Die Herkunftstäuschung alleine reicht noch nicht aus, um das Angebot eines nachgeahmten Produkts unlauter erscheinen zu lassen. Erforderlich ist außerdem, dass die Herkunftstäuschung vermeidbar ist. Das ist in der Regel aber der Fall, wenn kein überwiegender Grund dafür spricht, dass ein wettbewerblich eigenartiges Produkt identisch oder weit gehend identisch nachgeahmt wird.
2. Maßnahmen zur Vermeidung einer Herkunftstäuschung
c. Anbringung von Marke, Herstellerhinweis oder Produktbezeichnung
iv. Handelsmarken und Herstellermarken
v. Unmittelbare und mittelbare Herkunftstäuschung
vi. Gesellschaftsrechtliche, vertragliche oder organisatorische Beziehungen
d. Weglassen einer Herstellerbezeichnung
3. Zumutbarkeit des Abstandhaltens vom 'Original' (mit Unterkaptiteln)
Grundsatz
BGH, Urt. v. 22.4.2009, I ZR 144/06, Tz. 12 - Knoblauchwürste
Ansprüche aus ergänzendem wettbewerbsrechtlichem Leistungsschutz können gegen den Vertrieb eines nachgeahmten Erzeugnisses nach § 4 Nr. 9 lit. a (alt) UWG bestehen, wenn die Gefahr einer Herkunftstäuschung gegeben ist und der Nachahmer zumutbare und geeignete Maßnahmen zur Vermeidung der Herkunftstäuschung unterlässt.
Ebenso: BGH, Urt. v. 2.12.2015, I ZR 176/14, Tz. 68 – Herrnhuter Sterne; BGH, Urt. v. 24.1.2013, I ZR 136/11, Tz. 35 - Regalsystem; BGH, Urt. v. 22.1.2015, I ZR 107/13, Tz. 33 – Exzenterzähne; OLG Frankfurt, Urt. v. 4.10.2018, 6 U 179/17, II.1
OLG Frankfurt, Urt. v. 9.11.2023, 6 U 57/22
In zeitlicher Hinsicht ist für die Prüfung, ob durch eine Nachahmung eine vermeidbare Herkunftstäuschung hervorgerufen wird, der Zeitpunkt der Markteinführung der Nachahmung maßgeblich.
OLG Köln, Urt. v. 20.12.2017, 6 U 110/17, Tz. 86
Die Nachahmung an sich begründet die Unlauterkeit im Sinne des § 4 Nr. 3 UWG noch nicht. Die Unlauterkeit ergibt sich vielmehr, wenn sie eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft des nachgeahmten Produktes herbeiführt. Der Täuschung steht die Begründung der Täuschungsgefahr gleich.
BGH, Urt. v. 7.12.2023, I ZR 126/22, Tz. 29 - Glück
Bei einer (nahezu) unmittelbaren Übernahme sind geringere Anforderungen an die Unlauterkeitskriterien zu stellen als bei einer lediglich nachschaffenden Übernahme.
OLG Hamburg, Urt. v. 27.4.2023, 15 U 105/22, Tz. 49 - Weihnachtsliköre
Es besteht eine Wechselwirkung zwischen dem Grad der wettbewerblichen Eigenart, der Art und Weise und der Intensität der Übernahme sowie den besonderen wettbewerblichen Umständen. Je größer die wettbewerbliche Eigenart und je höher der Grad der Übernahme sind, desto geringere Anforderungen sind an die besonderen Umstände zu stellen, die die Unlauterkeit der Nachahmung begründen und umgekehrt.
BGH, Urt. v. 15.12.2016, I ZR 197/15, Tz. 54 - Bodendübel
Eine Herkunftstäuschung ist vermeidbar, wenn sie durch geeignete und zumutbare Maßnahmen verhindert werden kann. Ob und welche Maßnahmen dem Wettbewerber zur Verhinderung einer Herkunftstäuschung zugemutet werden können, ist anhand einer umfassenden Interessenabwägung zu beurteilen. Bei dieser Abwägung sind unter anderem das Interesse des Herstellers des Originalerzeugnisses an der Vermeidung einer Herkunftstäuschung, das Interesse des Wettbewerbers an der Nutzung nicht unter Sonderrechtsschutz stehender Gestaltungselemente sowie das Interesse der Abnehmer an einem Preis- und Leistungswettbewerb zwischen den unterschiedlichen Anbietern zu berücksichtigen.
Ebenso BGH, Urt. v. 16.11.2017, I ZR 91/16, Tz. 56 - Handfugenpistole; BGH, Urt. v. 14.9.2017, I ZR 2/16, Tz. 39 - Leuchtballon (Bestätigung von OLG Köln, Urt. v. 11.12.2015, 6 U 77/15, II.1.d.cc.(2).(c) - Leuchtballon); BGH, Urt. v. 22.1.2015, I ZR 107/13, Tz. 33 – Exzenterzähne; BGH, Urt. v. 2.12.2015, I ZR 176/14, Tz. 68 – Herrnhuter Sterne; OLG Hamburg, Urt. v. 12.10.2023, 5 U 104/22, Tz. 144; OLG Hamburg, Urt. v. 21.9.2017, 3 U 112/15; OLG Hamburg, Urt. v. 15.2.2018, 5 U 104/17, II.1.a; OLG Frankfurt, Urt. v. 19.4.2018, 6 U 56/17, II.2.d; OLG Frankfurt, Urt. v. 26.9.2018, 6 U 49/18, II.4.dOLG Hamburg, Urt. v. 21.1.2019, 3 U 204/17, Tz. 83; OLG München, Urt. v. 4.7.2019, 29 U 3490/17, B.I.1.c.cc.i.1; OLG München Urt. v. 4.7.19, 29 U 533/18, Tz. 52 - Faltbare Handtasche; OLG Frankfurt, Urt. v. 3.12.2020, 6 U 136/20, II.4.b
BGH, Urt. v. 14.9.2017, I ZR 2/16, Tz. 39 - Leuchtballon
Die Übernahme ästhetischer Gestaltungsmerkmale, mit denen die angesprochenen Verkehrskreise Herkunftsvorstellungen verbinden, ist regelmäßig nicht sachlich gerechtfertigt, weil den Wettbewerbern in aller Regel ein Ausweichen auf andere Gestaltungsformen und damit ein Abstand zum Original möglich und zumutbar ist. Hingegen kann die Übernahme von Merkmalen, die dem freien Stand der Technik angehören und unter Berücksichtigung des Gebrauchszwecks, der Verkäuflichkeit der Ware sowie der Verbrauchererwartung der angemessenen Lösung einer technischen Aufgabe dienen, grundsätzlich nicht als wettbewerbsrechtlich unlauter angesehen werden. Wettbewerbern ist es regelmäßig nicht zuzumuten, auf eine angemessene technische Lösung zu verzichten, um die Gefahr einer Herkunftstäuschung zu vermeiden. Dagegen kann es ihnen zuzumuten sein, dieser Gefahr durch eine (unterscheidende) Kennzeichnung ihrer Produkte entgegenzuwirken. Ein strengerer Maßstab gilt lediglich im Falle der (fast) identischen Übernahme.
Ebenso OLG Köln, Urt. v. 26.4.2019, 6 U 164/18, Tz. 106 - Rotationsrasierer; OLG Hamburg, Urt. v. 21.1.2019, 3 U 204/17, Tz. 83; OLG Frankfurt, Urt. v. 3.12.2020, 6 U 136/20, II.4.b
OLG Hamburg, Urt. v. 8.10.2015, 3 U 143/13, II.B.1.d
Die Frage, ob eine Herkunftstäuschung vermeidbar ist und welche Maßnahmen der Wettbewerber treffen muss, um eine Herkunftstäuschung zu verhindern, unterliegt in erster Linie der Würdigung des Einzelfalls (BGH, GRUR 2013, 951 Rn. 35 – Regalsystem). Eine Herkunftstäuschung ist vermeidbar, wenn sie durch geeignete und zumutbare Maßnahmen verhindert werden kann. Ob und welche Maßnahmen zur Verhinderung einer Herkunftstäuschung dem Wettbewerber zugemutet werden können, ist anhand einer umfassenden Interessenabwägung zu beurteilen (ebenda, Rn. 35). Hierbei sind das Interesse des Herstellers des Originalerzeugnisses an der Vermeidung einer Täuschung über die betriebliche Herkunft, das Interesse der Wettbewerber an der Nutzung von nicht unter Sonderrechtsschutz stehenden Gestaltungselementen sowie das Interesse der Abnehmer an einem Wettbewerb zwischen unterschiedlichen Anbietern zu berücksichtigen. Dem nachahmenden Wettbewerber kann billigerweise nicht verwehrt werden, den offenbarten und durch praktische Erfahrung bestätigten Stand der Technik zu benutzen und Abnehmerwünschen Rechnung zu tragen. Hierzu gehört insbesondere das Interesse der potenziellen Abnehmer, unter mehreren konkurrierenden Produkten dasjenige auszusuchen, das ihm nach Preis und Leistung geeignet erscheint. Dieses Interesse ist auch anzuerkennen, wenn Ersatz- oder Ergänzungsbedarf gedeckt werden soll (ebenda, Rn. 36).
Ebenso OLG Hamburg, Urt. v. 21.9.2017, 3 U 112/15
OLG Düsseldorf, Urt. v. 31.3.2016, 15 U 51/14, Tz. 140 - Handfugenpistolen
Die Gefahr einer Herkunftstäuschung ist hinzunehmen, wenn sie unvermeidbar ist. Vermeidbar ist sie dann, wenn sie durch geeignete und zumutbare Maßnahmen verhindert werden kann. Ob und wenn ja, welche konkrete Maßnahme zumutbar ist, ist eine Frage des Einzelfalls, die einer umfassenden Interessensabwägung bedarf.
Ebenso OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.11.2018, 15 U 74/17, Tz. 142 - frittenwerk
OLG Köln, Urt. v. 11.12.2015, 6 U 77/15, II.1.d.cc.(2).(c) - Leuchtballon
Ansprüche aus dem sog. ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz nach § 4 Nr. 3 haben zu beachten, dass vorbehaltlich sondergesetzlicher Verbote im Grundsatz Nachahmungsfreiheit besteht, Unterlassungsansprüche setzen daher neben der Nachahmung und der wettbewerblichen Eigenart des nachgeahmten Gestaltung voraus, dass besondere Umstände vorliegen, die das Verhalten über die reine Nachahmung als unlauter erscheinen lassen. § 4 Nr. 9 a) UWG modifiziert den Grundsatz der Nachahmungsfreiheit, ist aber zur Vermeidung eines die Immaterialgüterrechte unterlaufenden ewigen Schutzes von Gestaltungen an Unlauterkeitsmomente geknüpft. Die Unlauterkeit besteht in der Fallgruppe der vermeidbaren Herkunftstäuschung gerade darin, dass eine vorhandene und zumutbare Möglichkeit, die Herkunftstäuschung zu beseitigen, nicht ergriffen wurde. Im Gegenschluss folgt daraus aber, dass in Konstellationen, in denen zumutbare oder tatsächliche Möglichkeiten zur hinreichenden Vermeidung einer Täuschung nicht zur Verfügung stehen, die Herkunftstäuschung hinzunehmen ist.
... Ist nicht erkennbar, wie die mögliche Herkunftserwartung des Verkehrs hinreichend deutlich und erkennbar korrigiert werden kann, so würde die Anwendung des § 4 Nr. 3 a) UWG darauf hinauslaufen, dass ein Nachahmerprodukt überhaupt nicht vertrieben werden darf, weil es keine zumutbare Möglichkeit gibt, die Herkunftstäuschung zu vermeiden. Damit würde die eigenartige Gestaltung funktionswidrig eine absolute, auf Dauer angelegte Ausschließlichkeitsposition erhalten.
Bestätigt durch BGH, Urt. v. 14.9.2017, I ZR 2/16 - Leuchtballon
In OLG Frankfurt, Urt. v. 26.9.2018, 6 U 49/18, II.4.d wird ausgeführt, dass auch bei einem nur sehr kleinen Gestaltungsspielraum eine vermeidbare Herkunftstäuschung vorliegt, solange eine abweichende Gestaltung möglich.
OLG Köln, Urt. v. 7.3.2014, 6 U 160/13, Tz. 51 - Le Pliage
Eine vermeidbare Herkunftstäuschung ist anzunehmen, wenn die angesprochenen Verkehrskreise den Eindruck gewinnen können, die Nachahmung stamme vom Hersteller des Originals oder einem mit ihm geschäftlich oder organisatorisch verbundenen Unternehmen. Das Hervorrufen bloßer Assoziationen an das Originalprodukt reicht nicht aus. Maßgebend ist die Sichtweise des durchschnittlich informierten, situationsadäquat aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers (oder sonstigen Marktteilnehmers), der sich für das Produkt interessiert (BGH, GRUR 2010, 1125 = WRP 2010, 1465 Tz. 32 – Femur-Teil).
Maßnahmen zur Vermeidung einer Herkunftstäuschung
Abweichende Gestaltung
BGH, Urt. v. 22.1.2015, I ZR 107/13, Tz. 34 – Exzenterzähne
Wettbewerbern ist es mit Rücksicht auf ästhetische Gestaltungsmerkmale des Originalerzeugnisses, mit denen die angesprochenen Verkehrskreise Herkunftsvorstellungen verbinden, in aller Regel möglich und zumutbar, auf andere Gestaltungsformen auszuweichen, um einen ausreichenden Abstand zum Original zu wahren (vgl. BGH, GRUR 2013, 951 Tz. 38 - Regalsystem).
Eine Herkunftstäuschung kann dadurch vermieden werden, dass das Produkt in einer für den maßgeblichen Verkehr ausreichenden Weise anders gestaltet wird, so dass er nicht mehr annimmt, dass es aus demselben Unternehmen oder aus einem mit demselben Unternehmen verbundenen Unternehmen stammt, welches das Original herstellt.
Ebenso OLG Köln, Urt. v. 26.4.2019, 6 U 164/18, Tz. 128 - Rotationsrasierer
OLG Hamburg, Urt. v. 24.2.2011, 3 U 63/10
Nur eine unvermeidbare Herkunftstäuschung ist hinzunehmen. Vermeidbar ist eine Herkunftstäuschung dann, wenn sie durch geeignete und zumutbare Maßnahmen verhindert werden kann.
OLG Frankfurt, Urt. v. 4.10.2018, 6 U 179/17, II.1.f
Im Hinblick auf ästhetische Gestaltungsmerkmale ist es in aller Regel möglich und zumutbar, auf andere Gestaltungsformen auszuweichen, um einen gewissen Abstand zum Original zu wahren.
