Ihr Rechtsanwalt im Wettbewerbsrecht
Dr. Hermann-Josef Omsels*

Eine Darstellung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und wettbewerbsrechtlicher Nebengesetze



 

 

 

Presse/Medien/Rundfunk

Literatur: Fabi, Johannes/Struß, Lukas, Rechtsschutz gegen staatliche Pressetätigkeit. "Staatspresse" als unlauterer Wettbewerb?, GRUR 2020, 144

1. Pressefreiheit (Art. 5 GG)

a. Staatsferne der Presse

aa. Stadt- und Gemeindeblätter

bb. Telemedien

cc. Gemischtwirtschaftliche Unternehmen (public-private)

2. Pressegesetze

3. Rundfunkstaatsvertrag

§ 11a RStV

§ 11c RStV

§ 11d RStV

§ 16a RStV

§ 19 RStV

Pressefreiheit (Art. 5 GG)

Staatsferne der Presse

Literatur: Schmitt-Mücke, Jan Heinrich, Libra, das Gebot der Staatsferne der Presse und das Wettbewerbsrecht, WRP 2023, 412

BGH, Urt. v. 20.12.2018, I ZR 112/17, Tz. 17, 19 - Crailsheimer Stadtblatt II

Bei dem aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG abzuleitenden Gebot der Staatsferne der Presse handelt es sich um eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG. ...

Das für den Staat bestehende, aus der Garantie des Instituts der freien Presse des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG abgeleitete Gebot, sich nur in engen Grenzen auf dem Gebiet der Presse zu betätigen, regelt die Frage, wie sich Hoheitsträger und von Hoheitsträgern beherrschte Unternehmen im Falle ihrer Teilnahme am Wettbewerbsgeschehen auf dem Gebiet der Presse zu verhalten haben (vgl. BGH, Urt. v. 15.12.2011, I ZR 129/10 - Einkauf Aktuell). Dieses Gebot ist im Sinne des § 3a UWG zumindest auch dazu bestimmt, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln.

Ebenso BGH, Urt. v. 13.7.2023, I ZR 152/21, Tz. 25 - muenchen.de; BGH, Urt. v. 14.7.2022, I ZR 97/21, Tz. 21 – dortmund.de; BGH, Urt. v. 15.12.2011, I ZR 129/10, Tz. 11 - Einkauf Aktuell; OLG Hamm, Urt. v. 10.6.2021, 4 U 1/20, Tz. 157, 171; OLG Karlsruhe, Urt. v. 12.10.2022, 6 U 309/21, Tz. 28

BGH, Urt. v. 13.7.2023, I ZR 152/21, Tz. 35 - muenchen.de

Mit dem Gebot der Staatsferne der Presse als Marktverhaltensregelung steht nicht die subjektiv-rechtliche Komponente des Grundrechts auf Pressefreiheit in Rede, sondern die Institutsgarantie der Presse als objektiv-rechtliche Komponente aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG. Diese dient nicht nur dem Schutz der Klägerinnen als Mitbewerberinnen, sondern auch dem Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher an einer unabhängigen Information und Meinungsbildung (vgl. BGH, GRUR 2022, 1336, Tz. 21] - dortmund.de).

BGH, Urt. v. 14.7.2022, I ZR 97/21, Tz. 21 – dortmund.de

Das Gebot der Staatsferne der Presse setzt der am Markt tätigen öffentlichen Hand zugunsten der anderen Marktteilnehmer - insbesondere der institutionell geschützten Presse, aber auch im Interesse der Bürgerinnen und Bürger an einer unabhängigen Information und Meinungsbildung - enge Grenzen. Es soll nicht bestimmte Anbieter von bestimmten Märkten fernhalten, sondern lässt zu, dass private und staatliche Stellen sich in einem überschneidenden Bereich auf dem Markt begegnen (vgl. BGH, Urteil vom 20. Dezember 2018 - I ZR 112/17, GRUR 2019, 189 [juris Rn. 19] = WRP 2019, 317 - Crailsheimer Stadtblatt II, mwN).

Ebenso BGH, Urt. v. 13.7.2023, I ZR 152/21, Tz. 25 - muenchen.de; BGH, Urt. v. 20.12.2018, I ZR 112/17, Tz. 19 - Crailsheimer Stadtblatt II

BGH, Urt. v. 20.12.2018, I ZR 112/17, Tz. 31 - Crailsheimer Stadtblatt II

Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG enthält nicht nur ein subjektives Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe in die Pressefreiheit, sondern garantiert als objektive Grundsatznorm die Freiheitlichkeit des Pressewesens insgesamt (vgl. BVerfGE 20, 162, 175). Der Staat muss in seiner Rechtsordnung überall, wo der Geltungsbereich einer Norm die Presse berührt, dem Postulat ihrer Freiheit Rechnung tragen (vgl. BVerfGE 20, 162, 175). Eine freie, nicht von der öffentlichen Gewalt gelenkte, keiner Zensur unterworfene Presse ist ein Wesenselement des freiheitlichen Staates und für die Meinungsbildung in einer Demokratie unentbehrlich. Die Presse steht als Verbindungs- und Kontrollorgan zwischen dem Volk und seiner gewählten Vertretung.

Ebenso OLG Hamm, Urt. v. 10.6.2021, 4 U 1/20, Tz. 205

BGH, Urt. v. 20.12.2018, I ZR 112/17, Tz. 51 - Crailsheimer Stadtblatt II

Im Rahmen des § 3a UWG kommt es nicht auf eine konkrete Gefährdung der Presse, auch nicht auf der Ebene des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, an. Bei der Institutsgarantie geht es um den Schutz der freien Presselandschaft als solcher. Wegen der objektiv-rechtlichen Grundrechtsdimension ist unerheblich, ob tatsächlich eine Konkurrenzsituation auf dem Pressemarkt vorliegt und welche Folgen sich für das einzelne Presseorgan daraus ergeben.

BGH, Urt. v. 13.7.2023, I ZR 152/21, Tz. 37 - muenchen.de

Die ... Grenzen kommunaler Öffentlichkeitsarbeit verbieten auch bei einer vermeintlich unzureichenden Versorgung mit Informationen über das örtliche Geschehen durch die private Presse, eine solche angeblich vorhandene Informationslücke durch eine eigene, von amtlichen Bezügen losgelöste Informationstätigkeit zu schließen (vgl. Beater, WRP 2022, 1202 Tz. 24 f.; aA Katz, DÖV 2019, 261, 267; Leeb/Waldhauser, AnwZert ITR 8/2019 Anm. 2; Jung, Das kommunale Amtsblatt - Inhalt, Ausgestaltung, Präsentation, 2021, S. 129 f.; Schwarz/Dorsch, NVwZ 2022, 1329, 1332; vgl. auch Buhren, LKV 2001, 303, 305). Eine Einflussnahme des Staates auf den Meinungsmarkt könnte mit dem Institut der freien Presse überhaupt nur vereinbar sein, wenn sie wegen der Konkurrenz mit der Fülle der vom Staat unabhängigen Zeitungen und Zeitschriften am Bild der freien Presse substantiell nichts änderte. Ob und inwieweit dies bei kommunalen Online-Publikationen - im Unterschied zum Markt der klassischen lokalen (Print-)Presse - aufgrund der Informationsfülle im Internet der Fall ist, bedarf der Feststellung im Einzelfall (BGH, GRUR 2022, 1336, Tz. 39] - dortmund.de, mwN).

BGH, Urt. v. 15.12.2011, I ZR 129/10, Tz. 9 - Einkauf Aktuell

Die Bestimmung des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG fordert zur Sicherung der Meinungsvielfalt die Staatsferne der Presse. Dieser Grundsatz schließt es aus, dass der Staat unmittelbar oder mittelbar Presseunternehmen beherrscht, die nicht lediglich Informationspflichten der öffentlichen Stellen erfüllen. Der Staat kann zwar zur Sicherung der Vielfalt und zur Vermeidung einseitigen Einflusses auf die öffentliche Meinungsbildung infolge Zusammenballung publizistischer Macht Gefahren durch gesetzliche Regelungen begegnen. Er selbst darf sich jedoch nur in engen Grenzen auf dem Gebiet der Presse betätigen (vgl. BVerfGE 20, 162, 175; vgl. zur Rundfunkfreiheit BVerfGE 121, 30, 52 mwN). Das verfassungsrechtliche Gebot, dass die Presse von staatlichen Einflüssen freizuhalten ist, bezieht sich nicht nur auf manifeste Gefahren unmittelbarer Lenkung oder Maßreglung der im Bereich der Presse tätigen Unternehmen, sondern weitergehend auch auf die Verhinderung aller mittelbaren und subtilen Einflussnahmen des Staates.

Ebenso BGH, Urt. v. 13.7.2023, I ZR 152/21, Tz. 34 - muenchen.de; BGH, Urt. v. 20.12.2018, I ZR 112/17, Tz. 18 - Crailsheimer Stadtblatt II; OLG Hamm, Urt. V. 10.6.2021, 4 U 1/20, Tz. 159

Das Gebot der Staatsferne der Presse gilt auch für den Inhalt von Telemedien wie einem Stadtportal:

BGH, Urt. v. 14.7.2022, I ZR 97/21, Tz. 36 f – dortmund.de

Für die allein maßgebliche Frage, ob dieses Telemedienangebot die von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gezogene äußere Grenze kommunaler Öffentlichkeitsarbeit überschreitet, kommt es nicht darauf an, ob am traditionellen Pressebegriff festzuhalten ist, der an das körperliche Druckerzeugnis anknüpft, oder ob auch Online-Medien in den Schutzbereich von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG fallen.

Das verfassungsrechtliche Gebot, die Presse zur Sicherung der Meinungsvielfalt von staatlichen Einflüssen freizuhalten, bezieht sich nicht nur auf manifeste Gefahren unmittelbarer Lenkung oder Maßregelung der im Bereich der Presse tätigen Unternehmen, sondern weitergehend auf die Verhinderung aller mittelbaren und subtilen Einflussnahmen des Staates (vgl. BGH, GRUR 2019, 189 [Tz. 18] - Crailsheimer Stadtblatt II). Dazu zählt auch ein ausuferndes Informationshandeln des Staates, gleich in welcher Form, das die Kommunikationsprozesse der freien Presse als Verbindungs- und Kontrollorgan zwischen dem Volk und seiner gewählten Vertretung und damit die Meinungsbildung von unten nach oben gefährdet. Das Gebot der Staatsferne der Presse schützt auch vor Substitutionseffekten kommunaler Online-Informationsangebote, die dazu führen, dass die private Presse ihre besondere Aufgabe im demokratischen Gemeinwesen nicht mehr erfüllen kann.

Ebenso BGH, Urt. v. 13.7.2023, I ZR 152/21, Tz. 34 - muenchen.de

Aus dem Gebot der Staatsferne der Presse folgt, dass die öffentliche Hand nur zur Öffentlichkeitsarbeit berechtigt ist, wenn es eine entsprechende Kompetenzzuweisung gibt. Diese findet sich bei Stadt- und Gemeindeblättern in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG.

BGH, Urt. v. 14.7.2022, I ZR 97/21, Tz. 27 – dortmund.de

Staatliche Teilhabe an öffentlicher Kommunikation bedeutet Kompetenzwahrnehmung im zugewiesenen Aufgabenbereich. Die Kompetenz zur Staatsleitung schließt als integralen Bestandteil die Befugnis zur Öffentlichkeitsarbeit ein. Staatliche Öffentlichkeitsarbeit ist nicht nur zulässig, sondern notwendig, um den Grundkonsens im demokratischen Gemeinwesen lebendig zu erhalten. Darunter fällt namentlich die Darlegung und Erläuterung der Politik hinsichtlich getroffener Maßnahmen und künftiger Vorhaben angesichts bestehender oder sich abzeichnender Probleme sowie die sachgerechte, objektiv gehaltene Information über den Bürger unmittelbar betreffende Fragen und wichtige Vorgänge auch außerhalb oder weit im Vorfeld der eigenen gestaltenden politischen Tätigkeit (BGH, GRUR 2019, 189 [juris Rn. 24] - Crailsheimer Stadtblatt II, mwN). Staatliche Öffentlichkeitsarbeit gestattet damit insbesondere, die Bürgerinnen und Bürger mit solchen Informationen zu versorgen, deren diese zur Mitwirkung an der demokratischen Willensbildung bedürfen (vgl. BVerfG, NJW 2011, 511 [juris Rn. 23]).

