im Wettbewerbsrecht
Dr. Hermann-Josef Omsels*

Eine Darstellung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und wettbewerbsrechtlicher Nebengesetze



 

K. Einigungsstellen (§ 15 UWG)

 

Zur beschleunigten, unbürokratischen und kostengünstigen Erledigung wettbewerbsrechtlichen Auseinandersetzungen sieht § 15 UWG ein Verfahren vor einer Einigungsstelle bei einer Industrie- und Handelskammer vor. Dieses Verfahren wird insbesondere von der Zentrale zum Schutze des lauteren Wettbewerbs (Wettbewerbszentrale) genutzt.

1. Gesetzestext

2. Hintergrund

3. Besetzung der Einigungsstellen

4. Zuständigkeit

4a. Sachliche Zuständigkeit

4b. Örtliche Zuständigkeit

5. Verfahrensablauf

6. Kein Anwaltszwang

7. Vergleich/Einigung

7a. Einigung

7b. Keine Einigung

8. Kosten

Gesetzestext

 

§ 15 Einigungsstellen

(1) Die Landesregierungen errichten bei Industrie- und Handelskammern Einigungsstellen zur Beilegung von bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, in denen ein Anspruch auf Grund dieses Gesetzes geltend gemacht wird (Einigungsstellen).

(2) Die Einigungsstellen sind mit einer vorsitzenden Person, die die Befähigung zum Richteramt nach dem Deutschen Richtergesetz hat, und beisitzenden Personen zu besetzen. Als beisitzende Personen werden im Falle einer Anrufung durch eine nach § 8 Absatz 3 Nummer 3 zur Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs berechtigte qualifizierte Einrichtung Unternehmer und Verbraucher in gleicher Anzahl tätig, sonst mindestens zwei sachverständige Unternehmer. Die vorsitzende Person soll auf dem Gebiet des Wettbewerbsrechts erfahren sein. Die beisitzenden Personen werden von der vorsitzenden Person für den jeweiligen Streitfall aus einer alljährlich für das Kalenderjahr aufzustellenden Liste berufen. Die Berufung soll im Einvernehmen mit den Parteien erfolgen. Für die Ausschließung und Ablehnung von Mitgliedern der Einigungsstelle sind die §§ 41 bis 43 und § 44 Absatz 2 bis 4 der Zivilprozessordnung entsprechend anzuwenden. Über das Ablehnungsgesuch entscheidet das für den Sitz der Einigungsstelle zuständige Landgericht (Kammer für Handelssachen oder, falls es an einer solchen fehlt, Zivilkammer).

(3) Die Einigungsstellen können bei bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, in denen ein Anspruch auf Grund dieses Gesetzes geltend gemacht wird, angerufen werden, wenn der Gegner zustimmt. Soweit die Wettbewerbshandlungen Verbraucher betreffen, können die Einigungsstellen von jeder Partei zu einer Aussprache mit dem Gegner über den Streitfall angerufen werden; einer Zustimmung des Gegners bedarf es nicht.

(4) Für die Zuständigkeit der Einigungsstellen ist § 14 entsprechend anzuwenden.

(5) Die der Einigungsstelle vorsitzende Person kann das persönliche Erscheinen der Parteien anordnen. Gegen eine unentschuldigt ausbleibende Partei kann die Einigungsstelle ein Ordnungsgeld festsetzen. Gegen die Anordnung des persönlichen Erscheinens und gegen die Festsetzung des Ordnungsgeldes findet die sofortige Beschwerde nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung an das für den Sitz der Einigungsstelle zuständige Landgericht (Kammer für Handelssachen oder, falls es an einer solchen fehlt, Zivilkammer) statt.

(6) Die Einigungsstelle hat einen gütlichen Ausgleich anzustreben. Sie kann den Parteien einen schriftlichen, mit Gründen versehenen Einigungsvorschlag machen. Der Einigungsvorschlag und seine Begründung dürfen nur mit Zustimmung der Parteien veröffentlicht werden.

(7) Kommt ein Vergleich zustande, so muss er in einem besonderen Schriftstück niedergelegt und unter Angabe des Tages seines Zustandekommens von den Mitgliedern der Einigungsstelle, welche in der Verhandlung mitgewirkt haben, sowie von den Parteien unterschrieben werden. Aus einem vor der Einigungsstelle geschlossenen Vergleich findet die Zwangsvollstreckung statt; § 797a der Zivilprozessordnung ist entsprechend anzuwenden.