OLG Hamburg, Urt. v. 27.4.2023, 15 U 105/22, Tz. 51 - Weihnachtsliköre
Für eine (fast) identische Übernahme ästhetischer Gestaltungsmerkmale, mit denen die angesprochenen Verkehrskreise Herkunftsvorstellungen verbinden, liegt regelmäßig kein sachlich gerechtfertigter Grund vor, weil den Wettbewerbern in aller Regel ein Ausweichen auf andere Gestaltungsformen und damit ein Abstand zum Original möglich und zumutbar ist (vgl. BGH, GRUR 2013, 952 Rn. 38 – Regalsystem; BGH, GRUR 2015, 909 Rn. 34 – Exzenterzähne).
Als geeignete und zumutbare Maßnahme kann aber nicht verlangt werden, dass das Produkt in Merkmalen verändert wird, die nicht zur wettbewerblichen Eigenart beitragen.
BGH, Urt. v. 17.7.2013, I ZR 21/12, Tz. 18 – Einkaufswagen
Bei der Frage, ob die Beklagte ohne Einschränkung des Marktzutritts eine optisch abweichende Gestaltung wählen kann, kann nur auf diejenigen Merkmale abgestellt werden, die die wettbewerbliche Eigenart des Produkts der Klägerin begründen. Die Beklagte ist nicht gehalten, Abweichungen vom Produkt der Klägerin bei Merkmalen zu wählen, die dessen wettbewerbliche Eigenart nicht ausmachen, weil nur Übereinstimmungen in den die wettbewerbliche Eigenart begründenden Merkmalen des nachgeahmten Produkts wettbewerbsrechtlich unzulässig sein können.
OLG Köln, Urt. v. 18.10.2013, 6 U 11/13. Tz. 91 - Seilwinde
Die Frage, welche Bedeutung der Verkehr ... einer abweichenden Farbgestaltung beimisst, bedarf einer umfassenden Würdigung aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls, um feststellen zu können, ob dadurch eine Täuschung des Verkehrs vermieden wird. Die Verwendung unterscheidender Merkmale ... kann zwar aus dem Bereich der Herkunftstäuschung herausführen (BGH GRUR 1999, 751, 753 - Güllepumpen; Urt. v. 7.2.2002, I ZR 289/99 - Bremszangen).
Eine abweichende Gestaltung muss geeignet und zumutbar sein. Unterschiedliche farbliche Gesatltungen sind nicht zumutbar, wenn die Farbe vom Abnehmer bestimmt wird.
OLG Köln, Urt. v. 11.12.2015, 6 U 77/15, II.1.d.cc - Leuchtballon
Aufgrund des Umstandes, dass ... die Farbe ... oft nach Bedürfnissen des Nutzers gestaltet wird (blau für das THW, rot für die Feuerwehr), hat diese Gestaltungsmöglichkeit ihre Fähigkeit, auf unterschiedliche Herkunftsquellen hinzuweisen, eingebüßt oder niemals erlangt.
OLG Köln, Urt. v. 11.12.2015, 6 U 77/15, II.1.d.cc - Leuchtballon
Eine Vermeidung der Herkunftstäuschung durch Austausch der charakteristischen Gestaltungsmerkmale kommt nicht in Betracht. Die zur Verfügung stehenden Gestaltungsalternativen sind nämlich gering. Die einzigen Gestaltungsmittel sind Größe und Form des Ballons. ...
Dagegen kann nicht eingewendet werden, dass andere geometrische Formen zur Lösung der Aufgabe zur Verfügung stehen. Sofern diese Formen kein Spann-, sondern ein Aufblasprinzip umsetzen, muss sich ein Wettbewerber schon deswegen nicht auf sie verweisen lassen, weil solche Formen für bestimmte Einsätze, wie etwas das Aufstellen auf Freibaustellen unter harten Wetter- und Windbedingungen nicht ohne weiteres geeignet sind.
Hinweis auf Nachahmung
Nach § 4 Nr. 3 a UWG ist nicht die Herstellung eines nachgeahmten Produkts, sondern nur der Vertrieb verboten, der zu einer vermeidbaren Herkunftstäuschung führt. Diese Herkunftstäuschung kann u.U. dadurch vermieden werden, dass beim Vertrieb hinreichend deutlich gemacht wird, dass es sich beim Produkt um eine Nachahmung handelt.
OLG Hamburg, Urt. v. 24.2.2011, 3 U 63/10, Tz. 61
Vermeidbar ist eine Herkunftstäuschung dann, wenn sie durch geeignete und zumutbare Maßnahmen verhindert werden kann. Im vorliegenden Fall wäre es ein Leichtes, die Gefahr von Herkunftsirrtümern durch einen klaren Hinweis auf der Packung auszuschließen, dass es sich nicht um Lego handelt.
Eine Rufausbeutung oder Rufbeeinträchtigung beim der dem Vertrieb nachgelagerten Wahrnehmung des Produkts durch angesprochene Verkehrskreise wird dadurch aber nicht ausgeschlossen. Dazu siehe hier.
Anbringung von Marke, Herstellerhinweis oder Produktbezeichnung
Werden identische Produkte von verschiedenen Herstellern unter verschiedenen Marken angeboten, kann es schon an der wettbewerblichen Eigenart des 'Originals' fehlen. Dazu siehe hier.
Im Übrigen kann eine Herkunftstäuschung dadurch vermieden werden, dass das nachgeahmte Produkt in ausreichender Weise mit einer anderen Marke, einem deutlich sichtbaren Herstellerhinweis oder einer Produktbezeichnung gekennzeichnet wird, die oder der für den angesprochenen Verkehr erkennen lässt, dass es sich nicht um das nachgeahmte Produkt handelt und auch nicht um ein Produkt, das aus einem mit dem Hersteller des Originals verbundenen Unternehmen stammt.
BGH, Urt. v. 15.12.2016, I ZR 197/15, Tz. 61 - Bodendübel
Eine Herkunftstäuschung kann durch eine deutlich sichtbare, sich vom Originalprodukt unterscheidende Kennzeichnung der Nachahmung ausgeräumt werden, wenn die angesprochenen Verkehrskreise diese einem bestimmten Unternehmen nicht allein anhand ihrer Gestaltung zuordnen, sondern sich beim Kauf auch an den Herstellerangaben in der Werbung, den Angebotsunterlagen oder an der am Produkt angebrachten Herstellerkennzeichnung orientieren.
Ebenso BGH, Urt. v. 7.12.2023, I ZR 126/22, Tz. 43 - Glück; BGH, Urt. v. 1.7.2021, I ZR 137/20, Tz. 52 - Kaffeebereiter; BGH, Urt. v. 16.11.2017, I ZR 91/16, Tz. 56 - Handfugenpistole; OLG Hamburg, Urt. v. 12.10.2023, 5 U 104/22, Tz. 119; OLG Hamburg, Urt. v. 21.9.2017, 3 U 112/15; s.a. OLG Frankfurt, Urt. v. 11.12.2018, 11 U 12/18, II.A.2.e - Modeschmuck; OLG Hamburg, Urt. v. 21.1.2019, 3 U 204/17, Tz. 86; OLG Frankfurt, Urt. v. 1.2.2024, 6 U 212/22 - finish / Somat
BGH, Urt. v. 7.12.2023, I ZR 126/22, Tz. 44 - Glück
Die Produkte der Parteien lassen in der Erwerbssituation zwar keine deutlich erkennbaren Herstellerkennzeichen erkennen, tragen aber an hervorgehobener Stelle voneinander abweichende Produktbezeichnungen. Diese können - ebenso wie eine deutlich erkennbare Herstellerkennzeichnung - herkunftshinweisend wirken. Der Umstand, dass es sich bei beiden Produktbezeichnungen um Emotionsschlagwörter handelt, spricht nicht gegen eine Berücksichtigung der unterschiedlichen Produktangaben. Die Nachahmung eines Konzepts bei der Wahl der Produktbezeichnung reicht nicht aus, eine abweichende Produktbezeichnung bei der Prüfung der Frage, ob eine Herkunftstäuschung vorliegt, außer Betracht zu lassen.
S.a. ebd. Tz. 49
BGH, Urt. v. 1.7.2021, I ZR 137/20, Tz. 55 - Kaffeebereiter
Da bei der Frage, ob eine Herkunftstäuschung vorliegt, auf die Erwerbssituation abzustellen ist und im Streitfall ein Erwerb über das Internet in Rede steht, hat die Beurteilung anhand der Gestaltung des Internetangebots für den beanstandeten Kaffeebereiter zu erfolgen. Eine abweichende Herstellerkennzeichnung ist grundsätzlich geeignet, einer unmittelbaren Herkunftstäuschung entgegenzuwirken. Dabei kommt es allein auf die Erkennbarkeit der abweichenden Herstellerkennzeichnung in der Erwerbssituation an; ist die abweichende Herstellerkennzeichnung in der Erwerbssituation nicht erkennbar, kommt es nicht darauf an, ob sie auf dem Produkt angebracht oder in anderer Weise angegeben ist.
Ebenso OLG Frankfurt, Urt. v. 9.11.2023, 6 U 57/22
OLG Köln, Beschl. v. 31.3.2023, 6 U 6/23, Tz. 57
Soweit eine Herkunftstäuschung ausscheiden kann, wenn die Nachahmung an dem Produkt selbst, in den Angebotsdokumenten oder in der Werbung mit einer vom Originalprodukt abweichenden, deutlich sichtbaren Kennzeichnung versehen ist. Voraussetzung hierfür, dass der angesprochene Verkehr die Produkte einem bestimmten Unternehmen nicht allein anhand ihrer äußeren Gestaltungsmerkmale, sondern auch anhand der Herstellerangabe zuordnet. Außerdem muss der angesprochene Verkehr die Kennzeichnung der Nachahmung als Hinweis auf einen Hersteller auffassen, der mit dem Hersteller des Originalprodukts nicht in geschäftlichen oder organisatorischen Verbindungen steht.
(bestätigt durch OLG Köln, Urt. v. 12.7.2024, 6 U 155/23 – Hensslers Garten Glück)
OLG Köln, Urt. v. 18.10.2013, 6 U 11/13. Tz. 91 - Seilwinde
Die Frage, welche Bedeutung der Verkehr der Anbringung von unterscheidenden Kennzeichnungen ... beimisst, bedarf einer umfassenden Würdigung aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls, um feststellen zu können, ob dadurch eine Täuschung des Verkehrs vermieden wird. Die Verwendung unterscheidender Merkmale, zu denen unter anderem die hinreichend sichtbare Anbringung einer Herstellerbezeichnung gehört, kann zwar durchaus aus dem Bereich der Herkunftstäuschung herausführen (BGH GRUR 1999, 751, 753 - Güllepumpen; Urt. v. 7.2.2002, I ZR 289/99 - Bremszangen). Allerdings kann auch eine auf den Hersteller hinweisende Kennzeichnung auf dem Produkt die Annahme einer vermeidbaren Gefahr einer Herkunftstäuschung nicht von vornherein ausschließen. Denn für die Gefahr einer Herkunftstäuschung reicht es aus, dass bei den angesprochenen Verkehrskreisen der Eindruck erweckt wird, es handele sich bei dem nachahmenden Produkt um eine neue Serie oder eine Zweitmarke des Herstellers des Originals oder es bestünden zumindest lizenz- oder gesellschaftsvertragliche Beziehungen zu ihm (BGH NJW-RR 2001, 405, 407 - Messerkennzeichnung; Urt. v. 2.4.2009, I ZR 199/06, Tz. 15 - Ausbeinmesser).
S.a. OLG Hamburg, Urt. v. 8.10.2015, 3 U 143/13, II.B.c; OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.11.2018, 15 U 74/17, Tz. 137 - frittenwerk
OLG Frankfurt, Urt. v. 25.11.2010, 6 U 157/09
Eine deutlich erkennbare Herstellerangabe auf dem nachgeahmten Produkt oder der Verpackung spricht zwar gegen eine Herkunftstäuschung. Denn es ist weder nahe liegend, dass der Originalhersteller selbst eine solche Zweitmarke schafft, noch liegt die Vermutung lizenzvertraglicher Beziehungen nahe, wenn eine (fast) identische Leistungsübernahme zu verneinen ist, weil es nicht der Lebenserfahrung entspricht, dass ein Unternehmen seinen Mitbewerbern die nachschaffende Übernahme seiner Produkte gestattet. Grundsätzlich ausgeschlossen wird die Herkunftstäuschung durch eine unterschiedliche Herstellerangabe gleichwohl nicht. Ob die deutliche Hervorhebung des Herstellernamens ausreicht, um die Gefahr einer Herkunftsverwechslung in ausreichendem Maße einzudämmen, ist vielmehr eine Frage der Umstände des Einzelfalls. Eine vermeidbare Herkunftstäuschung wäre dann zu bejahen, wenn der Verkehr sich nicht auch an der Herstellerangabe, sondern allein an der äußeren Gestaltung orientieren und diese allein deswegen einem bestimmten Hersteller zuordnen würde.
OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.10.2014, I-15 U 49/14, Tz. 115
Es hängt von den Umständen des Einzelfalles ab, welche Maßnahmen im Einzelfall zur Vermeidung einer Herkunftsverwechslung geeignet und zumutbar sind und ob insbesondere das Hinzufügen einer eigenen unterscheidenden Herkunftskennzeichnung dazu ausreicht. Ein wesentliches Indiz dafür ist, ob die Herkunftskennzeichnung unmittelbar und deutlich wahrnehmbar ist und ob sie dauerhaft oder nur auf einem ablösbaren Aufkleber angebracht ist. Ferner ist bei der Eignung zur Unterscheidung maßgebend, ob der Verkehr eher auf die technisch-konstruktiven Merkmale oder die äußere Gestaltungsform des Erzeugnisses als auf die Kennzeichnung achtet.
OLG Frankfurt, Beschl. v. 8.3.2019, 6 W 8/19
Ob das Hinzufügen einer eigenen unterscheidenden Herkunftskennzeichnung geeignet ist, eine Herkunftsverwechslung auszuschließen, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. … Bei der Eignung zur Unterscheidung ist maßgebend, ob der Verkehr eher auf die technisch konstruktiven Merkmale oder die äußere Gestaltungsform des Erzeugnisses als auf eine Kennzeichnung achtet. Eine gestalterische Grundidee, die keinem Sonderschutz zugänglich wäre, kann nicht im Wege des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes für einen Wettbewerber monopolisiert werden (BGH, Urt. v. 2. 4.2009, I ZR 144/06 - Knoblauchwürste).
