Ihr Rechtsanwalt im Wettbewerbsrecht
Dr. Hermann-Josef Omsels*

Eine Darstellung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und wettbewerbsrechtlicher Nebengesetze



 

 

 

(2) Unberechtigte Schutzrechtsverwarnungen

1. Wann ist eine Schutzrechtsverwarnung unberechtigt?

2. Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrie

a. Betriebsbezogenheit des Eingriffs

b. Rechtswidrigkeit des Eingriffs

i. Gesonderte Rechtswidrigkeitsprüfung erforderlich?

ii. Unterscheidung zwischen Hersteller und Abnehmerverwarnung?

c. Verschulden

3. Schutzrechtsverwarnungen als gezielte Behinderung

4. Verwarnungsähnliche Schutzrechtshinweise

5. Streitgegenstand

6. Verjährung

Literatur: Keller, Erhard, Ein Meilenstein in der Rechtsprechung zur 'unberechtigten Schutzrechtsverwarnung. Zugleich eine Besprechung von BGH 'Verwarnung aus Kennzeichenrecht III', GRUR 2024, 1086

Wann ist eine Schutzrechtsverwarnung unberechtigt?

Eine Schutzrechtsverwarnung kann unberechtigt sein, weil das Schutzrecht (Patent, Marke, Urheberrecht, u.a.)

  • nicht, noch nicht oder nicht mehr besteht oder

  • löschungsreif ist oder
  • nicht den vom Verwarnenden behaupteten Inhalt hat oder
  • das abgemahnte Verhalten nicht erfasst.

BGH, Urt. v. 29.5.2024, I ZR 145/23, Tz. 24 - Verwarnung aus Kennzeichenrecht III

Schutzrechtsverwarnungen können zu beanstanden sein, wenn sie sich mangels eines besonderen Rechts oder wegen Fehlens einer Rechtsverletzung als unbegründet erweisen, oder wenn sie wegen ihres sonstigen Inhalts oder ihrer Form nach als unzulässig zu beurteilen sind.

BGH, Urt. v. 29.5.2024, I ZR 145/23, Tz. 25 - Verwarnung aus Kennzeichenrecht III

Die Grundsätze gelten für Verwarnungen, die der Inhaber einer für Waren geschützten Marke gegenüber dem Hersteller von Waren oder seinen Abnehmern mit der Behauptung ausspricht, deren Benutzung eines Zeichens in Bezug auf die von ihnen hergestellten oder vertriebenen Waren verletzten sein Markenrecht. Sie gelten auch für Verwarnungen, die der Inhaber einer für Dienstleistungen geschützten Marke gegenüber dem Anbieter von Dienstleistungen mit der Behauptung ausspricht, dessen Benutzung eines Zeichens in Bezug auf die von ihm angebotene oder erbrachte Dienstleistung verletze sein Markenrecht. Sie gelten grundsätzlich auch für Verwarnungen, die der Inhaber einer solchen Marke gegenüber denjenigen ausspricht, die diese Dienstleistungen als Kunden in Anspruch nehmen. Auch in dieser Konstellation besteht die Gefahr eines möglicherweise existenzgefährdenden Eingriffs in die Kundenbeziehung des Dienstleisters. Seine Kunden können sich veranlasst sehen, von einer weiteren Inanspruchnahme seiner Dienstleistungen abzusehen, da ihr Interesse an einer Auseinandersetzung mit dem Markeninhaber typischerweise erheblich geringer ist als das Interesse des mit dem Markeninhaber konkurrierenden Dienstleisters.

BGH, Urt. v. 29.5.2024, I ZR 145/23, Tz. 57 - Verwarnung aus Kennzeichenrecht III

Unberechtigt ist eine Schutzrechtsverwarnung, wenn der geltend gemachte Anspruch mangels Rechtsverletzung tatsächlich nicht besteht (...). Dies gilt auch, wenn das geltend gemachte Schutzrecht erst später, aber mit Rückwirkung gelöscht worden ist (...)- Maßgeblich ist insoweit die objektive Rechtslage, auf den guten Glauben des Schutzrechtsinhabers kommt es nicht an (vgl. BGHZ 38, 200 [juris Rn. 13] - Kindernähmaschinen; Köhler/Alexander in Köhler/Bornkamm/Feddersen UWG § 4 Rn. 4.170).

KG, Beschl. v. 12.5.2022, 5 U 139/19, Tz. 113

Unberechtigt ist die Anzeige einer Schutzrechtsverletzung, wenn der zugrundeliegende Anspruch tatsächlich nicht gegeben ist (vgl. BGH, Urt. v. 11.1.2018, I ZR 187/16, Tz. 70 - Ballerinaschuh). Dies ist dann der Fall, wenn das behauptete Recht im Zeitpunkt der Verwarnung nicht (mehr) besteht oder wenn es zwar besteht, aber nicht verletzt wurde oder wenn die behaupteten Ansprüche aus dem verletzten Recht nicht hergeleitet werden können (vgl. Köhler in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 40. Aufl. 2022, § 4 Rn. 4.170). Maßgebend ist die objektive Rechtslage. Auf den guten Glauben des (vermeintlichen) Schutzrechtsinhabers kommt es nicht an (vgl. BGH, Urt. v. 05.11.1962, I ZR 39/61 – Kindernähmaschinen; Köhler in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 40. Aufl. 2022, § 4 Rn. 4.170).

Daraus folgt, dass auch eine Verwarnung aus einem Schutzrecht, das zum Zeitpunkt der Verwarnung besteht, unberechtigt ist, wenn das Schutzrecht später rückwirkend entzogen wird.

BGH, Urt. v. 21.12.2005, X ZR 72/04, Tz. 16 - Detektionseinrichtung II

Vollständige oder teilweise Nichtigerklärung des Patents wirken gegenüber jedermann auf den Zeitpunkt der Anmeldung der Erfindung zum Patent zurück. Sie haben zur Folge, dass Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche in dem Umfang, in dem das Patent widerrufen oder für nichtig erklärt worden ist, von Anfang an nicht bestehen. Daraus ergibt sich, dass die Rechtsstellung, die durch ein Patent erlangt wird, das in dem für nichtig erklärten Umfang nicht hätte erteilt werden dürfen, dem Patentinhaber von Gesetzes wegen bereits anfänglich nicht zusteht. Dem Patentinhaber erwächst durch den Bestand eines zu Unrecht erteilten Patents auch keine geschützte Rechtsstellung. Im Ergebnis ist die Rechtslage daher nicht anders als in dem Fall, dass sich die einstweilige Verfügung als von Anfang an ungerechtfertigt erweist. Das ist aber gerade einer der in § 945 ZPO geregelten Fälle.

