Ihr Rechtsanwalt im Wettbewerbsrecht
Dr. Hermann-Josef Omsels*

Eine Darstellung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und wettbewerbsrechtlicher Nebengesetze



 

Vertragsabwicklung

Im Unterschied zur früheren Rechtslage ist das UWG auch auf geschäftliche Handlungen anzuwenden, die nach dem Vertragsschluss liegen. Dies ergibt sich unmittelbar aus § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG ("vor, bei oder nach einem Geschäftsabschluss"; näheres dazu siehe hier). Dementsprechend könnte jedes Verhalten, dass den Kunden nach dem Vertragsschluss über seine Vertragsansprüche irreführen könnte, ein Verstoß gegen § 5 UWG sein.

Die Rechtsprechung hat diese Thematik bislang noch nicht abschließend geklärt. Es zeichnet sich aber die Tendenz ab, dass nur solche irreführenden geschäftlichen Handlungen nach einem Vertragsschluss verboten sind, die sich auf danach liegende geschäftliche Entscheidungen des Adressaten auswirken können (Bornkamm in Köhler/Bornkamm, UWG, § 5, Rdn. 2.7). Das entspricht in etwa bereits der früheren Rechtslage:

BGH, Urt. v. 27.6.2002, I ZR 86/00, II.1.b.1 - Kontostandsauskunft

Die Nicht- oder Schlechterfüllung vertraglicher Pflichten ist als solche keine Wettbewerbshandlung, auch wenn sie geeignet ist, dem Kaufmann Vorteile zu verschaffen. Ein solches Verhalten bei der Abwicklung von Verträgen weist in aller Regel keinen Bezug auf die Mitbewerber auf und hat jedenfalls keine unmittelbaren Auswirkungen auf den Wettbewerb. Eine Wettbewerbshandlung kann aber dann anzunehmen sein, wenn der Kaufmann seinen Vorteil dadurch sucht, dass er eine Irreführung seiner Kunden zum Mittel seines Wettbewerbs macht.

Das OLG Düsseldorf hat angenommen, dass eine Irreführung vorliegen kann, wenn dem Vertragspartner nach Abschluss des Vertrages ein bestimmter Handlungsablauf beschrieben wird, der von den vertraglichen Pflichten abweicht. Im konkreten Fall ging es um eine Verrechnung mit einer nicht fälligen Gegenforderung, obwohl diese Form der Verrechnung vertraglich nicht vereinbart war.

 OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.12.2014, 15 U 97/14, 64

Der Kunde wird durch die Verrechnung des Guthabens in der Jahresrechnung mit nachfolgenden Abschlagszahlungen irregeführt, indem ihm suggeriert wird, diese Art und Weise der Abrechnung entspreche ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen sowie den übrigen vertraglichen Vereinbarungen und sei daher zulässig, obwohl dies tatsächlich nicht der Fall ist.

Zur Nichtberücksichtigung eines vertraglich vereinbarten Rabatts:

OLG München, Urt. v. 16.3.2017, 29 U 3285/16, II.2 - Unterbliebene Rabattberücksichtigung

Für einen Verstoß gegen § 5 UWG im Zusammenhang mit der Geltendmachung vertraglicher Forderungen ist kein systematisches Vorgehen erforderlich (a. A. Bornkamm/Feddersen in Köhler/Bornkamm, UWG, §. 5 Rn. 1.15). Eine solche Einschränkung findet schon im Gesetz keine Stütze und steht auch im Widerspruch zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. So hat der EuGH die einmalige Erteilung einer falschen Auskunft zur Länge der Vertragslaufzeit durch ein Telekommunikationsunternehmen an einen Verbraucher als irreführende Geschäftspraxis im Sinne von Art. 5 Abs. 1, Abs. 4, Art. 6 Abs. 1 UGP-RL angesehen. ... (vgl. EuGH GRUR 2015, 600 ff. – Nemzeti Fogyasztóvédelmi Hatóság/UPC Magyarország Kft.).

Der EuGH hat ausdrücklich klargestellt, dass es völlig unbeachtlich sei, dass das Verhalten des betreffenden Gewerbetreibenden nur einmal vorkam und nur einen Verbraucher betraf (a.a.O. Tz. 41), da die UGP-RL keinen Hinweis darauf enthalte, dass die Handlung oder die Unterlassung des Gewerbetreibenden sich wiederholen oder mehr als ein Verbraucher davon betroffen sein müsse (a.a.O. Tz. 42). Und in Anbetracht der Sorge um den Verbraucherschutz könnten die Vorschriften auch nicht so ausgelegt werden, als stellten sie derartige Voraussetzungen auf, wenn sie diese selbst nicht ausdrücklich nennen (a.a.O. Tz. 43). Weiter hat der EuGH ausgeführt, dass es gänzlich unbeachtlich sei, ob das Verhalten mutmaßlich nicht auf Vorsatz beruhe (a.a.O. Tz. 47).

Zur Änderungsbefugnis seitens einer Vertragspartei:

OLG Karlsruhe, Urt. v. 13.11.2024, 6 U 38/24, Tz. 63

Irreführend ist ein Schreiben einer Versicherung an einen Verbraucher, mit dem der Eindruck erweckt wird, diese könne – jedenfalls bei Schweigen des Adressaten über 14 Tage ab Zugang – eine rechtlich bindende „Umstellung des Vertrags“ vornehmen, worunter der Adressat eine Änderung der vertraglichen Rechte und Pflichten der Vertragsparteien namentlich dahin verstehen wird, dass sowohl die Leistungspflichten des Versicherers als auch die Zahlungspflicht des Versicherungsnehmers (…) erweitert werden. Dies entspricht der für die Bestimmung des Verständnisses des angesprochenen Verbrauchers maßgeblichen Auffassung des durchschnittlich informierten und verständigen Durchschnittsverbrauchers, der einer geschäftlichen Handlung des Unternehmers die der Situation angemessene Aufmerksamkeit entgegenbringt (dazu BGH, GRUR 2018, 431 Rn. 27 mwN - Tiegelgröße; GRUR 2019, 631 Rn. 30 - Das beste Netz; GRUR 2024, 1122 Rn. 22 mwN - klimaneutral; siehe auch BGH, GRUR 2014, 1013 Rn. 33 - Original-Bach-Blüten). Dabei kann dahinstehen, ob der – vertiefter juristischer Fachkunde entbehrende – Durchschnittsverbraucher dabei annimmt, dass die so für den Fall des Ausbleibens seiner Reaktion geschilderte Rechtslage sich etwa gerade aus einem rechtsgeschäftlichen Erklärungswert seines Schweigens («Qui tacet consentire videtur.») oder aus einem gesetzlichen oder vertraglich eingeräumten Gestaltungs-/Vertragsanpassungsrecht des Versicherers ergäbe.

S.a. Irreführung durch Rechtsausführungen