Ebenso OLG Frankfurt, Urt. v. 18.2.2021, 6 U 135/20, II.B.3.a; OLG Köln, Urt. v. 28.7.2023, 6 U 175/22, Tz. 19 (WRP 2023, 1389)
OLG Hamburg, Urt. v. 15.2.2018, 5 U 104/17, II.1.a.cc
Bei der ... unmittelbaren Herkunftstäuschung – also der Verwechslung der Nachahmung mit dem Originalprodukt – ist der Erfahrungssatz zu berücksichtigen, dass der Verbraucher die Produkte regelmäßig nicht gleichzeitig wahrnimmt und miteinander vergleicht, sondern auf sein oft undeutliches Erinnerungsbild zurückgreifen muss. Bei Anlegung dieses Maßstabs liegt es nach Auffassung des Senats aber sehr nahe, dass die Kennzeichnung der Griffe des Verfügungsmusters mit dem Zeichen „GEFU®“ dem Verbraucher, der in der Erwerbssituation allein das Verletzungsmuster vor Augen hat, nicht mehr bewusst ist, so dass ihn das Fehlen dieser Bezeichnung ebenso wie das Fehlen der Griffe selbst nicht von der Fehlvorstellung, das Originalprodukt vor sich zu haben, abhalten wird. ...
... Ist nicht davon auszugehen, dass das Zeichen „GEFU®“ ... zu dem Erinnerungsbild des situationsadäquat aufmerksamen Verbrauchers an das Gerät der Antragstellerin gehört, so wird ihn auch eine anderslautende Bezeichnung nicht von der Annahme, es mit diesem zu tun zu haben, abhalten.
OLG Düsseldorf, Urt. v. 11.12.2014, I-15 U 92/14, Tz. 136 – Le Pliage
Eine unterschiedlichen Herstellerangabe auf den Erzeugnissen ist nur dann beachtlich, wenn diese deutlich erkennbar ist (BGH GRUR 2001, 251, 254 – Messerkennzeichnung; BGH GRUR 2009, 1069 Rn 16 – Knoblauchwürste). Eine (als solche erkennbare) Handelsmarke auf dem nachgeahmten Produkt räumt die Gefahr der Herkunftstäuschung nicht notwendig aus (BGH GRUR 2009, 1069 – Knoblauchwürste).
OLG Hamburg, Urt. v. 8.10.2015, 3 U 143/13, II.B.1.c
Der angesprochene Fachverkehr wird in besonderem Maße auf Angaben achten, die auf dem Produkt angebracht sind, wie z. B. Herstellernamen und Produktbezeichnungen. Auch achtet er darauf, bei welchem Hersteller er die Materialien bestellt oder - für den Fall, dass Zwischenhändler eingeschaltet sind, - die Ware welches Herstellers er erwirbt.
OLG Düsseldorf, Urt. v. 31.3.2016, 15 U 51/14, Tz. 173 - Handfugenpistolen
Ob eine Kennzeichnung ausreichend ist, um eine Herkunftstäuschung abzuwenden, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Sofern sich die maßgeblichen Verkehrskreise bei der Kaufentscheidung üblicherweise an der Kennzeichnung orientieren, reicht ein deutlicher Hinweis auf die abweichende Herkunft des nachgeahmten Produkts aus. Je eher im betreffenden Warensegment starke und bekannte Marken bestehen, an denen sich Abnehmer orientieren, je eher das Produkt erst nach eingehender Prüfung und Überlegung gekauft wird und je stärker dem Abnehmer bewusst ist, dass mehrere ähnlich gestaltete Erzeugnisse miteinander konkurrieren, desto eher genügt eine deutliche Kennzeichnung, um die Herkunftstäuschung auszuräumen (Ohly/Sosnitza, UWG, 6. Aufl. 2014, § 4 Rn. 9/61 m.w.N.). So schließt bei technischen Geräten eine Kennzeichnung meist die Herkunftstäuschung aus (BGH, GRUR 1999, 751 – Güllepumpen; BGH, GRUR 2002, 820 – Bremszangen)Zur ausreichenden Anbringung einer Marke auf der Verpackung technischer Produkte, die nicht unverpackt und nur an Fachkreise und in der Regel nur über Herstellerkataloge bestellt werden, siehe OLG Köln, Urt. v. 21.10.2016, 6 U 112/16, Tz. 61.
In der Entscheidung OLG Köln, Urt. v. 20.2.2015, 6 U 99/14, Tz. 33 - merci wurde die Herkunftstäuschung u.a. wegen unterschiedlicher Kennzeichen im einstweiligen Verfügungsverfahren verneint, im Hauptsacheverfahren nach Einholung eines demoskopischen Gutachtens dann aber doch angenommen.
OLG Hamburg, Urt. v. 16.5.2019, 3 U 104/17, Tz. 75
Ähneln sich die Produktbezeichnungen in Klang und Sinngehalt, sind abweichende Bezeichnungen regelmäßig nicht in der Lage, eine Herkunftstäuschung auszuräumen (vgl. BGH, GRUR 2010, 80, Rn. 43 - LIKEaBIKE).
Beispiele:
BGH, Urteil vom 28. Mai 2009 - I ZR 124/06, Tz. 43 - LikeaBike
Das Berufungsgericht hat dem Umstand Bedeutung beigemessen, dass auf den Holzrahmen die jeweiligen Markennamen „LIKEaBIKE“ sowie „bykie“ angebracht seien. Auch wenn die beiden Bezeichnungen in Teilen klanglich ähnlich seien, bestehe mit Blick auf die unterschiedliche Größe der Buchstaben, die Verwendung eines anderen Schrifttyps und die Art, wie bei dem Laufrad der Beklagten die Bezeichnung (mit Brechungen) eingekreist und auf diese Weise insgesamt zu einem Logo gestaltet worden sei, eine erhebliche optische Verschiedenheit. Auch diese Beurteilung ist, wie die Revision mit Recht geltend macht, nicht frei von Rechtsfehlern. Sie berücksichtigt nicht, dass die Bezeichnung „bykie“ der Bezeichnung „LIKEaBIKE“ nicht nur im Klang, sondern auch im Sinn (bike = Fahrrad) ähnelt.
OLG Hamburg, Urt. v. 20.6.2024, 5 U 95/21, Tz. 78 – Liebee-/Glück
Eine Ähnlichkeit der Produktnamen „Glück“ und „LieBee“ im Sinngehalt vergleichbar der Entscheidung des Bundesgerichtshofs „LIKEaBIKE“ (BGH GRUR 2010, 80 Rn. 43 – LIKEaBIKE) ist ... – ohne Abstraktion – nicht festzustellen. Dies gilt selbst dann, wenn „Glück“ und „Liebe“ gegenüberstünden. „Glück“ ist ein emotionaler Zustand, der durch Gefühle der Freude, Zufriedenheit und Erfüllung gekennzeichnet ist. „Liebe“ ist ein Gefühlszustand der Zuneigung und Wertschätzung. Es handelt sich zwar jeweils um einen positiv besetzten Gefühlszustand. Und eine erwiderte „Liebe“ kann auch ein wichtiger Indikator für „Glück“ sein. Jedoch begründet dieser Zusammenhang allenfalls eine Nähe der Gefühls-/Emotionszustände. Eine semantische Ähnlichkeit ließe sich allenfalls über eine Abstraktion – positiv besetzter Gefühls-/Emotionszustand – annehmen. Eine Abstraktion ist nach der rechtlichen Bewertung des Bundesgerichtshofs im Revisionsurteil im Streitfall aber nicht zulässig (BGH GRUR 2024, 139 Rn. 23 – Glück).
Eine Marke oder andere Kennzeichnung müssen zumutbar sein. Das ist nicht der Fall, wenn die Kennzeichnung vom potentiellen Abnehmer aufgrund des Produkts als störend empfunden würde oder die Fläche, die für eine Kennzeichnung in Betracht käme, für die Kennzeichnung des Abnehmers oder sonstige Bild- und Textelemente gebraucht werden.
OLG Köln, Urt. v. 11.12.2015, 6 U 77/15, II.1.d.cc - Leuchtballon
Die Täuschung wäre nicht vermeidbar gewesen durch Anbringung eines Kennzeichens, das auf eine Herstellerabweichung hinweist. Typischerweise liegt in einer solchen Kennzeichnung die geeignete Methode zur Vermeidung einer Herkunftstäuschung. Doch hat die Klägerin selbst ausgeführt, dass der Ballonkörper häufig als Werbefläche für diejenigen Unternehmen genutzt wird, die den Leuchtballon einsetzen, also zur Beseitigung der Täuschungsgefahr nicht in Betracht kommt.
OLG Hamburg, Urt. v. 27.4.2023, 15 U 105/22, Tz. 50 - Weihnachtsliköre
Der Umstand, dass die lebensmittelrechtlich vorgeschriebene Herstellerkennzeichnung beachtet wurde und sich auf dem Produkt der Beklagten ein entsprechender Hinweis findet, schließt eine Herkunftstäuschung nicht aus. Denn unabhängig davon, dass sich dieser Hinweis lediglich in kleiner Schrift auf der Verpackung findet, ist es insbesondere auf deren Rückseite angebracht. Für die Frage der Herkunftstäuschung ist maßgeblich auf den Zeitpunkt der Kaufentscheidung abzustellen. In dieser Situation findet der Verbraucher das Produkt mit der Vorderseite im Regal oder Aufsteller im Einzelhandel. Die Rückseite der Verpackung ist hier nicht sichtbar, so dass die dort vorhandenen Informationen bei einem erheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise auf seine Kaufentscheidung keinen Einfluss nehmen werden.
Marktgepflogenheiten
Ob eine Herkunftstäuschung durch eine Marke oder einen Herstellerhinweis vermieden werden kann, hängt u.a. von den Gepflogenheiten auf dem Markt ab, auf dem das Produkt angeboten wird. Auf einem Markt, auf dem Handelsmarken üblich sind, z.B. bei Lebensmitteln, lässt sich eine Herkunftstäuschung durch die Aufbringung einer abweichenden Marke schwieriger vermeiden als auf einem Markt, auf dem der maßgebliche Verkehr davon ausgeht, dass der Hersteller einer Ware sein Produkt nicht unter einer – üblicherweise – billigeren Zweitmarke vertreiben lässt (z.B. im Luxussegment).
BGH, Urt. v. 19.10.2000, I ZR 225/98, Ls. – Viennetta
Bei Produkten des täglichen Bedarfs, die sich in der äußeren Erscheinungsform und insbesondere in der Gestaltung ihrer Verpackung von einer Fülle ähnlicher Produkte nur wenig unterscheiden (hier: Eiscreme in Haushaltspackungen), ist im Rahmen des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes bei der Beurteilung der vermeidbaren Herkunftstäuschung im allgemeinen davon auszugehen, daß der Verkehr sich in erster Linie an der Produktbezeichnung und der Herstellerangabe orientiert und die verschiedenen Erzeugnisse nicht ausschließlich nach der äußeren Gestaltung der Ware oder der Verpackung unterscheidet. Nur im Falle der identischen Übernahme aller wesentlichen Gestaltungsmerkmale kann eine Herkunftstäuschung trotz unterschiedlicher Produkt- oder Herstellerbezeichnungen naheliegen.
Ebenso BGH, Urt. v. 7.12.2023, I ZR 126/22, Tz. 16, 43 - Glück; KG, Urt. v. 11.10.2017, 5 U 98/15, Tz. 97; OLG Köln, Urt. v. 4.6.2021, 6 U 152/10, Tz. 20; OLG Köln, Urt. v. 20.10.2023, 6 U 20/21, Tz. 39 - Dairygold II; OLG Frankfurt, Urt. v. 1.2.2024, 6 U 212/22 - finish / Somat
OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.10.2014, I-15 U 49/14, Tz. 115
Der Verkehr orientiert sich bei verpackten Lebensmitteln in erster Linie an der Produktbezeichnung und der Herstellerangabe und nicht an der äußeren Gestalt der Ware oder Verpackung. Der Verkehr ist es bei derartigen Produkten gewohnt, sich einer Fülle von Waren und Sortimenten gegenüberzusehen, die sich in ihrer äußeren Erscheinungsform und insbesondere in der Gestaltung ihrer Verpackung meist nicht wesentlich unterscheiden, sondern regelmäßig sehr stark ähneln, gleichwohl aber von unterschiedlichen Herstellern stammen. Es erscheint deshalb eher fernliegend, dass der Verkehr sowohl die Produktbezeichnung als auch die Herstellerangabe völlig vernachlässigt und sich ausschließlich an der Gestaltung orientiert (BGH, GRUR 2001, 443 – Viennetta).
OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.10.2014, I-15 U 49/14, Tz. 115 f
Bei hochpreisigen Produkten bekannter Hersteller kann eine Herstellerkennzeichnung geeignet sein, die Gefahr einer Herkunftstäuschung auszuräumen (OLG Köln, GRUR-RR 2014, 30).
Nichts anderes gilt für Schaumweine, bei denen der Hersteller für die angesprochenen Verkehrskreise große Bedeutung hat. Die Herkunft hat wesentlichen, wenn nicht sogar allein ausschlaggebenden Einfluss auf die Auswahl.
S.a. OLG Düsseldorf, Urt. v. 31.3.2016, 15 U 51/14, Tz. 140 - Handfugenpistolen
OLG München, Urt. v. 4.7.2019, 29 U 3490/17, B.I.1.c.cc.i.1
Der Verkehr achtet gerade im Bekleidungssektor besonders auf Marken. Wegen der Vielzahl unterschiedlichster Modeartikel benötigt er diese auch, wenn er sich bei seiner Kaufentscheidung nicht allein an dekorativen, ihm gefallenden Ausgestaltungsmerkmalen orientiert, sondern an Herkunftshinweisen. … Da es die Funktion der Marke ist, dem Verkehr die Ursprungsidentität des damit gekennzeichneten Produkts zu garantieren, wird der Verkehr vielmehr annehmen, dass verschiedene Marken auf eine unterschiedliche betriebliche Herkunft der entsprechend gekennzeichneten Produkte hinweisen (BGH, GRUR 2016, 720 Rn. 26 – Hot Sox) und daneben nicht auch noch gestalterischen Elementen eine herkunftshinweisende Funktion beimessen.
OLG Köln, Urt. v. 22.6.2011, 6 U 152/10, II.1.c.aa - tego Regalsystem
Es hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab, ob das Hinzufügen eigener Herstellerkennzeichen geeignet ist, eine Herkunftsverwechslung auszuschließen; so pflegen die Verkehrskreise bei verpackten, unter der Marke des Herstellers vertriebenen Lebensmitteln des täglichen Bedarfs stärker auf solche Kennzeichnungen zu achten als bei der Beschaffung von Bauteilen, wo das Interesse der potentiellen Abnehmer vor allem auf die technisch-konstruktiven Merkmale und die äußere Gestaltung gerichtet ist. Zu berücksichtigen ist ferner, ob das Erzeugnis von Fachleuten auf Grund sorgfältiger vergleichender Planung bestellt und eingesetzt vor der konkreten Kaufentscheidung eher mit früher wahrgenommenen gleichartigen Produkten in Beziehung gesetzt wird.