Streitig ist, ob eine Verwarnung aus § 4 Nr. 3 UWG (lauterkeitsrechtlicher Nachahmungsschutz, vormals ergänzender wettbewerblicher Leistungsschutz genannt) eine Schutzrechtsverwarnung ist (so Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, § 4, Rdn. 10.169 (unter Verweis auf OLG Frankfurt GRUR 1990, 642; OLG Stuttgart GRUR-Prax 2009, 66); Omsels in Harte/Henning, § 4 Nr. 10, Rdn. 181 gegen Bornkamm in Köhler/Bornkamm, UWG, § 12, Rdn. 1.70). Zuletzt

OLG Köln, Urt. v. 10.8.2012, 6 U 17/12, II.a

Die Grundsätze der Rechtsprechung, nach der eine ungerechtfertigte Schutzrechtsverwarnung regelmäßig rechtswidrig ist und Ansprüche aus § 823 Abs. 1 BGB auslösen kann, … lassen sich nicht auf Abmahnungen wegen wettbewerbsrechtlicher Ansprüche übertragen, weil mit diesen die mit der Schutzrechtsverwarnung typischerweise verbundenen weit­reichenden Beeinträchtigungen regelmäßig nicht einhergehen.

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Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb

Unberechtigte Schutzrechtsverwarnungen gelten als unzulässig und können als Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb angesehen werden, der als "Sonstiges Recht" in § 823 Abs. 1 BGB geschützt ist. Die Abnehmerverwarnung greift auch in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Herstellers der Lieferanten ein.

BGH, Versäumnisurt. v. 1.12.2015, X ZR 170/12 - Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung II

In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die unberechtigte Verwarnung aus einem gewerblichen Schutzrecht unter dem Gesichtspunkt eines rechtswidrigen und schuldhaften Eingriffs in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb zum Schadensersatz verpflichten kann. Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass der notwendige Ausgleich zwischen dem durch Art. 14 GG verfassungsrechtlich geschützten Interesse des Schutzrechtsinhabers, sein Recht geltend machen zu können, und dem gleichfalls durch das Grundgesetz geschützten Interesse des Wettbewerbs, sich außerhalb des Schutzbereichs bestehender Rechte unter Beachtung der Gesetze frei entfalten zu können, nicht mehr wirksam gewährleistet wäre, wenn es dem Schutzrechtsinhaber gestattet wäre, Schutz in einem Umfang zu beanspruchen, der ihm nicht zusteht, und wenn er den wirtschaftlichen Nutzen aus einer schuldhaften Verkennung des Umfangs des ihm zustehenden Schutzes ziehen dürfte, ohne für einen hierdurch verursachten Schaden seiner Mitbewerber einstehen zu müssen (BGH, Beschl. v. 15.7.2005, GSZ 1/04, Tz. 15 - Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung).

Ebenso BGH, Urt. v. 29.5.2024, I ZR 145/23, Tz. 24, 74 - Verwarnung aus Kennzeichenrecht III; BGH, Urt. v. 7.7.2020, X ZR 42/17, Tz. 17 – Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung III; BGH, Urt. v. 11.1.2018, I ZR 187/16, Tz. 70 - Ballerina SchuhOLG Düsseldorf, Urt. v. 12.4.2018, 20 U 153/17, Tz. 49

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Betriebsbezogenheit des Eingriffs

BGH, Urt. v. 19.1.2006, I ZR 217/03, Tz. 18 - Unbegründete Abnehmerverwarnung

Bei der unberechtigten Abnehmerverwarnung ergibt sich die Unmittelbarkeit des Eingriffs in den Geschäftsbetrieb des Herstellers oder Lieferanten schon daraus, dass sie dessen Absatz beeinträchtigen kann. Denn der abgemahnte Abnehmer wird häufig, zumal wenn er auf Konkurrenzprodukte oder andere Lieferanten ausweichen kann, geneigt sein, sich der Verwarnung zu beugen, um damit den mit einem Rechtsstreit verbundenen Nachteilen aus dem Wege zu gehen. Bereits die darin liegende Gefahr stellt - unabhängig davon, ob sich der unberechtigt verwarnte Abnehmer fügt oder nicht - eine unmittelbare Beeinträchtigung des Gewerbebetriebs des Herstellers und des Lieferanten dar.

Ebenso BGH, Urt. v. 29.5.2024, I ZR 145/23, Tz. 75 - Verwarnung aus Kennzeichenrecht III; OLG Hamburg, Urt. v. 12.6.2020, 3 U 107/18

BGH, Urt. v. 29.5.2024, I ZR 145/23, Tz. 75 - Verwarnung aus Kennzeichenrecht III

Die Unmittelbarkeit des Eingriffs einer unberechtigten Abnehmerverwarnung in den Geschäftsbetrieb des Herstellers oder Lieferanten ergibt sich schon daraus, dass sie dessen Absatz beeinträchtigen kann. Denn der abgemahnte Abnehmer wird häufig, zumal wenn er auf Konkurrenzprodukte, andere Lieferanten oder Dienstleister ausweichen kann, geneigt sein, sich der Verwarnung zu beugen, um damit den mit einem Rechts streit verbundenen Nachteilen aus dem Wege zu gehen. Bereits die darin liegende Gefahr stellt - unabhängig davon, ob sich der unberechtigt verwarnte Abnehmer fügt oder nicht - eine unmittelbare Beeinträchtigung des Gewerbebetriebs des Herstellers und des Lieferanten dar (BGH, Urt. v. 19.1.2006, I ZR 217/03, GRUR 2006, 433 [juris Rn. 18] = WRP 2006, 579 - Unbegründete Abnehmerverwarnung, mwN). Ein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Herstellers scheidet hingegen aus, wenn unter Zugrundelegung der der Verwarnung zu Grunde gelegten Rechtsauffassung nur der Adressat der Schutzrechtsverwarnung, nicht aber der diesen beliefernde Hersteller als Verletzer erscheint (BGH, Urt. v. 30.1.2007, X ZR 53/04, BGHZ 171, 13 [juris Rn. 27 f.] - Funkuhr II, mwN; OLG München, GRUR-RR 2020, 263 [juris Rn. 31]). Diese Grundsätze gelten entsprechend im Fall einer Verwarnung von Kunden eines Dienstleisters wie vorliegend, wenn der Schutzrechtsinhaber geltend macht, der Dienstleister verletze bei der Erbringung seiner Dienstleistungen seine Marke, und die Kunden auffordert, aus diesem Grund von der Inanspruchnahme dieser Dienstleistungen abzusehen.