(8) Die Einigungsstelle kann, wenn sie den geltend gemachten Anspruch von vornherein für unbegründet oder sich selbst für unzuständig erachtet, die Einleitung von Einigungsverhandlungen ablehnen.

(9) Durch die Anrufung der Einigungsstelle wird die Verjährung in gleicher Weise wie durch Klageerhebung gehemmt. Kommt ein Vergleich nicht zustande, so ist der Zeitpunkt, zu dem das Verfahren beendet ist, von der Einigungsstelle festzustellen. Die vorsitzende Person hat dies den Parteien mitzuteilen.

(10) Ist ein Rechtsstreit der in Absatz 3 Satz 2 bezeichneten Art ohne vorherige Anrufung der Einigungsstelle anhängig gemacht worden, so kann das Gericht auf Antrag den Parteien unter Anberaumung eines neuen Termins aufgeben, vor diesem Termin die Einigungsstelle zur Herbeiführung eines gütlichen Ausgleichs anzurufen. In dem Verfahren über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist diese Anordnung nur zulässig, wenn der Gegner zustimmt. Absatz 8 ist nicht anzuwenden. Ist ein Verfahren vor der Einigungsstelle anhängig, so ist eine erst nach Anrufung der Einigungsstelle erhobene Klage des Antragsgegners auf Feststellung, dass der geltend gemachte Anspruch nicht bestehe, nicht zulässig.

(11) Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung die zur Durchführung der vorstehenden Bestimmungen und zur Regelung des Verfahrens vor den Einigungsstellen erforderlichen Vorschriften zu erlassen, insbesondere über die Aufsicht über die Einigungsstellen, über ihre Besetzung unter angemessener Beteiligung der nicht den Industrie- und Handelskammern angehörenden Unternehmern (§ 2 Absatz 2 bis 6 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 701-1, veröffentlichten bereinigten Fassung) und über die Vollstreckung von Ordnungsgeldern sowie Bestimmungen über die Erhebung von Auslagen durch die Einigungsstelle zu treffen. Bei der Besetzung der Einigungsstellen sind die Vorschläge der für ein Bundesland errichteten, mit öffentlichen Mitteln geförderten Verbraucherzentralen zur Bestimmung der in Absatz 2 Satz 2 genannten Verbraucher zu berücksichtigen.

(12) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 kann in den Ländern Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen die Einigungsstelle auch mit einem Rechtskundigen als Vorsitzendem besetzt werden, der die Befähigung zum Berufsrichter nach dem Recht der Deutschen Demokratischen Republik erworben hat.

Literatur: Ottofülling, Außergerichtliches Konfliktmanagement nach § 15 UWG, WRP, 2006, 410

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Hintergrund

 

Anstelle oder vor einem Gerichtsverfahren können wettbewerbsrechtliche Auseinandersetzungen auch vor einer Einigungsstelle geführt werden, die eigens zu diesem Zweck bei den Industrie- und Handelskammern eingerichtet wurden. Diese Einigungsstellen sind weder Gericht noch Schiedsgericht, sondern eine unabhängige Schiedsstelle. Ihnen sind aber durch § 15 UWG besondere hoheitliche Befugnisse erteilt worden.

Ein Verfahren vor der Einigungsstelle ist bei wettbewerbsrechtlichen Streitigkeiten zwischen Mitbewerbern selten. Es wird häufiger von Wettbewerbsverbänden eingeleitet, insbesondere wenn die Rechtslage klar und der Antragsgegner nur schlecht beraten erscheint oder ein kleinerer Unternehmer nicht mit vermeidbaren Kosten eines Gerichtsverfahrens belastet werden soll. Ca. Dreiviertel aller Verfahren wird von der Wettbewerbszentrale betrieben.

Das Verfahren vor der Einigungsstelle stellt als Möglichkeit der außergerichtlichen Streitbeilegung eine Alternative zur Abmahnung dar. Die Einigungsstellen sollen auf eine einvernehmliche Regelung der wettbewerbsrechtlichen Auseinandersetzung hinwirken. Sie sind nicht befugt, den Streit zu entscheiden, wenn die Parteien sich nicht einigen können. In diesem Falle müssten die Beteiligten ein Gerichtsverfahren durchführen. Etwas anderes gilt nur, wenn die Parteien die Einigungsstelle als Schiedsgericht vertraglich vereinbart haben.