Ebenso OLG Köln, Urt. v. 28.6.2013, 6 U 183/12, Tz. 29 - Mikado-Keksstift; OLG Karlsruhe, Urt. v. 27.2.2013, 6 U 11/11, Tz. 64 – Rimowa-Koffer; OLG Hamburg, Urt. v. 13.2.2014, 3 U 113/13, Tz. 130; OLG Köln, Urt. v. 4.6.2021, 6 U 152/1, Tz. 20
OLG Frankfurt, Urt. v. 19.4.2018, 6 U 56/17, II.2.d
Eine vermeidbare Herkunftstäuschung kann dann zu bejahen sein, wenn der Verkehr sich nicht auch an der Herstellerangabe, sondern allein an der äußeren Gestaltung orientiert und diese allein deswegen einem bestimmten Hersteller zuordnen würde (vgl. BGH, GRUR 1999, 751, 753 - Güllepumpen).
OLG Frankfurt, Urt. v. 2.6.2022, 6 U 205/20, II.A.3.b
Bei der Eignung einer eigenen Herkunftskennzeichnung zur Unterscheidung ist maßgebend, ob der Verkehr eher auf die technisch-konstruktiven Merkmale oder die äußere Gestaltungsform des Erzeugnisses als auch die Kennzeichnung achtet (BGH GRUR 1999, 751, 753 - Güllepumpen; BGH GRUR 2000, 521, 524 - Modulgerüst I; BGH GRUR 2001, 443, 445 - Vienetta).
Hochpreisige Produkte
OLG Köln, Urt. v. 3.3.2017, 6 U 139/16, Tz. 85
Teure, spezielle und langlebige Geräte werden, anders als z.B. Schokoladenriegel, nicht vom Durchschnittsverbraucher im Vorbeigehen auf Sicht gekauft, sondern von einem relativ spezialisierten und informierten Publikum - Händlern, Spezialunternehmen, Hausmeister pp. - nach Prüfung und Vorabinformation.
OLG Köln, Urt. v. 2.8.2013, 6 U 214/12, II.1.c
Da es sich um hochpreisige Produkte handelt, ist davon auszugehen, dass sich Interessenten die Produkte genauer ansehen. Dann aber fällt auch die Herstellerkennzeichnung auf.
OLG Köln, Urt. v. 3.3.2017, 6 U 139/16, Tz. 83
Bei Maschinen liegt es nach der Lebenserfahrung nahe, dass die Verwendung unterschiedlicher Merkmale wie deutlich andere Farbgebung und deutlich sichtbare Herstellerkennzeichnung eine Herkunftstäuschung ausschließen; handelt es sich um hochpreisige Produkte bekannter Hersteller ist eine Herstellerkennzeichnung in der Regel geeignet, eine Herkunftstäuschung auszuschließen.
OLG Hamburg, Urt. v. 27.3.2014, 3 U 33/12, Tz. 79 - Montblanc Meisterstück
Hochwertige Füller stellen typische Prestigeobjekte dar, deren subjektiver Wert über ihren eigentlichen Nutzen als Schreibgerät hinausgeht. Die Herkunft der Füller ist insofern von zentraler Bedeutung, da sie nicht nur als Garantin der Qualität des Schreibwerkzeugs, sondern auch als nach außen erkennbarer Hinweis auf ihre Hochwertigkeit aufgefasst wird. Der Verkehr ist deshalb gewohnt, auf Herkunftshinweise von Füllfederhaltern zu achten. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund eines gemeinsamen Vorrats an für Füllfederhalter gängigen Gestaltungsmerkmalen (Zigarrenform, schwarz-golden-hochglänzenden Farb- und Materialkombination, Existenz eines Clips, Farbkombination der Feder), deren Verwendung für sich allein noch nicht als herkunftshinweisend aufgefasst wird. Hinzu kommt, dass die Klägerin ihre Schreibgeräte der „Me...“-Linie sichtbar durch den bekannten „M...-Stern“ am Kappenende kennzeichnet. Diesem Element kommt neben dem Schriftzug „M...“ auf dem Ring die maßgebliche kennzeichnende Funktion zu. Der Verkehr wird deshalb einen Füllfederhalter, der nicht dieses Zeichen am oberen Kappenende und die beschriebenen Unterschiede in der Gestaltung des Clips und des goldenen Rings am unteren Kappenende aufweist, nicht mit dem Unternehmen der Klägerin in Verbindung bringen.
Lebensmittel
OLG Köln, Beschl. v. 31.3.2023, 6 U 6/23, Tz. 57
Bei Produkten des täglichen Bedarfs, die sich wie Lebensmittel in Haushaltspackungen in der äußeren Erscheinungsform und insbesondere in der Gestaltung ihrer Verpackung von einer Fülle ähnlicher Produkte nur wenig unterscheiden, ist im Rahmen des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes bei der Beurteilung der vermeidbaren Herkunftstäuschung im allgemeinen davon auszugehen, dass der Verkehr sich in erster Linie an der Produktbezeichnung und der Herstellerangabe orientiert und die verschiedenen Erzeugnisse nicht ausschließlich nach der äußeren Gestaltung der Ware oder der Verpackung unterscheidet (BGH, Urteil vom 19.10.2000, I ZR 225/98 – Viennetta). .. Der einzige Hinweis auf die Antragsgegnerin als Herstellerin des Smoothies ergibt sich jedoch nur aus dem relativ kleinen Aufdruck auf der Rückseite der Flasche „Hergestellt für: G. …“, wobei die Formulierung „.. für …“ nicht einmal eindeutig darauf schließen lässt, dass das Produkt von der Antragsgegnerin hergestellt wird.
(bestätigt durch OLG Köln, Urt. v. 12.7.2024, 6 U 155/23 – Hensslers Garten Glück)
OLG Köln, Urt. v. 26.7.2013, 6 U 28/13 - Katjes Tappsy/Haribo Pandas
Eine vermeidbare betriebliche Herkunftstäuschung im Sinne des § 4 Nr. 9 a) (alt) UWG scheidet schon wegen der auf den ersten Blick sichtbaren Herstellerkennzeichnungen „Katjes“ einerseits und „HARIBO“ andererseits auf den jeweiligen Packungen aus. Eine deutlich angebrachte unterschiedliche Herstellerangabe spricht gegen eine Herkunftstäuschung auch im weiteren Sinne (vgl. BGH GRUR 2001, 251, 254 – Messerkennzeichnung; GRUR 2001, 443, 445 f. – Vienetta; GRUR 2009, 1069 Rn. 14, 16 – Knoblauchwürste).
Ebenso OLG Köln, Urt. v. 28.7.2023, 6 U 175/22, Tz. 19 (WRP 2023, 1389)
OLG Köln, Urt. v. 28.6.2013, 6 U 183/12, Tz. 33 - Mikado-Keksstift
Der Verkehr sieht sich bei verpackten Lebensmitteln und ähnlichen Waren des täglichen Bedarfs einer Fülle von Produkten und Sortimenten gegenüber, die sich in Waren- und Verpackungsgestaltung meist nicht wesentlich unterscheiden, sondern regelmäßig stark ähneln, trotzdem aber von unterschiedlichen Herstellern stammen. Bei solchen Produkten wird im Allgemeinen davon auszugehen sein, dass der Verkehr sich in erster Linie an der Produktbezeichnung und der Herstellerangabe orientiert und die verschiedenen Erzeugnisse nicht ausschließlich nach der äußeren Gestaltung der Ware oder Verpackung unterscheidet (vgl. BGH, Urt. v. 19.10.2000, I ZR 225/98 - Viennetta). Der Bundesgerichtshof … hat jedoch im Leitsatz seiner Entscheidung, die eine lediglich nachschaffende Übernahme von Speiseeisprodukten betraf, zum Ausdruck gebracht, dass eine andere Beurteilung im Falle einer identischen Übernahme aller wesentlichen Gestaltungsmerkmale des nachgeahmten Produkts nahe liegen kann.
OLG Köln, Urt. v. 29.11.2019, 6 U 82/19, Tz. 31 – Capri-Sonne(WRP 2020, 225)
Im Fall einer durch lange Marktpräsenz und Markterfolg gesteigerten wettbewerblichen Eigenart und einer nahezu identischen Nachahmung ist eine klare und eindeutige der Herkunftstäuschung entgegenwirkende Aufklärung erforderlich. Da der Verkehr daran gewöhnt ist, dass im Fruchsaftgetränkebereich bisher nur Capri-Sonne in silbernen Standbeuteln mit farblich bedruckter Schauseite und „nackter“ Rückseite Getränke vertrieben hat, könnte bereits eine unmittelbare Herkunftstäuschung in Betracht kommen, indem sich Verbraucher in erster Linie an der ihnen bekannten Standbeutelform mit der genannten Besonderheit orientieren und – zumal es bisher nicht erforderlich war – nicht so sehr auf die Kennzeichnung achten und sich deshalb bereits vergreifen könnten.
Bei bekannten Marken ist es sehr schwierig, eine mittelbare Herkunftstäuschung zu vermeiden.
OLG Köln, Urt. v. 29.11.2019, 6 U 82/19, Tz. 32 – Capri-Sonne (WRP 2020, 225)
Selbst wenn man eine unmittelbare Herkunftstäuschung ablehnen würde, wäre jedenfalls die Gefahr einer mittelbaren Herkunftstäuschung zu bejahen. … Vorliegend wird der Verbraucher, der Kindergetränke in silbernen Standbeuteln mit einer farblich gestalteten Schauseite und „nackter“ Rückseite nur von der Klägerin kennt, wegen der 1:1 Übernahme davon ausgehen, dass der Originalhersteller eine solch enge Anlehnung an seine seit Jahrzehnten verwendete und im Markt bekannte Ausstattung ohne wirtschaftliche oder gesellschaftsrechtliche Verbindungen nicht dulden werde.
Handelsmarken und Herstellermarken
BGH, Urt. v. 22.4.2009, I ZR 144/06, Tz. 14 - Knoblauchwürste
Eine unmittelbare Herkunftstäuschung scheidet aus, wenn der Verkehr insbesondere wegen der auf den Produkten deutlich aufgebrachten Unternehmens- und Produktkennzeichnungen die unterschiedliche Herkunft der Produkte der Parteien erkennt.
Ebenso OLG Frankfurt, Urt. v. 3.12.2020, 6 U 136/20, II.4.a; OLG Frankfurt, Urt. v. 17.2.2022, 6 U 202/20, II.3.a - Swatch; OLG Köln, Urt. v. 28.7.2023, 6 U 175/22, Tz. 19 (WRP 2023, 1389)
BGH, Urt. v. 22.4.2009, I ZR 144/06, LS - Knoblauchwürste
Im Rahmen des lauterkeitsrechtlichen Nachahmungsschutzes spricht eine unterschiedliche Herstellerangabe in der Regel gegen eine Herkunftstäuschung im weiteren Sinne. Dagegen räumt eine Handelsmarke auf dem nachgeahmten Produkt die Gefahr der Herkunftstäuschung nicht notwendig aus; dies setzt indessen voraus, dass der Verkehr die Handelsmarke als solche erkennt.
S.a. OLG Hamburg, Urt. v. 16.5.2019, 3 U 104/17, Tz. 75; OLG Frankfurt, Urt. v. 1.2.2024, 6 U 212/22 - finish / Somat
OLG Frankfurt, Urt. v. 9.11.2023, 6 U 57/22
Eine Handelsmarke zeichnet sich dadurch aus, dass ein Handelsunternehmen unter der Marke Produkte verschiedener (Fremd) Hersteller vertreibt (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 02.04.2009 - I ZR 144/06, juris Rn. 16 f. - Knoblauchwürste; Urteil vom 14.04.2011 - I ZR 41/08, juris Rn. 23 - Peek & Cloppenburg II). Eine Handelsmarke wird vom Verkehr regelmäßig nur dann als solche verstanden, wenn sie auf ein (Einzel-) Handelsunternehmen hindeutet (BGH, Urteil vom 02.04.2009 - I ZR 144/06, juris Rn. 18 - Knoblauchwürste). Anderenfalls sieht der Verkehr in der Bezeichnung eine sog. „Herstellerangabe“ (vgl. insofern z.B. BGH, Urteil vom 02.04.2009 - I ZR 144/06, juris Rn. 18 - Knoblauchwürste). Eine solche Herstellerangabe muss keine Firma bzw. Unternehmensbezeichnung im Sinne des Namens des Herstellers sein. Da es die Funktion einer Marke ist, dem Verkehr die Ursprungsidentität des damit gekennzeichneten Produkts zu garantieren, wird der Verkehr grundsätzlich annehmen, dass verschiedene Marken auf eine unterschiedliche betriebliche Herkunft der entsprechend gekennzeichneten Produkte hinweisen, dass es sich also um sog. „Herstellermarken“ - in Abgrenzung zu „Handelsmarken“ - handelt (vgl. insofern z.B. BGH, GRUR 2016, 720 Rn. 26 - Hot Sox).
Aber:
BGH, Urt. v. 26.1.2023, I ZR 15/22, Tz. 49 - KERRYGOLD
Ob die deutliche Hervorhebung des Herstellernamens ausreicht, um die Gefahr einer Herkunftsverwechslung in ausreichendem Maße einzudämmen, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Eine vermeidbare Herkunftstäuschung könnte dann zu bejahen sein, wenn der Verkehr sich nicht auch an der Herstellerangabe, sondern allein an der äußeren Gestaltung orientieren und diese allein deswegen einem bestimmten Hersteller zuordnen würde. Davon kann bei Produkten des täglichen Bedarfs, die sich in ihrer äußeren Erscheinungsform und insbesondere in der Gestaltung ihrer Verpackung meist nicht wesentlich unterscheiden, sondern regelmäßig sehr stark ähneln, trotzdem aber von unterschiedlichen Herstellern stammen, nicht ausgegangen werden. Es erscheint - vor allem in einem Fall, in dem nicht einmal eine identische Übernahme vorliegt - eher fernliegend, dass der Verkehr bei solchen Produkten sowohl die Produktbezeichnung als auch die Herstellerangabe völlig vernachlässigt und sich ausschließlich an einem Gestaltungsmerkmal orientiert (BGH, GRUR 2001, 443 [juris Rn. 33] - Viennetta).