BGH, Urt. v. 7.7.2020, X ZR 42/17, Tz. 17 – Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung III

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann die unberechtigte Verwarnung aus einem gewerblichen Schutzrecht unter dem Gesichtspunkt eines rechtswidrigen und schuldhaften Eingriffs in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb zum Schadensersatz verpflichten.  Richtet sich die Verwarnung an Abnehmer der beanstandeten Waren, kann ein entsprechender Anspruch auch einem Hersteller zustehen, der die Abnehmer beliefert.

s.a. BGH, Urt. v. 7.7.2020, X ZR 42/17, Tz. 31 – Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung III

ABER:

BGH, Urt. v. 7.7.2020, X ZR 42/17, Tz. 32 – Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung III

Soweit die an einen Abnehmer gerichtete Schutzrechtsverwarnung unberechtigt ist, liegt darin kein Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Herstellers, wenn ihr insoweit die Eignung fehlt, dessen Geschäftstätigkeit zu beeinträchtigen.

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Rechtswidrigkeit des Eingriffs

BGH, Urt. v. 29.5.2024, I ZR 145/23, Tz. 78 - Verwarnung aus Kennzeichenrecht III

Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb stellt einen offenen Tatbestand dar, dessen Inhalt und Grenzen sich erst aus einer Abwägung mit den im Einzelfall konkret kollidierenden Interessen anderer ergeben. Die Rechtswidrigkeit eines Eingriffs wird nicht indiziert, sondern ist in jedem Einzelfall unter Heranziehung aller Umstände zu prüfen (BGH, GRUR 2006, 432 [juris Rn. 23] - Verwarnung aus Kennzeichenrecht II). Der Senat hat die Frage, ob im Falle einer unbegründeten Schutzrechtsverwarnung ihre Rechtswidrigkeit noch gesondert zu prüfen ist (so OLG Frankfurt, WRP 2015, 1004 [juris Rn. 40]; Büscher/Wille aaO § 4 Nr. 4 Rn. 123 mwN; Köhler/Alexander in Köhler/ Bornkamm/Feddersen UWG § 4 Rn. 4.180; Teplitzky, GRUR 2005, 9, 14; zur Rechtswidrigkeit eines presserechtlichen Informationsschreibens vgl. BGH, Urt. v. 15.1.2019, VI ZR 506/17, GRUR 2019, 314 [juris Rn. 19] = WRP 2019, 336 - Presserechtliches Informationsschreiben), bisher offengelassen (BGH, GRUR 2006, 432 [juris Rn. 24] - Verwarnung aus Kennzeichenrecht II; GRUR 2006, 433 [juris Rn. 20] - Unbegründete Abnehmerverwarnung).

BGH, GSZ, Beschl. v. 15.7.2005, GSZ 1/04, B.II - Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung

Die unberechtigte Schutzrechtsverwarnung kann einen rechtswidrigen Eingriff in eine nach § 823 Abs. 1 BGB geschützte Rechtsposition sowohl des Verwarnten als auch desjenigen Gewerbetreibenden darstellen, dessen Kundenbeziehungen durch die unberechtigte Geltendmachung eines Ausschließlichkeitsrechts gegenüber dem verwarnten Abnehmer schwerwiegend beeinträchtigt werden.

…  Das dem Schutzrechtsinhaber verliehene Ausschließlichkeitsrecht schließt jeden Wettbewerber von der Benutzung des nach Maßgabe der jeweiligen gesetzlichen Vorschriften definierten Schutzgegenstandes aus. Diese einschneidende, die Freiheit des Wettbewerbs begrenzende Wirkung des Ausschließlichkeitsrechts verlangt nach einem Korrelat, welches sicherstellt, dass der Wettbewerb nicht über die objektiven Grenzen hinaus eingeschränkt wird, durch die das Gesetz den für schutzfähig erachteten Gegenstand und seinen Schutzbereich bestimmt.

Dieser notwendige Ausgleich zwischen dem durch Art. 14 GG verfassungsrechtlich geschützten Interesse des Schutzrechtsinhabers, sein Recht geltend machen zu können, und dem gleichfalls jedenfalls als Ausfluss der allgemeinen Handlungsfreiheit durch das Grundgesetz geschützten Interesse des Wettbewerbs, sich außerhalb des Schutzbereichs bestehender Rechte unter Beachtung der Gesetze frei entfalten zu können, wäre nicht mehr wirksam gewährleistet, wenn es dem Schutzrechtsinhaber gestattet wäre, aus einem Schutzrecht Schutz in einem Umfang zu beanspruchen, der ihm nicht zusteht, und wenn er den wirtschaftlichen Nutzen aus einer schuldhaften Verkennung des Umfangs des ihm zustehenden Schutzes ziehen dürfte, ohne für einen hierdurch verursachten Schaden seiner Mitbewerber einstehen zu müssen.