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Besetzung der Einigungsstellen

 

Die Einigungsstelle ist mit drei Personen besetzt. Der Vorsitzende muss die Befähigung zum Richteramt haben. Er kann, und ist häufig, muss aber nicht Richter (gewesen) sein. Die Beisitzenden sind entweder beide Unternehmer oder ein Unternehmer und ein Mitglied aus der Verbraucherschaft.

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Zuständigkeit

 

Sachliche Zuständigkeit

 

Die Einigungsstelle ist zuständig für alle zivilrechtlichen Streitigkeiten, in denen ein Verstoß gegen eine Vorschrift des UWG geltend gemacht wird. Unter dieser Voraussetzung können auch sonstige Ansprüche aus dem bürgerlichen Recht, dem Kartellrecht oder dem Markenrecht mit abgehandelt werden.

Der Anrufung der Einigungsstelle ist auch nach der Durchführung eines einstweiligen Verfügungsverfahrens oder während eines laufenden Klageverfahrens zulässig. Während eines Klageverfahrens kann das Gericht nach § 15 Abs. 10 UWG sogar anordnen, dass die Parteien vor dem Gerichtstermin die Einigungsstelle anrufen.

Daneben ist die Einigungsstelle nach § 12 UKlaG auch für Klagen nach § 2 UKlaG zuständig.

Streitig ist, ob die Einigungsstellen auch für den Kostenerstattungsanspruch aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG zuständig sind. Für Ansprüche aus einer Geschäftsführung ohne Auftrag, auf die beispielsweise Erstattungsansprüche für die Aufforderung zur Abgabe einer Abschlusserklärung gestützt werden, wird demgegenüber allgemein angenommen, dass die Einigungsstellen dafür nicht zuständig sind,  ebenso wenig für Ansprüche aus Vertragsstrafeversprechen, auch nicht wenn diese aus einem Vergleich herrühren, der vor der Einigungsstelle geschlossen wurde.

Die Einigungsstelle ist außerdem nicht zuständig für die Verfolgung von Verstößen gegen strafrechtliche Bestimmungen gemäß §§ 16 ff UWG, soweit daraus nicht zivilrechtliche Ansprüche abgeleitet werden.

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Örtliche Zuständigkeit

 

Für die örtliche Zuständigkeit gilt § 14 UWG entsprechend (§ 15 Abs. 4 UWG).

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Verfahrensablauf

 

Der Ablauf des Verfahrens vor der Einigungsstelle ergibt sich aus § 15 Abs. 5 bis Abs. 9 UWG in Verbindung mit den Durchführungsverordnungen der Bundesländer, die teilweise wiederum auf die Zivilprozessordnung verweisen.

Das Verfahren vor der Einigungsstelle wird durch einen Antrag einer natürlichen oder juristischen Person eingeleitet, die berechtigt ist, Ansprüche aus dem UWG oder nach §§ 2, 3, 12 UKlaG geltend zu machen.

Soweit durch den geltend gemachten Anspruch keine Verbraucherinteressen berührt werden, muss der Antragsteller dem Verfahren zustimmen. Das Verfahren vor der Einigungsstelle findet andernfalls nicht statt. Bei allen Sachverhalten, in denen Verbraucherinteressen berührt werden, ist eine Zustimmung des Antragsgegners nicht erforderlich (§ 15 Abs. 3 Satz 2 UWG).

Soweit keine Zustimmung erforderlich ist oder eine Zustimmung vorliegt, beraumt die Einigungsstelle in der Regel einen Termin zur mündlichen Verhandlung an. Alternativ kann sie den Parteien auch gleich einen Vergleichsvorschlag präsentieren.

Zur Vorbereitung einer mündlichen Verhandlung kann die Einigungsstelle das persönliche Erscheinen einer oder beider Parteien anordnen. Wenn eine Partei gegen die Pflicht zum persönlichen Erscheinen verstößt, kann sie mit einem Ordnungsgeld bestraft werden. Ob dies auch dann gilt, wenn sie gar nicht einigungsbereit ist, ist streitig, aber wohl die herrschende Auffassung. Wenn die Einigungsstelle das persönliche Erscheinen nicht anordnet, bleibt ein Ausbleiben in der Verhandlung ohne Auswirkungen.

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Kein Anwaltszwang

 

Für das Verfahren über Ansprüche aus dem UWG vor den ordentlichen Gerichten besteht Anwaltszwang, weil für das Verfahren erstinstanzlich stets die Landgerichte zuständig sind. Demgegenüber besteht für das Verfahren vor der Einigungsstelle kein Anwaltszwang. Die Parteien können sich, müssen sich aber nicht vertreten lassen. Das ist ein Vorteil des Einigungsverfahrens, wenn es darum geht, Kosten, insbesondere für den Antragsgegner zu vermeiden.

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Vergleich/Einigung

 

Das Verfahren vor der Einigungsstelle dient dem Ziel, dass die Parteien sich vergleichen. Dabei kann ein Vergleich auch bedeuten, dass ein Antrag zurückgenommen oder eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben wird. Ein Vergleich vor der Einigungsstelle setzt kein gegenseitiges nachgeben voraus, wie es beim Vergleich nach § 779 BGB erforderlich wäre.

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Einigung

 

Der Vergleich muss in einem vom Protokoll der Verhandlung separaten Schriftstück niedergelegt werden. Aus diesem Vergleich kann die Zwangsvollstreckung betrieben werden (§ 15 Abs. 7 Satz 2 UWG). Dabei ist zu differenzieren:

Für die Erteilung der Vollstreckungsklausel ist der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Amtsgerichts zuständig, in dessen Bezirk die Einigungsstelle ihren Sitz hat (§ 797 a Abs. 1, § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Bei der Zwangsvollstreckung nach §§ 887 ff ZPO ist Vollstreckungsgericht das Prozessgericht erster Instanz, das ohne Anrufung der Einigungsstelle zuständig gewesen wäre, also das Landgericht. Dass es auch zuständig für die Ordnungsmittelandrohung, da die Einigungsstelle nicht befugt ist, für den Fall eines Verstoßes gegen eine Verpflichtung, auf die die Parteien sich geeinigt haben, ein Ordnungsmittel anzudrohen.

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Keine Einigung

 

Können die Parteien sich vor der Einigungsstelle nicht einigen, ist das Verfahren beendet. Die Einigungsstelle kann nicht selber in der Sache entscheiden.

Die Einigungsstelle stellt den Zeitpunkt, zu dem das Verfahren gescheitert ist, fest. Sechs Monate danach endet auch die Hemmung der Verjährung des geltend gemachten Anspruchs, die durch die Einleitung des Verfahrens vor der Einigungsstelle eingetreten ist (§§ 15 Abs. 9 S. 1; 204 Abs. 2 S. 1 BGB).

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Kosten

 

Das Verfahren vor der Einigungsstelle kostet keine Gebühren.

Allerdings müssen notwendige Auslagen des Vorsitzenden und der Beisitzenden auf deren Antrag erstattet werden. Dabei muss die Einigungsstelle bemüht sein, zwischen den Parteien eine einvernehmliche Regelung darüber zu finden, wer diese Kosten trägt oder wie diese Kosten auf die Parteien verteilt werden. Kann eine Einigung zwischen den Parteien nicht erreicht werden, entscheidet die Einigungsstelle nach billigem Ermessen. Gegen diese Entscheidung ist der Rechtsbehelf der sofortigen Beschwerde gemäß §§ 567 ff ZPO zulässig.

Die die einer jeder Partei entstehenden Kosten, zum Beispiel für die Mitwirkung eines Rechtsanwalts, müssen von der jeweiligen Partei selber getragen werden, soweit die Parteien darüber keine einvernehmliche anderweitige Regelung treffen. Von dieser Regelung wird der Kostenerstattungsanspruch nach § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG nicht erfasst. Es wird auch diskutiert, ob und unter welchen Voraussetzungen die durch die Anrufung der Einigungsstelle entstehenden Kosten ein Schaden sind, den der Schuldner nach § 9 UWG zu erstatten hat.

Im Rahmen der Vergütung des Rechtsanwalts ist zu beachten, dass das Verfahren vor der Einigungsstelle in kostenrechtlicher Hinsicht eine nach § 17 Nr. 7 RVG eigene Angelegenheit darstellt. Wenn sich an das Verfahren vor der Einigungsstelle ein Gerichtsverfahren anschließt, fallen dafür gesonderte Gebühren an.

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