BGH, Urt. v. 26.1.2023, I ZR 15/22, Tz. 50 - KERRYGOLD
Aus diesen Erwägungen der Senatsentscheidung "Viennetta" kann ... nicht abgeleitet werden, dass eine Herkunftstäuschung durch eine nachgeahmte Produktverpackung bei unterschiedlichen Produkt- oder Herstellerbezeichnungen stets ausgeschlossen ist, solange keine identische Übernahme aller wesentlichen Gestaltungsmerkmale vorliegt. Soweit der Leitsatz der Senatsentscheidung "Viennetta" in diese Richtung zu verstehen sein sollte, hält der Senat hieran nicht fest. Bei der Prüfung der Frage, ob eine Herkunftstäuschung vorliegt, müssen vielmehr alle Umstände des Einzelfalls in den Blick genommen werden, insbesondere ist zu berücksichtigen, welche Produkt- und Herkunftsbezeichnungen auf der Nachahmung verwendet werden und in welcher Weise dies geschieht.
BGH, Urt. v. 26.1.2023, I ZR 15/22, Tz. 54 - KERRYGOLD
Allein aus den Ähnlichkeiten zwischen den einander gegenüberstehenden Herstellerangaben, der von der Beklagten verwendeten Bezeichnung der geografischen Herkunft ihrer Produkte und der Übernahme von gestalterischen Merkmalen der Verpackung der Produkte der Klägerin kann nicht geschlossen werden, dass damit bei den angesprochenen Verkehrskreisen der Eindruck erweckt wird, dass es sich bei den mit "DAIRYGOLD" gekennzeichneten Produkten der Beklagten um eine neue Serie oder eine Zweitmarke der Klägerin zu ihrer Erstmarke "KERRYGOLD" handelt. Vielmehr müssen nähere tatsächliche Fest-stellungen getroffen werden, aus denen sich Anhaltspunkte dafür ergeben, dass Verbraucher die Dairygold-Produkte der Beklagten als neue Produkte der Klägerin ansehen oder die Bezeichnung "DAIRYGOLD" für eine Zweitmarke der Klägerin halten.
Aus der OLG-Rechtsprechung:
OLG Köln, Urt. v. 8.9.2023, 6 U 39/23, Tz. 75 - Ankerkraut
Nicht nur Herstellermarken, auch Handelsmarken/Eigenmarken schließen eine unmittelbare Herkunftstäuschung aus (vgl. BGH, Urteil vom – Knoblauchwürste, Tz. 14).
Entscheidend sind aber die Umstände des Einzelfalls:
OLG Frankfurt, Urt. v. 3.12.2020, 6 U 136/20, II.4.a
Der angesprochene Verkehr geht bei erkennbaren Handelsmarke, die warengruppenübergreifend für eine Vielzahl unterschiedlichster Produkte der jeweiligen Handelskette benutzt werden und dem Verkehr entsprechend häufig in den Märkten der betreffenden Kette begegnen, davon aus, dass die Produkte, die unter einer Eigenmarke vertrieben werden, von diversen Herstellern stammen (BGH GRUR 2009, 1069; OLG Frankfurt am Main GRUR-RR 2018, 248, Rn 26 - Reisewecker; OLG Köln WRP 2019, 1055 Rn 85).
Ebenso OLG Frankfurt, Urt. v. 9.11.2023, 6 U 57/22
OLG München Urt. v. 4.7.19, 29 U 533/18, Tz. 57 - Faltbare Handtasche
Werden Produkte unter verschiedenen Herstellermarken und zu unterschiedlichen Preisen angeboten, besteht - wenn es sich bei dem angesprochenen Verkehr um den Endverbraucher handelt - regelmäßig keine Veranlassung anzunehmen, dass die Produkte vom selben Hersteller stammen, selbst wenn die Produkte identisch sind. Da es die Funktion der Marke ist, dem Verkehr die Ursprungsidentität des damit gekennzeichneten Produkts zu garantieren, wird der Verkehr vielmehr annehmen, dass verschiedene Marken auf eine unterschiedliche betriebliche Herkunft der entsprechend gekennzeichneten Produkte hinweisen (vgl. BGH GRUR 2016, 720 - Hot Sox Rn. 26). Ob der Verkehr bei verschiedener Kennzeichnung davon ausgeht, es handele sich bei dem beanstandeten Produkt um eine neue Serie oder eine Zweitmarke des Originalherstellers oder es bestünden zu ihm zumindest lizenz- oder gesellschaftsvertragliche Beziehungen, hängt von den relevanten Umstände des Einzelfalls ab (vgl. BGH, a. a. O., - Hot Sox Rn. 27 m. w. N.).
OLG Hamm , Urt. v. 16.6.2015, 4 U 32/14, Tz. 162 - Le Pliage
Die Angabe eines anderen Herstellers auf dem Produkt ist nur dann beachtlich, wenn diese deutlich erkennbar ist (vgl. BGH, GRUR 2001, 251, 254 - Messerkennzeichnung; BGH, GRUR 2009, 1069 – Knoblauchwürste).
OLG Düsseldorf, Urt. v. 31.3.2016, 15 U 51/14, Tz. 179 - Handfugenpistolen
Für die Frage, ob eine Kennzeichnung eine Herkunftstäuschung ausschließt, kommt es nicht darauf an, ob die Bezeichnung objektiv eine Handelsmarke ist, die von einem Handelsunternehmen gebraucht wird, sondern darauf, wie die Bezeichnung von den angesprochenen Verkehrskreisen verstanden wird (BGH, GRUR 2009, 1069 – Knoblauchwürste). Versteht der Verkehr eine Bezeichnung als eine Herstellerangabe, so schließt diese die Herkunftstäuschung regelmäßig aus, selbst wenn dieses Verständnis irrig sein sollte (BGH, GRUR 2001, 251 – Messerkennzeichnung; BGH, GRUR 2009, 1069 – Knoblauchwürste). Dafür, dass der Verkehr eine Produktkennzeichnung nicht als Handelsmarke erkennt, spricht eine tatsächliche Vermutung. Denn in der Regel werden Handelsmarken nur dann als solche erkannt, wenn sie auf das fragliche Einzelhandelsunternehmen hinweisen (BGH, a.a.O.– Knoblauchwürste).
Das OLG München macht eine Ausnahme bei Kleidung:
OLG München, Urt. v. 4.7.2019, 29 U 3490/17, B.I.1.c.cc.i.1
Die Grundsätze, die der BGH insoweit für Handelsmarken entwickelt hat (vgl. BGH, GRUR 2009, 1069 Rn. 16 ff. – Knoblauchwürste), sind auf den Bekleidungssektor nicht übertragbar. Selbst wenn man unterstellt, dass der Verkehr weiß, dass einige Hersteller von Modeerzeugnissen diese unter unterschiedlichen Zweitmarken vertreiben, dann ist nicht zu erkennen, dass diese Praxis einerseits ohne gleichzeitige Benutzung der Dachmarke erfolgte und andererseits unterschiedliche Zeichen eines Herstellers für Modeerzeugnisse ähnlichen Stils für gleiche Käuferkreise verwendet würden. Aufgrund welcher Umstände mithin der Verkehr in der konkret zu beurteilenden Konstellation von derartigen Verbindungen ausgehen sollte, ist nicht zu erkennen.
Unmittelbare und mittelbare Herkunftstäuschung
Siehe dazu auch hier.
OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.10.2014, I-15 U 49/14, Tz. 121
Bei einer mittelbaren Herkunftstäuschung kann es zwar ausreichen, wenn der Verkehr bei dem nachgeahmten Produkt annimmt, es handle sich um ein unter einer Zweitmarke vertriebenes Produkt des Originalherstellers, oder wenn er von lizenz- oder gesellschaftsvertraglichen Beziehungen zwischen den beteiligten Unternehmen ausgeht. Gegen die Annahme einer solchen Herkunftstäuschung im weiteren Sinne spricht es allerdings, wenn die unterschiedlichen Herstellerangaben auf den Erzeugnissen deutlich erkennbar sind.
EbensoOLG Frankfurt, Urt. v. 17.2.2022, 6 U 202/20, II.3.a.1 - Swatch
BGH, Urt. v. 22.4.2009, I ZR 144/06 - Knoblauchwürste
Eine unmittelbare Herkunftstäuschung besteht nicht, wenn der Verkehr wegen der auf den Produkten deutlich aufgebrachten Unternehmens- und Produktkennzeichnungen die unterschiedliche Herkunft der Produkte der Produkte erkennt. Es kommt dann aber eine Herkunftstäuschung im weiteren Sinne in Betracht. Eine Herkunftstäuschung im weiteren Sinne liegt vor, wenn der Verkehr die Nachahmung für ein unter einer Zweitmarke vertriebenes Produkt des Originalherstellers hält oder wenn er von geschäftlichen oder organisatorischen Beziehungen zwischen den beteiligten Unternehmen ausgeht. Eine auffällig angebrachte Herstellerangabe (Marke), die dem Verkehr nicht als Handelsmarke bekannt ist, schließt eine Herkunftstäuschung im weiteren Sinne aber in der Regel aus.
BGH, Urt. v. 7.12.2023, I ZR 126/22, Tz. 44 - Glück
Dass sich die Produkte der Parteien in ihrer Verpackungsgestaltung deutlich vom Marktumfeld abheben, schließt es nicht aus, dass sich der Verkehr nicht nur, aber auch an darauf angebrachten Produkt- und Herstellerangaben orientiert.
BGH, Urt. v. 7.12.2023, I ZR 126/22, Tz. 45 - Glück
Trägt das nachgeahmte Produkt eine abweichende Produktbezeichnung, die herkunftshinweisend wirkt, liegt eine mittelbare Herkunftstäuschung nur vor, wenn der Verkehr die Nachahmung für eine neue Serie oder ein unter einer Zweitmarke vertriebenes Produkt des Originalherstellers hält.
OLG Köln, Urt. v. 29.10.2010, 6 U 119/10
Soweit Fachleuten beim Wareneinkauf allein das angegriffene Modell vorliegt, scheidet eine unmittelbare Herkunftstäuschung aus, wenn der Fachmann die angebrachte Marke kennt und einem bestimmten Anbieter zuordnet.
Gesellschaftsrechtliche, vertragliche oder organisatorische Beziehungen
Fasst der angesprochene Verkehr das Zeichen als Herstellermarke auf, kann eine mittelbare Herkunftstäuschung gegeben sein, wenn er gleichzeitig annimmt, dass zwischen dem Hersteller des Originals und der Nachahmung gesellschaftsrechtliche oder organisatorische Beziehungen bestehen.
BGH, Urt. v. 1.7.2021, I ZR 137/20, Tz. 63 - Kaffeebereiter
Soll die Annahme einer vermeidbaren Herkunftstäuschung mit dem Argument bejaht werden, die angesprochenen Verkehrskreise könnten annehmen, dass lizenzvertragliche Verbindungen zwischen dem Hersteller des Originalprodukts und dem Anbieter der Nachahmung bestehen, müssen bei einer deutlichen Kennzeichnung der Produkte mit einem abweichenden Herstellerkennzeichen Hinweise vorliegen, die diese Annahme rechtfertigen. Ein solcher Hinweis kann beispielsweise darin liegen, dass die Beklagte zuvor Originalprodukte der Klägerin vertrieben hat (vgl. BGH, Urt. v. 24.5.2007, I ZR 104/04, Tz. 36 - Gartenliege) oder die Parteien früher einmal durch einen Lizenzvertrag verbunden waren (BGH, GRUR 2019, 196 Tz. 20 - Industrienähmaschinen).
Ebenso BGH, Urt. v. 26.1.2023, I ZR 15/22, Tz. 46 - KERRYGOLD; BGH, Urt. v. 22.09.2021, I ZR 192/20, Tz. 51 – Flying V; vgl. auch OLG Köln, Urt. v. 28.7.2023, 6 U 175/22, Tz. 19 (WRP 2023, 1389); OLG Köln, Urt. v. 8.9.2023, 6 U 39/23, Tz. 74 - Ankerkraut; OLG Frankfurt, Urt. v. 9.11.2023, 6 U 57/22
BGH, Urt. v. 7.12.2023, I ZR 126/22, Tz. 43 - Glück
Die Frage, welche Bedeutung der Verkehr der Anbringung von unterschiedlichen Produkt- und Herstellerkennzeichnungen beimisst, bedarf einer umfassenden tatgerichtlichen Würdigung aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls, um feststellen zu können, ob dadurch eine Täuschung des Verkehrs vermieden wird (vgl. BGH, GRUR 2001, 443 [juris Rn. 32] - Viennetta), insbesondere ist zu berücksichtigen, welche Produkt- und Herkunftsbezeichnungen auf der Nachahmung verwendet werden und in welcher Weise dies geschieht (BGH, GRUR 2023, 736 [juris Rn. 50] - KERRYGOLD).
Ebenso OLG Köln, Urt. v. 18.10.2013, 6 U 11/13. Tz. 91 - Seilwinde
OLG Köln, Urt. v. 18.10.2013, 6 U 11/13. Tz. 91 - Seilwinde
Die Verwendung unterscheidender Merkmale, zu denen unter anderem die hinreichend sichtbare Anbringung einer Herstellerbezeichnung gehört, kann zwar durchaus aus dem Bereich der Herkunftstäuschung herausführen (BGH GRUR 1999, 751, 753 - Güllepumpen; Urt. v. 7.2.2002, I ZR 289/99 - Bremszangen). Allerdings kann auch eine auf den Hersteller hinweisende Kennzeichnung auf dem Produkt die Annahme einer vermeidbaren Gefahr einer Herkunftstäuschung nicht von vornherein ausschließen. Denn für die Gefahr einer Herkunftstäuschung reicht es aus, dass bei den angesprochenen Verkehrskreisen der Eindruck erweckt wird, es handele sich bei dem nachahmenden Produkt um eine neue Serie oder eine Zweitmarke des Herstellers des Originals oder es bestünden zumindest lizenz- oder gesellschaftsvertragliche Beziehungen zu ihm (BGH NJW-RR 2001, 405, 407 - Messerkennzeichnung; Urt. v. 2.4.2009, I ZR 199/06, Tz. 15 - Ausbeinmesser).