KG, Beschl. v. 12.5.2022, 5 U 139/19, Tz. 101

Ist eine gegenüber dem Mitbewerber oder seinen Abnehmern ausgesprochene Schutzrechtsverwarnung unberechtigt, weil der geltend gemachte Unterlassungsanspruch mangels Verletzung des vom Verwarnenden für sich in Anspruch genommenen Schutzrechtes nicht besteht (vgl. BGH, Urt. v. 11.1.2018, I ZR 187/16, Tz. 70 - Ballerinaschuh), sind die objektiven Grenzen überschritten, die das Gesetz dem freien Wettbewerb durch das dem Schutzrechtsinhaber verliehene Ausschließlichkeitsrecht setzt, das nur für einen für schutzfähig erachteten Gegenstand und im Rahmen des für diesen geltenden Schutzbereichs beansprucht werden kann (vgl. BGH, Urt. v. 15.1.2009, I ZR 123/06, Tz. 17f – Fräsautomat). Der notwendige Ausgleich zwischen dem durch Art. 14 GG verfassungsrechtlich geschützten Interesse des Schutzrechtsinhabers, sein Recht geltend machen zu können, und dem gleichfalls jedenfalls als Ausfluss der allgemeinen Handlungsfreiheit durch das Grundgesetz geschützten Interesse des Wettbewerbs, sich außerhalb des Schutzbereichs bestehender Rechte unter Beachtung der Gesetze frei entfalten zu können, führt dazu, dass es dem Schutzrechtsinhaber grundsätzlich nicht gestattet ist, aus einem Schutzrecht in einem Umfang Schutz zu beanspruchen, der ihm nicht zusteht, sowie dazu, dass er dem zu Unrecht in Anspruch genommenen für einen hierdurch entstandenen Schaden einzustehen haben kann (vgl. BGH, Beschl. v. 15.7.2005, GSZ 1/04, BGHZ 164, 1-11, Tz. 15f – Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung I).

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15.9.2011, 2 W 58/11, Tz. 19

Schutzrechtsverwarnungen sind zu beanstanden, wenn sie sich mangels eines besonderen Rechts oder wegen Fehlens einer Rechtsverletzung als unbegründet erweisen oder sie wegen ihres sonstigen Inhalts oder ihrer Form nach als unzulässig zu beurteilen sind. Bei der gebotenen Abwägung der beiderseitigen Interessen ist, wenn der Schutzrechtsinhaber sein vermeintliches Recht nicht gegenüber seinem unmittelbaren Wettbewerber, sondern gegenüber dessen Abnehmern geltend macht (sog. Abnehmerverwarnung), die damit verbundene besondere Gefährdung der Kundenbeziehungen des betroffenen Mitbewerbers zu seinen Abnehmern zu berücksichtigen (BGH, GRUR 2009, 878, 880 – Fräsautomat).

Zu einer Schutzrechtsverwarnung, die über den Unterlassungsanspruch inhaltlich hinausgeht:

OLG Frankfurt, Teilurt. v. 9.3.2017, 6 U 161/11

In einer ... "überschüssigen" Schutzrechtsverwarnung liegt kein Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Klägerin. ... Eine Schadensersatzpflicht kommt nicht in Betracht, wenn der nicht rechtswidrige Teil der Verwarnung genau die gleiche Wirkung gehabt hätte (vgl. auch OLG Hamburg, Urt. v. 29.4.2010, 3 U 192/08, S. 8).

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Gesonderte Rechtswidrigkeitsprüfung erforderlich?

Lange Zeit wurde angenommen, dass die Rechtswidrigkeit eines Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb durch eine unberechtigte Schutzrechtsabmahnung nicht gesondert festgestellt werden muss, obwohl dies bei sonstigen Eingriffen in dieses Recht stets verlangt wurde. Jedenfalls der I. Zivilsenat des BGH, der u.a. für das UWG, das Markenrecht, das Urheberrecht und das Geschmacksmusterrecht zuständig ist, hält mittlerweile eine gesonderte Rechtswidrigkeitsprüfung für erforderlich. Ob dies auch der X. Zivilsenat so sieht, der u.a. für Patent- und Gebrauchsmusterstreitigkeiten zuständig ist, ist noch offen.

BGH, Urt. v. 19.1.2006, I ZR 98/02, Tz. 23 - Verwarnung aus Kennzeichenrecht II

Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ist ein offener Tatbestand, dessen Inhalt und Grenzen sich erst aus einer Interessen- und Güterabwägung mit der im Einzelfall konkret kollidierenden Interessensphäre anderer ergeben. Die Rechtswidrigkeit eines Eingriffs wird nicht indiziert, sondern ist in jedem Einzelfall unter Heranziehung aller Umstände zu prüfen.

Der Beschluss des Großen Senats für Zivilsachen (BGH, GSZ, Beschl. v. 15.7.2005, GSZ 1/04, B.II - Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung) legt die Annahme nahe, dass dies auch bei einem unbegründeten Vorgehen aus einem Schutzrecht gilt. So wird darin dargelegt, weshalb für unbegründete Klagen aus einem Schutzrecht, die fahrlässig erhoben worden sind, anders als für eine unbegründete Verwarnung grundsätzlich nicht nach dem Recht der unerlaubten Handlung gehaftet wird. Danach können, je nachdem, ob in der Form einer Verwarnung oder einer Klage unbegründet aus dem Schutzrecht vorgegangen wird, bei der Anwendung des § 823 BGB unterschiedliche Abwägungsgesichtspunkte zum Tragen kommen. Dies spricht dafür, dass auch ein unbegründetes Vorgehen aus einem Schutzrecht nicht ohne weiteres, sondern erst auf Grund einer Interessen- und Güterabwägung als rechtswidrig beurteilt werden soll.

BGH, Urt. v. 19.1.2006, I ZR 217/03, Tz. 20 - Unbegründete Abnehmerverwarnung

Die Frage, ob sich die Rechtswidrigkeit schon daraus ergibt, dass die Verwarnungen unberechtigt waren, oder ob sie erst auf Grund einer Abwägung der im Einzelfall gegenüberstehenden Interessen und Güter festgestellt werden kann, weil es sich bei dem Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb um einen offenen Tatbestand handelt, kann dahingestellt bleiben (zur Interessenabwägung im Hinblick auf die Privilegierung gerichtlicher Verfahren vgl. BGH, GSZ, Beschl. v. 15.7.2005, GSZ 1/04, B.II - Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung). Denn auch bei Abwägung der im vorliegenden Fall widerstreitenden Belange ist wegen der überwiegenden schützenswerten Interessen der Klägerin die Rechtswidrigkeit zu bejahen.

Dem Interesse der Beklagten, zur Verteidigung ihrer Markenrechte und zur Aufrechterhaltung ihres Vertriebssystems gegen (vermeintliche) Markenverletzungen durch Abnehmer vorzugehen, deren Lieferanten sie nicht kennt, steht das Interesse der Beklagten gegenüber, einem unter Umständen sogar existenzgefährdenden Eingriff in ihre Kundenbeziehungen durch die unberechtigte Geltendmachung von Ausschließlichkeitsrechten gegenüber ihren Abnehmern entgegenzutreten.

KG, Beschl. v. 12.5.2022, 5 U 139/19, Tz. 103

Die anzustellende Güter- und Interessenabwägung (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG; 40. Aufl. 2022, § 4 Rn. 4.180; Omsels in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 5. Aufl. 2021, § 4 Rn. 496; Wille in: Büscher, UWG, 2. Aufl. 2021, § 4 Nr. 4 Rn. 122) führt insbesondere bei der Abnehmerverwarnung regelmäßig dazu, dass eine unberechtigte Schutzrechtsverwarnung als rechtswidrig einzustufen ist. Bei einer Abnehmerverwarnung besteht die begründete Gefahr, dass die Abnehmer insbesondere dann, wenn sie auf ein anderes Produkt ausweichen können, kein Interesse an einer eigenen sachlichen Auseinandersetzung mit dem Verwarner haben und sich der Verwarnung daher auch ohne nähere Prüfung ihrer Berechtigung beugen und künftig von einem weiteren Bezug des als rechtsverletzend beanstandeten Produktes Abstand nehmen. Hinzukommt, dass zwischen dem Verwarnenden und dem verwarnten Abnehmer nicht selten ein Informationsgefälle besteht, aufgrund dessen es dem Abnehmer nicht ohne weiteres möglich ist, zuverlässig zu beurteilen, ob die behauptete Schutzrechtsverletzung tatsächlich gegeben ist. Die Abnehmerverwarnung ist daher in besonderem Maße dazu geeignet, eine Störung bestehender Vertriebswege und Absatzbemühungen und einen unter Umständen existenzgefährdenden Eingriff in bestehende Kundenbeziehungen zu begründen.

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Unterscheidung zwischen Hersteller und Abnehmerverwarnung?

Wenn mit dem I. Zivilsenat davon ausgegangen wird, dass beim Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb die Rechtswidrigkeit gesondert festgestellt werden muss, ist die Abnehmerverwarnung eher rechtswidrig als die Herstellerverwarnung.

Der Abnehmer einer Ware ist weit eher geneigt, einer Verwarnung nachzugeben als der Hersteller. Der Abnehmer hat ein wesentlich geringeres Interesse an einem Streit mit einem möglichen Schutzrechtsinhaber und kann meist auf andere Waren umsteigen, mit denen es keinen Ärger gibt.

Der Verwarner könnte die Auseinandersetzung auch unmittelbar mit dem Hersteller führen. Verwarnt er (auch) den Abnehmer muss er hinsichtlich der Angemessenheit seines Vorgehens besondere Vorsicht walten lassen.

BGH, Urt. v. 29.5.2024, I ZR 145/23, Tz. 24 - Verwarnung aus Kennzeichenrecht III

Der notwendige Ausgleich zwischen dem durch Art. 14 GG verfassungsrechtlich geschützten Interesse des Schutzrechtsinhabers, sein Recht geltend machen zu können, und dem gleichfalls durch das Grundgesetz geschützten Interesse des Wettbewerbs, sich außerhalb des Schutzbereichs bestehender Rechte unter Beachtung der Gesetze frei entfalten zu können, wäre nicht mehr wirksam gewährleistet, wenn es dem Schutzrechtsinhaber gestattet wäre, Schutz in einem Umfang zu beanspruchen, der ihm nicht zusteht, und wenn er den wirtschaftlichen Nutzen aus einer schuldhaften Verkennung des Umfangs des ihm zustehenden Schutzes ziehen dürfte, ohne für einen hierdurch verursachten Schaden seiner Mitbewerber einstehen zu müssen (...). Das wird besonders deutlich bei einer Verwarnung von Abnehmern. Bei dieser macht der Schutzrechtsinhaber sein vermeintlich verletztes Recht nicht gegenüber dem unmittelbaren Mitbewerber, sondern - was ihm grundsätzlich freisteht - gegenüber dessen Abnehmern geltend. Das Interesse der Abnehmer, sich sachlich mit dem Schutzrechtsinhaber auseinanderzusetzen, ist typischerweise erheblich geringer als das entsprechende Interesse des mit dem Schutzrechtsinhaber konkurrierenden Herstellers. Bei dem einzelnen Abnehmer können die Umsätze mit dem vermeintlich verletzenden Erzeugnis nur geringe Bedeutung haben; außerdem steht ihm häufig die Alternative zu Gebote, ohne oder ohne erhebliche Nachteile auf ein entsprechendes Produkt des Schutzrechtsinhabers auszuweichen. Einschneidend getroffen wird in dieser Situation nicht der verwarnte Abnehmer, sondern der ihn beliefernde Hersteller. Ohne das von der Rechtsprechung entwickelte Institut der unberechtigten Schutzrechtsverwarnung ergäbe sich keine wirksame Handhabe, um einem möglicherweise existenzgefährdenden Eingriff in seine Kundenbeziehungen durch die unberechtigte Geltendmachung von Ausschließlichkeitsrechten gegenüber seinen Abnehmern entgegenzutreten (vgl. BGHZ 164, 1 [juris Rn. 16] - Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung I).

BGH, Urt. v. 29.5.2024, I ZR 145/23, Tz. 24 - Verwarnung aus Kennzeichenrecht III

Bei denjenigen, die eine Dienstleistung in Anspruch nehmen, stellt sich in besonderer Weise die Frage, ob die ihnen gegenüber ausgesprochene Abnehmerverwarnung berechtigt ist. Daran fehlt es insbesondere, wenn sie das Zeichen nicht selbst im geschäftlichen Verkehr für das Angebot oder die Erbringung einer Dienstleistung benutzen. Insoweit verhält es sich bei ihnen anders als bei den Abnehmern von Waren, die diese Waren als Händler weitervertreiben und dabei regelmäßig das Zeichen, das der Markeninhaber als rechtsverletzend ansieht, selbst benutzen.

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Verschulden

BGH, Urt. v. 29.5.2024, I ZR 145/23, Tz. 81 - Verwarnung aus Kennzeichenrecht III

Den Verwarner trifft wegen einer unberechtigten Schutzrechtsverwarnung kein Verschulden, wenn er sich seine Überzeugung von der Berechtigung der Verwarnung durch gewissenhafte Prüfung gebildet oder wenn er sich bei seinem Vorgehen von vernünftigen und billigen Überlegungen hat leiten lassen. Art und Umfang der Sorgfaltspflichten eines Verwarners werden maßgeblich dadurch bestimmt, inwieweit er auf den Bestand und die Tragfähigkeit seines Schutzrechts vertrauen darf. Handelt es sich um ein geprüftes Schutzrecht - wie vorliegend eine Marke - kann vom Inhaber bei einer Verwarnung keine bessere Beurteilung der Rechtslage verlangt werden, als sie der Eintragungsbehörde möglich war (BGH, GRUR 2018, 862 [juris Rn. 89] - Ballerinaschuh, mwN). Im Fall einer Abnehmerverwarnung bedarf es bei der gebotenen Abwägung der Interessen des Verwarners und des Lieferanten einer besonders sorgfältigen Prüfung der Rechtslage. Der Abnehmer wird im Allgemeinen - wenn er auf Konkurrenzprodukte ausweichen kann - geneigt sein, sich der Verwarnung zu beugen, ohne deren Berechtigung näher zu prüfen, um damit einem Rechtsstreit aus dem Wege zu gehen. Derartige Verwarnungen bergen für das Unternehmen des Herstellers besondere Gefahren. Die allgemein anerkannte Rechtspflicht eines je den, sich bei der Verfolgung seiner Rechte unter Berücksichtigung auch der Belange des vermeintlichen Schädigers auf die hierzu notwendigen Mittel zu beschränken, gebietet es, zu der risikoträchtigen Abnehmerverwarnung erst dann zu schreiten, wenn die Herstellerverwarnung erfolglos geblieben ist oder bei verständiger Abwägung der besonderen Umstände des Einzelfalls ausnahmsweise unangebracht erscheint und die vorausgegangene sorgfältige Prüfung der Rechtslage bei objektiver Betrachtungsweise den Verwarnenden davon überzeugen konnte, seine Ansprüche seien berechtigt. Wird die vorgenommene Prüfung der Rechtslage den gebotenen erhöhten Anforderungen nicht gerecht, verwarnt der vermeintliche Verletzer gleichwohl die Abnehmer und stellt sich die Verwarnung als unberechtigt heraus, trägt er das damit verbundene Risiko (vgl. BGH, GRUR 1979, 332 [juris Rn. 83] - Brombeerleuchte; GRUR 2018, 862 [juris Rn. 92] - Ballerinaschuh).

BGH, Urt. v. 29.5.2024, I ZR 145/23, Tz. 84 - Verwarnung aus Kennzeichenrecht III

Art und Umfang der Sorgfaltspflichten eines Verwarners werden maßgeblich dadurch bestimmt, inwieweit er auf den Bestand und die Tragfähigkeit seines Schutzrechts vertrauen darf.

An ausländische Verwarner sind keine geringeren Sorgfaltspflichten zu stellen als an inländische (BGH, Urt. v. 29.5.2024, I ZR 145/23, Tz. 87 - Verwarnung aus Kennzeichenrecht III)

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Schutzrechtsverwarnungen als gezielte Behinderung

Ansprüche aus einer unberechtigten Schutzrechtsverwarnung werden in der Praxis meist aus einem rechtswidrigen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb hergeleitet. Da Schutzrechtsverwarnungen aber auch geschäftliche Handlungen im Sinne des UWG sind und das Wettbewerbsverhältnis schon daraus folgt, dass Verwarner und Verwarnter in der Regel dieselben oder ähnliche Produkte vertreiben, nämlich die dem Schutzrecht angeblich unterfallenden Produkte, ist auch der Anwendungsbereich des UWG eröffnet. Die unberechtigte Schutzrechtsverwarnung kann deshalb auch eine gezielte Behinderung im Sinne des § 4 Nr. 4 UWG sein, und zwar bei einer Abnehmerverwarnung auch eine gezielte Behinderung des Herstellers oder Lieferanten des Ware (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm, § 4 UWG, Rdn. 10.176a).

BGH, Urt. v. 29.5.2024, I ZR 145/23, Tz. 26 - Verwarnung aus Kennzeichenrecht III

Verwarnungen können, ungeachtet der Frage, ob ein Eingriff in ein bestandskräftiges Schutzrecht gegeben oder zu befürchten ist, aufgrund der Wertungen des Wettbewerbsrechts als unlautere Behinderung von Mitbewerbern (§ 3 Abs. 1, § 4 Nr. 4 UWG) als unzulässig zu beurteilen sein (vgl. BGH, GRUR 1995, 424 [juris Rn. 28] - Abnehmerverwarnung; BGH, Urteil vom 15. Januar 2009 - I ZR 123/06, GRUR 2009, 878 [juris Rn. 12 und 17] = WRP 2009, 1082 - Fräsautomat, mwN).

BGH, Urt. v. 29.5.2024, I ZR 145/23, Tz. 116 - Verwarnung aus Kennzeichenrecht III

Eine unlautere Behinderung von Mitbewerbern setzt eine Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeiten der Mitbewerber voraus, die über die mit jedem Wettbewerb verbundene Beeinträchtigung hinausgeht und bestimmte Unlauterkeitsmerkmale aufweist (st. Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 22.9.2021, I ZR 192/20, Tz. 72 - Flying V, mwN). Dies ist auch der Fall, wenn eine Absatzbehinderung durch eine auf Grund der Schutzrechtslage unbegründete Äußerung des Mitbewerbers gegenüber den (potentiellen) Abnehmern des Mitbewerbers über (vermeintliche) Schutzrechtsverletzungen vorliegt, da diese die dem Schutz gewerblicher Schutzrechte gesetzten Grenzen überschreitet und vom Mitbewerber daher nicht hingenommen werden muss (vgl. BGH, GRUR 2009, 878 [juris Rn. 18] - Fräsautomat).

KG, Beschl. v. 12.5.2022, 5 U 139/19, Tz. 104

Im Verhältnis zwischen Mitbewerbern kann eine unberechtigte Schutzrechtsverwarnung, die nach den von der Rechtsprechung hierzu entwickelten Grundsätzen einen Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb darstellt, auch den Tatbestand der unlauteren Mitbewerberbehinderung gemäß § 4 Nr. 4 UWG erfüllen, wobei im Streitfall offenbleiben kann, ob insoweit vorrangig auf die lauterkeitsrechtliche Spezialnorm zurückzugreifen ist oder ob insoweit Anspruchskonkurrenz besteht (vgl. Omsels in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 5. Aufl. 2021, § 4 Rn. 496; Wille in: Büscher, UWG, 2. Aufl. 2021, § 4 Nr. 4 Rn. 126; Köhler in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 40. Aufl. 2022, § 4 Rn. 4.176a; vgl. ferner OLG Düsseldorf, Urteil vom 12. April 2018 – I-20 U 153/17, Rn. 36, juris – Hang Tag Think Green). Für die Prüfung der Unlauterkeit der durch eine unberechtigte Schutzrechtsverwarnung ausgelösten Betriebsstörung sind im Ausgangspunkt dieselben Maßstäbe wie bei der Beurteilung der Rechtswidrigkeit des Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb anzulegen (vgl. BGH, Urteil vom 15. Januar 2009 – I ZR 123/06, Rn. 17f, juris – Fräsautomat; Omsels in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 5. Aufl. 2021, § 4 Rn. 496).

BGH, Urt. v. 29.5.2024, I ZR 145/23, Tz. 112 - Verwarnung aus Kennzeichenrecht III

Bei der Abnehmerschutzrechtsverwarnung geht der Wettbewerbsverstoß regelmäßig mit dem Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Herstellers einher. Die Verwarnung kann dazu führen und dient regelmäßig dazu, dass die verwarnten Abnehmer auf die Produkte des verwarnenden Schutzrechtsinhabers statt derer seines durch die Abnehmerschutzrechtsverwarnung in seinem eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb betroffenen Mitbewerbers zurückgreifen. ... Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb hat als Auffangtatbestand weiterhin einen lückenausfüllenden Charakter (...), auch wenn der Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB nicht durch den wettbewerbsrechtlichen Anspruch verdrängt wird. Der Schwerpunkt der Abnehmerschutzrechtsverwarnung liegt damit nicht außerhalb des Lauterkeitsrechts.

Die Unterschiede beider rechtlicher Anspruchsgrundlagen sind zu beachten. Ansprüche aus einer Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb verjähren erst in drei Jahren, Ansprüche aus dem UWG in sechs Monaten (siehe unten). Fehlverhalten Dritter wird dem Geschäftsherrn im UWG ergänzend über § 8 Abs. 2 UWG zugerechnet. Sonstige Sonderregelungen im UWG gelten ebenfalls nur für die wettbewerbsrechtlichen Ansprüche.

Bei der Schutzrechtsverwarnung als gezielte Behinderung findet keine eigene Rechtswidrigkeitsprüfung statt. Die Kriterien, die bei der Rechtswidrigkeitsprüfung im Rahmen des Eingriffs in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb herangezogen werden, sind aber bei der Prüfung der gezielten Behinderung ebenfalls relevant. Eine unberechtigte, wen auch nicht rechtswidrige Schutzrechtsverwarnung dürfte im Regelfall auch nicht unlauter, die Behinderung nicht ‚gezielt‘ sein.

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Verwarnungsähnliche Schutzrechtshinweise

Hinweise eines vermeintlichen Rechtsinhabers oder eines Dritten, z.B. eines Verbands aif ein Schutzrecht, dass vom Adressaten zu beachten ist oder von anderen Wettbewerbern verletzt wird, können ebenfalls eine gezielte Behinderung darstellen. Das gilt insbesondere, wenn sie gegenüber (potentiellen) Abnehmern oder Nutzern erfolgen, die durch die Nutzung selber eine Rechtsverletzung begehen können. Sie lassen sich von der Gefahr, eine Rechtsverletzung zu unterstützen oder vielleicht sogar selber zu begehen, durch derartige Hinweise leicht beeindrucken und kaufen im Zweifel bei einem anderen.

BGH, Urt. v. 29.5.2024, I ZR 145/23, Tz. 28 - Verwarnung aus Kennzeichenrecht III

Der Anspruch wegen einer unberechtigten Schutzrechtsverwarnung, die darauf beruht, dass dem Abgemahnten eine Verletzung des geltend gemachten Schutzrechts vorgeworfen wird, setzt ein ernsthaftes und endgültiges Verlangen voraus, eine als Schutzrechtsverletzung beanstandete Handlung künftig nicht mehr vorzunehmen (...). Ein solches Verlangen liegt in der Regel vor, wenn der Rechtsinhaber die Abgabe einer förmlichen Unterlassungserklärung verlangt und hierfür eine Frist setzt oder er jedenfalls - ob ausdrücklich oder nicht (...). Ein bloß vorbereitender Meinungsaustausch über die Rechtslage im Hinblick auf das Schutzrecht (sogenannte Berechtigungsanfrage...) begründet hingegen keine Ansprüche (...).

BGH, Urt. v. 29.5.2024, I ZR 145/23, Tz. 45 - Verwarnung aus Kennzeichenrecht III

Für die Annahme eines ernsthaften und endgültigen Verlangens, eine als Schutzrechtsverletzung beanstandete Handlung künftig nicht mehr vorzunehmen, ist es nicht stets erforderlich, dass der Schutzrechtsinhaber unter Fristsetzung die Abgabe einer Unterlassungserklärung verlangt. Es ist vielmehr aufgrund einer Betrachtung aller Umstände des Einzelfalls zu prüfen, ob es sich bei der jeweils in Rede stehenden Geltendmachung des Schutzrechts durch den Schutzrechtsinhaber um ein ernsthaftes und endgültiges Verlangen handelt.

BGH, Urt. v. 29.5.2024, I ZR 145/23, Tz. 46 - Verwarnung aus Kennzeichenrecht III

Ist es noch nicht zu einer Verletzungshandlung gekommen, reicht es für die Annahme einer Schutzrechtsverwarnung aus, wenn der Schutzrechtsinhaber ernsthaft und endgültig geltend macht, dass die beabsichtigten Benutzungshandlungen sein Ausschließlichkeitsrecht verletzen, und er für den Fall der Verletzung die Durchsetzung seiner Rechte androht (BGH, GRUR 2011, 995 [juris Rn. 31] - Besonderer Mechanismus).

BGH, Urt. v. 29.5.2024, I ZR 145/23, Tz. 46 - Verwarnung aus Kennzeichenrecht III

Macht der Schutzrechtsinhaber dem Verwarnten zum Vorwurf, das Schutzrecht bereits verletzt zu haben und verlangt er in dieser Situation nicht die Abgabe einer Unterlassungserklärung, mag dies Zweifel an seinem ernsthaften Willen wecken, sein Schutzrecht tatsächlich durchzusetzen und notfalls gerichtliche Schritte einzuleiten, wenn sich der (vermeintliche) Verletzer nicht unterwirft (BGH, GRUR 2011, 995 [juris Rn. 29] - Besonderer Mechanismus). Dies bedeutet jedoch nicht, dass eine unter Fristsetzung erfolgte Forderung nach einer Unterlassungserklärung stets Voraussetzung für eine Schutzrechtsverwarnung ist (vgl. OLG Frankfurt, Urt. v. 6.12.2005, 11 U 28/05, Tz. 21; OLG Düsseldorf, Urt. v. 15.9.2011, 2 W 58/10, Tz. 10). Es kommt vielmehr auf alle Umstände des Einzelfalls an, ob es sich bei der jeweils in Rede stehenden Geltendmachung des Schutzrechts durch den Schutzrechtsinhaber um ein ernsthaftes und endgültiges Verlangen an den Adressaten handelt, eine als Schutzrechtsverletzung beanstandete Handlung künftig nicht mehr vorzunehmen (vgl. BGH, GRUR 1979, 332 [juris Rn. 34] - Brombeerleuchte). Maßgeblich ist insoweit die objektivierte Sicht des Empfängers der Verwarnung, ob dieser das Anliegen des Schutzrechtsinhabers als ernsthafte und endgültige Forderung verstehen muss, ein bestimmtes Verhalten sofort einzustellen (vgl. BGHZ 208, 119 [juris Rn. 30] - Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung II; OLG Frankfurt, Urt. v. 6.12.2005, 11 U 28/05, Tz. 20; OLG Düsseldorf, Urt. v. 15.9.2011, 2 W 58/10, Tz. 10; OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2014, 315 [juris Rn. 37]).

BGH, Urt. v. 15.1.2009, I ZR 123/06 - Fräsautomat

Weist ein Fachverband, dem Schlüsselhersteller als Mitglieder angehören, potentielle Hersteller einer Maschine, mit der Schlüsselprofile gefräst werden können (Fräsautomat), darauf hin, dass die Verwendung des Fräsautomaten Patent- und Markenrechte seiner Mitglieder verletzen könne, so kann darin eine unlautere Mitbewerberbehinderung liegen, wenn mit dem Fräsautomaten zwar in einem nennenswerten Umfang auch das Prägen nicht geschützter Profile möglich ist, der Hinweis wegen seines pauschalen Inhalts aber Interessenten dazu veranlassen kann, sicherheitshalber von dem Erwerb der Maschine Abstand zu nehmen.

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Streitgegenstand

OLG Düsseldorf, Urt. v. 12.4.2018, 20 U 153/17, Tz. 41

§ 823 Abs. 1 BGB i.V.m. § 1004 BGB analog und § 4 Nr. 4 UWG … unterliegen keiner durch eine Verselbständigung der einzelnen Lebensvorgänge erkennbar unterschiedlichen Ausgestaltung, vielmehr werden beide im Kern darauf gestützt, dass eine unberechtigte Schutzrechtsverwarnung vorliegt. Der Umstand, dass sich die Anspruchsgrundlagen in einzelnen Merkmalen unterscheiden, beispielsweise für den lauterkeitsrechtlichen Anspruch die Sonderregelung des § 12 UWG zu berücksichtigen ist, steht dieser Einschätzung nicht entgegen. Vielmehr sind solche Unterschiede auch für andere geläufige Konstellationen einer streitgegenstandsidentischen Anspruchskonkurrenz typisch und begründen im Regelfall keine unterschiedlichen Streitgegenstände, sofern die Haftung maßgeblich auf dasselbe Tatgeschehen gestützt wird. Auch der Umstand, dass die Schutzrechtsverwarnung ihrerseits auf mehrere Schutzrechte gestützt wurde, führt jedenfalls vorliegend nicht dazu, dass von mehreren Streitgegenständen auszugehen ist, wobei dahinstehen kann, ob es Fallgestaltungen geben mag, in denen trotz einheitlicher Schutzrechtsverwarnung von mehreren Streitgegenständen auszugehen ist. Mehrere Streitgegenstände liegen zwar ohne weiteres vor, wenn ein Kläger/Antragsteller aus mehreren Schutzrechten auf Unterlassung vorgeht (BGH GRUR 2012, 630 Rn. 14 – Converse II; BGH GRUR 2013, 397 Rn. 13 – Peek&Cloppenburg III). Von einer unberechtigten Schutzrechtsverwarnung ist im Streitfall aber nur dann auszugehen, wenn keines der angeführten Schutzrechte die begehrte Unterlassung rechtfertigt. Entsprechend ist es der Antragstellerin gar nicht möglich, ihren Unterlassungsanspruch allein damit zu begründen, eines der angeführten Schutzrechte sei nicht verletzt, sie muss sich vielmehr mit allen im Rahmen der Abmahnung angeführten Schutzrechten auseinandersetzen, was die Annahme nur eines Streitgegenstandes bedingt.

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Verjährung

BGH, Urt. v. 29.5.2024, I ZR 145/23, Tz. 110, 112 - Verwarnung aus Kennzeichenrecht III

Für Ansprüche aus § 823 Abs. 1 BGB wegen einer unberechtigten Schutzrechtsverwarnung gilt die kurze Verjährungsfrist des § 11 UWG und nicht die regelmäßige Verjährungsfrist des § 195 BGB, wenn das Verhalten des Verwarnenden zugleich einen wettbewerbsrechtlichen Anspruch begründet.

... Für Ansprüche im Verhältnis von Wettbewerbern hat sich der Gesetzgeber mit § 11 UWG unter anderem deshalb für eine kurze Verjährungsfrist entschieden, weil dort ein Bedürfnis besteht, wegen der Schwierigkeiten der tatsächlichen Feststellbarkeit Wettbewerbsstreitigkeiten möglichst bald zum Austrag zu bringen (...).

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