Ebenso BGH, Urt. v. 20.12.2018, I ZR 112/17, Tz. 23 ff - Crailsheimer Stadtblatt II

BGH, Urt. v. 13.7.2023, I ZR 152/21, Tz. 41 - muenchen.de

Einzelne die Grenzen zulässiger staatlicher Öffentlichkeitsarbeit überschreitende Artikel allein begründen keine Verletzung des Gebots der Staatsferne der Presse. Notwendig ist vielmehr eine wertende Betrachtung der Publikation insgesamt, bei der sich jede schematische Betrachtungsweise verbietet. Im Rahmen einer Einzelfallprüfung ist entscheidend, ob der Gesamtcharakter der kommunalen Publikation geeignet ist, die Institutsgarantie des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zu gefährden.

Beim Gebot der Staatsferne der Presse muss berücksichtigt werden, dass der Staat ggfs. zu einer Informationspolitik und zu einer gewissen Öffentlichkeitsarbeit berechtigt und ggfs. sogar verpflichtet ist.

Kommunale Veröffentlichungen, die im Mittelpunkt der Rechtsprechung stehen, können sich in gewissem Rahmen auf die kommunale Selbstverwaltung berufen.

BGH, Urt. v. 20.12.2018, I ZR 112/17, Tz. 20 - Crailsheimer Stadtblatt II

Umfang und Grenzen des Gebots der Staatsferne der Presse bestimmen sich bei gemeindlichen Publikationen unter Berücksichtigung der aus der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG folgenden gemeindlichen Kompetenzen einerseits und der Garantie des Instituts der freien Presse des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG andererseits.

Ebenso BGH, Urt. v. 14.7.2022, I ZR 97/21, Tz. 26, 28 – dortmund.de

BGH, Urt. v. 13.7.2023, I ZR 152/21, Tz. 37 - muenchen.de

Bei dem Verhältnis der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie und der institutionellen Garantie der Presse geht es um einen Konflikt zwischen staatlicher Kompetenz einerseits und grundrechtlicher Freiheit andererseits. Die beiden Verfassungsnormen müssen daher mit Rücksicht auf die Einheit der Verfassung und die von ihr geschützte gesamte Wertordnung zu einem sachgerechten Ausgleich gebracht werden. Im Ergebnis muss dabei die Institutsgarantie aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG größtmögliche Wirksamkeit erhalten, während die Gemeinde lediglich in der Lage sein muss, gemäß Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft in eigener Verantwortung zu regeln (vgl. BGH, GRUR 2022, 1336, Tz. 38 - dortmund.de; vgl. auch Fadavian, NWVBl. 2019, 487, 490; kritisch Schwarz/Dorsch, NVwZ 2022, 1329, 1331).

BGH, Urt. v. 20.12.2018, I ZR 112/17, Tz. 23 ff - Crailsheimer Stadtblatt II

Das Gebot der Staatsferne der Presse lässt eine pressemäßige Betätigung von Hoheitsträgern nur im Rahmen der ihnen zugewiesenen Aufgaben und nur insoweit zu, als die Garantie des Instituts der freien Presse aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG nicht gefährdet wird. Ausgangspunkt für die rechtliche Beurteilung einer kommunalen Publikation unter dem Blickwinkel von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ist die in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG sowie in Art. 71 Abs. 1 Landesverfassung für BadenWürttemberg (LV BW) gewährleistete Selbstverwaltungsgarantie als Kompetenznorm, die hinsichtlich gemeindlicher Informationspflichten von § 20 Gemeindeordnung für Baden-Württemberg (GemO BW) konkretisiert wird.

Ebenso BGH, Urt. v. 13.7.2023, I ZR 152/21, Tz. 27 - muenchen.de

BGH, Urt. v. 13.7.2023, I ZR 152/21, Tz. 30 f - muenchen.de

Die innere Grenze wird durch den erforderlichen Bezug zur Gemeinde und ihren Aufgaben gesetzt. Kommunale Öffentlichkeitsarbeit ist begrenzt durch das Erfordernis eines spezifischen Orts- und Aufgabenbezugs; die Gemeinde erlangt aus Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG nur ein kommunalpolitisches, kein allgemeines politisches Mandat (BGH, GRUR 2022, 1336, Tz. 32 - dortmund.de, mwN).

Ihre äußere Grenze finden kommunale Publikationen in der institutionellen Garantie des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG (BGH, GRUR 2022, 1336, Tz. 33 f. - dortmund.de, mwN).

Ein Verstoß gegen das Gebot der Staatsferne der Presse erfordert vor diesem Hintergrund als notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung, dass eine Publikation der öffentlichen Hand Inhalte enthält, die nicht von der Kompetenzzuweisung gedeckt sind. Für kommunale Informationsangebote heißt das:

BGH, Urt. v. 20.12.2018, I ZR 112/17, Tz. 35 - Crailsheimer Stadtblatt II

Für die konkrete Beurteilung kommunaler Publikationen mit Blick auf das Gebot der Staatsferne der Presse sind Art und Inhalt der veröffentlichten Beiträge auf ihre Neutralität sowie Zugehörigkeit zum Aufgabenbereich der Gemeinde zu untersuchen und ist unter Einbeziehung des äußeren Erscheinungsbilds eine wertende Gesamtbetrachtung vorzunehmen.

BGH, Urt. v. 20.12.2018, I ZR 112/17, Tz. 36 - Crailsheimer Stadtblatt II

Die Staatsferne der Presse verlangt unter Berücksichtigung des Grundsatzes einer vom Volk ausgehenden Meinungsbildung sowie des staatlichen Sachlichkeitsgebots, dass sich die Gemeinde in ihren Publikationen wertender oder meinungsbildender Elemente enthält und sich auf Sachinformationen beschränkt. Dazu gehört auch, dass sich gemeindliche Publikationen keiner (boulevard)pressemäßigen Illustration bedienen und das Layout nicht nach Art einer Tages- oder Wochenzeitung gestalten dürfen, um schon den Eindruck eines freien, von einem privaten Unternehmen stammenden Presseerzeugnisses zu vermeiden. Staatliche Publikationen müssen eindeutig als solche erkennbar sein; andernfalls wird die Unabhängigkeit der Informationsfunktion der Presse gefährdet.

Ebenso im Anschluss: OLG Nürnberg, Urt. v. 25.6.2019, 3 U 821/18, C. IV; OLG Hamm, Urt. v. 10.6.2021, 4 U 1/20, Tz. 213, 215

BGH, Urt. v. 13.7.2023, I ZR 152/21, Tz. 40 - muenchen.de

Bezogen auf den Inhalt einer gemeindlichen Publikation stellen nicht nur die Veröffentlichung amtlicher Mitteilungen, die kommunale Wirtschaftsförderung und die Information über die aktuelle Tätigkeit und künftigen Vorhaben der Kommunalverwaltung und des Gemeinderats auf jeden Fall zulässiges Informationshandeln der Kommunen dar (vgl. BGH, GRUR 2019, 189, Tz. 37] - Crailsheimer Stadtblatt II). Zur zulässigen Öffentlichkeitsarbeit der Kommune gehören grundsätzlich auch das Stadtmarketing und die Tourismusförderung.

Enthält die Publikation Inhalte, die von der staatlichen Aufgabenwahrnehmung nicht gedeckt sind, ist ergänzend zu prüfen, ob dadurch das Institut der Freiheit der Presse gefährdet wird.

BGH, Urt. v. 20.12.2018, I ZR 112/17, Tz. 40 - Crailsheimer Stadtblatt II

Einzelne, die Grenzen zulässiger staatlicher Öffentlichkeitsarbeit überschreitende Artikel allein begründen keine Verletzung des Gebots der Staatsferne der Presse. Notwendig ist vielmehr eine wertende Betrachtung der Publikation insgesamt, bei der sich jede schematische Betrachtungsweise verbietet. Im Rahmen einer Einzelfallprüfung ist entscheidend, ob der Gesamtcharakter des Presseerzeugnisses geeignet ist, die Institutsgarantie des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zu gefährden. … Je stärker die kommunale Publikation den Bereich der ohne weiteres zulässigen Berichterstattung überschreitet und bei den angesprochenen Verkehrskreisen als funktionales Äquivalent zu einer privaten Zeitung wirkt, desto eher ist die Institutsgarantie des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG und die daraus abgeleitete Marktverhaltensregelung des Gebots der Staatsferne der Presse verletzt.

Ebenso BGH, Urt. v. 13.7.2023, I ZR 152/21, Tz. 41 - muenchen.de; BGH, Urt. v. 14.7.2022, I ZR 97/21, Tz. 27 – dortmund.de; OLG Nürnberg, Urt. v. 25.6.2019, 3 U 821/18, C. IV.; OLG Hamm, Urt. v. 10.6.2021, 4 U 1/20, Tz. 221; OLG Karlsruhe, Urt. v. 12.10.2022, 6 U 309/21, Tz. 28

BGH, Urt. v. 14.7.2022, I ZR 97/21, Tz. 52 – dortmund.de

Keinesfalls darf die kommunale Publikation den Lesern eine Fülle von Informationen bieten, die den Erwerb einer Zeitung - jedenfalls subjektiv - entbehrlich macht. Je deutlicher - in Quantität und Qualität - eine kommunale Publikation Themen besetzt, deretwegen Zeitungen gekauft werden, desto wahrscheinlicher ist der Leserverlust bei der privaten Presse und eine damit einhergehende, dem Institut der freien Presse zuwiderlaufende Meinungsbildung durch den Staat von oben nach unten (vgl. BGH, GRUR 2019, 189 [juris Rn. 40] - Crailsheimer Stadtblatt II, mwN).

Ebenso BGH, Urt. v. 13.7.2023, I ZR 152/21, Tz. 41 - muenchen.de

BGH, Urt. v. 14.7.2022, I ZR 97/21, Tz. 53 – dortmund.de

Bei der Beurteilung des Gesamtcharakters der Publikation sind auch ihre optische Gestaltung, redaktionelle Elemente der meinungsbildenden Presse, wie Glossen, Kommentare oder Interviews, und die Frequenz des Vertriebs zu berücksichtigen. Allein die Verwendung pressemäßiger Darstellungselemente und eine regelmäßige Erscheinungsweise führen zwar nicht automatisch zu einer Verletzung des Gebots der Staatsferne der Presse. Die Grenze wird aber überschritten, wenn das Druckwerk nicht mehr als staatliche Publikation erkennbar ist. Eine Anzeigenschaltung ist ebenfalls in die Gesamtwürdigung einzubeziehen. Sie ist nicht generell unzulässig, sondern kann zulässiger, fiskalisch motivierter Randnutzen sein. Erfolgt die Verteilung kostenlos, erhöht sich die Gefahr einer Substitution privater Presse (vgl. BGH, GRUR 2019, 189, Tz. 41 - Crailsheimer Stadtblatt II).