OLG Hamburg, Urt. v. 21.1.2019, 3 U 204/17, Tz. 90
Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Fachverkehr davon ausgehen könnte, dass der angesprochene Verkehr gesellschaftsrechtliche bzw. sonstige wirtschaftliche Verflechtungen der Parteien vermuten könnte. … Bloße Vermutungen allgemeiner Art genügen dafür nicht. Vielmehr muss eine derartige Verbindung für den Verkehr aufgrund konkreter Anhaltspunkte für den konkreten Fall naheliegend sein. Hierfür ist es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes jedenfalls dann, wenn Fachkreise angesprochen sind, weder ausreichend, dass die Produkte der Parteien nahezu vollkommen übereinstimmen und erhebliche Unterschiede zu den Konkurrenzmodellen anderer Wettbewerber aufweisen, noch dass eine erhebliche Anzahl an Modellen … nachgeahmt wird; auch unter Berücksichtigung solcher Umstände ist nicht ersichtlich, weshalb das Fachpublikum trotz der deutlichen Kennzeichnung der Produkte mit dem Herstellerkennzeichen des Nachahmers annehmen sollte, die Produkte seien unter Lizenz des Originalherstellers produziert worden (BGH, BeckRS 2018, 31382, Rn. 20 – Industrienähmaschinen). Ein hinreichender Hinweis auf vertragliche Beziehungen der Parteien kann vielmehr darin zu sehen sein, dass der Nachahmer zuvor die Originalprodukte vertrieben hat (BGH, GRUR 2007, 984, Rn. 36 - Gartenliege) oder die Parteien früher einmal durch einen Lizenzvertrag verbunden waren (BGH, BeckRS 2018, 31382, Rn. 20 – Industrienähmaschinen).
OLG Frankfurt, Urt. v. 17.2.2022, 6 U 202/20, II.3.a.1 - Swatch
Für die Gefahr einer Täuschung über die betriebliche Herkunft genügt es ... wenn der Verkehr bei der Produktnachahmung ... annimmt, es handle sich um eine neue Serie oder um eine Zweitmarke des Originalherstellers oder es bestünden lizenz- oder gesellschaftsvertragliche Beziehungen zwischen den beteiligten Unternehmen (BGH GRUR 2019, 196 Rn 15 - Industrienähmaschinen; BGH GRUR 2009, 1069 Rn 15 - Knoblauchwürste; BGH GRUR 2009, 1073 Rn 15 - Ausbeinmesser). Gegen eine solche Annahme spricht es allerdings in der Regel, wenn die unterschiedliche Herstellerangabe auf den Erzeugnissen deutlich erkennbar oder auffällig angebracht ist (BGH GRUR 2009, 1069 Rn 16 - Knoblauchwürste; BGH WRP 2017, 792 Rn 61 - Bodendübel). Es wären dann für die Annahme einer lizenzvertraglichen Beziehung zusätzliche Hinweise erforderlich, die über eine fast identische Nachahmung hinausgehen, wie etwa einer früheren Verbindung durch einen Lizenzvertrag oder des Vertriebs des Originalprodukts (BGH GRUR 2019, 196 Rn 20 - Industrienähmaschinen). Sofern die Gefahr einer Herkunftstäuschung damit begründet werden soll, dass bei den angesprochenen Verkehrskreisen der Eindruck erweckt werde, es handele sich bei dem Produkt des Wettbewerbers um eine neue Serie oder eine Zweitmarke des Unterlassungsgläubigers, müssen entsprechende Feststellungen zum Verständnis dieser Verkehrskreise getroffen werden (BGH a.a.O. - Kaffeebereiter).
Ebenso OLG Köln, Urt. v. 8.9.2023, 6 U 39/23, Tz. 74 - Ankerkraut
OLG Frankfurt, Urt. v. 17.2.2022, 6 U 202/20, II.3.a.1 - Swatch
Vor allem in Bereich des Sports ist für den Verkehr auch ohne weitere erkennbar, dass nicht Bekleidungs- und Sportartikelhersteller nunmehr auch Uhren herstellen, sondern dies durch Uhrenhersteller geschieht.
Weglassen einer Herstellerbezeichnung
OLG Köln, Urt. v. 18.12.2015, 6 U 44/15, Tz. 77 - Crocs
Der Umstand, dass bei dem von der Beklagten vertriebenen Modell die Herstellerbezeichnung der Klägerinnen nicht nachgeahmt worden ist, steht dem Anspruch der Klägerinnen nicht entgegen. Selbst wenn diese ihre Produkte ausnahmslos mit den entsprechenden Zeichen versehen sollte, ist nicht ersichtlich, dass dies auch den angesprochenen Verkehrskreisen bewusst ist. Im Übrigen verbleibt, worauf das Landgericht zutreffend hingewiesen hat, die Gefahr einer mittelbaren Herkunftstäuschung, die gerade beim Vertrieb über Discounter nicht von der Hand zu weisen ist.
Zumutbarkeit
Ob das Anbringen eines deutlichen Herkunftshinweises zumutbar (dazu im Übrigen hier) ist, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls.
BGH, Urt. v. 24.1.2013, I ZR 136/11, Tz. 42 - Regalsystem
Besteht ein Interesse der Abnehmer daran, dass sich Ersatz- und Erweiterungsprodukte nicht nur technisch, sondern auch optisch in das Regalsystem der Klägerin einfügen, kann es der Beklagten nicht verwehrt werden, die nicht unter Sonderrechtsschutz stehende Formgestaltung zu benutzen, soweit sie auf andere Weise etwa durch die Verwendung von Kennzeichen in der Werbung und auf den Erzeugnissen Herkunftsverwechslungen soweit wie möglich entgegenwirkt.
ABER:
BGH, Urt. v. 24.1.2013, I ZR 136/11, Tz. 41 - Regalsystem
Der Beklagten ist die Anbringung auffälliger Kennzeichen in dem für jedermann sichtbaren Bereich des Regalsystems nicht zumutbar. Die Regalsysteme der Parteien werden von den die Produkte nachfragenden Ladeninhabern zur Präsentation der Waren gegenüber den Endkunden verwendet. Damit verträgt sich keine auffällige Kennzeichnung der Regalsysteme im allgemein sichtbaren Bereich. Sollte die Beklagte durch die von ihr vorgenommene Kennzeichnung die geeigneten und zumutbaren Maßnahmen ergriffen haben, um Herkunftstäuschungen soweit als möglich zu vermeiden, kommt es auf eine dann noch bestehende Verwechslungsgefahr insbesondere unter dem Gesichtspunkt gesellschafts- oder lizenzvertraglicher Verbindungen nicht an.
OLG Hamburg, Urt. v. 8.10.2015, 3 U 143/13, II.B.1.d
Die Befriedigung eines Ersatz- und Erweiterungsbedarfs durch den Vertrieb von Erzeugnissen, die mit den nicht unter Sonderrechtsschutz stehenden Konkurrenzprodukten eines Mitbewerbers uneingeschränkt austauschbar sind, ist daher wettbewerbsrechtlich grundsätzlich unbedenklich, solange keine vermeidbare Herkunftstäuschung oder andere unlauterkeitsbegründende Merkmale hinzutreten. In diesem Fall sind dem Wettbewerber zur Vermeidung einer Herkunftstäuschung solche Maßnahmen nicht zuzumuten, die die Kompatibilität und - daraus folgend - die Verkäuflichkeit des Produkts entscheidend beeinträchtigen. Er ist nur gehalten, durch andere geeignete und zumutbare Maßnahmen eine Herkunftstäuschung soweit wie möglich zu vermeiden.
Der Wettbewerber muss Maßnahmen zur Vermeidung einer Herkunftstäuschung nur soweit ergreifen, wie dies möglich ist, ohne die Kompatibilität und Austauschbarkeit und damit die Verkäuflichkeit des Produkts entscheidend zu beeinträchtigen.
Technische Gegenstände
Mit entscheidend kann auch sein, ob es sich beim 'nachgeahmten' Produkt um einen technischen Gegenstand handelt.
BGH, Urt. v. 15.12.2016, I ZR 197/15, Tz. 54 - Bodendübel
Einem Wettbewerber ist es regelmäßig nicht zuzumuten, auf eine angemessene technische Lösung zu verzichten, um die Gefahr einer Herkunftstäuschung oder einer Rufausnutzung zu vermeiden. Bei einer (nahezu) identischen Nachahmung gilt allerdings im Hinblick auf die Zulässigkeit der Übernahme von Merkmalen, die dem freien Stand der Technik angehören und der angemessenen Lösung einer technischen Aufgabe dienen, ein strengerer Maßstab als bei einem geringeren Grad der Übernahme (vgl. BGH, GRUR 2012, 1155 Rn. 39 - Sandmalkasten; GRUR 2015, 909 Rn. 36 - Exzenterzähne). Bei einer (nahezu) identischen Übernahme kann sich der Nachahmer grundsätzlich nicht darauf berufen, er habe lediglich eine nicht unter Sonderrechtsschutz stehende angemessene technische Lösung übernommen. Führt die Übernahme solcher Merkmale zu einer (nahezu) identischen Nachahmung, ist es einem Wettbewerber regelmäßig zuzumuten, auf eine andere angemessene technische Lösung auszuweichen, wenn er der Gefahr einer Herkunftstäuschung nicht auf andere Weise - etwa durch eine (unterscheidende) Kennzeichnung seiner Produkte - entgegenwirken kann (BGH, GRUR 2015, 909 Rn. 36 - Exzenterzähne).
Ebenso BGH, Urt. v. 16.11.2017, I ZR 91/16, Tz. 56 - Handfugenpistole; OLG Hamburg, Urt. v. 21.1.2019, 3 U 204/17, Tz. 86; OLG München Urt. v. 4.7.19, 29 U 533/18, Tz. 53 - Faltbare Handtasche; OLG Frankfurt, Urt. v. 3.12.2020, 6 U 136/20, II.4.b
BGH, Urt. v. 22.1.2015, I ZR 107/13, Tz. 35 – Exzenterzähne
Die Übernahme von Merkmalen, die mangels Sonderrechtsschutzes dem freizuhaltenden Stand der Technik angehören und unter Berücksichtigung des Gebrauchszwecks, der Verkäuflichkeit der Ware sowie der Verbrauchererwartung der angemessenen Lösung einer technischen Aufgabe dienen, kann grundsätzlich nicht als wettbewerbsrechtlich unlauter angesehen werden. Wettbewerbern ist es regelmäßig nicht zuzumuten, auf eine angemessene technische Lösung zu verzichten, um die Gefahr einer Herkunftstäuschung zu vermeiden. Dagegen kann es ihnen zuzumuten sein, dieser Gefahr durch eine (unterscheidende) Kennzeichnung ihrer Produkte entgegenzuwirken (Urteil vom 12. Mai 2011 - I ZR 53/10, GRUR 2012, 58 Rn. 46 - Seilzirkus, mwN).
BGH, Urt. v. 12.5.2011, I ZR 53/10, Tz. 46 - Seilzirkus
Die Übernahme von Merkmalen, die dem freizuhaltenden Stand der Technik angehören und - unter Berücksichtigung des Gebrauchszwecks, der Verkäuflichkeit der Ware sowie der Verbrauchererwartung - der angemessenen Lösung einer technischen Aufgabe dienen, kann grundsätzlich nicht als wettbewerbsrechtlich unlauter angesehen werden. Sie ist allerdings unlauter, wenn durch die Übernahme solcher Merkmale die Gefahr einer Herkunftstäuschung hervorgerufen und dieser Gefahr nicht durch zumutbare Maßnahmen entgegengewirkt wird. Dabei ist es Wettbewerbern nicht zuzumuten, auf eine angemessene technische Lösung zu verzichten, um die Gefahr einer Herkunftstäuschung zu vermeiden. Dagegen kann es ihnen zuzumuten sein, dieser Gefahr durch eine (unterscheidende) Kennzeichnung ihrer Produkte entgegenzuwirken. Eine dann noch verbleibende Gefahr der Herkunftstäuschung muss grundsätzlich hingenommen werden.
BGH, Urt. v. 8.11.2001, I ZR 199/99, II.3.b – Noppenbahnen
Begründet ein Nachahmer die Gefahr von Herkunftstäuschungen dadurch, dass er besondere technische Gestaltungsmerkmale eines anderen Erzeugnisses in zulässiger Weise übernimmt, handelt er nur dann wettbewerbswidrig, wenn er der Gefahr der Herkunftstäuschung nicht durch zumutbare Maßnahmen entgegenwirkt. Ist dies der Fall, muss eine noch verbleibende Verwechslungsgefahr, insbesondere hinsichtlich geschäftlicher oder organisatorischer Beziehungen zwischen den beteiligten Unternehmen, hingenommen werden. Auf eigene Bemühungen des Herstellers des nachgeahmten Erzeugnisses kann sich der Nachahmende, der die Gefahr der Herkunftstäuschung begründet hat, dagegen nicht berufen.
BGH, Urt. v. 22.1.2015, I ZR 107/13, Tz. 36 – Exzenterzähne
Bei einer (nahezu) identischen Nachahmung gilt im Hinblick auf die Zulässigkeit der Übernahme von Merkmalen, die dem freien Stand der Technik angehören und der angemessenen Lösung einer technischen Aufgabe dienen, ein strengerer Maßstab als bei einem geringeren Grad der Übernahme. Bei einer (nahezu) identischen Übernahme kann sich der Nachahmer grundsätzlich nicht darauf berufen, er habe lediglich eine nicht unter Sonderrechtsschutz stehende angemessene technische Lösung übernommen. Würde die Übernahme solcher Merkmale zu einer (nahezu) identischen Nachahmung führen, ist es einem Wettbewerber regelmäßig zuzumuten, auf eine andere angemessene technische Lösung auszuweichen, wenn er der Gefahr einer Herkunftstäuschung nicht auf andere Weise - etwa durch eine (unterscheidende) Kennzeichnung seiner Produkte - entgegenwirken kann.
OLG Köln, Urt. v. 18.3.2011, 6 U 189/10, II.2
In diesem Zusammenhang kann auch das schutzwürdige Interesse der Abnehmer zu berücksichtigen sein, bei einem entsprechenden Ersatz- und Ergänzungsbedarf auf Anbieter eines mit dem Original kompatiblen Produktes ausweichen zu können, wenn sie dieses preiswerter oder schneller liefern können als der Originalhersteller (BGH, GRUR 2000, 521, 525 = WRP 2000, 493 - Modulgerüst). Auch hier hat der Nachbauende aber - soweit möglich - geeignete und ihm ohne einen Kompatibilitätsverlust zumutbare anderweitige Vorkehrungen zu treffen, um die Gefahr einer Herkunftstäuschung auszuschließen oder jedenfalls zu mindern (BGH, a.a.O.).
Eine Herstellerkennzeichnung der Waren selbst dürfte allerdings für sich genommen ungeeignet sein, der Herkunftstäuschung entgegenzuwirken, wenn dem angesprochenen Verkehr der Name des Originalherstellers nicht bekannt sein muss. Auch mag vorliegend die zur Herstellung von Kompatibilität erforderliche technische Passgenauigkeit zusammen mit dem Gebrauchszweck größere Veränderungen im Bereich gewisser Gestaltungsformen ... praktisch ausschließen. Durchaus in Betracht kommen aber - auch im Hinblick auf das wettbewerbliche Umfeld - ein deutlicherer Abstand zu den Erzeugnissen der Klägerin bei den übrigen Formen und den verwendeten Farben sowie eindeutige und nicht zu übersehende Hinweise auf die fehlende organisatorische Beziehung zum Originalhersteller beim Vertrieb. Dass solche Maßnahmen zusätzliche Kosten mit sich bringen mögen, macht sie weder unverhältnismäßig noch unzumutbar.
