Ihr Rechtsanwalt im Wettbewerbsrecht
Dr. Hermann-Josef Omsels*

Eine Darstellung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und wettbewerbsrechtlicher Nebengesetze



 

a) Allgemeines zum Rechtsmissbrauch

1. Gesetzestext

2. Gesetzesbegründung

3. Anwendungsbereich

4. Rechtsmissbrauch als Korrektiv zur weitgefassten Aktivlegitimation in § 8 Abs. 3 UWG

5. Rechtsmissbrauch bei individualschützenden Normen des Wettbewerbsrechts

6. Vorliegen eines Rechtsmissbrauchs

a. Allgemeines

i. Sachfremde Motive

Kenntnis

ii. Umfassende Prüfung des Einzelfalls

iii. Nachvollziehbare Gründe

b. Regelbeispiele

5. Rechtsfolge

a. Anspruch unzulässig

b. Eintritt eines Rechtsmissbrauchs im Laufe des Verfahrens

c. Auswirkung auf frühere oder weitere Abmahnungen

6. Von Amts wegen zu prüfen

7. Darlegungs- und Beweislast

Literatur: Kochendörfer, Mathias, Die Neufassung des Rechtsmissbrauchs - Was ändert sich?, WRP 2020, 1513; Lampmann, Arno, Rechtsmissbrauch im UWG: Von der konkreten Einzelfallprüfung zum pauschalen Charaktertest?, WRP 2023, 147

Gesetzestext

Die Bekämpfung des Rechtsmissbrauchs im lauterkeitsrechtlichen Abmahnwesen war bereits ein Schwerpunkt des Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken vom 27.6.2013. Da die Ergebnisse dem Gesetzgeber nicht reichten, verabschiedete er am 10.9.2020 das Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs, das verschiedene Vorkehrungen trifft, mit dem rechtsmissbräuchliche Abmahnungen verhindert werden sollen. Im Rahmen dieser UWG-Reform 2020 wurde zu diesem Zweck unter anderem § 8c UWG eingeführt:

(1) Die Geltendmachung der Ansprüche aus § 8 Absatz 1 ist unzulässig, wenn sie unter Berücksichtigung der gesamten Umstände missbräuchlich ist.

(2) Eine missbräuchliche Geltendmachung ist im Zweifel anzunehmen, wenn

1. die Geltendmachung der Ansprüche vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder von Kosten der Rechtsverfolgung oder die Zahlung einer Vertragsstrafe entstehen zu lassen,

2. ein Mitbewerber eine erhebliche Anzahl von Verstößen gegen die gleiche Rechtsvorschrift durch Abmahnungen geltend macht, wenn die Anzahl der geltend gemachten Verstöße außer Verhältnis zum Umfang der eigenen Geschäftstätigkeit steht oder wenn anzunehmen ist, dass der Mitbewerber das wirtschaftliche Risiko seines außergerichtlichen und gerichtlichen Vorgehens nicht selbst trägt,

3. ein Mitbewerber den Gegenstandswert für eine Abmahnung unangemessen hoch ansetzt,

4. offensichtlich überhöhte Vertragsstrafen vereinbart oder gefordert werden oder

5. eine vorgeschlagene Unterlassungsverpflichtung offensichtlich über die abgemahnte Rechtsverletzung hinausgeht.

6. mehrere Zuwiderhandlungen, die zusammen hätten abgemahnt werden können, einzeln abgemahnt werden

7. wegen einer Zuwiderhandlung, für die mehrere Zuwiderhandelnde verantwortlich sind, die Ansprüche gegen die Zuwiderhandelnden ohne sachlichen Grund nicht zusammen geltend gemacht werden.

Die Vorgängervorschrift in § 8 Abs. 4 UWG lautete:

Die Geltendmachung der in Absatz 1 bezeichneten Ansprüche ist unzulässig, wenn sie unter Berücksichtigung der gesamten Umstände missbräuchlich ist, insbesondere wenn sie vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen. In diesen Fällen kann der Anspruchsgegner Ersatz der für seine Rechtsverteidigung erforderlichen Aufwendungen verlangen. Weiter gehende Ersatzansprüche bleiben unberührt.

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Gesetzesbegründung

Gesetzesbegründung in BT-Drcks. 19/12084, Seite 29 f

Absatz 2 enthält Regelbeispiele für eine missbräuchliche Abmahnung. …

Der Anspruchsteller kann die Vermutung entkräften, dass er missbräuchlich handelt. Dies kann zum Beispiel dadurch erfolgen, dass er nachvollziehbar darlegt, auf Grund welcher Umstände er davon ausgegangen ist, eine nach Nummer 3 bis 5 unangemessene Forderung rechtmäßig erheben zu dürfen.

Der Tatbestand wurde auf Vorschlag des Rechtsausschusses um die Regelbeispiele 6 und 7 erweitert. Er führte vor Verabschiedung der Gesetzesänderung außerdem aus:

In dem neuen § 8c Absatz 2 UWG-E wurden die Fallgruppen der missbräuchlichen Geltendmachung von Ansprüchen weiter konkretisiert und für die Praxis besser handhabbar gemacht. Mit der Formulierung des Einleitungssatzes „ist im Zweifel anzunehmen“ wird klargestellt, dass eine umfassende Würdigung der Gesamtumstände erforderlich ist. Die Erfüllung einer der genannten Konstellationen kommt lediglich eine Indizwirkung für einen Missbrauch zu. Der Abmahnende kann diese Indizien erschüttern. Es handelt sich nicht um eine Vermutung, die gemäß § 292 Zivilprozessordnung (ZPO) nur durch den Beweis des Gegenteils zu widerlegen wäre.

In den Nummern 4 und 5 wird durch die jeweilige Ersetzung des Wortes „erheblich“ durch „offensichtlich“ verdeutlicht, dass es sich nur um eindeutige und ohne Weiteres erkennbare Fälle handelt und dass nicht Konstellationen erfasst werden, in denen dem Abmahnenden bloße Flüchtigkeitsfehler unterlaufen sind oder seine Forderung sich aus ex ante Sicht noch im üblichen Rahmen hielt.

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Anwendungsbereich

§ 8c UWG findet nur auf Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche Anwendung. Die Geltendmachung anderer Ansprüche kann nach § 242 BGB rechtsmissbräuchlich sein. Zu § 8 Abs. 4 a.F.:

BGH, Urt. v. 13.9.2018, I ZR 26/17, Tz. 35 - Prozessfinanzierer

Nach der Rechtsprechung des Senats beschränkt sich der Anwendungsbereich des § 8 Abs. 4 UWG (a.F.) auf Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche. Auf vertragliche Ansprüche, insbesondere Zahlungsansprüche, ist die Vorschrift weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar.

OLG Düsseldorf, Urt. v. 24.9.2015, I-2 3/15, Tz. 81

Der Missbrauchstatbestand gemäß § 8 Abs. 4 UWG (a.F.) erfasst nur die Begleitumstände des vorprozessualen oder prozessualen Vorgehens bei der Geltendmachung wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsansprüche. … Auf vertragliche Ansprüche, zu denen auch der … Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe gehört, ist die Vorschrift nicht, auch nicht analog, anwendbar (BGH, GRUR 2012, 949 Tz. 20 – Missbräuchliche Vertragsstrafe).

OLG Düsseldorf, Urt. v. 24.9.2015, I-2 3/15, Tz. 81

Ebenso wenig ist § 8 Abs. 4 Satz 1 UWG (a.F.) auf den Aufwendungsersatzanspruch nach § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG anwendbar (BGH, GRUR 2007, 164 Tz. 11 – Telefax-Werbung II). Vielmehr ist in solchen Fällen nach dem allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) zu beurteilen, ob die Geltendmachung solcher Ansprüche rechtsmissbräuchlich ist (BGH, a.a.O., Tz. 21 – Missbräuchliche Vertragsstrafe); an der Zulässigkeit der Klage ändert das nichts.

Auf andere als wettbewerbsrechtliche Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche findet § 8c UWG keine Anwendung. Am Beispiel einer Persönlichkeitsrechtsverletzung zu Zeiten des § 8 Abs. 4 UWG a.F.:

KG, Urt. v. 5.9.2017, 5 U 150/16, Tz. 26

Nach § 8 Abs. 4 Satz 1 UWG (a.F.) ist die Geltendmachung der in § 8 Abs. 1 UWG bezeichneten Ansprüche unzulässig, wenn sie unter Berücksichtigung der gesamten Umstände missbräuchlich ist, insbesondere wenn sie vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen. Diese Vorschrift kommt hier in unmittelbarer Anwendung schon deshalb nicht zum Zuge, weil die Klägerin keinen Anspruch aus § 8 Abs. 1 UWG geltend macht, sondern aus § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB wegen widerrechtlichen Eingriffs in ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht vorgeht. Auch eine entsprechende Anwendung scheidet aus, und zwar wegen fehlender Vergleichbarkeit des geregelten und des in Rede stehenden Sachverhalts. Geregelt ist Verhaltensunrecht durch wettbewerbswidriges Verhalten. Hier geht es um den Schutz eines absoluten Rechts der Klägerin, nämlich ihres ihr allein zustehenden allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Darauf ist § 8 Abs. 4 Satz 1 UWG (a.F.) auch nicht entsprechend anwendbar (vgl. auch - hinsichtlich Urheberrecht – BGH GRUR 2013, 176, Rn. 14 – Ferienluxuswohnungen).

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Rechtsmissbrauch als Korrektiv zur weitgefassten Aktivlegitimation in § 8 Abs. 3 UWG

Der Rechtsmissbrauchstatbestand ist – auch – als Korrektiv zur weit gefassten Aktivlegitimation des § 8 Abs. 3 UWG. Daran dürfte sich nichts dadurch geändert haben, dass im Rahmen der UWG-Reform 2020 auch die Aktivlegitimation der Mitbewerber nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG und der Verbände nach § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG eingeschränkt wurde. Zur früheren Rechtslage:

BGH, Urt. v. 15.12. 2011, I ZR 174/10, Tz. 14 – Bauheizgerät

Bei der Anwendung des § 8 Abs. 4 UWG (a.F.) ist zu berücksichtigen, dass dieser Regelung neben der Aufgabe der Bekämpfung von Missbräuchen bei der Verfolgung von Wettbewerbsverstößen auch die Funktion eines Korrektivs gegenüber der weit gefassten Anspruchsberechtigung nach § 8 Abs. 3 UWG zukommt. Nach § 8 Abs. 3 UWG kann ein und derselbe Wettbewerbsverstoß durch eine Vielzahl von Anspruchsberechtigten verfolgt werden. Dies erleichtert zwar die im Interesse der Allgemeinheit liegende Rechtsverfolgung; die Fülle der Anspruchsberechtigten kann aber den Anspruchsgegner in erheblichem Maße belasten, so insbesondere dadurch, dass der Wettbewerbsverstoß zum Gegenstand mehrerer Abmahnungen und gerichtlicher Verfahren gemacht werden kann. Umso wichtiger ist es, dass die Regelung des § 8 Abs. 4 UWG (a.F.) immer dann eine Handhabe bietet, wenn wettbewerbsrechtliche Ansprüche auf Beseitigung oder Unterlassung missbräuchlich geltend gemacht werden, insbesondere wenn sachfremde Ziele die eigentliche Triebfeder und das beherrschende Motiv der Verfahrenseinleitung darstellen.

Ebenso BGH, Urt. v. 31.5.2012, I ZR 106/10, Tz. 17 - Ferienluxuswohnung; OLG Köln, Urt. v. 21.8.2015, 6 U 41/15, Tz. 29; OLG Hamburg, Urt. v. 9.2.2017, 3 U 208/15, II.2 – Objektive Preisvergleiche

OLG Hamburg, Urt. v. 7.7.2010, 5 U 16/10

Es geht bei der Durchsetzung von Wettbewerbsansprüchen nicht nur um die Durchsetzung von Individualansprüchen, sondern auch um die Reinhaltung des Wettbewerbs im Interesse der Mitbewerber, der Verbraucher und der Allgemeinheit.

OLG Hamm, Urt. v. 18.03.2010 - 4 U 223/09

Die Abmahnpraxis von Mitbewerbern und Verbänden dient dem Interesse der Allgemeinheit an der Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs.

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Rechtsmissbrauch bei individualschützenden Normen des Wettbewerbsrechts

Wenn der Rechtsmissbrauch nach § 8c UWG das Korrektiv zur weit gefassten Aktivlegitimation gem. § 8 Abs. 3 UWG ist, stellt sich die Frage, ob die Vorschrift in gleicher Weise anwendbar ist, wenn im Einzelfall nur ein einzelner Mitbewerber berechtigt ist, den Wettbewerbsverstoß zu verfolgen, weil nur er individuell betroffen ist, z.B. als Objekt einer Herabsetzung gemäß § 4 Nr. 1 UWG oder einer Anschwärzung nach § 4 Nr. 2 UWG oder einer individuellen Behinderung nach § 4 Nr. 4 UWG. Das würde nämlich dazu führen, dass der Betroffene die ihn individuell beeinträchtigende Rechtsverletzung in Form eines Wettbewerbsverstoßes hinnehmen müsste und ein Dritter sie nicht verfolgen könnte, weil der Dritte nach § 8 Abs. 3 UWG - ausnahmsweise - nicht aktivlegitimiert ist. Das Kammergericht hielt bei § 8 Abs. 4 UWG a.F. einen Rechtsmissbrauch zwar für möglich, gemahnt aber zur Zurückhaltung:

KG, Urt. v. 15.7.2014, 5 U 108/12

Der Umstand, dass die Antragstellerin vorliegend auch aus allein individualschützenden Anspruchsnormen des Wettbewerbsrechts gegen die Antragsgegner vorgeht (§ 4 Nr. 7, § 4 Nr. 8 UWG), muss die Anwendung des § 8 Abs. 4 UWG (a.F.) nicht von vornherein ausschließen. Denn der Gesetzeswortlaut gibt dafür nichts her. Da allerdings § 8 Abs. 4 UWG (a.F.) grundsätzlich die wettbewerbsrechtlich weite Aktivlegitimation gemäß § 8 Abs. 3 UWG begrenzen soll, darf § 8 Abs. 4 UWG (a.F.) bei allein individualschützenden Anspruchsnormen des Wettbewerbsrechts nur mit größerer Zurückhaltung bejaht werden. Dies gilt umso mehr, als auch Unterlassungsansprüche aus einer unerlaubten Handlung nach dem BGB in Betracht kämen und insoweit an sich nur § 242 BGB eine Missbrauchsgrenze aufstellen würde.

Für den Fall der Verletzung eines Ausschließlichkeitrechts hat der BGH angenommen, dass eine entsprechende Anwendung des § 8 Abs. 4 UWG (a.F.)nicht in Betracht kommt.

BGH, Urt. v. 31.5.2012, I ZR 106/10, Tz. 18 - Ferienluxuswohnung

Hätte eine missbräuchliche Abmahnung zur Folge, dass der Verletzte seine Ansprüche auch nicht mehr gerichtlich geltend machen könnte und eine nachfolgende Klage unzulässig wäre, müsste er die Rechtsverletzung endgültig hinnehmen. Für eine so weitgehende Einschränkung seiner Rechte gibt es keinen sachlichen Grund.

Allerdings bleibt ein Rückgriff auf § 242 BGB möglich.

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Vorliegen eines Rechtsmissbrauchs

Allgemeines

Sachfremde Motive

BGH, Urt. v. 7.3.2024, I ZR 83/23, Tz. 8 – Vielfachabmahner II

Die Geltendmachung der Ansprüche aus § 8 Abs. 1 ist unzulässig, wenn sie unter Berücksichtigung der gesamten Umstände missbräuchlich ist.

OLG Frankfurt, Beschl. v. 10.5.2024, 6 W 41/24

Über die benannten Missbrauchsgründe in § 8c Abs. 2 UWG hinaus kann die Geltendmachung eines wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs nach dem allgemeinen Missbrauchstatbestand in § 8c Abs. 1 UWG unter Berücksichtigung der gesamten Umstände missbräuchlich sein.

OLG Köln, Urt. v. 30.8.2024, 6 U 25/24 (WRP 2024, 1380)

Die Einfügung von Regelbeispielen in § 8c Abs. 2 UWG hat keine Änderung der vorherigen Rechtslage bewirkt; es handelt sich bei der Regelung nicht um eine gesetzliche Vermutung, sondern eine weiterhin eine Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls erfordernde Aufzählung von Indizien, die für einen Rechtsmissbrauch sprechen können (vgl. Feddersen, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 42. Aufl. 2024, § 8c Rn. 12).

§ 8c Abs. 1 entspricht § 8 Abs. 4, 1. Halbsatz UWG a.F. Es kann deshalb zur Auslegung auf die Rechtsprechung zur Vorgängervorschrift zurückgegriffen werden.

BGH, Urt. v. 17. 11. 2005, I ZR 300/02, Tz. 16 - MEGA SALE

Von einem Missbrauch i.S. von § 8 Abs. 4 UWG (a.F.) ist auszugehen, wenn das beherrschende Motiv des Gläubigers bei der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs sachfremde Ziele sind. Diese müssen allerdings nicht das alleinige Motiv des Gläubigers sein. Ausreichend ist, dass die sachfremden Ziele überwiegen.

Ebenso BGH, Urt. v. 7.3.2024, I ZR 83/23, Tz. 9 – Vielfachabmahner II; BGH, Vers-Urt. v. 23.3.2023 - I ZR 17/22, Tz. 15 – Aminosäurekapseln; BGH, Urt. v. 26.1.2023, I ZR 111/22, Tz. 40 - Mitgliederstruktur; BGH, Urt. v. 21.1.2021, I ZR 17/18 - Berechtigte GegenabmahnungBGH, Vers.-Urt. v. 26.8.2018, I ZR 248/16, Tz. 21 – Abmahnaktion II; BGH, Urt. v. 3.3.2016, I ZR 110/15, Tz. 15 - Herstellerpreisempfehlung bei Amazon; BGH, Urt. v. 11.12.2014, I ZR 113/13, Tz. 16 – Bezugsquellen für Bachblüten; BGH, Urt. v. 22. 10. 2009, I ZR 58/07, Tz. 19 – Klassenlotterie; BGH, Urt. v. 22.4.2009, I ZR 14/07, Tz. 20 – 0,00 Grundgebühr; BGH, Urt. v. 6.10.2011, I ZR 42/10, Tz. 13 - Falsche Suchrubrik; BGH, Urt. v. 15.12. 2011, I ZR 174/10, Tz. 12 ff – Bauheizgerät; OLG Düsseldorf, Urt. v. 24.3.2015, I-20 U 187/14, Tz. 26; OLG Köln, Urt. v. 21.8.2015, 6 U 41/15, Tz. 30; OLG Düsseldorf, Urt. v. 15.12.2015, I-20 U 24/15, Tz. 29; OLG Frankfurt, Urt. v. 24.5.2015, 6 U 101/14; OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.1.2016, I-20 U 22/15, Tz. 30; OLG Hamburg, Urt. v. 11.8.2016, 3 U 56/15; OLG Celle, Urt. v. 8.12.2016, 13 U 72/16; OLG Hamburg, Urt. v. 9.2.2017, 3 U 208/15, II.2 – Objektive Preisvergleiche; OLG Karlsruhe, Urt. v. 27.9.2017, 6 U 10/16, Tz. 24; OLG Nürnberg, Urt. v. 15.1.2019, 3 U 724/18, Tz. 23; BGH, Urt. v. 14..2.2019, I ZR 6/17, Tz. 21 - Kündigung der Unterlassungsvereinbarung; BGH, Urt. v. 4. Juli 2019, I ZR 149/18, Tz. 33 - Umwelthilfe; OLG Brandenburg, Urt. v. 19.7.2022, 6 U 41/21, II.1.d.aa; OLG Hamm, Urt. v. 3.11.2022, 4 U 201/21, Tz. 58; OLG Frankfurt, Urt. v. 8.10.2021, 6 W 83/21, II.2.a; OLG Nürnberg, Urt. v. 18.7.2032, 3 U 1092/23, Tz. 21

Eine verbindliche gerichtliche Definition, was sachfremde Ziele sind, gibt es nicht. Bei der Beurteilung wird davon ausgegangen, dass das Gesetz den in § 8 Abs. 3 UWG genannten Personen und Organisationen die Berechtigung zum Vorgehen gegen unlautere geschäftliche Handlungen deshalb gibt, weil der Markt sich selbst reinigen soll. Der einzelne handelt bei einem Vorgehen gegen unlauteres Verhalten des Konkurrenten nicht primär zum eigenen Vorteil, sondern im Interesse des Marktes an einem fairen Wettbewerb. Dies schließt es ein, dass der Anspruchsberechtigte gegen den unlauter handelnden Wettbewerber auch vorgeht, um für sich selber oder seine Mitglieder die Voraussetzungen eines fairen Wettbewerbs zu schaffen. Sachfremd wird ein Vorgehen tendenziell aber dann, wenn es nicht der Wiederherstellung lauteren Wettbewerbs für sich und die Allgemeinheit, sondern anderen(fremden) Zielen dient.

Das Manko des offenen Tatbestands sollen die Beispiele in § 8c Abs. 2 UWG dienen, die im Rahmen der UWG-Reform 2020 eingeführt wurden. Sie beschreiben bestimmte Konstellationen, in denen die Rechtsprechung Indizien für einen Rechtsmissbrauch gesehen hat. An dieser Rechtsprechung wollte der Gesetzgeber allenfalls in Nuancen rütteln. Vor der Verabschiedung des Reformgesetzes schrieb der Rechtsausschuss, dessen Vorschläge mit dem Gesetz umgesetzt wurden:

"In dem neuen § 8c Absatz 2 UWG-E wurden die Fallgruppen der missbräuchlichen Geltendmachung von Ansprüchen weiter konkretisiert und für die Praxis besser handhabbar gemacht. Mit der Formulierung des Einleitungssatzes „ist im Zweifel anzunehmen“ wird klargestellt, dass eine umfassende Würdigung der Gesamtumstände erforderlich ist. Die Erfüllung einer der genannten Konstellationen kommt lediglich eine Indizwirkung für einen Missbrauch zu. Der Abmahnende kann diese Indizien erschüttern. Es handelt sich nicht um eine Vermutung, die gemäß § 292 Zivilprozessordnung (ZPO) nur durch den Beweis des Gegenteils zu widerlegen wäre."

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Kenntnis

OLG Köln, Urteil vom 27.11.2020, 6 U 65/20 (WRP 2021, 371 Tz. 31)

Voraussetzung für den Rechtsmissbrauch ist – trotz Abstellens auf äußere Umstände – immer auch ein Wissens- bzw. Willenselement. Denn nur in diesem Fall können überwiegend sachfremde und nicht schutzwürdige Interessen und Zwecke des Anspruchsberechtigten angenommen werden.

Die Klägerin behauptet, den streitgegenständlichen Slogan erst nach den Abmahnungen gegen die Google-Werbungen gesehen zu haben. Zuvor habe sie den Slogan schlicht übersehen. Es ist fraglich, ob die Klägerin nicht auch schon damals auf den Slogan aufmerksam geworden ist. Denn beide Parteien beobachten sich als unmittelbare Wettbewerber seit geraumer Zeit äußerst kritisch. Allerdings kann hier nicht ausgeschlossen werden, dass die Klägerin den Werbeslogan tatsächlich zunächst übersehen hat. Dafür spricht, dass nicht alle von ihr gerügten Google-Werbungen den Slogan enthielten (…) und das Hauptaugenmerk bei den Abmahnungen auf dem Anzeigentext und nicht der Werbeüberschrift lag. Gegen die Kenntnis des Slogans spricht auch die Vehemenz, mit der die beiden Parteien bei potentiellen Wettbewerbsverstößen bisher gegeneinander vorgegangen sind. Wettbewerbsverstöße wurden in der Regel zeitnah gerügt, um der Gegenseite die Vorteile aus einer wettbewerbswidrigen Werbung nicht zukommen zu lassen. Mithin kann die Beklagte, zu deren Lasten die Nichtnachweisbarkeit der Kenntnis geht, die Kenntnis der Klägerin von dem Slogan nicht nachweisen, weshalb kein Kostenbelastungsinteresse und deshalb auch kein Rechtsmissbrauch vorliegen.

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Umfassende Prüfung des Einzelfalls

Zwar gibt es typische Konstellationen, in denen § 8c Abs. 2 UWG Indizien für einen Rechtsmissbrauch sieht. Häufig wird der Rechtsmissbrauchstatbestand aber erst angenommen, wenn mehrere Umstände zulasten des Anspruchsberechtigten zusammenkommen. Die Annahme eines Rechtsmissbrauchs verlangt deshalb trotz § 8c Abs. 2 UWG eine umfassende Prüfung aller Umstände des Einzelfalls.

BGH, Urt. v. 15.12. 2011, I ZR 174/10, Tz. 14 – Bauheizgerät

Die Annahme eines derartigen Rechtsmissbrauchs erfordert eine sorgfältige Prüfung und Abwägung der maßgeblichen Einzelumstände. Dabei ist vor allem auf das Verhalten des Gläubigers bei der Verfolgung dieses und anderer Verstöße abzustellen. Zu berücksichtigen sind aber auch die Art und Schwere des Wettbewerbsverstoßes sowie das Verhalten des Schuldners nach dem Verstoß. Auch das Verhalten sonstiger Anspruchsberechtigter kann in die Betrachtung einzubeziehen sein.

Ebenso BGH, Urt. v. 4. Juli 2019, I ZR 149/18, Tz. 33 - Umwelthilfe; BGH, Vers.-Urt. v. 26.8.2018, I ZR 248/16, Tz. 21 – Abmahnaktion II; BGH, Urt. v. 3.3.2016, I ZR 110/15, Tz. 15 - Herstellerpreisempfehlung bei Amazon: BGH, Urt.v.6.4.2000, I ZR 67/98, I.4. – Neu in Bielefeld I; BGH, Urt. v. 11.12.2014, I ZR 113/13, Tz. 16 – Bezugsquellen für Bachblüten; OLG Köln, Urt. v. 21.8.2015, 6 U 41/15, Tz. 30; OLG Hamburg, Urt. v. 11.8.2016, 3 U 56/15; OLG Celle, Urt. v. 8.12.2016, 13 U 72/16; OLG Karlsruhe, Urt. v. 27.9.2017, 6 U 10/16, Tz. 24; OLG Hamburg, Urt. v. 9.2.2017, 3 U 208/15, II.2 – Objektive Preisvergleiche; BGH, Urt. v. 14..2.2019, I ZR 6/17, Tz. 21 - Kündigung der Unterlassungsvereinbarung; OLG Hamm, Urt. v. 3.11.2022, 4 U 201/21, Tz. 58

BGH, Urt. v. 4. Juli 2019, I ZR 149/18, Tz. 33 - Umwelthilfe

Von einem Missbrauch im Sinne von § 8 Abs. 4 UWG (a.F.) ist auszugehen, wenn das beherrschende Motiv bei der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs sachfremde, für sich genommen nicht schutzwürdige Interessen und Ziele sind und diese als die eigentliche Triebfeder und das beherrschende Motiv der Verfahrenseinleitung erscheinen (vgl. BGH, GRUR 2018, 1166 Rn. 40 - Prozessfinanzierer I, mwN). Die Annahme eines derartigen Rechtsmissbrauchs erfordert eine sorgfältige Prüfung und Abwägung der maßgeblichen Einzelumstände (vgl. BGH, Vers-Urt. v. 26. April 2018, I ZR 248/16, Tz. 21 - Abmahnaktion II), wobei der nach Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG sowie Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK zu gewährleistende effektive Rechtsschutz zu berücksichtigen ist (vgl. BGH, GRUR 2018, 1166 Rn. 40 - Prozessfinanzierer I).

Ebenso OLG Hamm, Urt. v. 3.11.2022, 4 U 201/21, Tz. 58

KG, Beschl. v. 03.08.2010, 5 U 82/08

Das Vorliegen eines Missbrauchs ist jeweils im Einzelfall unter Berücksichtigung und Abwägung der gesamten Umstände festzustellen. Maßgebend sind die Motive und Zwecke der Geltendmachung des Anspruchs, die in der Regel aber nur aus den äußeren Umständen erschlossen werden können. Zu diesen Umständen können die Art und Schwere des Wettbewerbsverstoßes und das Verhalten des Schuldners nach dem Verstoß zählen. Vor allem ist aber auf das Verhalten des Gläubigers bei der Verfolgung des konkreten und anderer Verstöße abzustellen; auch das Verhalten sonstiger Anspruchsberechtigter ist in die Betrachtung einzubeziehen.

Ebenso OLG Jena, Urt. v. 06.10.2010, 2 U 386/10; OLG Hamm, Urt. v. 26.7.2011, I-4 U 49/11 (mit einer beeindruckenden Fülle an Indizien, die in die Abwägung eingeflossen sind); OLG Hamburg, Urt. v. 11.8.2016, 3 U 56/15; OLG Celle, Urt. v. 8.12.2016, 13 U 72/16

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Nachvollziehbare Gründe

Wenn ein Beispieltatbestand des § 8c Abs. 2 UWG gegeben ist, liegt ein Indiz, keine Vermutung für einen Rechtsmissbrauch vor. Der Anspruchsteller muss sein Verhalten rechtfertigen. Darüber hinaus muss das Gericht alle Umstände des Einzelfalls würdigen, bevor es auf das Indiz hin einen Rechtsmissbrauch bestätigen darf.

Kein Rechtsmissbrauch liegt vor, wenn der Anspruchsberechtigte nachvollziehbare Gründe für die erhobenen Forderungen und die Art und Weise hatte, wie er sie geltend macht oder durchzusetzen versucht. Der Anspruchsberechtigte muss nicht aus Rücksichtnahme auf den Unterlassungsschuldner auf die Geltendmachung und Durchsetzung von rechtlichen Maßnahmen verzichten, die ihm die prozessuale Vorsicht gebieten. Auch eine unterschiedliche Beweissituation bei mehreren Verletzungshandlungen kann ein getrenntes Vorgehen gebieten, dass für den Schuldner mit einer höheren Kostenlasten verbunden ist.

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Regelbeispiele

§ 8c Abs. 2 UWG enthält sieben Regelbeispiele einer missbräuchlichen Geltendmachung eines Unterlassungs- oder Beseitigungsanspruchs.

Die Regelbeispiele spiegeln die Rechtsprechung zum Rechtsmissbrauch wieder, die bei den umschriebenen Sachverhalten bereits vor der Gesetzesänderung einen Rechtsmissbrauch näher prüfte. Während vorher aber stets alle Umstände des Einzelfalls in die Bewertung einflossen, liest sich § 8c Abs. 2 UWG („im Zweifel anzunehmen“) so, als müsse beim Vorliegen eines Regelbeispiels grundsätzlich von einem Rechtsmissbrauch ausgegangen werden. Der Gesetzgeber spricht in seiner Gesetzesbegründung von widerlegbaren Vermutungen (Gesetzesbegründung in BT-Drcks. 19/12084, Seite 29 f). Der Rechtsausschuss, dessen Änderungsvorschläge Gesetz wurden, führte aber aus, dass die Regelbeispiele keine Vermutungen im Sinne von § 292 ZPO seien, sondern Indizien. Maßgeblich ist am Ende allein der Gesamteindruck.

Eine missbräuchliche Geltendmachung ist im Zweifel anzunehmen, wenn

  1. die Geltendmachung der Ansprüche vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder von Kosten der Rechtsverfolgung oder die Zahlung einer Vertragsstrafe entstehen zu lassen,
  2. ein Mitbewerber eine erhebliche Anzahl von Verstößen gegen die gleiche Rechtsvorschrift durch Abmahnungen geltend macht, wenn die Anzahl der geltend gemachten Verstöße außer Verhältnis zum Umfang der eigenen Geschäftstätigkeit steht oder wenn anzunehmen ist, dass der Mitbewerber das wirtschaftliche Risiko seines außergerichtlichen und gerichtlichen Vorgehens nicht selbst trägt,
  3. ein Mitbewerber den Gegenstandswert für eine Abmahnung unangemessen hoch ansetzt,
  4. offensichtlich überhöhte Vertragsstrafen vereinbart oder gefordert werden oder
  5. eine vorgeschlagene Unterlassungsverpflichtung offensichtlich über die abgemahnte Rechtsverletzung hinausgeht.
  6. mehrere Zuwiderhandlungen, die zusammen hätten abgemahnt werden können, einzeln abgemahnt werden
  7. wegen einer Zuwiderhandlung, für die mehrere Zuwiderhandelnde verantwortlich sind, die Ansprüche gegen die Zuwiderhandelnden ohne sachlichen Grund nicht zusammen geltend gemacht werden.

Dem folgen die Gerichte:

OLG Celle, Beschl. v. 31.5.2021, 13 U 23/21, Tz. 5

In dem neuen § 8c Absatz 2 UWG sollten die Fallgruppen der missbräuchlichen Geltendmachung von Ansprüchen weiter konkretisiert und für die Praxis besser handhabbar gemacht werden (BT-Drucksache 19/22238, S. 17). Mit der Formulierung des Einleitungssatzes „ist im Zweifel anzunehmen“ wird klargestellt, dass eine umfassende Würdigung der Gesamtumstände erforderlich ist. Die Erfüllung einer der genannten Konstellationen kommt lediglich eine Indizwirkung für einen Missbrauch zu. Der Abmahnende kann diese Indizien erschüttern.

Ebenso OLG Frankfurt, Beschl. v. 12.5.2021, 6 W 23/21, II.4; OLG Frankfurt, Urt. v. 8.10.2021, 6 W 83/21, II.2.a

OLG Nürnberg, Urt. v. 18.7.2032, 3 U 1092/23, Tz. 22

Indizien für ein rechtsmissbräuchliches Verhalten bietet der nicht abschließende Katalog von Regelbeispielen in § 8c Abs. 2 UWG. Auch bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 8c Abs. 2 UWG ist indes weiterhin eine Gesamtwürdigung aller Einzelfallumstände erforderlich (Feddersen, in Köhler/Bornkamm, UWG, 41. Aufl. 2023, § 8c Rn. 12).

OLG Köln, Urt. v. 30.8.2024, 6 U 25/24 (WRP 2024, 1380)

Die Einfügung von Regelbeispielen in § 8c Abs. 2 UWG hat keine Änderung der vorherigen Rechtslage bewirkt; es handelt sich bei der Regelung nicht um eine gesetzliche Vermutung, sondern eine weiterhin eine Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls erfordernde Aufzählung von Indizien, die für einen Rechtsmissbrauch sprechen können (vgl. Feddersen, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 42. Aufl. 2024, § 8c Rn. 12).

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Rechtsfolge

Anspruch unzulässig

§ 8c UWG enthält eine Rechtsmissbrauchsklausel, die auf die gerichtliche und die außergerichtliche Geltendmachung eines wettbewerbsrechtlichen Unterlassungs- oder Beseitigungsanspruchs Anwendung findet. Die Annahme eines Rechtsmissbrauchs führt zur Unzulässigkeit der gerichtlichen und außergerichtlichen Inanspruchnahme. Wenn die Voraussetzungen des § 8c UWG vorliegen, ergeht in einem Gerichtsverfahren kein Sachurteil, sondern ein Prozessurteil, mit dem der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung oder die Klage als unzulässig abgewiesen werden.

BGH, Urt. v. 21.1.2021, I ZR 17/18, Tz. 38 - Berechtigte Gegenabmahnung

Die Bestimmung des § 8 Abs. 4 Satz 1 UWG aF (§ 8c Abs. 1 UWG) bezieht sich nicht nur auf die gerichtliche Geltendmachung wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsansprüche, sondern - wie schon ihr Wortlaut nahelegt - generell auf die Geltendmachung und insbesondere auch auf die vorgerichtliche Geltendmachung solcher Ansprüche.

BGH, Urt. v. 15.12.2011, I ZR 174/10, Tz. 13 - Bauheizgerät

Ist die außergerichtliche Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs als missbräuchlich im Sinne des § 8 Abs.4 UWG (a.F.) anzusehen, führt dies nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dazu, dass der Unterlassungsanspruch auch nicht mehr gerichtlich geltend gemacht werden kann. Das hat zur Folge, dass eine Klage oder ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung unzulässig sind.

Ebenso BGH, Vers-Urt. v. 23.3.2023, I ZR 17/22, Tz. 14 – Aminosäurekapseln; BGH, Vers.-Urt. v. 26.8.2018, I ZR 248/16, Tz. 20 – Abmahnaktion II; BGH, Urt. v. 3.3.2016, I ZR 110/15, Tz. 15, 18 - Herstellerpreisempfehlung bei Amazon; OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.8.2014, I-2 U 33/14, Tz. 45; OLG Nürnberg, Urt. v. 15.1.2019, 3 U 724/18, Tz. 24; OLG Düsseldorf, Urt. v. 24.9.2013, I-20 U 157/12

Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten bei der Abmahnung kann später nicht mehr geheilt werden. Die prozessuale Verfolgung des außergerichtlich missbräuchlich geltend gemachten Unterlassungsanspruchs bleibt somit selbst dann unzulässig, wenn die Geltendmachung im Gerichtsverfahren nicht mehr mit dem Makel des Rechtsmissbrauchs behaftet ist.

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Eintritt eines Rechtsmissbrauchs im Laufe des Verfahrens

BGH, Urt. v. 3.3.2016, I ZR 110/15, Tz. 17 - Herstellerpreisempfehlung bei Amazon

Zeitlich nach der Abmahnung auftretende Umstände können bei der Beurteilung der Frage, ob die gerichtliche Durchsetzung des mit der Abmahnung verfolgten Anspruchs rechtsmissbräuchlich ist, berücksichtigt werden.

BGH, Urt. v. 3.3.2016, I ZR 110/15, Tz. 18 - Herstellerpreisempfehlung bei Amazon

Erfüllt die vorgerichtliche Abmahnung nicht die Voraussetzungen des § 8 Abs. 4 UWG (a.F.), so bleibt es dabei, dass die Frage, ob die nachfolgende gerichtliche Anspruchsdurchsetzung als rechtsmissbräuchlich zu bewerten ist, unter Berücksichtigung sämtlicher, auch im Verfahrensverlauf auftretender Umstände zu beurteilen ist.

Gegen OLG Köln, Urt. v. 24.4.2015, 6 U 175/14, Tz. 47

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Auswirkung auf frühere oder spätere Abmahnungen

Der Rechtsmissbrauch bei einer Abmahnung hat keine Auswirkungungen auf die Berechtigung von vorausgegangenen Abmahnungen oder nachfolgenden Abmahnungen wegen im Kern ungleicher Wettbewerbsverstöße des Abgemahnten.

Zu einer vorausgegangenen Abmahnung;

BGH, Urt. v. 19.7.2012, I ZR 199/10, Tz. 11 - Unbedenkliche Mehrfachabmahnung

Zwar bezieht sich die Bestimmung des § 8 Abs. 4 UWG (a.F) auch auf die vorgerichtliche Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs im Wege der Abmahnung. Das vom Berufungsgericht als missbräuchlich angesehene Verhalten der Klägerin bei der zweiten Abmahnung vom ... sowie bei der Klageerhebung konnte aber von vornherein keinen Einfluss auf die erste Abmahnung haben, die zu diesem Zeitpunkt bereits in der Vergangenheit lag.

Zu einer nachfolgenden Abmahnung:

BGH, Urt. v. 15.12. 2011, I ZR 174/10, Tz. 38 – Bauheizgerät

Es kann offenbleiben, ob dem Unterlassungsanspruch aus einem infolge einer missbräuchlichen Abmahnung geschlossenen Unterlassungsvertrag der Einwand des Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) entgegengehalten werden kann (vgl. OLG München, WRP 1992, 270, 273; Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, § 8 Rn. 4.6; Münch-Komm.UWG/Fritzsche, § 8 Rn. 479). Die Klägerin macht mit der zweiten Abmahnung keinen vertraglichen Unterlassungsanspruch aus einem infolge der ersten (missbräuchlichen) Abmahnung geschlossenen Unterlassungsvertrag geltend. Sie verfolgt mit der zweiten Abmahnung vielmehr einen gesetzlichen Unterlassungsanspruch, der mit der von ihr behaupteten erneuten Zuwiderhandlung entstanden sein soll. Das folgt daraus, dass sie die Beklagte mit der zweiten Abmahnung dazu aufgefordert hat, zur Ausräumung der durch die Zuwiderhandlung begründeten Wiederholungsgefahr eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. Eine erneute Zuwiderhandlung begründet erneut eine Wiederholungsgefahr; sie lässt nicht die durch die erste Unterwerfungserklärung ausgeräumte Wiederholungsgefahr wieder aufleben.

Allerdings muss natürlich geprüft werden, ob das Verhalten des Abmahnenden bei der späteren Abmahnung nicht wiederum rechtsmissbräuchlich ist.

OLG Hamburg, Urt. v. 11.8.2016, 3 U 56/15

Im Rahmen der Gesamtabwägung ist zunächst davon auszugehen, dass die Klägerin in der Vergangenheit bei der Geltendmachung von wettbewerbsrechtlichen Ansprüchen bereits massiv rechtsmissbräuchlich vorgegangen ist. Dieser Umstand lässt zwar allein noch keinen hinreichend sicheren Schluss darauf zu, dass auch der neuerlichen Abmahntätigkeit der Klägerin identische Beweggründe zugrunde liegen, es rechtfertigt aber indiziell einen entsprechenden Verdacht.

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Von Amts wegen zu prüfen

OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.8.2014, I-2 U 33/14, Tz. 43

Die missbräuchliche Geltendmachung ist eine von Amts wegen zu ermittelnde Prozessvoraussetzung.

Ebenso OLG Hamburg, Urt. v. 9.2.2017, 3 U 208/15, II.2 – Objektive Preisvergleiche; OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.6.2017, I-15 U 68/16, B.I.1

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