Ebenso BGH, Urt. v. 13.7.2023, I ZR 152/21, Tz. 43 ff - muenchen.de

BGH, Urt. v. 13.7.2023, I ZR 152/21, Tz. 64 - muenchen.de

Eine die Grenzen der zulässigen Randnutzung überschreitende Werbung in einem kommunalen Amtsblatt oder Online-Portal birgt aber die Gefahr existenzieller Schäden für die Presse, wenn private Unternehmen nicht mehr in der Tageszeitung oder deren Online-Ausgabe, sondern bei der Kommune im digitalen oder auch im Printbereich inserieren (vgl. Schwarz/Dorsch, NVwZ 2022, 1329, 1333; vgl. auch Papier/Schröder, DVBl 2017, 1, 10; Peter, GRUR 2022, 624, 629). Dieser wirtschaftliche Aspekt wird von der Pressefreiheit umfasst, die sich auf den Anzeigenteil eines Presseerzeugnisses erstreckt (vgl. BVerfGE 21, 271, Tz. 28 und 33; BVerfGE 64, 108, Tz. 16]), weil er für die Erhaltung der wirtschaftlichen Grundlagen der Presse als wesentlicher Voraussetzung ihrer Unabhängigkeit von Bedeutung ist (vgl. BVerfGE 64, 108, Tz. 16). Überdies erfüllt die Presse auch mit dem Anzeigenteil die ihr obliegende Kommunikationsaufgabe (vgl. BVerfGE 21, 271, Tz. 31 f.; BVerfGE 64, 108, Tz. 16]). Ist die Verbreitung von Inseraten typische, auch grundrechtlich zugeordnete Funktion privater Presse, darf sie bei staatlichen Publikationen nur eine untergeordnete Rolle spielen (Degenhart, K&R Beilage 2016, Nr. 01, 1, 19 und 21 f.). Das gilt insbesondere für Online-Angebote, die in geringerem Maße auf eine Refinanzierung durch eine erwerbswirtschaftliche Randnutzung angewiesen sind (vgl. Papier/Schröder, DVBl 2017, 1, 10; Peter, GRUR 2022, 624, 629 f.).

Für die Bestimmung einer danach zulässigen Randnutzung in einem kommunalen Online-Portal hat das Berufungsgericht entgegen der Auffassung der Revision zutreffend auf den Umfang der Anzeigenschaltung abgestellt. Die Randnutzung bezeichnet eine Annextätigkeit. Dieser "Annex" muss ein solcher bleiben; die Erfüllung der öffentlichen Aufgabe darf nicht umgekehrt zum Annex der erwerbswirtschaftlichen Betätigung werden (vgl. Ipsen, ZHR 2006, 422, 446). Die Randnutzung muss deshalb eine untergeordnete, quantitativ nachgeordnete Tätigkeit in innerem Zusammenhang mit der Hauptnutzung darstellen.

BGH, Urt. v. 26.9.2024, I ZR 142/23, Tz. 31 – Jobbörse

Das Berufungsgericht hat zutreffend allein das beanstandete Angebot kostenloser Stellenanzeigen im Online-Portal des Beklagten in den Blick genommen, da im Streitfall … nur dieser wirtschaftliche Aspekt in Rede steht, der ebenfalls von der Pressefreiheit umfasst wird, die sich auf den Anzeigenteil erstreckt. Das Angebot kostenloser Stellenanzeigen birgt die Gefahr existenzieller Schäden für die Presse, weil Unternehmen nicht mehr in der Tageszeitung oder deren Online-Ausgabe, sondern bei der Kommune beziehungsweise dem Landkreis inserieren (vgl. BGH, GRUR 2023, 1299 [juris Rn. 64] - muenchen.de, mwN).

OLG Nürnberg, Urt. v. 25.6.2019, 3 U 821/18, C. IV.1.a

Eine die Grenzen zulässiger staatlicher Kommunikation klar überschreitende Tätigkeit ist anzunehmen bei Beiträgen über ortsansässige Unternehmen, die Bewertung privater Initiativen oder die allgemeine Beratung der Leserinnen und Leser. Ebenso sind rein gesellschaftliche Ereignisse etwa aus den Bereichen Sport, Kunst und Musik in der Regel keine Aufgabe der öffentlichen Verwaltung und kein zulässiger Gegenstand gemeindlicher Öffentlichkeitsarbeit. Die pressemäßige Berichterstattung über das gesellschaftliche Leben in einer Gemeinde ist originäre Aufgabe der lokalen Presse und nicht des Staates (BGH, a.a.O., Rn. 38 - Crailsheimer Stadtblatt Ii), weshalb derartiges Informationshandeln als generell unzulässig zu bewerten ist.

Ebenso OLG Hamm, Urt. v. 10.6.2021, 4 U 1/20, Tz. 218

OLG Nürnberg, Urt. v. 25.6.2019, 3 U 821/18, C. IV.1.b - d

Die optische Gestaltung der Publikation und redaktionelle Elemente der meinungsbildenden Presse (wie Glossen, Kommentare oder Interviews) sind zu berücksichtigen. Allein die Verwendung pressemäßiger Darstellungselemente und eine regelmäßige Erscheinungsweise führen zwar nicht automatisch zu einer Verletzung des Gebots der Staatsferne der Presse. Die Grenze wird aber überschritten, wenn das Druckwerk nicht mehr als staatliche Publikation erkennbar ist.

Auch die Frequenz des Vertriebs ist in die Gesamtwürdigung einzustellen. Erfolgt darüber hinaus die Verteilung kostenlos, erhöht sich die Gefahr einer Substitution privater Presse.

Schließlich ist die Anzeigenschaltung in die Gesamtwürdigung einzubeziehen. Dabei kann insbesondere als wettbewerbsrechtlich bedenklich angesehen werden, wenn die Verbreitung der Werbeanzeigen im Gemeindeblatt eine nicht mehr nur untergeordnete Rolle spielt, auch wenn eine schematische Beschränkung auf bestimmte Prozentzahlen nicht gefordert werden kann (vgl. BGH, Urt. v. 22.09.1972 - I ZR 73/71 - Crailsheimer Stadtblatt).

OLG Hamm, Urt. v. 10.6.2021, 4 U 1/20, Tz. 222

Bei der Beurteilung des Gesamtcharakters des Publikationserzeugnisses sind auch die optische Gestaltung, redaktionelle Elemente der meinungsbildenden Presse, wie Glossen, Kommentare oder Interviews und die Frequenz des Vertriebs zu berücksichtigen. Allein die Verwendung pressemäßiger Darstellungselemente und eine regelmäßige Erscheinungsweise führen zwar nicht automatisch zu einer Verletzung des Gebots der Staatsferne der Presse. Die Grenze wird aber überschritten, wenn das Gesamtwerk nicht mehr als staatliche Publikation erkennbar ist. Eine Anzeigenschaltung ist ebenfalls in die Gesamtwürdigung einzubeziehen. Sie ist nicht generell unzulässig, sondern kann zulässiger, fiskalisch motivierter Randnutzen sein. Erfolgt die Verteilung kostenlos, erhöht sich die Gefahr einer Substitution privater Presse; auch das ist zu berücksichtigen (vgl. auch dazu (für Druckwerke): BGH GRUR 2019, 189 – Crailsheimer Stadtblatt II m.w.N.).

Bei Online-Medien ist die Besonderheit zu berücksichtigen, dass die Inhalte keiner quantitativen Begrenzung unterliegen:

BGH, Urt. v. 14.7.2022, I ZR 97/21, Tz. 54 – dortmund.de

Bei Online-Informationsangeboten, die nach ihren technischen Gegebenheiten nicht den für Druckerzeugnisse bestehenden Kapazitätsbeschränkungen unterliegen, ist das quantitative Verhältnis zwischen zulässigen und unzulässigen Beiträgen regelmäßig weniger aussagekräftig als bei Printmedien. Daher kann für die Gesamtbetrachtung bedeutsam sein, ob gerade die das Gebot der Staatsferne der Presse verletzenden Beiträge besonderes Gewicht haben und das Gesamtangebot prägen. Dafür können Verlinkungen auf diese Beiträge sprechen - zum Beispiel von der Startseite des Informationsangebots - oder der Umstand, dass sie zu den meistgelesenen Beiträgen zählen.

BGH, Urt. v. 13.7.2023, I ZR 152/21, Tz. 68 - muenchen.de

Schließlich muss eine Gewichtung der als unzulässig gerügten Rubriken vorgenommen und festgestellt werden, ob gerade diese Beiträge besonderes Gewicht haben und das Gesamtangebot prägen (vgl. BGH, GRUR 2022, 1336, Tz. 54 - dortmund.de). Die bloße Feststellung, die unzulässigen Beiträge gingen bei einer Gesamtbetrachtung des Portals nicht gegenüber den zulässigen Verwaltungsinformationen in anderen Rubriken des Stadtportals unter, ist dafür nicht ausreichend.

Zum Verbot einzelner, die Kompetenzzuweisung der öffentlichen Hand überschreitender Beiträge:

BGH, Urt. v. 14.7.2022, I ZR 97/21, Tz. 68 f – dortmund.de

Einzelne, die Grenzen zulässiger staatlicher Öffentlichkeitsarbeit überschreitende Artikel allein begründen keine Verletzung des Gebots der Staatsferne der Presse. Notwendig ist vielmehr eine wertende Betrachtung der Publikation insgesamt, bei der sich jede schematische Betrachtungsweise verbietet (vgl. BGH, GRUR 2019, 189, Tz. 40 - Crailsheimer Stadtblatt II).

Ein Verbot einzelner Beiträge in einer kommunalen Publikation lässt sich danach nicht erreichen. Einzelne Artikel können schon keinen Substitutionseffekt (vgl. dazu Papier/Schröder, DVBl. 2017, 1, 7) haben. Es kommt vielmehr entscheidend darauf an, ob die Berichterstattung insgesamt einen pressesubstituierenden Gesamtcharakter hat. Für die dafür erforderliche Gesamtbetrachtung müssen die Beiträge jeweils in den Kontext der gesamten Publikation gestellt werden. Eine von der Gesamtausgabe losgelöste Würdigung nur der angegriffenen Beiträge - alternativ oder kumulativ - ist nicht möglich, weil es auf die Publikation insgesamt ankommt, nicht auf einzelne ihrer Bestandteile. Das gilt auch für Publikationen im Internet.

Mit der staatlichen Publikation einhergehende Wettbewerbsverstöße könne einen Verstoß gegen das Gebot der Staatsferne der Presse nicht begründen (BGH, Urt. v. 13.7.2023, I ZR 152/21, Tz. 48 f - muenchen.de).

Die vorstehenden Grundsätze gelten auch, wenn die öffentliche Hand sich privater Mittel zur Herausgabe von presseähnlichen Erzeugnissen bedient. Bei private-public Partnerships muss die öffentliche Hand allerdings einen bestimmenden Einfluss auf den privaten Träger haben.

OLG Karlsruhe, Urt. v. 12.10.2022, 6 U 309/21, Tz. 30

Zwar enthebt die Nutzung zivilrechtlicher Formen die staatliche Gewalt nicht von ihrer Bindung an die Grundrechte gemäß Art. 1 Abs. 3 GG. Dies gilt sowohl für die Verwendung von zivilrechtlichen Handlungsformen als auch für den Einsatz privatrechtlicher Organisations- und Gesellschaftsformen. Deshalb unterliegen von der öffentlichen Hand beherrschte gemischtwirtschaftliche Unternehmen ebenso wie im Alleineigentum des Staates stehende öffentliche Unternehmen, die in den Formen des Privatrechts organisiert sind, einer unmittelbaren Grundrechtsbindung (BVerfG, Urt. v. 22.2.2011, 1 BvR 699/06, Tz. 46 – Fraport). Private Rechtssubjekte sind jedoch nur dann Adressat des grundrechtlichen Gebots der Staatsferne der Presse, wenn sie von Hoheitsträgern beherrscht werden, wofür an die Wertungen der §§ 16, 17 AktG und Art. 2 Abs. 1 lit. f RL 2004/109/EG anzuknüpfen ist (vgl. BVerfG, Urt. v. 22.2.2011, 1 BvR 699/06, Tz. 49 ff. – Fraport; ...). Anders als in Fällen, in denen die öffentliche Hand nur einen untergeordneten Anteil an einem privaten Unternehmen hält, handelt es sich dann grundsätzlich nicht um private Aktivitäten unter Beteiligung des Staates, sondern um staatliche Aktivitäten unter Beteiligung von Privaten. Für sie gelten unabhängig von ihrem Zweck oder Inhalt die allgemeinen Bindungen staatlicher Aufgabenwahrnehmung. Bei der Entfaltung dieser Aktivitäten sind die öffentlich beherrschten Unternehmen unmittelbar durch die Grundrechte gebunden und können sich umgekehrt gegenüber Bürgern nicht auf eigene Grundrechte stützen (BVerfG, Urt. v. 22.2.2011, 1 BvR 699/06, Tz. 54 – Fraport).

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Stadt- und Gemeindeblätter

BGH, Urt. v. 20.12.2018, I ZR 112/17, Tz. 29 - Crailsheimer Stadtblatt II

Kommunale Pressearbeit ist begrenzt durch das Erfordernis eines spezifischen Orts- und Aufgabenbezugs; die Gemeinde erlangt aus Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG nur ein kommunalpolitisches, kein allgemeines politisches Mandat.

Ebenso OLG Hamm, Urt. v. 10.6.2021, 4 U 1/20, Tz. 201

BGH, Urt. v. 14.7.2022, I ZR 97/21, Tz. 40 – dortmund.de

Für die konkrete Beurteilung kommunaler Publikationen mit Blick auf das Gebot der Staatsferne der Presse sind Art und Inhalt der veröffentlichten Beiträge auf ihre Neutralität sowie Zugehörigkeit zum Aufgabenbereich der Gemeinde zu untersuchen und ist unter Einbeziehung des äußeren Erscheinungsbilds eine wertende Gesamtbetrachtung vorzunehmen (vgl. BGH, GRUR 2019, 189, Tz. 35 bis 39 - Crailsheimer Stadtblatt II). Dabei begründen einzelne, die Grenzen zulässiger staatlicher Öffentlichkeitsarbeit überschreitende Artikel allein keine Verletzung des Gebots der Staatsferne der Presse. Notwendig ist vielmehr eine wertende Betrachtung der Publikation insgesamt, bei der sich jede schematische Betrachtungsweise verbietet (BGH, GRUR 2019, 189 [Tz. 40 f.] - Crailsheimer Stadtblatt II).

Ebenso OLG Karlsruhe, Urt. v. 12.10.2022, 6 U 309/21, Tz. 28

OLG Hamm, Urt. v. 10.6.2021, 4 U 1/20, Tz. 182

Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft sind diejenigen Bedürfnisse und Interessen, die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder auf sie einen spezifischen Bezug haben, die also den Gemeindeeinwohnern gerade als solchen gemeinsam sind, indem sie das Zusammenleben und -wohnen der Menschen in der (politischen) Gemeinde betreffen (BVerfGE 79, 127, 151 f; BVerfG, NVwZ 2018, 140 Rn. 70). Bezugspunkt der Allzuständigkeit der Gemeinden sind dabei jedoch immer die Angelegenheiten, die als Aufgaben der öffentlichen Verwaltung anzusehen sind (BGH GRUR 2019, 189 – Crailsheimer Stadtblatt II).

OLG Stuttgart, Urt. v. 27.1.2016, 4 U 167/15, Tz. 56 ff - Stadtblatt

Das Gebot der Staatsfreiheit der Presse stellt nach der neueren höchstrichterlichen Rechtsprechung eine Marktverhaltensregelung dar, da dieses (auch) dem Schutz von Presseunternehmen diene (BGH, Urt. v. 30.4.2015, I ZR 13/14, Tz. 59 - Tagesschau-App; BGH GRUR 2012, 728, Tz. 11 – Einkauf Aktuell). Staatsfreiheit der Presse bedeutet insoweit nicht nur Freiheit von staatlicher Einflussnahme und Lenkung. Dieser Grundsatz wird auch dann berührt, wenn sich die öffentliche Hand durch unmittelbar oder mittelbar staatlich verantwortete Publikationen pressemäßig betätigt. Staatliche Pressetätigkeit ist zwar nicht völlig ausgeschlossen, steht aber – auch soweit es um die von Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG garantierte kommunale Selbstverwaltung geht – unter einem erhöhten Rechtfertigungszwang, weil Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG insoweit engere Schranken zieht.

Öffentlich-rechtliche Körperschaften dürfen Druckwerke grundsätzlich nur herausgeben, soweit sie mit der Veröffentlichung ihre öffentlichen Aufgaben erfüllen (Bekanntgabe von Rechtsvorschriften) oder in zulässigem Umfang Öffentlichkeitsarbeit betreiben (BVerfGE 63, 230, 243 f., Tz. 53 – 56; BVerfGE 44, 125, 147 f., Tz. 63 – 81). Die Verbreitung staatlicher Informationen setzt eine Aufgabe der handelnden Stelle und die Einhaltung der gesetzlichen Zuständigkeitsgrenzen voraus (BVerfGE 105, 252, 268, Tz. 50; BVerfGE 20, 56, 99, Tz. 117]). Redaktionelle Beiträge pressemäßiger Art sind demnach nur zulässig, wenn sie mit der öffentlichen Aufgabe zusammenhängen oder von untergeordneter Bedeutung sind.

Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verlangt zunächst ganz allgemein, dass sich am Bild der freien Presse substantiell nichts ändern darf (BVerfGE 12, 205, 260,), wobei der Staat grundsätzlich nicht in den privatrechtlich organisierten Wettbewerb der Presseunternehmen eingreifen dürfe (BVerfGE 20, 162, 175). Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG enthält danach nicht nur ein subjektives Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe, sondern garantiert als objektive Grundsatznorm die Freiheitlichkeit des Pressewesens insgesamt (BVerfGE 80, 124, 133). Staatliche Präsenz im Bereich der Presse steht deshalb nach zutreffender Auffassung der Literatur grundsätzlich im Widerspruch zur Meinungs- und Wettbewerbsneutralität staatlichen Handelns (Daiber, Grenzen staatlicher Zuständigkeit, 2006, 188; Degenhart AfP 2009, 207, 209).

OLG Stuttgart, Urt. v. 27.1.2016, 4 U 167/15, Tz. 64 f - Stadtblatt

§ 20 der Gemeindeordnung für B-W (GemO) führt insoweit nicht zu einer anderen Bewertung. Dort ist letzten Endes nur positiv festgehalten, dass eine kommunale Öffentlichkeitsarbeit stattfinden darf (dies ergibt sich aus den Formulierungen in Abs. 1 und Abs. 2 über die Unterrichtung über allgemein bedeutsame Angelegenheiten der Gemeinde sowie wichtige Planungen und Vorhaben). § 20 GemO enthält aber inhaltlich keine anderen oder gar weitergehenden Maßstäbe als diejenigen, die vom Bundesverfassungsgericht zur Staatsfreiheit der Presse definiert worden sind. Der Begriff der allgemein bedeutsamen Angelegenheiten der Gemeinde (§ 20 Abs. 1 GemO) erfasst alle Vorgänge und Tatsachen, die nicht nur geringfügige Auswirkungen auf das Leben der örtlichen Gemeinschaft und seine Weiterentwicklung haben oder deren Kenntnis für das Verständnis der Kommunalpolitik der Gemeinde unentbehrlich ist – maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls (Kunze/Bronner/Katz, Gemeindeordnung für B-W, Stand: 20. Erglfg. Oktober 2013, § 20 Rn. 2). Daneben besteht nach § 20 Abs. 2 GemO eine besondere Informationspflicht für alle wichtigen Planungen und Vorhaben der Gemeinde.

Mit Absatz 3 zu § 20 GemO, der die Zulässigkeit der Unterrichtung über die allgemein bedeutsamen Angelegenheiten der Gemeinde regelt und einen Raum für die Berichterstattung der Gemeinderatsfraktionen einräumt, ist keine Ausweitung der oben dargestellten Maßstäbe verbunden.

OLG Hamm, Urt. v. 10.6.2021, 4 U 1/20, Tz. 217

Bezogen auf den Inhalt einer gemeindlichen Publikation besteht ein Bereich auf jeden Fall zulässigen Informationshandelns durch die Kommune, der die Garantie des Instituts der freien Presse nicht berührt. Staatliche Information mit dem Ziel, Politik verständlich zu machen, die Bevölkerung über Politik und Recht im jeweiligen Aufgabenkreis zu informieren und staatliche Tätigkeit transparent zu gestalten, ist auch in presseähnlicher Form zulässig. So erfüllt die Gemeinde mit der Veröffentlichung amtlicher Mitteilungen in legitimer Weise öffentliche Aufgaben (vgl. Gersdorf, AfP 2016, 293, 296). Auch Berichte über die kommunale Wirtschaftsförderung können Teil der zulässigen Öffentlichkeitsarbeit einer Gemeinde sein. Gleichfalls ohne weiteres zulässig - und sogar geboten, wenn die Information nur über die Gemeinde gewonnen werden kann - ist die Unterrichtung der kommunalen Öffentlichkeit über die aktuelle Tätigkeit und künftigen Vorhaben der Kommunalverwaltung und des Gemeinderats. Allerdings wird nicht jedes Ereignis durch die Anwesenheit eines Mitglieds der Gemeindeverwaltung zum Gegenstand zulässiger kommunaler Öffentlichkeitsarbeit (BGH GRUR 2019, 189 – Crailsheimer Stadtblatt II m.w.N.).

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Telemedien

OLG Nürnberg, Hinweisbeschl. v. 26.11.2021, 3 U 2473/21, Tz. 56

Die vom Bundesgerichtshof aufgestellten Grundsätze für die Bewertung gemeindlicher Publikationen lassen sich grundsätzlich auch auf Internetportale übertragen. Allerdings sind hierbei, was sich aus der Natur der Sache ergibt, die Besonderheiten einer Website gegenüber einer gedruckten Zeitung im Rahmen der Gesamtwürdigung jeweils bei den einzelnen Kriterien zu berücksichtigen - wie beispielsweise bei der Frage, ob ein Beitrag bzw. das Portal insgesamt "pressemäßig" oder auch/nur "internettypisch" aufgemacht ist. Daraus kann sich im Einzelfall ergeben, dass die Grenzen des Zulässigen - im Ergebnis - etwas großzügiger verlaufen als bei einer kommunalen Publikation in Form einer gedruckten Zeitung. Allerdings sind auch dem Informationshandeln der Kommunen im Internet auf Grundlage der Aufgabe des Stadtmarketings oder der Tourismus- und Wirtschaftsförderung Grenzen gesetzt. Insbesondere haben die Kommunen das Sachlichkeits- und Neutralitätsgebot zu wahren (OLG München, a.a.O., Rn. 96, 111 - münchen.de).

OLG Hamm, Urt. v. 10.6.2021, 4 U 1/20, Tz. 163 ff

In traditioneller Sichtweise knüpft die Definition des Begriffs der Presse an der Eigenschaft eines Presseerzeugnisses als Druck bzw. als körperliches Verbreitungsmedium an. Dem Begriff der Presse des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG unterfallen der lateinischen Herkunft des Wortes (pressa) folgend alle schriftlichen Vervielfältigungen und alle Informationsträger, die nicht unter die Film- oder die Rundfunkfreiheit zu subsumieren sind. Ein Presseerzeugnis ist danach ein zur Verbreitung an einen unbestimmten Personenkreis geeignetes und bestimmtes Druckerzeugnis, das Informationen enthält, die für die Allgemeinheit aufbereitet werden und an diese gerichtet sind (BVerGE 95, 28; vgl. auch: Grabenwarter in: Maunz/Dürig, Grundgesetzkommentar, 93. EL, Oktober 2020, Art. 5 Rn. 239 m.w.N). Entscheidend im Sinne des traditionellen Pressebegriffs ist, dass die Veröffentlichung in gedruckter oder vergleichbarer sowie in zur Verbreitung geeigneter und bestimmter Form in den Kommunikationsprozess eingebracht wird (BVerfGE 95, 28).

Nach einer im Vordringen befindlichen Rechtsauffassung soll im Hinblick darauf, dass als Folge der zunehmenden Digitalisierung massenmediale Informationsangebote zunehmend über das Internet Verbreitung finden, nicht mehr maßgeblich auf das Kriterium der Verkörperung abgestellt werden. Dem Begriff „Presse“ sollen alle Formen der Allgemeinkommunikation unterfallen, die in ihrem Erscheinungsbild der (Massen-)Kommunikation von Text und Bild in den traditionellen Presseerzeugnissen ähnlich sind (vgl. dazu im Überblick: Grabenwarter a.a.O. Rn. 239f m.w.N.).

Für die Entscheidung im vorliegenden Verfahren kann offenbleiben, ob in Erweiterung des traditionellen Pressebegriffs ein Telemedienangebot dem Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG unterfallen kann. Das Grundrecht schützt nicht die öffentliche Hand, sondern die private Presse. Die Klägerin verlegt aber unstreitig auch Printmedien in traditioneller Form. Damit kann sie sich unzweifelhaft auf den Schutz des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG berufen. Als Grundrechtsträgerin in diesem Sinne ist sie – tatbestandlich – durch die Pressefreiheit geschützt.

Auch die Verbreitung von gemeindlichen Publikationen in Form eines – die Grenzen gemeindlicher Kompetenzen überschreitendes - Telemedienangebots kann gegen das Gebot der Staatsferne der Presse verstoßen. Ganz unzweifelhaft stellt unzulässige staatliche Berichterstattung in Printmedien einen Verstoß in diesem Sinne dar. Im Rahmen des verfassungsrechtlich gebotenen Schutzes der freien Presse kann aber nicht auf den Verbreitungsweg einer unzulässigen staatlichen Informationshandlung abgestellt werden. Unter Berücksichtigung der fortschreitenden Digitalisierung und der damit einhergehenden, sich verändernden Gewohnheit einer immer größer werdenden Zahl der Allgemeinheit in Bezug auf die Beschaffung von Informationen, kommt den über das Internet abrufbaren Berichterstattungen eine beträchtliche Bedeutung zu. Das verfassungsrechtliche Gebot, die Presse von staatlichen Einflüssen freizuhalten, bezieht sich nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung gerade auch auf die Verhinderung aller mittelbaren und subtilen Einflussnahmen des Staates. Diese kann aber ersichtlich auch in der Verbreitung unzulässiger staatlicher Berichterstattung über das Internet liegen.

Das Gebot der Staatsferne der Presse gilt auch für den Inhalt von Telemedien wie einem Stadtportal:

BGH, Urt. v. 13.7.2023, I ZR 152/21, Tz. 33 f - muenchen.de

Für die allein maßgebliche Frage, ob dieses Telemedienangebot die von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gezogene äußere Grenze kommunaler Öffentlichkeitsarbeit überschreitet, kommt es nicht darauf an, ob grundsätzlich am traditionellen Pressebegriff festzuhalten ist, der an das körperliche Druckerzeugnis anknüpft, oder ob auch Online-Medien in den Schutzbereich von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG fallen (BGH, GRUR 2022, 1336, Tz. 36] - dortmund.de).

Das verfassungsrechtliche Gebot, die Presse zur Sicherung der Meinungsvielfalt von staatlichen Einflüssen freizuhalten, bezieht sich nicht nur auf manifeste Gefahren unmittelbarer Lenkung oder Maßregelung der im Bereich der Presse tätigen Unternehmen, sondern weitergehend auf die Verhinderung aller mittelbaren und subtilen Einflussnahmen des Staates. Dazu zählt auch ein ausferndes Informationshandeln des Staates, gleich in welcher Form, das die Kommunikationsprozesse der freien Presse als Verbindungs- und Kontrollorgan zwischen dem Volk und seiner gewählten Vertretung und damit die Meinungsbildung von unten nach oben gefährdet. Das Gebot der Staatsferne der Presse schützt auch vor Substitutionseffekten kommunaler Online-Informationsangebote, die dazu führen, dass die private Presse ihre besondere Aufgabe im demokratischen Gemeinwesen nicht mehr erfüllen kann (BGH, GRUR 2022, 1336, Tz. 37] - dortmund.de, mwN).

OLG Hamm, Urt. v. 10.6.2021, 4 U 1/20, Tz. 174

Für die Beurteilung des städtischen Telemedienangebots kann auf die vom Bundesgerichtshof aufgestellten Grundsätze für Amtsblätter zurückgegriffen werden. Der Bundesgerichtshof hat diese ausdrücklich für „gemeindliche Publikationen“ aufgestellt. Damit sind aber im Ergebnis sämtliche gemeindliche Veröffentlichungen umfasst. Auch das über das Internet verbreitete Telemedienangebot der Beklagten stellt eine derartige Publikation dar und muss sich folglich an diesen höchstrichterlich aufgestellten Grundsätzen messen lassen. Ein Grund dafür, gemeindliche Publikationen in Printmedien im Hinblick auf das Gebot der Staatsferne der Presse einer anderen Beurteilung zu unterziehen, als gemeindlichen Publikationen im Internet, besteht nicht. Auch solche Publikationen können grundsätzlich mittelbare und subtile Einflussnahme des Staates darstellen. Eine die Grenzen der staatlichen (bzw. gemeindlichen) Öffentlichkeitsarbeit überschreitende Berichterstattung kann sowohl in Printmedien, als auch im Internet Verbreitung finden. Die Zulässigkeit kommunaler Informationstätigkeit kann nicht vom „Vertriebsweg“ abhängig sein, sondern ist nach ihrer inhaltlichen Rechtmäßigkeit zu beurteilen. Dies bestimmt sich insbesondere nach den Kompetenzen der Kommunen kraft Kommunalrechts.

OLG Hamm, Urt. v. 10.6.2021, 4 U 1/20, Tz. 203

Da unzweifelhaft auch Veröffentlichungen über das Internet einen Eingriff in die Pressefreiheit darstellen können, ist die institutionelle Garantie des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG auch die äußere Grenze für Berichterstattung in Telemedienangeboten.

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Gemischtwirtschaftliche Unternehmen (public-private)

BGH, Urt. v. 15.12.2011, I ZR 129/10, Tz. 9 - Einkauf Aktuell

Ein gemischtwirtschaftliches Unternehmen wird in der Regel von öffentlichen Anteilseignern beherrscht, wenn die öffentliche Hand mehr als die Hälfte seiner Anteile hält. Für die Grundrechtsverpflichtung ist dabei grundsätzlich an die entsprechenden zivilrechtlichen Wertungen in den §§ 16, 17 AktG sowie in Art. 2 Abs. 1 Buchst. f der Transparenzrichtlinie 2004/109/EG anzuknüpfen (vgl. BVerfGE 128, 226 Rn. 53). Das Kriterium der Beherrschung mit seiner Anknüpfung an die eigentumsrechtlichen Mehrheitsverhältnisse stellt danach nicht auf konkrete Einwirkungsbefugnisse hinsichtlich der Geschäftsführung ab, sondern auf die Gesamtverantwortung für das jeweilige Unternehmen. Unerheblich ist daher, ob die öffentliche Beteiligung durch eine öffentliche Stelle oder durch mehrere öffentliche Stellen erfolgt und ob diese ihre Handlungen koordinieren. Die Frage, ob ein Abhängigkeitsverhältnis besteht, ist im Übrigen in erster Linie aus der Sicht des betroffenen Unternehmens zu beurteilen. Aus seiner Sicht ist es unerheblich, ob der nach außen einheitliche fremde Unternehmerwille, dem eine Gesellschaft unterworfen sein soll, von einem anderen Unternehmen oder von mehreren anderen Unternehmen gebildet wird (vgl. BGH, Urteil vom 4. März 1974 II ZR 89/72, BGHZ 62, 193, 197).

BGH, Urt. v. 15.12.2011, I ZR 129/10, Tz. 10 - Einkauf Aktuell

Da die Grundrechte die staatliche Gewalt umfassend und insgesamt binden und die Frage der Grundrechtsbindung für das jeweilige Unternehmen nur einheitlich beantwortet werden kann, gelten diese Grundsätze nicht nur für Unternehmen, die vollständig im Eigentum der öffentlichen Hand stehen, sondern auch für gemischtwirtschaftliche Unternehmen, die von der öffentlichen Hand beherrscht werden (vgl. BVerfGE 128, 226 Rn. 49 ff.). Der Begriff der staatlichen Gewalt ist in diesem Zusammenhang weit zu verstehen und beschränkt sich daher nicht auf sogenannte imperative Maßnahmen (vgl. BVerfGE 128, 226 Rn. 47). Auch steht die theoretische Möglichkeit, die Meinungs- und Pressefreiheit des Art. 5 GG über den Umweg der Einwirkungsrechte geltend zu machen, nicht der Annahme entgegen, dass ein gemischtwirtschaftliches Unternehmen unmittelbar grundrechtsverpflichtet sein kann.

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Pressegesetze

Pressegesetze sind Ländersache. Es gibt deshalb kein Bundespressegesetz, sondern nur Landespressegesetze. Jedes Bundesland hat ein eigenes.

In den Pressegesetzen werden bestimmte Rahmenbedingungen für die Veröffentlichung von periodischen Druckwerken vorgegeben. Dazu gehört das Gebot, redaktionelle Beiträge und Werbung deutlich voneinander abzugrenzen (Trennungsgebot) und deutlich zu machen, was Werbung ist.

Beispiel:

§ 10 Landespressegesetz Baden-Württemberg - Kennzeichnung entgeltlicher Veröffentlichungen

Hat der Verleger eines periodischen Druckwerks oder der Verantwortliche (§ 8 Abs. 2 Satz 4) für eine Veröffentlichung ein Entgelt erhalten, gefordert oder sich versprechen lassen, so hat er diese Veröffentlichung, soweit sie nicht schon durch Anordnung und Gestaltung allgemein als Anzeige zu erkennen ist, deutlich mit dem Wort "Anzeige" zu bezeichnen.

Diese Vorschrift findet sich vergleichbar auch in den Landespressegesetzen aller anderen Bundesländer. Es. handelt es sich um eine Marktverhaltensregelung.

BGH, Urt. v. 1. 7. 2010, I ZR 161/09, Tz. 24 - Flappe

Nach den in den Landespressegesetzen inhaltsgleich vorgesehenen Bestimmungen muss der Verleger oder Verantwortliche eines periodischen Druckwerks, der für eine Veröffentlichung ein Entgelt erhalten hat, diese Veröffentlichung mit dem Wort "Anzeige" bezeichnen, wenn die Veröffentlichung nicht schon durch die Anordnung und Gestaltung allgemein als Anzeige zu erkennen ist (vgl. etwa § 10 PresseG NRW, § 10 PresseG BW). Die Vorschriften dienen der Sicherung der Unabhängigkeit der Presse und dem Schutz der Lauterkeit des Wettbewerbs. Ein Verstoß gegen das in den Landespressegesetzen verankerte Trennungsgebot scheidet jedoch aus, wenn der Leser den Werbecharakter ohne weiteres erkennt.

BGH, Beschl. v. 19.7.2012, I ZR 2/11, Tz. 10 – GOOD NEWS

Die Vorschrift des § 10 LPresseG, die sich in fast wortgleicher Form in nahezu allen Presse- oder Mediengesetze der deutschen Bundesländer findet, ist eine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG. Sie verfolgt zwei gleichrangig nebeneinander stehende Ziele: Zum einen will sie eine Irreführung der Leser verhindern, die daraus resultiert, dass die Verbraucher häufig Werbemaßnahmen, die als redaktionelle Inhalte getarnt sind, unkritischer gegenüber stehen als einer Wirtschaftswerbung, die als solche erkennbar ist. Zum anderen dient das Gebot der Trennung der Werbung vom redaktionellen Teil der Erhaltung der Objektivität und Neutralität der Presse. Damit soll - auch außerhalb des geschäftlichen Verkehrs - der Gefahr eines sachfremden Einflusses auf die Presse begegnet werden. Insofern erfüllt das presse- und medienrechtliche Trennungsgebot eine wichtige Funktion zum Schutz der Objektivität und Neutralität der Presse und des Rundfunks, die allein durch ein lauterkeitsrechtliches Verbot der redaktionellen Werbung nicht erfüllt werden könnte.

Ebenso BGH, Urt. v. 6.2.2014, I ZR 2/11, Tz. 15 f - GOOD NEWS II

BGH, Urt. v. 6.2.2014, I ZR 2/11, Tz. 18 - GOOD NEWS II

Das in § 10 LPresseG BW enthaltene Gebot, Werbung und redaktionellen Teil einer Zeitung zu trennen, dient der Beachtung der Regeln des lauteren Wettbewerbs. Es ist daher geeignet, die gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG gewährleisteten Grundrechte einzuschränken. Dementsprechend widerspricht es auch nicht dem Grundrechtsschutz aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG, dass getarnte Werbung grundsätzlich wettbewerbswidrig ist (BVerfG, NJW 2005, 3201).

§ 10 LPresseG BW fällt nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie gegen unlautere Geschäftspraktiken (EuGH, Urt. v. 17.10.2013, C-391/12 - Good News).

Nach § 10 LPresseG müssen alle redaktionellen Beiträge, die von einem Unternehmer gleiwie gefördert werden, als Anzeige gekennzeichnet werden:

BGH, Urt. v. 6.2.2014, I ZR 2/11, Tz. 24 - GOOD NEWS II

Ein redaktioneller Beitrag ist anzunehmen, wenn der Beitrag seiner Gestaltung nach als objektive neutrale Berichterstattung durch das Medienunternehmen selbst erscheint. Maßstab ist das Verständnis des durchschnittlich informierten, situationsadäquat aufmerksamen und verständigen Verbrauchers. Ohne Bedeutung ist dabei, ob der Beitrag vom werbenden Unternehmen selbst oder von einem Redakteur des Presseunternehmens verfasst worden ist (Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, Anh. zu § 3 Abs. 3 Rn. 11.2).

BGH, Urt. v. 6.2.2014, I ZR 2/11, Tz. 26 - GOOD NEWS II

Die Anwendung des § 10 LPresseG BW erfordert nicht, dass es sich bei der Veröffentlichung um eine Werbeanzeige handeln muss. Dem Wortlaut der genannten Bestimmung kann eine solche Beschränkung nicht entnommen werden.

Allerdings sind die Voraussetzungen an eine Werbeanzeige schnell erfüllt:

BGH, Urt. v. 6.2.2014, I ZR 2/11, Tz. 26 - GOOD NEWS II

Für eine Werbeanzeige ist ausreichend, dass zumindest mittelbar der Absatz der Waren oder Dienstleistungen der genannten Sponsoren gefördert wird. Es ist nicht erforderlich, dass in dem Beitrag das geförderte Produkt kenntlich gemacht wird. Ein Einsatz zu Zwecken der Verkaufsförderung ist anzunehmen, wenn ein Unternehmer die Absicht hat, durch den bezahlten redaktionellen Artikel den Absatz seiner Waren oder Dienstleistungen zu fördern. Von einer solchen Absicht ist immer dann auszugehen, wenn der Beitrag objektiv eine Werbung enthält.

Des weiteren gilt:

BGH, Urt. v. 6.2.2014, I ZR 2/11, Tz. 27 - GOOD NEWS II

Es kommt nicht darauf an, ob das Entgelt gerade für die konkret in Rede stehende Veröffentlichung bezahlt wurde. Einen derart engen Zusammenhang zwischen Entgelt und Veröffentlichung verlangt § 10 LPresseG BW nicht. In der genannten Bestimmung wird nur allgemein darauf abgestellt, dass der Verleger eines periodischen Druckwerks für eine Veröffentlichung ein Entgelt erhalten hat. Der für § 10 LPresseG BW erforderliche Zusammenhang zwischen Finanzierung und Veröffentlichung ist daher auch dann gegeben, wenn der Unternehmer an den Verleger vorab ein Entgelt zahlt, damit seine getarnte Werbung in regelmäßigen oder unregelmäßigen Abständen veröffentlicht wird. Der Verleger muss das Entgelt nicht in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Veröffentlichung erhalten hat. Daher kommt es auch nicht darauf an, dass der Inhalt der in Rede stehenden redaktionellen Beiträge nicht von den Sponsoren beeinflusst worden ist.

BGH, Urt. v. 6.2.2014, I ZR 2/11, Tz. 30 - GOOD NEWS II

Das strikte Gebot der Kenntlichmachung von Anzeigen wird grundsätzlich verletzt, wenn der präzise Begriff der "Anzeige" vermieden und stattdessen ein unscharfer Begriff gewählt wird. Die Kennzeichnung von Beiträgen mit den Wörtern "Sponsored by" reicht nicht aus, um den Anzeigencharakter der Veröffentlichungen zu verdeutlichen. Entscheidend ist, ob der werbliche Charakter einer Veröffentlichung für einen durchschnittlich informierten und situationsadäquat aufmerksamen Leser bereits auf den ersten Blick ohne jeden Zweifel und nicht erst nach einer analysierenden Lektüre des Beitrags erkennbar ist.

Die ebenfalls in den Landespressegesetzen vorgesehene Impressumspflicht (hierzu BGH, Urt. v. 13.7.1989, I ZR 160/87 - Impressumspflicht), der Gegendarstellungsanspruch oder das Gebot journalistischer Sorgfaltspflicht stellen keine Marktverhaltensregelungen dar.

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Rundfunkstaatsvertrag

Siehe zum Rundfunkstaatsvertrag (Schleichwerbung, Product Placement, Trennungsgebot) auch hier.

§ 11a RStV

(1) Angebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sind Rundfunkprogramme (Hörfunk- und Fernsehprogramme) und Telemedien nach Maßgabe dieses Staatsvertrages und der jeweiligen landesrechtlichen Regelungen. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk kann programmbegleitend Druckwerke mit programmbezogenem Inhalt anbieten.

(2) Rundfunkprogramme, die über unterschiedliche Übertragungswege zeitgleich verbreitet werden, gelten zahlenmäßig als ein Angebot.

BGH, Urt. v. 26.1.2017, I ZR 207/14, Tz. 18 - ARD-Buffet

Bei § 11a Abs. 1 Satz 2 RStV handelt es sich um eine gesetzliche Vorschrift im Sinne von § 3a UWG, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln.

BGH, Urt. v. 26.1.2017, I ZR 207/14, Tz. 34 ff - ARD-Buffet

 § 11a Abs. 1 Satz 2 RStV hat den Zweck, die Betätigung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auf dem Markt der Druckwerke zum Schutz von Presseverlagen zu begrenzen (zur Regelung des § 3 Abs. 7 des nordrhein-westfälischen WDR-Gesetzes aF [jetzt § 3 Abs. 9 WDR-Gesetz], die dem WDR die Veröffentlichung von Druckwerken mit vorwiegend programmbezogenem Inhalt erlaubt, wenn dies zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist, vgl. BVerfGE 83, 238, 312 bis 315). Sie gestattet dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk, Druckwerke anzubieten, aber nur unter der Voraussetzung, dass es sich dabei um programmbegleitende Druckwerke mit programmbezogenem Inhalt handelt. Damit öffnet sie dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk den Zugang zum Markt der Druckwerke und regelt zugleich sein Verhalten auf diesem Markt. § 11a Abs. 1 Satz 2 RStV ist daher ebenso wie § 11d Abs. 2 Satz 1 Nr. 3  Teilsatz 3 RStV als Marktverhaltensregelung einzustufen.

Aus § 11a Abs. 1 Satz 2 RStV ergibt sich zunächst das an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gerichtete Verbot, Druckwerke (selbst) anzubieten oder  - was dem gleichsteht - (durch Dritte) anbieten zu lassen, wenn es sich dabei nicht um programmbegleitende Druckwerke mit programmbezogenem Inhalt handelt. Die Veröffentlichung von Druckwerken durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist nur von der Rundfunkfreiheit gedeckt und verletzt nicht die Pressefreiheit, wenn sie als eine unterstützende Randbetätigung der Erfüllung der Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Rundfunks dient (vgl. BVerfGE 83, 238, 312 bis 315). Das setzt voraus, dass es sich bei den Druckwerken um programmbegleitende Druckwerke mit programmbezogenem Inhalt handelt.

Darüber hinaus lässt sich § 11a Abs. 1 Satz 2 RStV das an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gerichtete Verbot entnehmen, das Angebot von Druckwerken durch Dritte zu unterstützen, und zwar auch dann, wenn es sich dabei um programmbegleitende Druckwerke mit programmbezogenem Inhalt handelt. Nach ihrem Wortlaut gestattet die Bestimmung des § 11a Abs. 1 Satz 2 RStV dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk allein das (eigene) Angebot von Druckwerken. Einer erweiternden Auslegung dieses Wortlauts dahin, dass die Bestimmung dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk auch die Förderung des Angebots von Druckwerken durch Dritte erlaubt, steht entgegen, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk beim Angebot von Druckwerken nicht stärker als zur Erfüllung seiner Aufgaben notwendig in die Pressefreiheit eingreifen darf. Er greift aber stärker in die Pressefreiheit ein, wenn er das Druckwerk nicht selbst anbietet, sondern die Veröffentlichung des Druckwerks durch einen Dritten unterstützt, weil er damit in das Konkurrenzverhältnis der Anbieter von Druckwerken eingreift und dem von ihm unterstützten Dritten Vorteile im Wettbewerb verschafft. Nach § 11a Abs. 1 Satz 2 RStV ist dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk danach allein das Angebot eigener Druckwerke gestattet. Dagegen ist jegliche Beteiligung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks am Angebot von Druckwerken durch Dritte unzulässig, und zwar auch, wenn es sich bei diesen Druckwerken um programmbegleitende Druckwerke mit programmbezogenem Inhalt handelt.

BGH, Urt. v. 26.1.2017, I ZR 207/14, Tz. 41 - ARD-Buffet

Die gesetzlichen Grenzen für Angebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks dürfen nicht über den Umweg kommerzieller Betätigung umgangen werden. Die wirtschaftliche Betätigung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist durch den Rundfunkauftrag bedingt und begrenzt (BVerfGE 83, 238, 304 f.; BVerfG, GRUR 1999, 232, 235). Die Bestimmung des § 16a Abs. 1 Satz 1 RStV ist daher im Hinblick auf die Regelung des § 11a Abs. 1 Satz 2 RStV dahin einschränkend auszulegen, dass sie den öffentlich-rechtlichen Rundfunk weder berechtigt, Druckwerke anzubieten oder anbieten zu lassen, wenn es sich dabei nicht um programmbegleitende Druckwerke mit programmbezogenem Inhalt handelt, noch berechtigt, das Angebot von Druckwerken durch Dritte zu unterstützen.

BGH, Urt. v. 26.1.2017, I ZR 207/14, Tz. 45 ff - ARD-Buffet

Anbieter eines Druckwerks im Sinne des § 11a Abs. 1 Satz 2 RStV ist nicht nur derjenige, der - kumulativ - sowohl die inhaltliche als auch die wirtschaftliche Verantwortung für das Druckwerk hat. Anbieter eines Druckwerks im Sinne des § 11a Abs. 1 Satz 2 RStV ist vielmehr - alternativ - sowohl derjenige, der das Druckwerk auf eigene Kosten vervielfältigt und verbreitet und damit die wirtschaftliche Verantwortung für das Druckwerk trägt, als auch derjenige, der den Inhalt des Druckwerks bestimmt und damit die publizistische Verantwortung für das Druckwerk hat.

... § 11a Abs. 1 Satz 2 RStV dient dem Schutz der Presse vor einer wirtschaftlichen Betätigung des  - gebührenfinanzierten - öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Die Veröffentlichung von Druckwerken mit vorwiegend programmbezogenem Inhalt durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist zwar von der Rundfunkfreiheit gedeckt, wenn und soweit sie der Erfüllung der Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Rundfunks als eine lediglich unterstützende Randbetätigung zugeordnet werden kann. Eine Programmzeitschrift des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, die diesen Anforderungen nicht genügt, könnte jedoch zu einer Gefährdung der wirtschaftlichen Existenzgrundlagen der Presse führen und die Pressefreiheit beeinträchtigen (zum nahezu wortgleichen § 3 Abs. 7 WDRG aF vgl. BVerfGE 83, 238, 314). Soweit der öffentlich-rechtliche Rundfunk ein Druckwerk auf eigene Kosten vervielfältigt und verbreitet oder vervielfältigen und verbreiten lässt und damit die wirtschaftliche Verantwortung für das Druckwerk trägt, ist er daher im Sinne des § 11a Abs. 1 Satz 2 RStV Anbieter des Druckwerks.

Anbieter eines Druckwerks ist allerdings auch, wer die publizistische Verantwortung für das Druckwerk hat. § 11a Abs. 1 Satz 2 RStV dient nicht allein dem Schutz der Presse vor einer wirtschaftlichen Betätigung des - gebührenfinanzierten - öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Die für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk bestehenden Gebote, sich nur in engen Grenzen auf dem Gebiet der Presse zu betätigen, regeln die Frage, wie sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk im Falle seiner Teilnahme am Wettbewerbsgeschehen auf dem Gebiet der Presse zu verhalten hat, vielmehr auch zum Schutz der Pressefreiheit und zur Sicherung der Meinungsvielfalt (vgl. BVerfGE 83, 238, 314; zum Gebot der Staatsferne der Presse vgl. BGH, GRUR 2012, 728 Rn. 11 - Einkauf Aktuell). Bei § 11a Abs. 1 Satz 2 RStV handelt es sich um eine solche Bestimmung. Sie räumt dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk die Befugnis, Druckwerke anzubieten und sich damit auf dem Gebiet der Presse zu betätigen, zum Schutz der Pressefreiheit und zur Sicherung der Meinungsvielfalt nur unter der Voraussetzung ein, dass es sich dabei um programmbegleitende Druckwerke mit programmbezogenem Inhalt handelt. Nur unter diesen Voraussetzungen ist das Angebot von Druckwerken als eine die Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Rundfunks unterstützende Randbetätigung von der Rundfunkfreiheit gedeckt. Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, greift das Angebot von Druckwerken durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in die Pressefreiheit ein. Bestimmt der öffentlich-rechtliche Rundfunk den Inhalt eines Druckwerks, ist er daher als Anbieter dieses Druckwerks im Sinne von § 11a Abs. 1 Satz 2 RStV anzusehen und muss das Druckwerk den Anforderungen des  § 11a Abs. 1 Satz 2 RStV an ein programmbegleitendes Druckwerk mit programmbezogenem Inhalt genügen. Dabei kommt es im Blick auf den Schutz der Pressefreiheit nicht darauf an, ob der öffentlich-rechtliche Rundfunk das Druckwerk selbst vervielfältigt und verbreitet oder durch einen Verlag vervielfältigen und verbreiten lässt und ob im zuletzt genannten Fall die wirtschaftlichen Chancen und Risiken der Vervielfältigung und Verbreitung des Druckwerks beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk oder beim Verlag liegen.

BGH, Urt. v. 26.1.2017, I ZR 207/14, Tz. 57 - ARD-Buffet

Dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist es nach § 11a Abs. 1 Satz 2 RStV unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlich geschützten Interessen der Presse verboten, das Angebot eines Druckwerks durch Dritte zu fördern (vgl. Rn. 36). Die Rundfunkanstalten verstoßen daher entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht erst dann gegen § 11a Abs. 1 Satz 2 RStV, wenn sie die publizistische oder die wirtschaftliche Verantwortung für die Zeitschrift „ARD Buffet“ tragen und es sich bei dieser Zeitschrift nicht um ein programmbegleitendes Druckwerk mit programmbezogenem Inhalt handelt. Sie verstoßen vielmehr bereits deshalb gegen § 11a Abs. 1 Satz 2 RStV, weil sie das Angebot des Printmagazins „ARD Buffet - das monatliche Magazin zur erfolgreichen TVSendung“ durch den Burda Verlag dadurch unterstützt haben, dass sie nach den Feststellungen des Berufungsgerichts in der Sendung „ARD Buffet“ und auf den Webseiten der Beklagten für das Magazin geworben und die Wort-BildMarken „ARD Buffet“, „ARD“ und „Das Erste“ für das Magazin lizenziert haben. Durch die Werbung und die Lizenzvergabe haben die Beklagten dem Burda Verlag gegenüber anderen Verlagen einen unzulässigen Vorteil im Wettbewerb um Käufer derartiger Zeitschriften verschafft (vgl. auch BGH, Urt. v. 19.11.1992, I ZR 254/90 - Guldenburg; BVerfG, GRUR 1999, 232, 234 ff.).

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§ 11c RStV

OLG München, Urt. v. 27.7.2017, U 2879/16 Kart, Tz. 31, 34f

Die Vorschrift des § 11c Abs. 2 Satz 6 stellt keine Marktverhaltensregelungen im Sinne des § 3a UWG dar. ...

Allein der Umstand, dass in der Präambel des Rundfunkstaatsvertrags das auch die Interessen der privaten Rundfunkveranstalter betreffende duale Rundfunksystem angesprochen wird, führt entgegen der Auffassung der Klägerinnen nicht dazu, dass dem Rundfunkstaatsvertrag insgesamt und damit jeder einzelnen seiner Regelungen der Zweck zugeschrieben werden könnte, das Marktverhalten der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zum Schutze der privaten Veranstalter zu regeln. Es bedarf vielmehr einer konkreten Prüfung jeder Regelung auf ihre Schutzrichtung.

§ 11c Abs. 2 Satz 6 RStV soll die von den vertragschließenden Ländern angestrebte Entwicklung hin zur Digitalisierung dadurch fördern, dass der „Rückfall“ eines ausschließlich digital gestarteten Programms in die analoge Verbreitung verhindert wird (vgl. BayLT-Drs. 16/260 S. 16 li. Sp.). Entgegen der Auffassung der Klägerinnen verleiht der Umstand, dass private Rundfunkveranstalter terrestrisch lediglich den analogen Übertragungsweg nutzen mögen, einer rundfunkrechtlichen Unterscheidung der Übertragungswege nicht ohne weiteres den Charakter einer Marktverhaltensregelung, weil sich daraus allein nicht ergibt, dass mit dieser Unterscheidung der Schutz der wettbewerblichen Interessen der Marktteilnehmer bezweckt würde. Andere Umstände, die darauf hinweisen könnten, dass die Regelung des § 11c Abs. 2 Satz 6 RStV sich nicht nur lediglich reflexartig zugunsten der privaten Rundfunkveranstalter auswirkt, sondern deren Schutz bezweckt, werden von den Klägerinnen nicht dargetan und sind auch sonst nicht ersichtlich. Ein Schutzbezug zu privaten Rundfunkveranstaltern weist die Vorschrift deshalb nicht auf.

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§ 11d RStV

§ 11d Telemedien

(1) Die in der ARD zusammengeschlossenen Landesrundfunkanstalten, das ZDF und das Deutschlandradio bieten Telemedien an, die journalistisch-redaktionell veranlasst und journalistisch-redaktionell gestaltet sind. 

(2) Der Auftrag nach Absatz 1 umfasst das Angebot von 

1. Sendungen ihrer Programme auf Abruf bis zu sieben Tage nach deren Ausstrahlung, Sendungen auf Abruf von Großereignissen gemäß § 4 Abs. 2 sowie von Spielen der 1. und 2. Fußball-Bundesliga bis zu 24 Stunden danach,

2. inhaltlich und zeitlich bis zu sieben Tage danach auf eine konkrete Sendung bezogenen Telemedien soweit auf für die jeweilige Sendung genutzte Materialien und Quellen zurückgegriffen wird und diese Telemedien thematisch und inhaltlich die Sendung unterstützend vertiefen und begleiten, ohne jedoch bereits ein eigenständiges Telemedienangebot nach § 11f Abs. 3 darzustellen; diese sendungsbezogenen Telemedien sind in Telemedienkonzepten entsprechend § 11f Abs. 1 zu beschreiben; Vorankündigungen sind zulässig,

3. Sendungen und sendungsbezogenen Telemedien nach Ablauf der Fristen nach Nummer 1 1. Halbsatz und Nummer 2 sowie von nichtsendungsbezogenen Telemedien nach Maßgabe eines nach § 11f durchgeführten Verfahrens; in den Telemedienkonzepten ist angebotsabhängig eine Befristung für die Verweildauer vorzunehmen; nichtsendungsbezogene presseähnliche Angebote sind nicht zulässig und

4. zeitlich unbefristeten Archiven mit zeit- und kulturgeschichtlichen Inhalten nach Maßgabe der gemäß § 11f zu erstellenden Telemedienkonzepte.

Im Übrigen bleiben Angebote nach Maßgabe der §§ 16a bis e unberührt.

Marktverhaltensregelung

BGH, Urt. v. 30.4.2015, I ZR 13/14, Tz. 55 - Tagesschau-App

Bei dem in § 11d Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Teilsatz 3 RStV niedergelegte Verbot nicht-sendungsbezogener presseähnlicher Angebote handelt es sich um eine gesetzliche Vorschrift im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln.

BGH, Urt. v. 30.4.2015, I ZR 13/14, Tz. 59 - Tagesschau-App

Bei dieser Bestimmung handelt es sich jedenfalls nicht um eine reine Marktzutrittsregelung, sondern zumindest auch um eine Marktverhaltensregelung. Sie hat den Zweck, die Betätigung öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten auf dem Markt der Telemedien zum Schutz von Presseverlagen zu begrenzen. Sie ist damit dem für den Staat bestehenden Gebot vergleichbar, sich nur in engen Grenzen auf dem Gebiet der Presse zu betätigen, bei dem es sich gleichfalls um eine Marktverhaltensregelung handelt, die (auch) dem Schutz von Presseunternehmen dient. Die Bestimmung des § 11d Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Teilsatz 3 RStV regelt, dass öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten, wenn sie in den ihnen eröffneten Wettbewerb auf dem Markt der Telemedien eintreten, auf nicht-sendungsbezogene presseähnliche Angebote verzichten müssen. Sie bestimmt das Verhalten auf dem Markt der Telemedien, ohne den Zugang zu diesem Markt zu verschließen. Sie ist den Regelungen vergleichbar, die beispielsweise Werbung und Sponsoring (§ 11d Abs. 5 Satz 1 RStV) oder bestimmte Angebotsformen (§ 11d Abs. 5 Satz 4 RStV in Verbindung mit der Anlage zum Staatsvertrag) bei Telemedienangeboten verbieten, und bei denen es sich ebenfalls um Marktverhaltensregelungen handelt.

Angebot

BGH, Urt. v. 30.4.2015, I ZR 13/14, Tz. 61 - Tagesschau-App

Unter einem Angebot im Sinne von § 11d Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Teilsatz 3 RStV, dessen Presseähnlichkeit zu beurteilen ist, ist grundsätzlich das gesamte Telemedienangebot zu verstehen, das auf einem entsprechenden Telemedienkonzept beruht. Das ergibt sich bereits daraus, dass der Begriff des Telemedienangebots auch in den übrigen Bestimmungen der §§ 11f, 11d RStV in diesem umfassenden Sinne verwendet wird. Es kommt dagegen nicht darauf an, ob einzelne Beiträge innerhalb dieses Angebots für sich genommen als presseähnlich einzustufen sind.

Presseähnliche Angebote

BGH, Urt. v. 30.4.2015, I ZR 13/14, Tz. 62 - Tagesschau-App

Presseähnliche Angebote sind gemäß § 11d Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Teilsatz 3 RStV lediglich in nicht-sendungsbezogenen Telemedien unzulässig. Besteht ein Telemedienangebot sowohl aus nicht-sendungsbezogenen als auch aus sendungsbezogenen Inhalten, ist bei der Prüfung der Presseähnlichkeit allein auf die Gesamtheit der nicht-sendungsbezogenen Beiträge abzustellen. Im Streitfall ist daher zu prüfen, ob das über die „Tagesschau-App“ am 15. Juni 2011 abrufbar gewesene Angebot des Online-Portals „tagesschau.de“ in der Gesamtheit seiner nicht-sendungsbezogenen Beiträge als presseähnlich anzusehen ist. Da bei sendungsbezogenen Telemedien der zeitliche und inhaltliche Bezug zu einer bestimmten Sendung nach § 11d Abs. 3 Satz 2 RStV im jeweiligen Telemedienangebot ausgewiesen werden muss, dürfte es unschwer möglich sein, die nicht-sendungsbezogenen Beiträge, bei denen ein solcher Ausweis fehlt, zu ermitteln und einer solchen Prüfung zu unterziehen.

BGH, Urt. v. 30.4.2015, I ZR 13/14, Tz. 64 - Tagesschau-App

Zur Beurteilung der Presseähnlichkeit eines Telemedienangebots ist dieses mit Zeitungen und Zeitschriften zu vergleichen. Für diesen Vergleich ist auf gedruckte Ausgaben von Zeitungen und Zeitschriften abzustellen. Das ergibt sich bereits daraus, dass elektronische Ausgaben von Printmedien - und damit auch elektronische Ausgaben von gedruckten Zeitungen und Zeitschriften - nach der Legaldefinition ohne Weiteres als presseähnliche Angebote anzusehen sind. Auf das Internetangebot von Presseverlagen kommt es für den Vergleich dagegen nicht an.

Bei dem Vergleich ist auf die Gestaltung und den Inhalt von Zeitungen und Zeitschriften abzustellen. Für Zeitungen und Zeitschriften ist es charakteristisch, dass sie vor allem Texte und daneben (unbewegte) Bilder enthalten. Steht der Text deutlich im Vordergrund, deutet dies daher auf die Presseähnlichkeit eines Angebots hin. ...

Ein Telemedienangebot ist nicht deshalb presseähnlich, weil es aus Sicht des Nutzers aufgrund der Dichte und Breite der dargebotenen Information geeignet ist, als „Presseersatz“ zu dienen. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten können sich auf die gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verfassungsrechtlich geschützte Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk berufen. Diese umfasst neue Dienste mittels neuer Techniken, die künftig Funktionen des herkömmlichen Rundfunks übernehmen können. Den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten kann es daher durch § 11d Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Teilsatz 3 RStV grundsätzlich nicht verwehrt sein, in dem von ihrem Programmauftrag umfassten nicht-sendungsbezogenen Telemedienangebot ausführlich und umfassend über sämtliche Themen zu berichten, die auch Gegenstand der Berichterstattung in Zeitungen und Zeitschriften sind. Die Eröffnung der Möglichkeit zu einer solchen Berichterstattung für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten durch § 11d Abs. 1 und 2 Satz 1 Nr. 3 Teilsatz 1 RStV beeinträchtigt allerdings die wirtschaftlichen Interessen der Presseverlage. Sie berührt damit die nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gleichfalls verfassungsrechtlich geschützte Pressefreiheit. Diese hat auch eine objektiv-rechtliche Seite und garantiert das Institut „Freie Presse”. Der Staat ist verpflichtet, in seiner Rechtsordnung überall, wo der Geltungsbereich einer Norm die Presse berührt, dem Postulat ihrer Freiheit Rechnung zu tragen (BVerfG, Teilurteil v. 5.8.1966, 1 BvR 586/62, 610/63, 212/64, BVerfGE 20, 162, 175 f.). Dem ist indessen dadurch genügt, dass journalistisch-redaktionelle Angebote der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in nicht-sendungsbezogenen Telemedien nach § 11d Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Teilsatz 3 RStV nicht durch „stehende“ Texte und Bilder geprägt sein dürfen, sondern ihren Schwerpunkt in einer hörfunk- oder fernsehähnlichen Gestaltung oder einer entsprechenden Kombination haben müssen.

Zur Fortsetzung des Streits um die Tagesschau-App siehe OLG Köln, Urt. v. 30.9.2016, 6 U 188/12 - Tagesschau-App.

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§ 16a RStV

(1) Die in der ARD zusammengeschlossenen Landesrundfunkanstalten, das ZDF und das Deutschlandradio sind berechtigt, kommerzielle Tätigkeiten auszuüben. Kommerzielle Tätigkeiten sind Betätigungen, bei denen Leistungen auch für Dritte im Wettbewerb angeboten werden, insbesondere Werbung und Sponsoring, Verwertungsaktivitäten, Merchandising, Produktion für Dritte und die Vermietung von Senderstandorten an Dritte. Diese Tätigkeiten dürfen nur unter Marktbedingungen erbracht werden. Die kommerziellen Tätigkeiten sind durch rechtlich selbständige Tochtergesellschaften zu erbringen. Bei geringer Marktrelevanz kann eine kommerzielle Tätigkeit durch die Rundfunkanstalt selbst erbracht werden; in diesem Fall ist eine getrennte Buchführung vorzusehen. Die in der ARD zusammengeschlossenen Landesrundfunkanstalten, das ZDF und das Deutschlandradio haben sich bei den Beziehungen zu ihren kommerziell tätigen Tochterunternehmen marktkonform zu verhalten und die entsprechenden Bedingungen, wie bei einer kommerziellen Tätigkeit, auch ihnen gegenüber einzuhalten.

(2) Die Tätigkeitsbereiche sind von den zuständigen Gremien der Rundfunkanstalten vor Aufnahme der Tätigkeit zu genehmigen. Die Prüfung umfasst folgende Punkte:

    1. die Beschreibung der Tätigkeit nach Art und Umfang, die die Einhaltung der marktkonformen Bedingungen begründet (Marktkonformität) einschließlich eines Fremdvergleichs,
    2. der Vergleich mit Angeboten privater Konkurrenten,
    3. Vorgaben für eine getrennte Buchführung und
    4. Vorgaben für eine effiziente Kontrolle.

BGH, Urt. v. 26.1.2017, I ZR 207/14, Tz. 39f - ARD-Buffet

§ 16a RStV regelt die Ausübung kommerzieller Tätigkeiten durch die in der ARD zusammengeschlossenen Landesrundfunkanstalten, das ZDF und das Deutschlandradio. Gemäß § 16a Abs. 1 Satz 1 RStV sind die in der ARD zusammengeschlossenen Landesrundfunkanstalten, das ZDF und das Deutschlandradio berechtigt, kommerzielle Tätigkeiten auszuüben. Kommerzielle Tätigkeiten sind nach § 16a Abs. 1 Satz 2 RStV Betätigungen, bei denen Leistungen auch für Dritte im Wettbewerb angeboten werden, insbesondere Werbung und Sponsoring, Verwertungsaktivitäten, Merchandising, Produktion für Dritte und die Vermietung von Senderstandorten an Dritte. Diese Tätigkeiten dürfen nach § 16a Abs. 1 Satz 3 RStV nur unter Marktbedingungen erbracht werden. Die kommerziellen Tätigkeiten sind nach § 16a Abs. 1 Satz 4 RStV durch rechtlich selbständige Tochtergesellschaften zu erbringen.

 § 16a Abs. 1 Satz 1 RStV lässt kommerzielle Tätigkeiten der in der ARD zusammengeschlossenen Landesrundfunkanstalten ausdrücklich zu. Bei der Lizenzierung von Marken  als Titel oder Name für das Druckwerk „ARD Buffet“ handelt es sich um eine Verwertungstätigkeit im Sinne von § 16a Abs. 1 Satz 2 RStV.

BGH, Urt. v. 26.1.2017, I ZR 207/14, Tz. 41 - ARD-Buffet

Die Bestimmung des § 16a Abs. 1 Satz 1 RStV ist im Hinblick auf die Regelung des § 11a Abs. 1 Satz 2 RStV dahin einschränkend auszulegen, dass sie den öffentlich-rechtlichen Rundfunk weder berechtigt, Druckwerke anzubieten oder anbieten zu lassen, wenn es sich dabei nicht um programmbegleitende Druckwerke mit programmbezogenem Inhalt handelt, noch berechtigt, das Angebot von Druckwerken durch Dritte zu unterstützen.

BGH, Urt. v. 8.11.2018, I ZR 108/17, Tz. 39, 42 - Deutschland-Kombi

Die Vorschrift des § 16a Abs. 1 Satz 3 RStV, nach der die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten kommerzielle Tätigkeiten im Wettbewerb nur unter Marktbedingungen erbringen dürfen, stellt eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG dar. ...

Nach dem Wortlaut und Aufbau der Norm enthält § 16a Abs. 1 Satz 1 RStV eine Marktzutrittsregelung zugunsten öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten, kommerzielle Tätigkeiten auszuüben. § 16a Abs. 1 Satz 3 RStV regelt demgegenüber das Marktverhalten dieser Sender durch die Vorgabe, kommerzielle Tätigkeiten nur unter Marktbedingungen erbringen zu dürfen.

Bestätigung von OLG Hamburg, Urt. v. 1.7.2017, 3 U 124/13, B.II.1

Die Norm gilt auch für Tochterunternehmen, die die kommerziellen Interessen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten wahrnehmen.

BGH, Urt. v. 8.11.2018, I ZR 108/17, Tz. 53 - Deutschland-Kombi

Die Beklagte ist Adressat der Marktverhaltensregelung des § 16a Abs. 1 Satz 3 RStV. Das folgt zwar nicht aus § 16a Abs. 1 Satz 6 RStV, der allein die Beziehungen zwischen den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und ihren kommerziell tätigen Tochterunternehmen und damit deren Innenverhältnis betrifft. Es ergibt sich aber aus dem Zusammenhang der Sätze 1 und 3 bis 5 des § 16a Abs. 1 RStV. Danach dürfen die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten kommerzielle Tätigkeiten nur unter Marktbedingungen und, soweit es sich nicht um eine Tätigkeit geringer Marktrelevanz handelt, nur durch rechtlich selbständige Tochtergesellschaften erbringen. Diese beiden Voraussetzungen stehen kumulativ nebeneinander. Daraus folgt, dass die Tochtergesellschaften der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten deren kommerzielle Tätigkeiten unter Marktbedingungen zu erbringen haben. Dieses Marktverhalten ist den Tochtergesellschaften durch § 16a Abs. 1 RStV im Außenverhältnis zu ihren Wettbewerbern als eigene Pflicht auferlegt worden. Dabei steht außer Frage, dass diese Bindung nach Wortlaut, Sinn und Zweck der Norm außer den unmittelbaren auch alle mittelbaren Tochtergesellschaften der Rundfunkanstalten sowie deren Gemeinschaftsunternehmen und gegebenenfalls wieder deren Tochtergesellschaften und Gemeinschaftsunternehmen erfasst.

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§ 19 RStV

OLG München, Urt. v. 27.7.2017, U 2879/16 Kart, Tz. 31, 35

Die Vorschrift des § 19 Satz 3 RStV stellt keine Marktverhaltensregelungen im Sinne des § 3a UWG dar. ...

Zur gesamten Vorschrift des § 19 RStV nimmt die amtliche Begründung nicht auf den Schutz privater Rundfunkveranstalter Bezug, sondern nur auf die verfassungsrechtlich geschützte Entwicklungsgarantie für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (vgl. BayLT-Drs. 16/260 S. 22 re. Sp.). Das Verbot der analogen Verbreitung bisher ausschließlich digital verbreiteter Programme in § 19 Satz 3 RStV kann daher lediglich als - weitere, neben dem sich aus § 19 Satz 2 RStV ergebenden Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit bestehende - Einschränkung der grundsätzlichen Wahlfreiheit der Übertragungswege gemäß § 19 Satz 1 RStV verstanden werden, die das Ziel der Digitalisierung der Übertragungswege fördern soll, ohne dass damit auch der Schutz privater Rundfunkveranstalter angesprochen wäre.

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Zitiervorschlag zur aktuellen Seite

Omsels, Online-Kommentar zum UWG:

www.webcitation.org/75YptQcst