OLG Köln, Urt. v. 28.6.2013, 6 U 183/12, Tz. 77 - Mikado-Keksstift
Es kann zwar regelmäßig nicht als wettbewerbsrechtlich unlauter angesehen werden, wenn die wettbewerbliche Eigenart begründende Merkmale übernommen werden, die dem freizuhaltenden Stand der Technik angehören und unter Berücksichtigung des Gebrauchszwecks, der Verkäuflichkeit der Ware sowie der Verbrauchererwartung der angemessenen Lösung einer technischen Aufgabe dienen. Auch in einem solchen Fall ist die Angemessenheit der technischen Lösung jedoch zu verneinen und die Vermeidbarkeit der betrieblichen Herkunftstäuschung zu bejahen, wenn dem Mitbewerber - wie insbesondere bei einem komplexen technischen Erzeugnis - ein hinreichender Spielraum für eine abweichende Gestaltung im Gesamtbild wie im Detail zur Verfügung steht.
OLG Köln, Urt. v. 18.10.2013, 6 U 11/13. Tz. 95 - Seilwinde
Je komplexer ein technisches Erzeugnis ist und je mehr technische Funktionen es auf sich vereint, desto weniger erscheint es technisch notwendig, die konkrete Gesamtgestaltung in allen Einzelheiten (nahezu) identisch zu übernehmen. Ein Indiz dafür ist es, wenn abweichende Konkurrenzerzeugnisse mit einem, zumindest für Fachleute, „eigenen Gesicht“ auf dem Markt sind (BGH, Urt. v. 12.7.2001, I ZR 40/99 - Laubhefter; Urt. v. 2.4.2009, I ZR 199/06, Tz. 15 - Ausbeinmesser).
OLG Frankfurt, Urt. v. 25.5.2013, 6 U 204/11, Tz. 44f
Die Übernahme von nicht (mehr) unter Sonderrechtsschutz stehender Gestaltungsmerkmale ist mit Rücksicht auf den Grundsatz des freien Stands der Technik wettbewerbsrechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden. Allerdings können Merkmale, die zwar technisch bedingt, aber - ohne dass damit Qualitätseinbußen verbunden sind - frei wählbar oder austauschbar sind, einem Erzeugnis wettbewerbliche Eigenart verleihen, sofern der Verkehr wegen dieser Merkmale auf die Herkunft der Erzeugnisse aus einem bestimmten Betrieb Wert legt oder mit ihnen gewisse Qualitätserwartungen verbindet.
OLG Düsseldorf, Urt. v. 31.3.2016, 15 U 51/14, Tz. 140 - Handfugenpistolen
Bei Maschinen und Geräten liegt es nach der Lebenserfahrung nahe, dass die Verwendung unterscheidender Merkmale eine Herkunftstäuschung ausschließt (BGH, GRUR 2002, 820 – Bremszangen; BGH, GRUR 1999, 751 – Güllepumpen).
Bei technischen Gegenständen muss das Gericht gegebenenfalls einen Sachverständigen zu rate ziehen, um zu beurteilen, inwiefern abweichende Gestaltungsmöglichkeiten bestehen.
BGH, Urt. v. 15.12.2016, I ZR 197/15, Tz. 70 - Bodendübel
Hat der Tatrichter eine technische Gegebenheit ohne Inanspruchnahme sachverständiger Hilfe beantwortet, obwohl er selbst nicht hinreichend sachkundig ist, oder hat er eine mögliche, aber keineswegs selbstverständliche eigene Sachkunde nicht hinreichend dargelegt, liegt ein Verfahrensfehler nach § 286 ZPO vor.
Zumutbarkeit des Abstandhaltens vom 'Original'
Die Unlauterkeit einer Nachahmung setzt nicht nur voraus, dass es dem Nachahmer möglich ist, eine Herkunftstäuschung zu vermeiden. Die möglichen Maßnahmen müssen auch zumutbar sein. Die Zumutbarkeit setzt eine umfassende Interessenabwägung voraus.
BGH, Urt. v. 24.1.2013, I ZR 136/11, Tz. 35 - Regalsystem
Ob und welche Maßnahmen zur Verhinderung einer Herkunftstäuschung dem Wettbewerber zugemutet werden können, ist anhand einer umfassenden Interessenabwägung zu beurteilen (vgl. BGH, Urt. v. 8.12.1999, I ZR 101/97 - Modulgerüst I (= GRUR 2000, 521, 525)).
Ebenso OLG Frankfurt, Urt. v. 9.11.2023, 6 U 57/22
Erweiterungs- oder Ergänzungsbedarf (Zubehör, Verbrauchsmaterial)
Übernahme technischer Merkmale
Rufausnutzung oder -beeinträchtigung
Grundsatz
Maßgeblich sind u.a. die Freiheit des Wettbewerbs sowie die Interessen der Parteien und der Abnehmer.
BGH, Urt. v. 24.1.2013, I ZR 136/11, Tz. 36 - Regalsystem
Bei dieser Abwägung sind unter anderem das Interesse des Herstellers des Originalerzeugnisses an der Vermeidung einer Herkunftstäuschung, das Interesse der Wettbewerber an der Nutzung nicht unter Sonderrechtsschutz stehender Gestaltungselemente sowie das Interesse der Abnehmer an einem Preis- und Leistungswettbewerb zwischen unterschiedlichen Anbietern zu berücksichtigen. Soweit der Wettbewerber technisch bedingte Merkmale übernimmt, ist dabei zu beachten, dass es dem Übernehmenden billigerweise nicht verwehrt werden kann, den offenbarten und durch praktische Erfahrung bestätigten Stand der Technik zu benutzen und Verbraucherwünschen und -erwartungen, vor allem im Hinblick auf den Gebrauchszweck des Erzeugnisses, Rechnung zu tragen (vgl. BGH, Urt. v. 8.12.1999, I ZR 101/97 - Modulgerüst I (= GRUR 2000, 521, 525); Urt. v. 28.5.2009, I ZR 124/06, Tz. 27 - LIKEaBIKE). Dabei ist insbesondere das bestehende Interesse der Abnehmer zu berücksichtigen, unter mehreren Konkurrenzprodukten ein nach Preis und Leistung geeignet erscheinendes Erzeugnis auszuwählen (vgl. BGH, Urt. v. 15.5.1968, I ZR 105/66 – Rekordspritzen (= GRUR 1968, 698, 701)); Urt. v. 11.2.1977, I ZR 39/75 – Einbauleuchten (= GRUR 1977, 666, 668)); BGH, Urt. v. 8.12.1999, I ZR 101/97 - Modulgerüst I (= GRUR 2000, 521, 525)). Dieses Interesse an einem Preis- und Leistungswettbewerb besteht nicht nur bei einer Erstanschaffung, sondern ist auch anzuerkennen, soweit ein Ersatz- oder Ergänzungsbedarf für ein bereits angeschafftes Erzeugnis betroffen ist (vgl. BGH, Urt. v. 15.5.1968, I ZR 105/66 – Rekordspritzen (= GRUR 1968, 698, 701). Neben dem die Belange der Abnehmer in erster Linie kennzeichnenden Interesse an einem Preiswettbewerb kann auch ihr Interesse, bei möglichen Lieferschwierigkeiten eines Herstellers auf einen anderen ausweichen zu können, von Bedeutung sein (vgl. BGH, Urt. v. 11.2.1977, I ZR 39/75 – Einbauleuchten (= GRUR 1977, 666, 668); Urt. v. 8.12.1999, I ZR 101/97 - Modulgerüst I (= GRUR 2000, 521, 525)).
Ebenso OLG Frankfurt, Urt. v. 9.11.2023, 6 U 57/22
Die Entscheidung darüber, welche Maßnahmen zur Vermeidung einer Herkunftstäuschung zumutbar sind, lässt sich nur anhand der Umstände des Einzelfalls und der konkreten Marktverhältnisse ermitteln (vgl. BGH, Urt. v. 24.1.2013, I ZR 136/11, Tz. 44 - Regalsystem)
Ästhetische Merkmale
Bei ästhetischen Merkmalen besteht in der Regel keine Notwendigkeit der Nachahmung. Deshalb sind abweichende Gestaltungen in der Regel zumutbar, soweit diese nicht funktional oder kunsthandwerklich (z.B. BGH, GRUR 1970, 244, 246 - Spritzgussengel) bedingt sind oder einem bestimmten Trend oder einer Mode geschuldet sind.
BGH, Urt. v. 2.12.2015, I ZR 176/14, Tz. 68 – Herrnhuter Sterne
Es liegt regelmäßig kein sachlich gerechtfertigter Grund für eine (fast) identische Übernahme ästhetischer Gestaltungsmerkmale vor, mit denen die angesprochenen Verkehrskreise Herkunftsvorstellungen verbinden, weil den Wettbewerbern in aller Regel ein Ausweichen auf andere Gestaltungsformen und damit ein Abstand zum Original möglich und zumutbar ist.
BGH, Urt. v. 2.12.2015, I ZR 176/14, Tz. 71 – Herrnhuter Sterne
Eine Herkunftstäuschung, die auf der Übernahme von freizuhaltenden Gestaltungselementen beruht, ist allerdings hinzunehmen, weil andernfalls wettbewerbsrechtlicher Schutz für nicht monopolisierbare Elemente gewährt würde.
Ebenso OLG Frankfurt, Urt. v. 9.11.2023, 6 U 57/22
OLG Köln, Urt. v. 14.6.2002, 6 U 175/01, Tz. 56 - Designerbrille (= GRUR-RR 2003, 183)
Die Parteien bewegen sich in einem designerischen Bereich, der durch die Reduktion der gestalterischen Ausdrucksformen auf schlichte, gerade und schnörkellose Linien geprägt ist. Diese engen den gestalterischen Spielraum bei einem Produkt, welches den Designern von seinen konstruktiven Notwendigkeiten her ohnehin nur bestimmte Bestandteile für gestalterische Ausdrucksvarianten anbietet, von vornherein ein. Dem Beklagten ist es dabei auch nicht etwa abzuverlangen, die gestalterische Linie bzw. den derzeit ohnehin aktuellen designerischen Trend des Minimalismus bzw. Purismus zu verlassen und bei der Gruppe der randlosen Brillen auf verschnörkelte(re) Formen auszuweichen. Je „reduzierter” bzw. schlichter und auf die Funktion beschränkter die vom Hersteller gewählte Form einer Brille daher ist bzw. je mehr sie sich gestalterisch auf die „Grundform” des für eine Brille Erforderlichen beschränkt, desto eher hat er die Gefahr geschaffen, dass Wettbewerber, die sich ebenfalls des designerischen Trends des „Minimalismus” bedienen, in seine Nähe geraten. Denn die Wettbewerber verlassen schon bei geringen gestalterischen „Zusätzen” den Bereich des „Minimalismus” und fügen - wie dies der Bekl. treffend formuliert hat - gestalterischen „Schnickschnack” bei. Dies bedeutet aber zugleich, dass die Wettbewerber, denen es nicht untersagt werden kann, sich innerhalb des designerischen Trends zu bewegen und sich dessen Formensprache zu bedienen, schon bei geringen Gestaltungsabweichungen das Erforderliche und ihnen Zumutbare erfüllt haben, um der Gefahr von Herkunftsverwechslungen entgegenzuwirken, und dass eine gleichwohl noch bestehende Verwechslungsgefahr dann unvermeidbar ist.
Technische Merkmale
Inbesondere bei technischen Merkmalen stellt sich die Frage, inwieweit es einem Anbieter einer Nachahmung zumutbar ist, von einer gemeinfreien technischen Lösung Abstand zu halten.
BGH, Urt. v. 14.9.2017, I ZR 2/16, Tz. 39 - Leuchtballon
Die Übernahme von Merkmalen, die dem freien Stand der Technik angehören und unter Berücksichtigung des Gebrauchszwecks, der Verkäuflichkeit der Ware sowie der Verbrauchererwartung der angemessenen Lösung einer technischen Aufgabe dienen, ist grundsätzlich nicht als wettbewerbsrechtlich unlauter angesehen werden. Wettbewerbern ist es regelmäßig nicht zuzumuten, auf eine angemessene technische Lösung zu verzichten, um die Gefahr einer Herkunftstäuschung zu vermeiden. Dagegen kann es ihnen zuzumuten sein, dieser Gefahr durch eine (unterscheidende) Kennzeichnung ihrer Produkte entgegenzuwirken. Ein strengerer Maßstab gilt lediglich im Falle der (fast) identischen Übernahme.
BGH, Urt. v. 15.12.2016, I ZR 197/15, Tz. 54 - Bodendübel
Einem Wettbewerber ist es regelmäßig nicht zuzumuten, auf eine angemessene technische Lösung zu verzichten, um die Gefahr einer Herkunftstäuschung oder einer Rufausnutzung zu vermeiden. Bei einer (nahezu) identischen Nachahmung gilt allerdings im Hinblick auf die Zulässigkeit der Übernahme von Merkmalen, die dem freien Stand der Technik angehören und der angemessenen Lösung einer technischen Aufgabe dienen, ein strengerer Maßstab als bei einem geringeren Grad der Übernahme (vgl. BGH, GRUR 2012, 1155 Rn. 39 - Sandmalkasten; GRUR 2015, 909 Rn. 36 - Exzenterzähne). Bei einer (nahezu) identischen Übernahme kann sich der Nachahmer grundsätzlich nicht darauf berufen, er habe lediglich eine nicht unter Sonderrechtsschutz stehende angemessene technische Lösung übernommen. Führt die Übernahme solcher Merkmale zu einer (nahezu) identischen Nachahmung, ist es einem Wettbewerber regelmäßig zuzumuten, auf eine andere angemessene technische Lösung auszuweichen, wenn er der Gefahr einer Herkunftstäuschung nicht auf andere Weise - etwa durch eine (unterscheidende) Kennzeichnung seiner Produkte - entgegenwirken kann (BGH, GRUR 2015, 909 Rn. 36 - Exzenterzähne).
BGH, Urt. v. 12.5.2011, I ZR 53/10, Tz. 46 - Seilzirkus
Die Übernahme von Merkmalen, die dem freizuhaltenden Stand der Technik angehören und - unter Berücksichtigung des Gebrauchszwecks, der Verkäuflichkeit der Ware sowie der Verbrauchererwartung - der angemessenen Lösung einer technischen Aufgabe dienen, kann grundsätzlich nicht als wettbewerbsrechtlich unlauter angesehen werden. Sie ist allerdings unlauter, wenn durch die Übernahme solcher Merkmale die Gefahr einer Herkunftstäuschung hervorgerufen und dieser Gefahr nicht durch zumutbare Maßnahmen entgegengewirkt wird. Dabei ist es Wettbewerbern nicht zuzumuten, auf eine angemessene technische Lösung zu verzichten, um die Gefahr einer Herkunftstäuschung zu vermeiden. Dagegen kann es ihnen zuzumuten sein, dieser Gefahr durch eine (unterscheidende) Kennzeichnung ihrer Produkte entgegenzuwirken. Eine dann noch verbleibende Gefahr der Herkunftstäuschung muss grundsätzlich hingenommen werden.
BGH, Urt. v. 24.5.2007, I ZR 104/04, Tz. 35 - Gartenliege
Eine vermeidbare Täuschung über die Herkunft kann nicht mit der Übernahme von Gestaltungsmerkmalen begründet werden, die dem freizuhaltenden Stand der Technik angehören und unter Berücksichtigung des Gebrauchszwecks, der Verkäuflichkeit der Ware sowie der Verbrauchererwartung der angemessenen Lösung einer technischen Aufgabe dienen.
Ebenso BGH, Urt. v. 24.3.2005, I ZR 131/02, II.3.b.bb - Handtuchklemmen
Erweiterungs- oder Ergänzungsbedarf (Zubehör, Verbrauchsmaterial)
Eine Herkunftstäuschung kann auch unzumutbar sein, wenn es bei der Nachahmung darum geht, für ein außerhalb des Schutzes vor unlauterem Wettbewerb gemeinfreies Produkt einen Erweiterungs- oder Ergänzungsbedarf oder den Markt für Zubehör oder Verbrauchsmaterial zu bedienen. (Zum Einschieben in eine fremde Serie siehe hier.)
BGH, Urt. v. 24.1.2013, I ZR 136/11, Tz. 36ff - Regalsystem
Dabei ist das bestehende Interesse der Abnehmer zu berücksichtigen, unter mehreren Konkurrenzprodukten ein nach Preis und Leistung geeignet erscheinendes Erzeugnis auszuwählen (vgl. BGH, Urt. v. 15.5.1968, I ZR 105/66 – Rekordspritzen (= GRUR 1968, 698, 701)); Urt. v. 11.2.1977, I ZR 39/75 – Einbauleuchten (= GRUR 1977, 666, 668)); BGH, Urt. v. 8.12.1999, I ZR 101/97 - Modulgerüst I (= GRUR 2000, 521, 525)). Dieses Interesse an einem Preis- und Leistungswettbewerb besteht nicht nur bei einer Erstanschaffung, sondern ist auch anzuerkennen, soweit ein Ersatz- oder Ergänzungsbedarf für ein bereits angeschafftes Erzeugnis betroffen ist (vgl. BGH, Urt. v. 15.5.1968, I ZR 105/66 – Rekordspritzen (= GRUR 1968, 698, 701). Neben dem die Belange der Abnehmer in erster Linie kennzeichnenden Interesse an einem Preiswettbewerb kann auch ihr Interesse, bei möglichen Lieferschwierigkeiten eines Herstellers auf einen anderen ausweichen zu können, von Bedeutung sein (vgl. BGH, Urt. v. 11.2.1977, I ZR 39/75 – Einbauleuchten (= GRUR 1977, 666, 668); Urt. v. 8.12.1999, I ZR 101/97 - Modulgerüst I (= GRUR 2000, 521, 525)).
Diese Interessenlage darf ein Wettbewerber bei der Gestaltung seiner Produkte berücksichtigen und dabei einem Interesse potentieller Abnehmer an der Kompatibilität seiner Produkte mit dem Originalerzeugnis Rechnung tragen.
Die Befriedigung eines Ersatz- und Erweiterungsbedarfs durch den Vertrieb von Erzeugnissen, die mit den nicht unter Sonderrechtsschutz stehenden Konkurrenzprodukten eines Mitbewerbers uneingeschränkt verbaut werden können und gegen diese austauschbar sind, ist wettbewerbsrechtlich grundsätzlich unbedenklich, solange keine vermeidbare Herkunftstäuschung oder andere unlauterkeitsbegründende Merkmale hinzutreten. In diesem Fall sind dem Wettbewerber zur Vermeidung einer Herkunftstäuschung solche Maßnahmen nicht zuzumuten, die die Kompatibilität und daraus folgend die Verkäuflichkeit des Produkts entscheidend beeinträchtigen. Er ist nur gehalten, durch andere geeignete und zumutbare Maßnahmen eine Herkunftstäuschung soweit als möglich zu vermeiden (BGH, Urt. v. 8.12.1999, I ZR 101/97 - Modulgerüst I (= GRUR 2000, 521, 525); Urt. v. 12.5.2011, I ZR 53/10, Tz. 46 - Seilzirkus).
Im Ergebnis kommt es allerdings immer auf die Umstände des Einzelfalls an (vgl. BGH, Urt. v. 24.1.2013, I ZR 136/11, Tz. 44 - Regalsystem). Aufgrund dieser Umstände hielt das OLG Köln im wiedereröffneten Berufungsverfahren beim Regalsystem die Herkunftstäuschung als vermeidbar an (OLG Köln, Urt. v. 4.6.2021, 6 U 152/10, Tz. 32 ff).
Übernahme technischer Merkmale
BGH, Urt. v. 15.12.2016, I ZR 197/15, Tz. 54 - Bodendübel
Einem Wettbewerber ist es regelmäßig nicht zuzumuten, auf eine angemessene technische Lösung zu verzichten, um die Gefahr einer Herkunftstäuschung oder einer Rufausnutzung zu vermeiden. Bei einer (nahezu) identischen Nachahmung gilt allerdings im Hinblick auf die Zulässigkeit der Übernahme von Merkmalen, die dem freien Stand der Technik angehören und der angemessenen Lösung einer technischen Aufgabe dienen, ein strengerer Maßstab als bei einem geringeren Grad der Übernahme (vgl. BGH, GRUR 2012, 1155 Rn. 39 - Sandmalkasten; GRUR 2015, 909 Rn. 36 - Exzenterzähne). Bei einer (nahezu) identischen Übernahme kann sich der Nachahmer grundsätzlich nicht darauf berufen, er habe lediglich eine nicht unter Sonderrechtsschutz stehende angemessene technische Lösung übernommen. Führt die Übernahme solcher Merkmale zu einer (nahezu) identischen Nachahmung, ist es einem Wettbewerber regelmäßig zuzumuten, auf eine andere angemessene technische Lösung auszuweichen, wenn er der Gefahr einer Herkunftstäuschung nicht auf andere Weise - etwa durch eine (unterscheidende) Kennzeichnung seiner Produkte - entgegenwirken kann (BGH, GRUR 2015, 909 Rn. 36 - Exzenterzähne).
BGH, Urt. v. 8.12.1999, I ZR 101/97, II.3.b.dd – Modulgerüst (= GRUR 2000, 521)
Wenn ein schutzwürdiges Interesse eines Unternehmers und der Abnehmer am Vertrieb eines kompatiblen Produkts anzuerkennen, so kann dem Unternehmer ohne das Hinzutreten besonderer Umstände nicht zugemutet werden, auf mit dem Produkt nicht kompatible Gestaltungsformen auszuweichen. Dies gilt auch dann, wenn sich - bedingt durch die eine technische Austauschbarkeit gewährleistenden Gestaltungsformen - die Gefahr von Herkunftsverwechslungen erhöht. Soweit der Senat in früheren Entscheidungen ausgeführt hat, dass die Befriedigung eines solchen Ergänzungsbedarfs grundsätzlich unbedenklich sei, soweit dabei die Möglichkeit einer Herkunftstäuschung ausscheide und andere sittenwidrige Umstände nicht ersichtlich seien, bedeutet dies nicht, dass die Herstellung von Kompatibilität nur dann zulässig wäre, wenn durch sie keine Herkunftsverwechslungen hervorgerufen werden. Vielmehr sind Herkunftsverwechslungen dort, wo sie auf technischen Gestaltungsmerkmalen beruhen, die zur Herstellung von Kompatibilität erforderlich sind, grundsätzlich als unvermeidbar anzusehen. Allerdings hat ein Hersteller von technischen Erzeugnissen, die mit den nicht unter Sonderrechtsschutz stehenden Produkten eines Mitbewerbers kompatibel sind, soweit möglich, durch andere geeignete und ihm zumutbare Maßnahmen dafür Sorge zu tragen, dass es nicht zu Herkunftsverwechslungen kommt.
Übernahme optischer Merkmale
BGH, Urt. v. 24.1.2013, I ZR 136/11, Tz. 38 - Regalsystem
Diese Grundsätze … sind … auch auf Fälle zu übertragen, in denen auf Seiten der Abnehmer ein anerkennenswertes Interesse an der Übereinstimmung ihrer Produkte in äußeren, nicht unter Sonderrechtsschutz stehenden Gestaltungsmerkmalen mit dem Originalerzeugnis besteht. Allerdings liegt in der Regel kein sachlich gerechtfertigter Grund zu einer (fast) identischen Übernahme ästhetischer Gestaltungsmerkmale vor, mit denen die angesprochenen Verkehrskreise Herkunftsvorstellungen verbinden, weil den Wettbewerbern in aller Regel ein Ausweichen auf andere Gestaltungsformen und damit ein Abstand zum Original möglich und zumutbar ist (vgl. BGH, Urt. v. 18.12.1968, I ZR 130/66 - Buntstreifensatin II (= GRUR 1969, 292, 293)). Anders liegt der Fall jedoch dann, wenn die Abnehmer wegen eines Ersatz- oder Erweiterungsbedarfs ein Interesse an der Verfügbarkeit von Konkurrenzprodukten haben, die auch in der äußeren Gestaltung kompatibel sind. Aus dem Interesse der Wettbewerber, diesen Ersatz- und Erweiterungsbedarf durch mit der Produktreihe des Originalherstellers kompatiblen Elementen zu befriedigen und von dem nicht unter Sonderrechtsschutz stehenden Formenschatz Gebrauch zu machen, folgt, dass die Wettbewerber nicht auf Produktgestaltungen verwiesen werden dürfen, die die Verkäuflichkeit ihrer Produkte im Hinblick auf den bestehenden Ersatz- und Erweiterungsbedarf beim Originalprodukt einschränken. In einem solchen Fall sind Herkunftsverwechslungen, die auf der übereinstimmenden Formgestaltung beruhen, hinzunehmen, sofern der Nachahmende durch andere geeignete und ihm zumutbare Maßnahmen Herkunfts-verwechslungen so weit wie möglich entgegenwirkt.
Unter Aufhebung von OLG Köln, Urt. v. 22.6.2011, 6 U 152/10, II.1.d.aa - tego Regalsystem
Rufausnutzung oder -beeinträchtigung
Eine Herkunftstäuschung, die durch zumutbare Maßnahmen nicht vermieden werden kann und deshalb nach § 4 Nr. 3 a UWG hingenommen werden muss, kann die Voraussetzungen des § 4 Nr. 3 b UWG erfüllen.
BGH, Urt. v. 8.12.1999, I ZR 101/97, II.3.b.dd – Modulgerüst (= GRUR 2000, 521)
Die Schutzwürdigkeit des Kompatibilitätsinteresses eines Mitbewerbers findet dort ihre Grenzen, wo kompatibel hergestellte Austauschprodukte nicht auch denselben - oder jedenfalls im wesentlichen denselben - Qualitätsmaßstäben genügen, die der Originalhersteller durch seine Ware gesetzt hat. Dies gilt insbesondere, wenn durch die Eingliederung fremder Austauschprodukte in die Originalware die Sicherheit oder Gebrauchstauglichkeit des aus Produkten verschiedener Hersteller zusammengesetzten technischen Erzeugnisses nicht mehr im selben Maße gewährleistet ist. Dies bedeutet nicht, dass ein Zurückbleiben der Qualität des kompatiblen Produkts hinter der des gleichgestalteten Teils des Originalherstellers zwangsläufig auch einen Mangel im Sinne des Gewährleistungsrechts darstellen müsste. Auch wenn die mit den Erzeugnissen des Originalherstellers kompatiblen Produkte für sich genommen - also bei Verwendung ausschließlich eigener Produkte des Mitbewerbers - von mittlerer Art und Güte, uneingeschränkt gebrauchstauglich und in jeder Hinsicht sachmängelfrei sein sollten, kann es bei einer Vermischung derselben mit Teilen des Originalherstellers zu Qualitäts- und Sicherheitsbeeinträchtigungen gegenüber dem (das Vertrauen des Verkehrs genießenden) Qualitäts- und Sicherheitsstandard der Originalware kommen. Dies braucht der Hersteller der Originalware im Regelfall nicht hinzunehmen. Wer mit den Produkten eines Mitbewerbers kompatible Erzeugnisse vertreibt und diese im geschäftlichen Verkehr unter Hinweis auf die Kompatibilität mit einem Konkurrenzprodukt anbietet, bringt damit zum Ausdruck, dass seine Ware für die vorgesehene Verwendung unbedenklich geeignet ist. Er hat daher zuverlässig sicherzustellen, dass seine Produkte mit den Erzeugnissen des Mitbewerbers nicht nur in technischer Hinsicht uneingeschränkt verbaubar sind, sondern auch in qualitativer Hinsicht und vor allem in Bezug auf die Gebrauchssicherheit, den wesentlichen Merkmalen der Originalware entsprechen. Fehlt es daran, so lässt sich ein Interesse des Mitbewerbers, seine Erzeugnisse kompatibel zu gestalten, regelmäßig nicht mehr mit schützenswerten Belangen der Abnehmer rechtfertigen. Deren - nicht nur als untergeordnet einzustufendes - Interesse gilt nämlich auch der Sicherheit und Qualität der ihnen zum Austausch und zur Ergänzung der Originalware angebotenen Produkte. Etwas anderes kann ausnahmsweise dann gelten, wenn Sicherheitsanforderungen nicht berührt sind und der Verkehr beim Auftreten einer Qualitätsbeeinträchtigung der aus verschiedenen Produkten gebildeten Funktionseinheit klar und eindeutig erkennen kann, dass diese nicht aus den Komponenten der Originalware herrührt, sondern ausschließlich auf dem kompatiblen Austauschprodukt des Mitbewerbers beruht.
S.a. BGH, Urt. v. 24.1.2013, I ZR 136/11, Tz. 46 - Regalsystem
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Omsels, Online-Kommentar zum UWG: