Voraussetzungen für eine Werbung mit gesundheitsbezogenen Angaben
1. Allgemeines Reglement der HCVO
2. Voraussetzungen für eine Werbung mit gesundheitsbezogenen Angaben
b. Besondere Voraussetzungen (Art. 13 , 14 Abs. 1 HCVO)
c. Gemeinschaftsliste zugelassener gesundheitsbezogener Angaben (Art. 13 und 14 HCVO)
aa. Wie dürfen zugelassene Angaben verwendet werden?
ii. Abweichende Formulierungen
iii. Aufklärung/Erläuterung an anderer Stelle
d. Unbeschiedene gesundheitsbezogene Angaben
aa. Wissenschaftlicher Nachweis für nicht beschiedene Health-Claims
bb. Besondere Voraussetzungen (Art. 14 Abs. 2 HCVO)
cc. Allgemeine Voraussetzungen (Art. 5 und 6 HCVO)
ii. Wissenschaftliche Absicherung von Angaben
aa. Worüber müssen allgemein anerkannte wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen?
bb. Wann müssen die allgemein anerkannten wissenschaftlichen Erkenntnisse vorliegen?
cc. Was sind allgemein anerkannte wissenschaftliche Erkenntnisse?
dd. Was bedeuten die Regelungen der HCVO für die Darlegungs- und Beweislast?
4. Art. 10 Abs. 3 (Verweise auf nicht spezifische Vorteile)
Beifügen spezifischer gesundheitsbezogener Angaben
5. Weitergehende und per-se-Verbote
b. Art. 4 Abs. 3 HCVO (Alkoholhaltige Getränke)
c. Art. 12 HCVO (Generell unzulässige gesundheitsbezogene Angaben)
6. Übergangsvorschriften / Reichweite einer vorläufigen Zulassung
a. Art. 28 Abs. 2 HCVO (Handels- und Markennamen)
b. Art. 28 Abs. 5 HCVO (Unbeschiedene gesundheitsbezogene Angaben)
7. Art. 10 Abs. 2 (Obligatorische ergänzende Angaben)
Allgemeines Reglement der HCVO
Nach der HCVO sind gesundheitsbezogene Aussagen nur zulässig, wenn sie in eine Liste, die von der Europäischen Kommission geführt wird, eingetragen sind. Die Eintragung setzt den Nachweis voraus, dass die Aussagen zutreffen. Art. 10 Abs. 3 HCVO erlaubt ergänzend unter bestimmten Voraussetzungen unspezifische gesundheitsbezogene Angaben.
Die EU-Kommission hängt mit der Veröffentlichung der Listen allerdings hinterher. Mitte Mai 2012 wurden mit der VERORDNUNG (EU) Nr. 432/2012 zur Festlegung einer Liste zulässiger anderer gesundheitsbezogener Angaben über Lebensmittel als Angaben über die Reduzierung eines Krankheitsrisikos sowie die Entwicklung und die Gesundheit von Kindern über die meisten Zulassungsanträge für nährwert- und gesundheitsbezogene Aussagen positiv oder negativ entschieden. Die Verordnung ist seit dem 14. Dezember 2012 zu beachten. Sie wurde und wird durch weitere Verordnungen ergänzt. Die vorliegenden Zulassungsentscheidungen lassen sich recherchieren im
EU-Register
über nährwert- und gesundheitsbezogene Aussagen
über Lebensmittel
Über die Zulassung hinaus sowie in allen Fällen, in denen noch keine Zulassungsentscheidung ergangen ist, müssen für eine rechtmäßige Werbung mit gesundheitsbezogenen Angaben weitere Voraussetzungen erfüllt werden. Im einzelnen gilt:
Voraussetzungen für eine Werbung mit gesundheitsbezogenen Angaben
OLG Bamberg, Urt. v. 29.6.2016, 3 U 32/16, II.2.c
Bei der Frage, welche Anforderungen an die Zulässigkeit gesundheitsbezogener Angaben zu stellen sind, ist zwischen speziellen gesundheitsbezogenen Angaben, deren Zulässigkeit nach Art. 10 Abs. 1 HCVO zu beurteilen ist, und nichtspezifischen gesundheitsbezogenen Angaben zu unterscheiden. Die Zulässigkeit von letzteren ist nach Art. 10 Abs. 3 HCVO zu beurteilen (vgl. BGH, Urteil vom 10.12.2015 - I ZR 222/13 - Lernstark, a.a.O. Rdnr. 24).
OLG Karlsruhe, Urt. v. 27.2.2019, 6 U 87/18 - Zykluszauber-Tee
Es kommt unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt darauf an, ob der Verbraucher irregeführt wird oder ob dem Produkt irgendwelche Eigenschaften oder Wirkungen zugeschrieben werden, die es nicht hat. Denn der Begriff der gesundheitsbezogenen Angabe ist nicht auf irreführende Angaben beschränkt, sondern erfasst alle Angaben, die sich in der Weise auf die Gesundheit beziehen, dass sie deren Verbesserung durch den Verzehr beinhalten.
Art. 10 Abs. 1 HCVO
BGH, Beschl. v. 5.12.2012, I ZR 36/11, Tz. 10 - Monsterbacke
Nach Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 sind gesundheitsbezogene Angaben verboten, sofern sie nicht den allgemeinen Anforderungen in Kapitel II und den speziellen Anforderungen im Kapitel IV der Verordnung entsprechen, nach ihr zugelassen und in die Liste der zugelassenen Angaben gemäß den Art. 13 und 14 der Verordnung aufgenommen sind. Gesundheitsbezogene Angaben sind danach - anders gewendet - nur dann zulässig, wenn sie - erstens - den allgemeinen Anforderungen der Art. 3 bis 7 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 und - zweitens - den in Art. 10 bis 19 dieser Verordnung aufgestellten speziellen Anforderungen entsprechen sowie - drittens - gemäß dieser Verordnung zugelassen und in die Liste der zugelassenen Angaben gemäß den Art. 13 und 14 der Verordnung aufgenommen sind.
S.a. BGH, Beschl. v. 1.6.2023 - I ZR 109/22, Tz. 16 - Botanicals; BGH, Urt. v. 7.4.2016, I ZR 81/15, Tz. 14 - Repair-Kapseln; BGH, Urt. v. 10.10.2015, I ZR 222/13, Tz. 13 – Lernstark; OLG Düsseldorf, Urt. v. 6.8.2015, I-2 U 13/15, Tz. 89; OLG Düsseldorf, Urt. v. 6.8.2015, 2 U 10/15, Tz. 96, Tz. 116; OLG Düsseldorf, Urt. v. 6.8.2015, 2 U 11/15, Tz. 103; OLG Celle, Urt. v. 22.10.2015, 13 U 47/15, Tz. 46; OLG Hamm, Urt. v. 13.9.2016, 4 U 17/16, Tz. 38; KG, Urt. v. 17.3.2017, 5 U 80/16 (MD 2017, 592); OLG Brandenburg, Urt. v. 26.2.2019, 6 U 84/18, Tz. 25; OLG Stuttgart, Urt. v. 4.11.2021, 2 U 49/21, Tz. 36 – Collagen Youth Drink; KG, Beschl. v. 18.2.2022, 5 U 1007/20, Tz. 42 und weitere mehr (allgemeine Meinung)
OLG Hamm, Urt. v. 13.9.2016, 4 U 17/16, Tz. 40
Die Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen.
KG, Urt. v. 27.05.14, 5 U 76/12, A.I.4.c.bb
Das Verbot betrifft allein geschäftliche Handlungen, also insbesondere Handlungen im Zusammenhang mit dem Produktabsatz. Äußerungen etwa im Rahmen einer wissenschaftlichen Diskussion innerhalb der Fachkreise oder in behördlichen oder gerichtlichen Verfahren werden davon nicht erfasst.
KG, Urt. v. 27.05.14, 5 U 76/12, A.I.3
Die Verbotstatbestände des Art. 10 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1 lit. a, Art. 6 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 sowie des § 11 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 2 LFGB sprechen ein generelles Verbot aus, das nach seinem klaren Wortlaut auch durch einen etwaigen irrtumsaufklärenden Hinweis nicht entfällt. Derartige häufig eher verharmlosende, leicht zu übersehende und nicht selten vom Durchschnittsverbraucher missverstandene Hinweise lassen immer noch Raum für Gefahren einer Irreführung, die der Gesetz- und Verordnungsgeber angesichts des hohen Wertes der Schutzgüter der Gesundheit der Verbraucher und ihrer wirtschaftlichen Entschließungsfreiheit bei gesundheitsbezogenen Angaben für Lebensmittel insgesamt ausschließen will.
Marktverhaltensregelung
BGH, Urt. v. 26..2.2014 - I ZR 178/12, Tz. 16 - Praebiotik
Die Vorschrift des Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 ist eine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG. Ihre Verletzung ist geeignet, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber und Verbraucher im Sinne des § 3 Abs. 1 UWG spürbar zu beeinträchtigen.
Ebenso BGH, Urt. v. 19. 9. 2019, I ZR 91/18, Tz. 13 – Gelenknahrung; OLG München, Urt. v. 20.7.2023, 29 U 680/22, Tz. 26; OLG Hamm, Urt. v. 14.3.13, 4 U 5/13, Tz. 53; OLG Hamm, Urt. v. 30.4.2013, 4 U 149/12, Tz. 71 - Vitalstoffe; OLG Celle, Urt. v. 26.5.2016, 13 U 76/15; OLG Celle, Urt. v. 30.6.2016, 13 U 160/15, II.2; OLG Hamburg, Urt. v. 3.8.2017, 3 U 130/16 (MD 2017, 930); OLG Hamburg, Beschl. v. 2.9.2020, 3 W 55/20, Tz. 53; OLG Koblenz, Urt. v. 30.6.2021, 9 U 1268/20, Tz. 74 (MD 2021, 911); OLG Stuttgart, Urt. v. 4.11.2021, 2 U 49/21, Tz. 38 – Collagen Youth Drink; OLG Hamm, Urt. v. 11.8.2022, 4 U 81/21; OLG München, Urt. v. 21.12.2023, 29 U 4088/22 - Für ein gesundes Immunsystem und weitere mehr (allgemeine Meinung)
Ein Verstoß gegen Art. 10 Abs. 1 HCVO verletzt damit stets auch § 3a UWG.
Besondere Voraussetzungen (Art. 13 , 14 Abs. 1 HCVO)
Gemeinschaftsliste zugelassener gesundheitsbezogener Angaben (Art. 13 und 14 HCVO)
Seit dem 14. Dezember 2012 ist die VERORDNUNG (EU) Nr. 432/2012 zur Festlegung einer Liste zulässiger anderer gesundheitsbezogener Angaben über Lebensmittel als Angaben über die Reduzierung eines Krankheitsrisikos sowie die Entwicklung und die Gesundheit von Kindern zu beachten, die in der Folgezeit durch weitere Verordnungen ergänzt wurde. Inhaltlich geht es um die Gemeinschaftsliste gemäß Art. 13 Abs. 3, 14. Abs. 1 HCVO. Die Liste ist aber noch nicht vollständig. Sog. Botanicals wurden bspw. noch nicht beschieden.
KG, Urt. v. 17.3.2017, 5 U 80/16 (MD 2017, 592)
Art. 13 HCVO regelt nur die Zulässigkeit anderer gesundheitsbezogene Angaben als Angaben über die Reduzierung eines Krankheitsrisikos, während Angaben über die Verringerung eines Krankheitsrisikos Art. 14 HCVO unterfallen.
Ebenso KG, Urt. v. 7.11.2017, 5 U 9/17 (MD 2018, 115)
Soweit die Kommission zu einem Nährstoff oder einer anderen Substanz eine Entscheidung getroffen hat, sind dazu gesundheitsbezogene Angaben nur noch zulässig, wenn sie zugelassen sind und die Zulassungsvoraussetzungen, wie sie sich ebenfalls aus der Gemeinschaftsliste ergeben, eingehalten werden. Alles andere ist verboten, es sei denn es greift ausnahmsweise noch die Übergangsbestimmungen in Art. 28 Abs. 5, 6 HCV (siehe dazu Erwägungsgrund 10, 11 der VO (EU) Nr. 432/2012 sowie hier).
Die von der EU beschiedenen gesundheitsbezogenen Angaben können im
EU-Register
über nährwert- und gesundheitsbezogene Aussagen
über Lebensmittel
recherchiert werden.
Eine gesundheitsbezogene Angabe, die in die Gemeinschaftsliste eingetragen wurde, darf von jedem verwendet werden, der die Zulässigkeitsvoraussetzungen erfüllt (Art. 17 Abs. 5 HCVO). Die Zulassung gilt nicht Antragsteller bezogen, sondern Substanz bezogen.
Gesundheitsbezogene Angaben sind damit nur noch zulässig, wenn sie von der EU zugelassen wurden. Selbst wenn sie wissenschaftlich abgesichert sind, darf damit erst geworben werden, wenn sie das Zulassungsverfahren durchlaufen sind. Denn der wissenschaftliche Nachweis ist nicht die einzige Zulassungsvoraussetzung. Im Zulassungsverfahren berücksichtigt die Kommission vielmehr auch weitere Aspekte wie anerkannte Ernährungs- und Gesundheitsgrundsätzen. Ihr steht bei der Zulassung ein weites Ermessen zu (EuGH, Urt. v. 16. März 2016, T‑100/15 - Dextro Energy).
Etwas anderes gilt nur für Angaben, über die von der EU noch nicht entschieden wurde.
OLG Celle, Urt. v. 26.5.2016, 13 U 76/15, II.2.b.2.b
Ob die erforderlichen wissenschaftlichen Nachweise vorliegen ist nicht entscheidungsrelevant. Denn es fehlt jedenfalls an der Zulassung der gesundheitsbezogenen Angaben in Listen gem. Art. 13 Abs. 3 und Art. 14 Abs. 1 HCVO, wobei Art. 13 HCVO von Art. 14 nicht erfasste gesundheitsbezogene Angaben und Art. 14 HCVO u. a. Angaben über die Verringerung des Krankheitsrisikos betrifft. ...
Gem. Art. 10 Abs. 1 HCVO müssen nicht nur die allgemeinen Anforderungen aus Kap. II (mithin die wissenschaftlichen Nachweise) gegeben, sondern auch die speziellen Anforderungen des Kap. IV erfüllt sein. Die gesundheitsbezogene Angabe muss mithin in die Liste der zugelassenen Angaben gem. Art. 13 Abs. 3 und 14 Abs. 1 HCVO aufgenommen worden sein.
OLG Hamm, Urt. v. 13.9.2016, 4 U 17/16, Tz. 42
Es genügt grundsätzlich bereits das Fehlen der Angabe in der Liste nach Art. 13 Abs. 3 HCVO, um das Verbot auszulösen.
OLG Celle, Urt. v. 26.5.2016, 13 U 76/15, II.2.b.4
Die Übergangsvorschrift des Art. 28 Abs. 5 HCVO ist nach der Annahme der Gemeinschaftsliste VO (EU) 432/2012 (einschließlich deren Ergänzungen durch VO (EU) 536/2013, VO (EU) Nr. 1018/2013, VO (EU) 40/2014 und VO (EU) 2015/7) nur noch hinsichtlich der Angaben anwendbar, deren Bewertung durch die Behörde oder deren Prüfung durch die Kommission noch nicht abgeschlossen ist.
Wie dürfen zugelassene Angaben verwendet werden?
Bezugspunkt der Aussage
Die gesundheitsbezogenen Angaben müssen auf den jeweiligen Inhaltsstoff bezogen werden, für den sie zugelassen wurden. Es ist unzulässig, sie auf das Produkt zu beziehen, auch wenn es den Inhaltsstoff enthält. Allerdings kann es sich bei der Angabe mehrerer Bestandteile eines Kombinationsprodukts (z.B. Nahrungsergänzungsmittels) in einer Aussage um eine allgemeine, nichtspezifische Angabe nach Art. 10 Abs. 3 HCVO handeln (BGH, Beschl. v. 12.7.2018, I ZR 162/16, Tz. 23 – B-Vitamine; näheres dazu hier).
BGH, Urt. v. 7.4.2016, I ZR 81/15, Tz. 34 ff - Repair-Kapseln
Die ... Angaben sind deshalb nicht mit zugelassenen Angaben inhaltsgleich, weil sie nicht erkennen lassen, auf welchen der in der Liste der zugelassenen Angaben aufgeführten Nährstoffe, Substanzen, Lebensmittel oder Lebensmittelkategorien die behauptete Wirkung der "Repair-Kapseln" beruht.
In der im Anhang zur Verordnung (EU) Nr. 432/2012 enthaltenen Liste der zugelassenen Angaben ist jeweils eine bestimmte Wirkung in Beziehung zu einem bestimmten Nährstoff, einer bestimmten Substanz, einem bestimmten Lebensmittel oder einer bestimmten Lebensmittelkategorie gesetzt. Eine gesundheitsbezogene Angabe, die nicht erkennen lässt, auf welchen der in der Liste der zugelassenen Angaben im Anhang zur Verordnung (EU) Nr. 432/2012 aufgeführten Nährstoffen, Substanzen, Lebensmitteln oder Lebensmittelkategorien die behauptete Wirkung eines Produkts beruht, ist daher mit den zugelassenen Angaben nicht inhaltsgleich und somit unzulässig. Das ergibt sich auch aus dem Zweck der Verordnung, sicherzustellen, dass gesundheitsbezogene Angaben wahrheitsgemäß, klar, verlässlich und für den Verbraucher hilfreich sind (Erwägungsgrund 9 Satz 1 der Verordnung). Dieser Zweck kann nur er-reicht werden, wenn die verwendete Angabe und die zugelassene Angabe auf den gleichen Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem Lebensmittelbestandteil und einer bestimmten Wirkung auf die Gesundheit hinweisen (vgl. Erwägungsgrund 9 Satz 3 der Verordnung). Die Annahme einer inhaltlichen Übereinstimmung zwischen zugelassener und verwendeter Angabe setzt daher voraus, dass die zugelassene Angabe und die verwendete Angabe hinsichtlich des Nährstoffs oder der anderen Substanz oder des Lebensmittels oder der Lebensmittelkategorie, für die die Angabe zugelassen wurde bzw. verwendet wird, übereinstimmen (BGH, GRUR 2016, 412 Rn. 53 - Lernstark; OLG Bamberg, WRP 2014, 609, 614; Rathke/ Hahn in Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, 162. EL November 2015, Art. 10 Verordnung [EG] Nr. 1924/2006 Rn. 45a).
Die bloße Angabe einer bestimmten Wirkung ohne Benennung des Nährstoffs, der Substanz, des Lebensmittels oder der Lebensmittelkategorie, auf der diese Wirkung nach der Liste der zugelassenen Angaben beruht, ist mit der zugelassenen Angabe nicht inhaltsgleich und daher unzulässig.
BGH, Urt. v. 7.4.2016, I ZR 81/15, Tz. 40 - Repair-Kapseln
Eine gesundheitsbezogene Angabe ist bei einem nicht nur aus einem Stoff bestehenden Produkt nur zulässig, wenn sie die Substanz benennt, die die behauptete Wirkung hat (vgl. Rn. 35).
Ebenso OLG Hamburg, Beschl. v. 2.9.2020, 3 W 55/20, Tz. 66
OLG Bamberg, Urt. v. 12.2.2014, 3 U 192/13, Tz. 102 f, 114 ff
Gesundheitsbezogene Angaben dürfen nur für den jeweiligen Nährstoff, die Substanz oder das Lebensmittel gemacht werden, für die sie zugelassen sind, nicht jedoch für das Lebensmittelprodukt, das diese enthält.
Dies folgt zum einen aus den Bedingungen, die die EU-Kommission der im Internet veröffentlichten Liste vorangestellt hat (vgl. Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Loseblattkommentar Bd. II, EL 152. März 2013, C 111, Art. 10 HCVO, Rn. 18c). ...
Die in den "Terms & Conditions" enthaltene Rechtsauffassung lässt sich aber unmittelbar aus der HCVO selbst und den ihr vorangestellten Erwägungsgründen herleiten.
Nach Anhörung der Behörde verabschiedet die Kommission nach dem in Artikel 25 Absatz 3 genannten Regelungsverfahren mit Kontrolle spätestens am 31. Januar 2010 als Änderung nicht wesentlicher Bestimmungen dieser Verordnung durch Ergänzung eine Gemeinschaftsliste zulässiger Angaben gemäß Absatz 1 sowie alle für die Verwendung dieser Angaben notwendigen Bedingungen.
Ebenso OLG Hamm, Urt. v. 11.8.2022, 4 U 81/21, Tz. 63; KG, Urt. v. 10.7.2015, 5 U 24/15 (= MD 2015, 847); KG, Urt. v. 10.7.2015, 5 U 154/14, B.1.c.bbb; KG, Urt. v. 11.9.2015, 5 U 50/14, B.I.3.a (2) (= MD 2015, 1242); OLG Köln, Urteil vom 6.11.2015, 6 U 66/15, II.2.b.bb.(1) (= MD 2016, 213); OLG Celle, Urt. v. 22.10.2015, 13 U 123/14, B.II.1.b.aa (mit sehr ausführlicher Begründung); KG, Urt. v. 11.12.2015, 5 U 48/15, B.1.c.cc; KG, Urt. v. 11.12.2015, 5 U 63/15, B.1.b.cc; KG, Urt. v. 11.12.2015, 5 U 64/15, B.1.b.cc; OLG Celle, Urt. v. 10.3.2016, 13 U 77/15, II.2.c; KG, Urt. v. 26.7.2016, 5 U 18/16, B.2; KG, Beschl. v. 18.2.2022, 5 U 1007/20, Tz. 68
Beispiel
OLG München, Urt. v. 20.7.2023, 29 U 680/22, Tz. 53 f
Nach Art. 1 Abs. 1 VO (EU) 432/2012 ist die Liste der zulässigen gesundheitsbezogenen Angaben gemäß Artikel 13 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 [HCVO], die über Lebensmittel gemacht werden dürfen, im Anhang der VO (EU) 432/2012 festgelegt. Nach Art. 1 Abs. 2 VO (EU) 432/2012 dürfen die in Abs. 1 genannten gesundheitsbezogenen Angaben gemäß den im Anhang aufgeführten Bedingungen über Lebensmittel gemacht werden.
Die Liste der zulässigen gesundheitsbezogenen Angaben im Anhang zur VO (EU) 432/2012 enthält für den Stoff „Glucomannan“ in Spalte 1 die gesundheitsbezogene Angabe „Glucomannan trägt im Rahmen einer kalorienarmen Ernährung zu Gewichtsverlust bei“ in Spalte 2, und in Spalte 4 mit der Überschrift „Bedingungen und/oder Beschränkungen hinsichtlich der Verwendung des Lebensmittels und/oder zusätzliche Erklärungen oder Warnungen“ ist aufgeführt: - Warnung, dass bei Verbrauchern mit Schluckbeschwerden oder bei unzureichender Flüssigkeitszufuhr Erstickungsgefahr besteht; - Empfehlung der Einnahme mit reichlich Wasser, damit Glucomannan in den Magen gelangt.
OLG Bamberg, Urt. v. 12.2.2014, 3 U 192/13, Tz. 112
Die Werbung "P. trägt zum Erhalt der Zähne bei" ist nach dem Willen der EU-Kommission unzulässig. Zulässig wäre in diesem Sinne: "P. enthält Vitamin D und Calcium, die zum Erhalt normaler Zähne beitragen."
OLG Köln, Urt. v. 6.11.2015, 6 U 65/15, Tz. 86 f
Die angefochtenen Werbeaussagen knüpfen nicht an den Inhaltsstoff Vitamin B6 an, sondern an „die wertvollen Nährstoffe des Ginkgo“, ergänzt um Phospholipide als „Nährstoff-Taxi“ und Vitamin B6, das für einen Energienachschub durch Bildung roter Blutkörperchen sorge; erst durch das Zusammenspiel dieser drei Bestandteile ergebe sich die volle Wirkkraft des Produkts, wie eine „Spritze zum Schlucken“.
Für Ginkgo und/oder Phospholipide gibt es keinen bereits zugelassenen Claim.
oder: Nicht "Ein Glas Orangensaft trägt zur Verringerung von Müdigkeit und Ermüdung bei", sondern "Das Vitamin C in einem Glas Orangensaft trägt zur Verringerung von Müdigkeit und Ermüdung bei." (Teufer, GRUR-Prax 2012, 476/477 nach OLG Bamberg)
OLG Celle, Urt. v. 22.10.2015, 13 U 47/15, Tz. 51
Die in Bezug genommenen Health-Claims beziehen sich jeweils auf den wiedergegebenen Stoff als Bestandteil eines Lebensmittels, nicht jedoch auf das Produkt, in dem dieser Stoff enthalten ist (so auch OLG Bamberg, Urt. v. 12.2.2014, 3 U 192/13). Dafür spricht schon, dass in Art. 13 Abs. 1 lit. a) HCVO ausdrücklich von der Bedeutung eines Nährstoffs oder einer anderen Substanz die Rede ist. Es erleichtert die Transparenz, wenn der Verbraucher weiß, dass die in einem Health Claim beschriebenen Wirkungen auch mit einem anderen Produkt (etwa Obst und Gemüse), das die gleichen Inhaltsstoffe enthält, erreicht werden können.
OLG Hamm, Urt. v. 24.2.2015, I-4 U 72/14 (MD 2015, 1252)
Wirkungsangaben, die in der Gemeinschaftsliste auf einen bestimmten Nährstoff bzw. eine bestimmte Substanz bezogen sind, dürfen zwingend nur unter Nennung dieses Nährstoffes bzw. dieser Substanz verwendet werden. Die (bloße) Verwendung der Wirkungsangabe – ohne verständliche Benennung des entscheidenden Wirkstoffes – für ein Lebensmittel als solches, das den Wirkstoff (in welcher Menge auch immer) enthalten mag, ist damit nicht zulässig.
Bestätigt durch BGH, Urt. v. 7.4.2016, I ZR 81/15, Tz. 34 ff - Repair-Kapseln (s.o.)
OLG Hamburg, Urt. v. 13.9.2012, 3 U 107/11, II.3
Sowohl die Formulierung im TV-Spot: „A. Kindermilch ist die einzige Kindermilch mit altersgerechtem Eiweißgehalt, Vitamin D und patentierten Prebiotics, um Ihr Kind weiterhin von innen heraus zu unterstützen. Durch Vermehrung von guten Darmbakterien“ als auch die entsprechende Auslobung in der Zeitschrift „eltern“ weisen zwar auf die gute Wirkung für die Verdauungsgesundheit hin. Dies aber in Bezug auf das gesamte Produkt, nämlich A. Kindermilch mit allen aufgeführten Bestandteilen, ohne klarzustellen, dass allein die in den „patentierten Prebiotics“ enthaltenen Oligosaccharide für die Förderung der Verdauungsgesundheit verantwortlich sein sollen. Dem angesprochenen Verkehr wird also gerade nicht unmissverständlich mitgeteilt, dass die angepriesene Unterstützung des Kindes von innen heraus durch Vermehrung guter Darmbakterien – wenn überhaupt – allein auf die in der Präbiotik-Mischung enthaltenen Oligosaccharide zurückzuführen sind. Vielmehr wird bei dem angesprochenen Verkehrskreis die Vorstellung hervorgerufen, dass gerade die Zutatenmischung gesundheitsfördernd, weil die Darmflora unterstützend, sei. Aufgrund des gestellten Zulassungsantrages wäre aber allenfalls eine auf die „patentierten Prebiotics“ bezogene Aussage als gesundheitsbezogene Angabe nach Art. 10, 2 Abs. 5, 13 HCV zulässig.
OLG Celle, Urt. v. 6.9.2019, 13 U 69/18, Tz. 48, 50
Die Beklagte hat die gesundheitsbezogene Angabe nicht für die Substanz Fructose, sondern für das Lebensmittel Honig als Bestandteil des Produktes A. gemacht. Für Honig gibt es eine Vielzahl eigener Health Claims, die jedoch (noch) nicht zugelassen sind. Ein zugelassener Claim betreffend den Anstieg des Blutzuckerspiegels existiert für Honig also nicht. ...
Aus dem Umstand, dass die zugelassene Angabe nach dem vorgenannten Health Claim von „Lebensmitteln, die Fructose enthalten“, spricht, folgt hier nichts anderes. Denn die Beklagte hat in der streitgegenständlichen Werbeaussage keinen Bezug zwischen dem Lebensmittel Honig und der darin enthaltenen Fructose hergestellt, wie es z.B. mit einer Formulierung wie „Die in Honig enthaltene Fructose lässt den Blutzuckerspiegel deutlich langsamer ansteigen...“ möglich gewesen wäre.
Die Substanz muss auch dann genannt werden, wenn sich der zugelassene Claim ausdrücklich auf die Substanz enthaltene Lebensmittel bezieht:
OLG Celle, Urt. v. 22.10.2015, 13 U 123/14, B.II.1.b.aa
Die angegriffene Werbeaussage auf der Produktverpackung ist schon deshalb nicht durch diese Health-Claims gedeckt, weil sie eine Aussage nicht bezogen auf die Inhaltsstoffe Fructose und Zink, sondern vielmehr für das Lebensmittel als solches enthält. Der zitierte Health-Claim betreffend Fructose ist zwar nicht auf die Substanz Fructose beschränkt, sondern vielmehr auf fructosehaltige Lebensmittel bezogen. Auch insoweit ist aber eine Aussage, die die Wirkung dieser Substanz allein in einen Zusammenhang mit dem Lebensmittel stellt, ohne - entgegen dem Wortlaut des Health-Claims - die Bedeutung der Substanz herauszustellen, unzulässig.
Es folgt eine sehr ausführliche Begründung (abrufbar unter juris.de). Darin heißt es u.a.
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- "Der Wortlaut der in Art. 13 enthaltenen Ausnahme von dem präventiven Verbot des Art. 10 HCVO spricht bereits für sich genommen dafür, dass gerade die Bedeutung des in die Gemeinschaftsliste aufgenommenen Stoffes beschrieben werden muss."
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- Aus Erwägungsgrund 9 zur VO (EG) 432/2012 folgt, "dass nach Auffassung der Kommission eine Umformulierung nur insoweit von dem jeweiligen Health-Claim gedeckt und damit nach Art. 13 Abs. 1 HCVO zulässig ist, als diese aus Verbrauchersicht gleichbedeutend mit der zugelassenen Angabe ist, weil 'damit auf den gleichen Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem Lebensmittelbestandteil und einer bestimmten Wirkung auf die Gesundheit hingewiesen wird'."
- "Durch das Erfordernis, den Wirkzusammenhang gerade mit der maßgeblichen Substanz und nicht nur mit dem Lebensmittel als solchem herauszustellen, wird die Transparenz für Verbraucher erhöht, denen durch die Information, welche Substanzen für beschriebene positive Effekte verantwortlich sind, aufgezeigt wird, dass gegebenenfalls auch alternative Lebensmittel vergleichbare Effekte haben können."
S.a. OLG Celle, Urt. v. 6.9.2019, 13 U 69/18, Tz. 49; OLG Celle, Urt. v. 22.10.2015, 13 U 47/15, Tz. 67ff; OLG Celle, Urt. v. 22.10.2015, 13 U 123/14, B.II.1.b; OLG Hamburg, Urt. v. 13.12.2018, 3 U 105/16
Abweichende Formulierungen
Der Werbende muss nicht den Wortlaut der zugelassenen gesundheitsbezogenen Aussage verwenden. Umformulierungen sind zulässig – aber nur wenn sie sinngleich mit der gesundheitsbezogenen Aussage sind.
BGH, Urt. v. 10.10.2015, I ZR 222/13, Tz. 51 – Lernstark
Die Zulässigkeit der Verwendung einer gesundheitsbezogenen Angabe im Sinne von Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 hängt grundsätzlich nicht davon ab, dass die verwendete Angabe mit einer zugelassenen Angabe wörtlich übereinstimmt. Vielmehr dürfen auch mit einer zugelassenen Angabe gleichbedeutende, also inhaltlich übereinstimmende Angaben verwendet werden. Das ergibt sich aus den Erwägungsgründen der Verordnungen über die Zulassung bzw. Nichtzulassung und zur Festlegung einer Liste gesundheitsbezogener Angaben. Für gesundheitsbezogene Angaben, die in den Anwendungsbereich des Art. 14 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 fallen, bestimmt Erwägungsgrund 11 Satz 2 der Verordnung (EU) Nr. 957/2010 über die Zulassung bzw. Nichtzulassung bestimmter gesundheitsbezogener Angaben über Lebensmittel betreffend die Verringerung eines Krankheitsrisikos sowie die Entwicklung und die Gesundheit von Kindern, dass in den Fällen, in denen der Wortlaut einer Angabe aus Verbrauchersicht gleichbedeutend ist mit einer zugelassenen gesundheitsbezogenen Angabe gemäß Anhang I, da damit auf den gleichen Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem Lebensmittelbestandteil und einer bestimmten Auswirkung auf die Gesundheit hingewiesen wird, jene Angabe auch den Verwendungsbedingungen nach dem genannten Anhang unterliegen sollte. Für gesundheitsbezogene Angaben, die in den Anwendungsbereich des Art. 13 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 fallen, enthält Erwägungsgrund 9 Satz 3 der Verordnung (EU) Nr. 432/2012 zur Festlegung einer Liste zulässiger anderer gesundheitsbezogener Angaben über Lebensmittel als Angaben über die Reduzierung eines Krankheitsrisikos sowie die Entwicklung und die Gesundheit von Kindern eine nahezu gleichlautende Regelung (zu nährwertbezogenen Angaben vgl. Erwägungsgrund 21 Satz 2 der Verordnung [EG] Nr. 1924/2006).
Ebenso BGH, Urt. v. 7.4.2016, I ZR 81/15, Tz. 30 - Repair-Kapseln; OLG Karlsruhe, Urt. v. 3.7.2020, 4 U 121/19, I.B.7; OLG München, Urt. v. 21.12.2023, 29 U 4088/22 - Für ein gesundes Immunsystem; OLG Celle, Beschl. v. 21.03.2024, 13 U 39/23
BGH, Urt. v. 10.10.2015, I ZR 222/13, Tz. 52 – Lernstark
Bei der Prüfung, ob eine verwendete gesundheitsbezogene Angabe mit einer zugelassenen gesundheitsbezogenen Angabe gleichbedeutend ist, ist grundsätzlich ein strenger Maßstab. Bei dieser Prüfung ist allerdings das berechtigte Interesse der Lebensmittelunternehmen zu berücksichtigen, den Wortlaut einer zugelassenen Angabe der Produktaufmachung und dem Verbraucherverständnis (vgl. Art. 5 Abs. 2 der Verordnung [EG] Nr. 1924/2006) anpassen zu können, ohne für jede sprachlich abweichende Angabe einen eigenen Zulassungsantrag stellen zu müssen.
Ebenso BGH, Urt. v. 7.4.2016, I ZR 81/15, Tz. 30 - Repair-Kapseln; KG, Urt. v. 26.7.2016, 5 U 18/16, B.2;OLG München, Urt. v. 21.12.2023, 29 U 4088/22 - Für ein gesundes Immunsystem; OLG Celle, Beschl. v. 22.9.2016, 13 U 99/16, II.1.b.cc; KG, Urt. v. 17.3.2017, 5 U 80/16 (MD 2017, 592); OLG Hamburg, Urt. v. 3.8.2017, 3 U 130/16 (MD 2017, 930); KG, Urt. v. 7.11.2017, 5 U 9/17 (MD 2018, 115); KG, Beschl. v. 8.5.2018, 5 W 48/18 (MD 2018, 639); OLG Hamburg, Urt. v. 13.12.2018, 3 U 105/16; OLG Celle, Urt. v. 6.9.2019, 13 U 69/18, Tz. 49; OLG Hamburg, Beschl. v. 2.9.2020, 3 W 55/20, Tz. 67 f
BGH, Urt. v. 10.10.2015, I ZR 222/13, Tz. 53 – Lernstark
Die Annahme einer inhaltlichen Übereinstimmung zwischen zugelassener und verwendeter Angabe setzt jedenfalls voraus, dass die zugelassene Angabe und die verwendete Angabe hinsichtlich des Nährstoffs oder der anderen Substanz oder des Lebensmittels oder der Lebensmittelkategorie, für die die Angabe zugelassen wurde bzw. verwendet wird, übereinstimmen. Eine verwendete Angabe kann ferner nur dann als gleichbedeutend mit einer zugelassenen Angabe angesehen werden, wenn sich aus der im Zulassungsverfahren abgegebenen Stellungnahme der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) ergibt, dass die mit der verwendeten Angabe aufgestellte Wirkungsbehauptung von der mit der zugelassenen Angabe aufgestellten Wirkungsbehauptung gedeckt ist.
Ebenso OLG Celle, Urt. v. 22.10.2015, 13 U 47/15, Tz. 46; OLG Celle, Urt. v. 22.10.2015, 13 U 47/15, Tz. 69; OLG Köln, Urteil vom 6.11.2015, 6 U 66/15, II.2.b.bb.(1) (= MD 2016, 213); KG, Urt. v. 22.7.2015, 5 U 46/14, B.IV.2; KG, Urt. v. 10.7.2015, 5 U 154/14, B.1.c.bbb; OLG Hamm, Urt. v. 14.3.13, 4 U 5/13, Tz. 57; OLG Hamburg, Urt. v. 1.3.2012, 3 U 160/10; OLG Hamm, Urt. v. 9.8.2012, I-4 U 22/12, Tz. 58; OLG Celle, Urt. v. 26.5.2016, 13 U 76/15, II.2.b.2.b; OLG Celle, Beschl. v. 22.9.2016, 13 U 99/16, II.1.b.cc; OLG Hamburg, Urt. v. 13.12.2018, 3 U 105/16
Beispiel
BGH, Urt. v. 10.10.2015, I ZR 222/13, Tz. 57 – Lernstark
Die Angabe "Mit Eisen … zur Unterstützung der Konzentrationsfähigkeit" " stimmt mit der zugelassenen Angabe „Eisen trägt zur normalen kognitiven Entwicklung von Kindern bei" hinsichtlich des Nährstoffs "Eisen", für den die Angabe verwendet wird bzw. zugelassen wurde, überein. Die mit der verwendeten Angabe "Mit Eisen … zur Unterstützung der Konzentrationsfähigkeit" aus Sicht des angesprochenen Verkehrs nach der Gesamtaufmachung des Vorderetiketts aufgestellte Behauptung, Eisen unterstütze die Konzentrationsfähigkeit von Kindern, ist mit der von der zugelassenen Angabe aufgestellten Behauptung, Eisen trage zur normalen kognitiven Entwicklung von Kindern bei, gleichbedeutend. Aus Sicht des Verkehrs setzt die normale kognitive Entwicklung eines Kindes dessen Fähigkeit zur Konzentration voraus. Der Verbraucher versteht unter einer Unterstützung nichts anderes als einen Beitrag. Aus der Stellungnahme der EFSA im Verfahren zur Zulassung der Angabe "Eisen trägt zur normalen kognitiven Entwicklung von Kindern bei" geht hervor, dass diese es als durch allgemein anerkannte wissenschaftliche Nachweise als abgesichert erachtet, dass die Gabe von Eisen die geistige und motorische Entwicklung von Kindern fördert und insbesondere durch den Ausgleich von durch Eisenmangel bedingten Defiziten der Aufmerksamkeit ("attention") und Gedächtnisleistung ("memory") zur kognitiven Entwicklung von Kindern beiträgt (EFSA Journal 2009, 7(11):1360, S. 7). Danach ergibt sich aus dieser Stellungnahme, dass die mit der verwendeten Angabe aufgestellte Wirkungsbehauptung, Eisen unterstütze die Konzentrationsfähigkeit von Kindern, von der mit der zugelassenen Angabe aufgestellten Wirkungsbehauptung, Eisen trage zur normalen kognitiven Entwicklung von Kindern bei, gedeckt und daher gleichermaßen wissenschaftlich abgesichert ist.
BGH, Urt. v. 7.4.2016, I ZR 81/15, Tz. 33 - Repair-Kapseln
Der angesprochene Verkehr versteht den in der Produktbezeichnung verwendeten Begriff "Repair" dahin, das Produkt könne Schäden an Haut, Haaren und Fingernägeln beseitigen. Die Beseitigung von Schäden ist inhaltlich nicht gleichbedeutend mit der "Erhaltung des Normalzustandes" oder einem "Beitrag zum Normalzustand".
Zu einer gesundheitsbezogenen Angabe über zwei Nährstoffe, die in einem Satz zusammengefasst wurden:
OLG Hamburg, Urt. v. 13.12.2018, 3 U 105/16
Der angesprochene Verkehr versteht den Gesamtwerbeclaim – jedenfalls auch – dahin, dass die angegebenen Eigenschaften nicht nur von den beiden genannten Nährstoffen, Vitamin B12 und Folsäure, zusammen erreicht werden, sondern dass jeder der beiden Nährstoffe die Zellteilung und die Blutbildung unterstützt. Das entspricht jedoch im Hinblick auf die Unterstützung der Blutbildung durch das Vitamin B12 nicht dem zugelassenen Werbeclaim. ...
Werden die Wirkungen verschiedener Inhaltsstoffe zusammengefasst, dürfen den so zusammengefassten Nährstoffen nur Wirkungen zugeschrieben werden, bezüglich derer auch für jede einzelne Zutat eine Zulassung besteht.
OLG München, Urt. v. 21.12.2023, 29 U 4088/22 - Für ein gesundes Immunsystem
Die Wortlautabweichung, bei der der Begriff „normales Immunsystem“ durch die Begriffe „gesundes Immunsystem“ bzw. „gesunde Immunfunktion“ ersetzt wurde, kann nicht mehr als unter die jeweils zugelassenen Claims nach Art. 1 Abs. 1 VO (EU) 432/2012 i.V.m. deren Anhang und Art. 13 Abs. 3 HCVO fallend angesehen werden.
Nach dem Verständnis des Durchschnittsverbrauchers deutet das geänderte Adjektiv „gesund“ gegenüber „normal“ darauf hin, dass dem Nahrungsergänzungsmittel auch dann eine Funktion zukommt, wenn der Ausgangszustand des Verzehrenden nicht als „gesund“ bezeichnet werden kann. Demgegenüber stellt der zugelassene Begriff mit der Verwendung von „normal“ klar, dass es ausschließlich um eine Funktionsunterstützung bei gesunden Verbrauchern mit normalem Immunsystem geht.
Aufklärung/Erläuterung an anderer Stelle
OLG Hamm, Urt. v. 24.2.2015, I-4 U 72/14 (MD 2015, 1252)
Die Verwendung einer nicht zugelassenen (spezifischen) gesundheitsbezogenen Angaben wird nicht dadurch zulässig, dass der Werbende an anderer Stelle – beispielsweise im Internet auftritt – zugelassene Angaben verwendet.
Art. 14 Abs. 1 HCVO
(1) Ungeachtet des Artikels 2 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie 2000/13/EG können die folgenden Angaben gemacht werden, wenn sie nach dem Verfahren der Artikel 15, 16, 17 und 19 der vorliegenden Verordnung zur Aufnahme in eine Gemeinschaftsliste zulässiger Angaben und aller erforderlichen Bedingungen für die Verwendung dieser Angaben zugelassen worden sind:
a) Angaben über die Verringerung eines Krankheitsrisikos,
b) Angaben über die Entwicklung und die Gesundheit von Kindern.
Nach Art. 14 Abs. 1 HCVO sind Angaben über die Verringerung eines Krankheitsrisikos und über die Entwicklung und die Gesundheit von Kindern nur zulässig, wenn sie in der Gemeinschaftsliste geführt werden und die darin enthaltenen Voraussetzungen sowie die weiteren Voraussetzungen der HCVO und anderer gesetzlicher Vorgaben gebügen.
BGH, Urt. v. 10.10.2015, I ZR 222/13, Tz. 43 – Lernstark
Bei der Beurteilung, ob es sich bei einer Angabe um eine Angabe über die Entwicklung und die Gesundheit von Kindern im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 handelt, kommt es darauf an, in welchem Sinne der normal informierte, aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher die betreffende Angabe versteht.
BGH, Urt. v. 10.10.2015, I ZR 222/13, Tz. 37 ff – Lernstark
Der in Art. 14 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 verwendete Begriff "Angabe über die Entwicklung und die Gesundheit von Kindern" ist … in der Verordnung nicht definiert. Sein Inhalt ist daher nach seinem Wortlaut unter Berücksichtigung des Regelungszusammenhangs, und des mit der Regelung verfolgten Zwecks zu ermitteln (st. Rspr.; vgl. nur EuGH, Urt. v. 3.10.2013, C-59/12, Tz. 25 - BKK/Wettbewerbszentrale, mwN).
Danach kommen als Angaben über die Entwicklung und die Gesundheit von Kindern zunächst Angaben in Betracht, die ausdrücklich einen Zusammenhang zwischen dem Verzehr eines Lebensmittels oder eines seiner Bestandteile und einer Funktion des kindlichen Organismus behaupten. Zu den Angaben über die Entwicklung und die Gesundheit von Kindern zählen darüber hinaus auf die Gesundheit oder die Entwicklung bezogene Angaben, mit denen Lebensmittel beworben werden, die speziell zum Verzehr durch Kinder bestimmt sind.
Eine Angabe über die Entwicklung und die Gesundheit von Kindern setzt nicht voraus, dass eine Angabe das Wort "Kinder" oder die Abbildung eines Kindes enthält. … Es widerspräche dem Zweck des Art. 14 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006, Angaben über die Entwicklung und die Gesundheit von Kindern erst nach ihrer Prüfung und Zulassung in einem besonderen Verfahren für die Verwendung in der Lebensmittelwerbung freizugeben, wenn sich Lebensmittelunternehmer dem Anwendungsbereich dieser Vorschrift schon dadurch entziehen könnten, dass sie in der Werbung weder den Begriff "Kinder" noch die Abbildung eines Kindes verwenden.
BGH, Urt. v. 10.10.2015, I ZR 222/13, Tz. 40 – Lernstark
Der Anwendungsbereich des Art. 14 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 ist nicht nur dann eröffnet, wenn sich eine Angabe aus Sicht des angesprochenen Verkehrs ausschließlich auf die Entwicklung und die Gesundheit von Kindern bezieht. Wegen ihres Zwecks, auf Kinder bezogene Angaben einer besonderen Prüfung und Zulassung zu unterwerfen, ist diese Vorschrift vielmehr auch dann anzuwenden, wenn sich eine Angabe insbesondere auf die Entwicklung und die Gesundheit von Kindern bezieht
KG, Urt. v. 17.3.2017, 5 U 80/16 (MD 2017, 592)
Eine Angabe über die Reduzierung eines Krankheitsrisikos ist nach Art. 2 Abs. 2 Nr. 6 HCVO jeder Angabe, mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass der Verzehr einer Lebensmittelkategorie, eines Lebensmittels oder eines Lebensmittelbestandteils einen Risikofaktor für die Entwicklung einer Krankheit beim Menschen deutlich senkt.
Art. 2 Abs. 2 Nr. 6 HCVO verlangt nicht, dass eine solche Angabe ausdrücklich besagt, dass der Verzehr eines Lebensmittels einen Risikofaktor für die Entwicklung einer Krankheit beim Menschen deutlich senkt. Es reicht aus, dass die Angabe bei einem normal informierten und angemessenen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher den Eindruck hervorrufen kann, dass die Senkung eines Risikofaktors deutlich ist.
Ebenso KG, Urt. v. 18.7.2017, 5 U 132/15 (MD 2017, 828); KG, Urt. v. 7.11.2017, 5 U 9/17 (MD 2018, 115)
KG, Urt. v. 22.7.2015, 5 U 46/14, B.I.1.b.bb
Gemäß Art. 14 Abs. 1 HCVO (…) sind zwar Angaben über die Verringerung eines Krankheitsrisikos in der Werbung nicht mehr generell untersagt. Sie werden jetzt als Unterfall gesundheitsbezogener Angaben verstanden, Art. 10 Abs. 1, Art. 14 HCVO. Die Regelung des Art. 14 HCVO ist ungeachtet des Art. 2 Abs. 1 b der Etikettierung-Richtlinie 2000/13/EG ergangen, Art. 14 Abs. 1 HCVO. Daraus folgt in systematischer Auslegung, dass es bei der Grundregel des weit gehenden Verbot der Krankheit bezogenen Werbung in der Neufassung 2011 gemäß Art. 7 Abs. 3 der Verordnung (EU) Nr. 1069/2011 bleiben soll. Bei dieser Neufassung 2011 waren dem Verordnungsgeber die Regelungen der HCVO aus dem Jahr 2006 bekannt, ohne dass das Verbot der Krankheit bezogenen Werbung im Hinblick auf die Regelung der HCVO eingeschränkt oder relativiert worden wäre. Art. 14 HCVO eröffnet als Ausnahme von dieser Grundregel nur für den Teilbereich der Angaben über die Reduzierung eines Krankheitsrisikos die rechtliche Möglichkeit derartiger Angaben nach Maßgabe der weiteren Anforderungen dieser Verordnung.
Unbeschiedene gesundheitsbezogene Angaben
Wissenschaftlicher Nachweis für nicht beschiedene Health-Claims
Erwägungsgrund 11 der VO (EU) Nr. 432/2012
Angaben, deren Bewertung durch die Behörde oder deren Prüfung durch die Kommission noch nicht abgeschlossen ist, werden auf der Kommissions-Website veröffentlicht und dürfen gemäß Artikel 28 Absätze 5 und 6 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 weiter verwendet werden.
Dazu gehören bspw. sog. Botanicals, d.s. pflanzliche Stoffe mit behaupteter positiver Wirkung auf die Gesundheit.
BGH, Beschl. v. 1.6.2023 - I ZR 109/22, Tz. 22 - Botanicals
Mit diesem Begriff werden gemeinhin pflanzliche Stoffe bezeichnet (vgl. Erwägungsgrund 10 der Verordnung (EU) Nr. 432/2012; Erwägungsgrund 4 der Verordnung (EU) Nr. 536/2013).
KG, Beschl. v. 18.2.2022, 5 U 1007/20, Tz. 61
Als „Botanicals“ werden Pflanzen und Pflanzenstoffe bezeichnet, die eine funktionelle Wirkung haben sollen.
KG, Beschl. v. 18.2.2022, 5 U 1007/20, Tz. 61
Wie sich dem Erwägungsgrund 10 der VO (EU) Nr. 432/2012 entnehmen lässt, sollen Anträge für die dort namentlich angeführten „Botanicals“ zurückgestellt werden, da „die Kommission aus anderen gerechtfertigten Gründen zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht abschließend“ über sie befinden könne.
OLG Celle, Urt. v. 22.10.2015, 13 U 47/15, Tz. 114
Die Kommission hat bislang Aussagen betreffend pflanzliche Stoffe, die gemeinhin als „botanicals“ bezeichnet werden, noch nicht bewertet hat (vgl. Erwägungsgrund 10 zu VO(EU) Nr. 432/2012 sowie Erwägungsgrund 4 zu VO(EU) Nr. 536/2013). Betreffend diese „botanicals“ kommt weiterhin die Übergangsvorschrift des Art. 28 Abs. 5 HCVO zur Anwendung, so dass insoweit die Aufnahme in die Gemeinschaftsliste oder auch nur ein entsprechender Antrag nicht Voraussetzung für die Zulässigkeit entsprechender gesundheitsbezogener Aussagen ist (vgl. auch Hahn/Hagenmeyer a. a. O., 20 f.; Teufer a. a. O., 478).
OLG Dresden, Urt. v. 24.9.2021, 14 U 156/21, B.I.5
Angaben zu den Botanicals sind zu einem großen Teil noch nicht durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) bewertet oder durch die Kommission geprüft. Diese sind auf der Kommissions-Website veröffentlicht (“on hold“) und dürfen gemäß Art. 28 Abs. 5 und 6 HCVO weiter verwendet werden (vgl. Erwägungsgründe Nr. 10 und 11 zur VO (EG) Nr. 432/2012).
Besondere Voraussetzungen (Art. 14 Abs. 2 HCVO)
Art. 14 Abs. 2 HCVO
Zusätzlich zu den allgemeinen Anforderungen dieser Verordnung und den spezifischen Anforderungen in Absatz 1 muss bei Angaben über die Verringerung eines Krankheitsrisikos die Kennzeichnung oder, falls diese Kennzeichnung fehlt, die Aufmachung der Lebensmittel und die Lebensmittelwerbung außerdem eine Erklärung dahin gehend enthalten, dass die Krankheit, auf die sich die Angabe bezieht, durch mehrere Risikofaktoren bedingt ist und dass die Veränderung eines dieser Risikofaktoren eine positive Wirkung haben kann oder auch nicht.
Allgemeine Voraussetzungen (Art. 5 und 6 HCVO)
Verordnungstext
Artikel 5
Allgemeine Bedingungen
(1) Die Verwendung gesundheitsbezogener Angaben ist nur zulässig, wenn die nachstehenden Bedingungen erfüllt sind:
a) Es ist anhand allgemein anerkannter wissenschaftlicher Nachweise nachgewiesen, dass das Vorhandensein, das Fehlen oder der verringerte Gehalt des Nährstoffs oder der anderen Substanz, auf die sich die Angabe bezieht, in einem Lebensmittel oder einer Kategorie von Lebensmitteln eine positive ernährungsbezogene Wirkung oder physiologische Wirkung hat.
b) Der Nährstoff oder die andere Substanz, für die die Angabe gemacht wird,
i) ist im Endprodukt in einer gemäß dem Gemeinschaftsrecht signifikanten Menge oder, wo einschlägige Bestimmungen nicht bestehen, in einer Menge vorhanden, die nach allgemein anerkannten wissenschaftlichen Nachweisen geeignet ist, die behauptete ernährungsbezogene Wirkung oder physiologische Wirkung zu erzielen, oder
ii) ist nicht oder in einer verringerten Menge vorhanden, was nach allgemein anerkannten wissenschaftlichen Nachweisen geeignet ist, die behauptete ernährungsbezogene Wirkung oder physiologische Wirkung zu erzielen.
c) Soweit anwendbar liegt der Nährstoff oder die andere Substanz, auf die sich die Angabe bezieht, in einer Form vor, die für den Körper verfügbar ist.
d) Die Menge des Produkts, deren Verzehr vernünftigerweise erwartet werden kann, liefert eine gemäß dem Gemeinschaftsrecht signifikante Menge des Nährstoffs oder der anderen Substanz, auf die sich die Angabe bezieht, oder, wo einschlägige Bestimmungen nicht bestehen, eine signifikante Menge, die nach allgemein anerkannten wissenschaftlichen Nachweisen geeignet ist, die behauptete ernährungsbezogene Wirkung oder physiologische Wirkung zu erzielen.
e) Die besonderen Bedingungen in Kapitel III bzw. Kapitel IV, soweit anwendbar, sind erfüllt.
(2) Die Verwendung gesundheitsbezogener Angaben ist nur zulässig, wenn vom durchschnittlichen Verbraucher erwartet werden kann, dass er die positive Wirkung, wie sie in der Angabe dargestellt wird, versteht.
(3) Gesundheitsbezogene Angaben müssen sich gemäß der Anweisung des Herstellers auf das verzehrfertige Lebensmittel beziehen.
Artikel 6
Wissenschaftliche Absicherung von Angaben
(1) Gesundheitsbezogene Angaben müssen sich auf allgemein anerkannte wissenschaftliche Nachweise stützen und durch diese abgesichert sein.
Wissenschaftliche Absicherung von Angaben
Soweit die Europäische Kommission über bestimmte gesundheitsbezogenen Angaben und den Bedingungen zu ihrer Verwendung entschieden hat, ist ein weitergehender Nachweis, wonach eine entscheidungskonforme Angabe berechtigt ist, nicht mehr erforderlich.
Art. 17 Abs. 5 HCVO
Gesundheitsbezogene Angaben, die in den Listen nach den Artikeln 13 und 14 enthalten sind, können von jedem Lebensmittelunternehmer unter den für sie geltenden Bedingungen verwendet werden, wenn ihre Verwendung nicht nach Artikel 21 eingeschränkt ist.
Ebenso wenig kann aber in einem Gerichtsverfahren nachgewiesen werden, dass die Entscheidung der EU-Kommission falsch ist. Eine Änderung der Entscheidung muss auf dem dafür vorgesehenen Weg gemäß Art. 19 HCVO beantragt werden. Mit anderen Worten: Die Vorgaben in der Gemeinschaftsliste zu einer gesundheitsbezogenen Angabe schließen bis zu einer möglichen Änderung dieser Vorgaben in der Gemeinschaftsliste jeden Nachweis, dass die gesundheitsbezogene Angabe zutrifft oder nicht zutrifft aus. Eine Ausnahme gilt nach Art. 24 HCVO nur, wenn ein Mitgliedstaat stichhaltige Gründe für die Annahme hat, dass eine Angabe nicht der HCVO entspricht oder die wissenschaftliche Absicherung nach Artikel 6 unzureichend ist, und er deshalb die Verwendung der betreffenden Angabe in seinem Hoheitsgebiet vorübergehend aussetzt.
Soweit die Europäische Kommission über eine bestimmte gesundheitsbezogenen Angabe noch keine Entscheidung getroffen hat, obliegt es demjenigen, der sie aufstellt, dass das Vorhandensein, das Fehlen oder der verringerte Gehalt des Nährstoffs oder einer anderen Substanz, auf die sich die Angabe bezieht, in einem Lebensmittel oder einer Kategorie von Lebensmitteln eine positive ernährungsbezogene Wirkung oder physiologische Wirkung hat. Dieser Nachweis ist weiterhin für alle sonstigen Angaben erforderlich, dem Anwendungsbereich der HCVO unterfallen.
Darlegungs- und Beweislast
Nach Art. 5 Abs. 1 HCVO (Health-Claims-Verordnung) dürfen nährwert- oder gesundheitsbezogene Aussagen über Lebensmittel nur aufgestellt werden, wenn es anhand allgemein anerkannter wissenschaftlicher Erkenntnisse nachgewiesen ist, dass das Vorhandensein, das Fehlen oder der verringerte Gehalt des Nährstoffs oder der anderen Substanz, auf die sich die Angabe bezieht, in einem Lebensmittel oder einer Kategorie von Lebensmitteln eine positive ernährungsbezogene Wirkung oder physiologische Wirkung hat.
Im Zusammenhang mit dem Nachweis allgemein anerkannter wissenschaftlicher Erkenntnisse stellen sich verschiedene Fragen:
-
- Worüber müssen allgemein anerkannte wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen?
- Wann müssen die allgemein anerkannten wissenschaftlichen Erkenntnisse vorliegen?
- Was sind allgemein anerkannte wissenschaftliche Erkenntnisse?
- Was bedeuten die Regelungen der HCVO für die Darlegungs- und Beweislast?
Siehe zur Darlegungs- und Beweislast im Rahmen der HCVO auch hier.
Worüber müssen allgemein anerkannte wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen?
Zunächst müssen die allgemein anerkannten wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Wahrheit der konkreten gesundheitsbezogenen Angabe vorliegen. Darüber hinaus müssen sie aber auch für alle sonstigen, im Zusammenhang mit den gesundheitsbezogenen Angaben stehenden Umstände nachgewiesen werden, z.B. hinsichtlich der Menge des Nährstoffs, der in dem Lebensmittel enthalten ist und für die Wirkung ausreichend sein muss.
OLG Hamm, Urt. v. 14.3.13, 4 U 5/13, Tz. 55
Nach Art. 5 Abs. 1 d) HCV muss die Menge des Produkts, deren Verzehr vernünftigerweise erwartet werden kann, eine gemäß dem Gemeinschaftsrecht signifikante Menge des Nährstoffs oder der anderen Substanz, auf die sich die Angabe bezieht, oder, wo einschlägige Bestimmungen nicht bestehen, eine signifikante Menge liefern, die nach allgemein anerkannten wissenschaftlichen Nachweisen geeignet ist, die behauptete ernährungsbezogene Wirkung oder physiologische Wirkung zu erzielen, ….
Ebenso OLG Hamm, Urt. v. 30.4.2013, 4 U 149/12, Tz. 67 - Vitalstoffe
Wann müssen die allgemein anerkannten wissenschaftlichen Erkenntnisse vorliegen?
BGH, Urt. v. 17.1.2013, I ZR 5/12, Tz. 21 - Vitalpilze
Die Verwendung der entsprechenden Angaben nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut ist nur dann zulässig, wenn die behauptete positive Wirkung der jeweiligen Substanz bereits zu dem Zeitpunkt anhand allgemein anerkannter wissenschaftlicher Erkenntnisse nachgewiesen ist, zu dem die Angaben gemacht werden.
Ebenso OLG Düsseldorf, Urt. v. 31.1.2012, I-20 U 92/11, Tz. 45; OLG Zweibrücken, Hinweis gem. § 522 ZPO v. 16.12.11, 4 U 148/11, 3; OLG Hamburg, Urt. v. 21.6.2012, 3 U 97/11, II.3.f.bb.2; OLG Hamm, Urt. v. 30.4.2013, 4 U 149/12, Tz. 67 - Vitalstoffe; KG Berlin, Urt. v. 31.5.2013, 5 U 141/12, B.I.2; KG, Urt. v. 15.04.14, 5 U 61/13, B.III; KG, Urt. v. 27.05.14, 5 U 76/12; OLG Köln, Urteil vom 6.11.2015, 6 U 66/15, II.2.b.bb.(3).(c) (= MD 2016, 213)
OLG Düsseldorf, Urt. v. 6.8.2015, 2 U 10/15, Tz. 132
Eine Beweisführung durch erst noch vom gerichtlichen Sachverständigen zu gewinnende wissenschaftliche Erkenntnisse ist nicht zulässig, da sie dem Werbenden die Möglichkeit eröffnete, Behauptungen zu Wirkungen seines Produktes zunächst ohne derartige Absicherung aufzustellen.
Ebenso KG, Urt. v. 22.7.2015, 5 U 46/14, B.I.4.a.bb
Was sind allgemein anerkannte wissenschaftliche Erkenntnisse?
EuGH, Urt. v. 10.9.2020, C- 363/19, Tz. 47 – Konsumentombudsmannen/Mezina
Die gesundheitsbezogenen Angaben müssen eine objektive, wissenschaftliche Grundlage haben und über die positive Wirkung der Stoffe, auf die sie sich beziehen, muss ausreichende Einigkeit in der Wissenschaft bestehen, wie es im 14. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1924/2006 heißt. Die gesundheitsbezogenen Angaben müssen „wissenschaftlich abgesichert sein, wobei alle verfügbaren wissenschaftlichen Daten berücksichtigt und die Nachweise abgewogen werden sollten“ (17. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1924/2006).
Zuvor
BGH, Urt. v. 17.1.2013, I ZR 5/12, Tz. 20 - Vitalpilze
Die Ausführungen des Berufungsgerichts zu den Anforderungen an den von einem Verwender gemäß Art. 5 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 zu führenden Wirksamkeitsnachweis begegnen Bedenken. Das Berufungsgericht hat gemeint, insoweit seien grundsätzlich dieselben Anforderungen zu stellen wie an den Nachweis der Wirksamkeit eines Arzneimittels oder einer bilanzierten Diät, so dass dann, wenn sich der Nachweis der wissenschaftlichen Anerkennung nicht anders belegen lasse, regelmäßig randomisierte und placebokontrollierte Doppelblindstudien vorzulegen seien, die durch ihre Veröffentlichung in den Diskussionsprozess der Fachwelt einbezogen worden seien. Die Revision rügt mit Recht, dass diese eher schematische Sichtweise den besonderen Anforderungen nicht gerecht wird, die an den vom Verwender einer gesundheitsbezogenen Angabe im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 gemäß Art. 5 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 der Verordnung zu führenden Wirksamkeitsnachweis zu stellen sind (vgl. Hahn/Teufer, ZLR 2008, 663, 665 ff., 693 f.; Dettling, LMuR 2010, 105, 109 bis 112; Haber in Meisterernst/Haber, Art. 6 Rn. 5 bis 29).
Das Kammergericht geht seitdem von folgendem aus, zu dem noch keine Entscheidung des BGH vorliegt:
KG, Urt. v. 10.7.2015, 5 U 24/15 (= MD 2015, 847)
Es gibt keinen Anlass, an den Nachweis von Wirkungen geringere Anforderungen zu stellen, als diejenigen für ein vereinfachtes Registrierungsverfahren für pflanzliche Arzneimittel gemäß Art. 16 a Abs. 1 lit. e der Richtlinie 2001/83/EG … zur Schaffung eines Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel. Für diese ist aber nach Art. 16 a Abs. 1 lit. e dieser Richtlinie nachzuweisen, dass das Produkt unter den angegebenen Anwendungsbedingungen unschädlich ist und dass die pharmakologischen Wirkungen oder die Wirksamkeit des Arzneimittels aufgrund langjähriger Anwendung und Erfahrung plausibel sind. Der der Umsetzung dieser Vorgaben dienende § 39b Abs. 1 Nr. 4 AMG fordert dementsprechend bibliografische Angaben über die traditionelle Anwendung oder Berichte von Sachverständigen, aus denen hervorgeht, dass das betreffende oder ein entsprechendes Arzneimittel zum Zeitpunkt der Antragstellung seit mindestens 30 Jahren, davon mindestens 15 Jahre in der Europäischen Union, medizinisch oder tiermedizinisch verwendet wird, dass das Arzneimittel unter den angegebenen Anwendungsbedingungen unschädlich ist und dass die pharmakologischen Wirkungen oder die Wirksamkeit des Arzneimittels aufgrund langjähriger Anwendung und Erfahrung plausibel sind. Die Auffassung, für den Wirkungsnachweis von Nahrungsergänzungsmitteln seien geringere Anforderungen zu stellen als für die Wirksamkeit traditioneller pflanzlicher Arzneimittel ist mit den Vorstellungen, die der Verordnungsgeber mit der HCVO umsetzen wollte, nicht vereinbar (vergleiche insbesondere die Erwägungsgründe 14 und 17 der HCVO).
Ebenso KG, Urt. v. 10.7.2015, 5 U 154/14, B.1.e; KG, Urt. v. 11.12.2015, 5 U 48/15, B.1.d; KG, Urt. v. 11.12.2015, 5 U 63/15, B.1.c; KG, Urt. v. 11.12.2015, 5 U 64/15; B.1.c; KG, Urt. v. 17.3.2017, 5 U 80/16 (MD 2017, 592)
KG, Urt. v. 22.7.2015, 5 U 46/14, B.I.1.b
Welche Anforderungen an den Nachweis einer gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnis zu stellen sind, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.
Dabei sind Studienergebnisse, die in der Werbung oder im Prozess als Beleg einer gesundheitsbezogenen Aussage angeführt werden, grundsätzlich nur dann hinreichend aussagekräftig, wenn sie nach den anerkannten Regeln und Grundsätzen wissenschaftlicher Forschung durchgeführt und ausgewertet wurden. Dafür ist im Regelfall erforderlich, dass eine randomisierte, Placebo-kontrollierte Doppelblindstudie mit einer adäquaten statistischen Auswertung vorliegt, die durch die Veröffentlichung in den Diskussionsprozess der Fachwelt einbezogen worden ist. Diese Anforderungen folgen nicht allein aus Besonderheiten des Zulassungsverfahren für Arzneimittel, sondern sie entsprechen einer inneren Logik einen wissenschaftlichen Arbeitens. Unter Umständen kann es dabei auch ausreichend, dass das Produkt unter den angegebenen Anwendungsbedingungen unschädlich ist und dass die beworbenen Wirkungen aufgrund langjähriger Anwendung und Erfahrung plausibel sind, insbesondere durch wissenschaftlich anerkannte bibliografische Angaben über eine traditionelle Anwendung oder wissenschaftlich anerkannte Berichte von Sachverständigen, aus denen hervorgeht, dass das betreffende oder ein entsprechendes Produkt zum Zeitpunkt der Antragstellung seit weit mehr als zehn Jahren – auch in der Europäischen Union – mit Erfolg verwendet wird.
Auch das OLG Köln stellt weiterhin strenge Anforderungen:
OLG Köln, Urteil vom 6.11.2015, 6 U 66/15, II.2.b.bb.(3) (= MD 2016, 213)
Bereits vor Geltung der HCVO mussten nach dem deutschem Recht Wirkaussagen für Lebensmittel wissenschaftlich hinreichend gesichert sein, § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LFGB a.F., wobei die HCVO ein noch höheres Nachweisniveau anstrebt als früher in der Praxis üblich war (s. Meisterernst/Haber, Praxiskommentar Health & Nutrition Claims, Art. 5 Rn. 3). ...
An den Wirksamkeitsnachweis sind zwar nicht dieselben Anforderungen zu stellen wie an den Nachweis der Wirksamkeit eines Arzneimittels, die Beklagte müsste jedoch nach Art. 5 Abs. 1 a) HCVO jedenfalls zunächst darlegen, welche konkreten Inhaltsstoffe in ihrem Präparat überhaupt geeignet sein sollen, die mit den einzelnen Werbeaussagen behaupteten Wirkungen zu erzielen (s. BGH GRUR 2013, 985 – Vitalpilze, juris-Tz. 20, 21).
OLG Karlsruhe, Beschl. v. 28.7.2022, 4 U 225/22, II.2.a (MD 2022, 1061)
Im Rahmen der HCVO kommt es nicht alleine auf die Art des Nachweises - randomisiert, Placebo-kontrolliert, doppelblind, sondern darauf an, ob unter Berücksichtigung des Gesamtmaterials die Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit der Wirkungsaussagen im Einzelfall unter dem Gesichtspunkt des Verbraucherschutzes, also dem Schutz vor falschen Versprechungen mit womöglich gesundheitlich nachteiligen Folgen, ausreichend ist (Rathke/Hahn in: Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, 182. EL, Art. 5 HCVO, Rdnr. 8d).
OLG Karlsruhe, Urt. v. 9.12.2022, 4 U 225/22, II.2.b (bei juris)
Im Rahmen der HCVO kommt es nicht allein auf die Art des Nachweises an, sondern – da alle verfügbaren wissenschaftlichen Daten berücksichtigt und die Nachweise abgewogen werden müssen – darauf, ob unter Berücksichtigung des Gesamtmaterials die Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit der Wirkungsaussagen im Einzelfall unter dem Gesichtspunkt des Verbraucherschutzes, also dem Schutz vor falschen Versprechungen mit womöglich gesundheitlich nachteiligen Folgen, ausreichend ist (Sosnitza/Meisterernst LebensmittelR/Rathke/Hahn, 183. EL März 2022, VO (EG) 1924/2006 Art. 5 Rn. 8d).
Bei dieser abwägenden Gesamtbewertung ist richtigerweise zwischen Evidenzklasse und Härte der Evidenz zu differenzieren. Randomisierte, kontrollierte Interventionsstudien bzw. darauf basierende Metaanalysen stellen die höchste Evidenzklasse dar; dennoch kann die aus solchen Studien resultierende Evidenz (Evidenzhärte) unzureichend sein. Umgekehrt muss, je nach Fragestellung, eine überzeugende Evidenz nicht zwangsweise auf randomisierten kontrollierten Interventionsstudien beruhen (so überzeugend Sosnitza/Meisterernst, LebensmittelR/Rathke/Hahn, 183. EL März 2022, VO (EG) 1924/2006 Art. 5 Rn. 8d).
OLG Karlsruhe, Urt. v. 9.12.2022, 4 U 225/22, II.2.b (bei juris)
Im einstweiligen Verfügungsverfahren ist die wissenschaftliche Absicherung glaubhaft zu machen, §§ 920 Abs. 2, 936, 294 ZPO. Dafür genügt es, wenn eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass die gesundheitsbezogene Angabe zutrifft, also letztlich mehr für das Vorliegen der in Rede stehenden Behauptung spricht als dagegen (BGH, Beschl. v. 26.1.2022, XII ZB 227/21, Tz. 11; MüKoZPO/Prütting, 6. Aufl. 2020, ZPO § 294 Rn. 24).
Wenn eine gesundheitsbezogene Angabe im Prüfungsverfahren nach der HCVO von der EU-Kommission abgelehnt wurde, kann von einem allgemein anerkannten wissenschaftlichen Nachweis nicht mehr ausgegangen werden (OLG Köln, Urteil vom 6.11.2015, 6 U 66/15, II.2.b.bb.(2) (= MD 2016, 213)).
Was bedeuten die Regelungen der HCVO für die Darlegungs- und Beweislast?
EuGH, Urt. v. 10.9.2020, C- 363/19, Tz. 52 – Konsumentombudsmannen/Mezina
Im Rahmen der in Art. 28 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1924/2006 vorgesehenen Übergangsmaßnahme muss ein Lebensmittelunternehmer, der sich dafür entscheidet, eine gesundheitsbezogene Angabe zu verwenden, in eigener Verantwortung die Wirkungen des Stoffes, auf den sich die Angabe bezieht, auf die Gesundheit kennen (vgl. in diesem Sinne Urt. v. 10. April 2014, Ehrmann, C‑609/12, EU:C:2014:252, Rn. 43). Er muss also in der Lage sein, diese Wirkungen nachzuweisen. Er trägt insoweit die Beweislast.
Ebenso OLG Köln, Urteil vom 6.11.2015, 6 U 66/15, II.2.b.bb.(3) (= MD 2016, 213); KG, Urt. v. 23.8.2019, 5 U 8/19 – Omni Biotic Stress (MD 2019, 1052); OLG Düsseldorf, Urt. v. 24. 3.15; I-20 U 160/14 (= MD 2015, 597); OLG Nürnberg, Urt. v. 5.11.2013, 3 U 78/13, II.4.c; s.a. OLG Düsseldorf, Urt. v. 6.8.2015, I-2 U 13/15, Tz. 141 f; OLG Köln, Urt. v. 6.11.2015, 6 U 65/15, Tz. 97
EuGH, Urt. v. 10.9.2020, C- 363/19, Tz. 53 – Konsumentombudsmannen/Mezina
Im Übrigen regelt die Verordnung Nr. 1924/2006 für gesundheitsbezogene Angaben im Sinne ihres Art. 13 Abs. 1 Buchst. a zwar die Beweislast und das Beweismaß. Sie regelt aber weder, welche Beweismittel zulässig sind, noch, wie diese zu erlangen sind. Wie das vorlegende Gericht ausgeführt hat, unterliegen diese Fragen – vorbehaltlich der Anwendung der Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität – also weiterhin dem nationalen Recht.
KG, Urt. v. 27.05.14, 5 U 76/12
Der Verwender einer gesundheitsbezogenen Angabe ist gem. Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCV in einem Prozess über ihre Zulässigkeit nicht erst dann gehalten, ihre Richtigkeit zu belegen, wenn der Kläger diese substantiiert in Frage stellt. Der Unionsgesetzgeber hat die Verwendung nährwert- und gesundheitsbezogener Angaben in der HCV einem grundsätzlichen Verbot unterworfen. Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Zulässigkeit von auf spezifische Vorteile bezogenen gesundheitsbezogenen Angaben, die in der insoweit zentralen Bestimmung des Art. 10 I HCV genannt sind, muss deshalb vorn Verwender dargelegt und im Bestreitensfall auch bewiesen werden (BGH GRUR 2013, 958, Tz. 18 - Vitalpilze).
Ebenso KG, Urt. v. 15.04.14, 5 U 61/13, B.III.6
KG, Urt. v. 22.7.2015, 5 U 46/14, B.I.4.a.bb
Art. 10 Abs. 1 HCVO enthält unmissverständlich ein Verbot gesundheitsbezogener Werbung, so dass es … Sache der Beklagten ist, darzulegen und zu beweisen, dass die beanstandete Aussage den Anforderungen der HCVO an eine ausnahmsweise zulässige gesundheitsbezogene Werbung entspricht.
Ein Lebensmittelunternehmer, der eine gesundheitsbezogene Angabe macht, muss die Verwendung dieser Angaben nach § 6 Abs. 2 HCVO begründet. Auch insoweit müssen sich nach § 6 Abs. 1 HCVO gesundheitsbezogene Angaben auf allgemein anerkannte wissenschaftliche Nachweise stützen und durch diese abgesichert sein.
Zu Art. 10 Abs. 2 HCVO
BGH, Urt. v. 12.2.2015, I ZR 36/11, Tz. 45 - Monsterbacke II
Ein Lebensmittelunternehmer, der gesundheitsbezogene Angaben über ein Lebensmittel macht, muss dessen Wirkungen auf die Gesundheit in eigener Verantwortung kennen und somit über die von Art. 10 Abs. 2 der Verordnung geforderten Informationen verfügen (EuGH, GRUR 2014, 587 Rn. 43 - Ehrmann). Dementsprechend trägt die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass sie - zumindest in bestimmter Hinsicht - keine entsprechenden Hinweise zu geben hatte.
Art. 10 Abs. 3 (Verweise auf nicht spezifische Vorteile)
Literatur: Meisterernst, Andreas, Beifügen oder nicht - Zur Anwendbarkeit und Funktion des Art. 10 Abs. 3 HCV, WRP 2018, 397; Hiller, Benjamin, Ein Schritt in die richtige Richtung: Zur Anwendung von Art. 10 Abs. 3 HCVO und zu offenen Fragen, WRP 2020, 16
Zur Abgrenzung von spezifischer Angaben (Art. 10 Abs. 1 HCVO) von unspezifischen Angaben (Art. 10 Abs. 3 HCVO) siehe hier.
OLG Düsseldorf, Urt. v. 6.8.2015, I-2 U 13/15, Tz. 93
Art. 10 Abs. 3 HCVO ist gegenüber der allgemeinen Regelung des Art. 10 Abs. 1 dieser Verordnung lex specialis.
Ebenso OLG Düsseldorf, Urt. v. 6.8.2015, 2 U 10/15, Tz. 98; OLG Düsseldorf, Urt. v. 6.8.2015, 2 U 11/15, Tz. 105
KG, Beschl. v. 18.2.2022, 5 U 1007/20, Tz. 42
Die Regelung des Art. 10 Abs. 3 HCVO als Ausnahme des Verbots in Art. 10 Abs. 1 HCVO anzusehen (Rathke/Hahn in: Zipfel/Rathke LebensmittelR, 179. EL März 2021, VO (EG) 1924/2006 Art. 10 Rn. 7).
Art. 10 Abs. 3 HCVO ist eine Marktverhaltensregelung (vgl. nur OLG Hamm, Urt. v. 7.10.2014, 4 U 138/13, Tz. 59).
Ausnahme vom Koppelungsgebot?
Der BGH ging längere Zeit davon aus, dass Verweise auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile für Substanzen, die rechtzeitig vor dem 19. Januar 2008 angemeldet wurden, über die aber noch nicht entschieden wurde, auch ohne spezielle gesundheitsbezogene Angabe zulässig sind (BGH, Urt. v. 17.1.2013, I ZR 5/12, Tz. 15f - Vitalpilze; s.a OLG Karlsruhe, Urt. v. 27.2.2019, 6 U 87/18 - Zykluszauber-Tee; OLG Frankfurt, Urt. v. 29.5.2019, 6 U 38/18, II.2). Dieser Auffassung wollten einige Instanzgerichte aber nicht folgen (OLG Hamm, Urt. v. 7.10.2014, 4 U 138/13, Tz. 71; OLG Hamm, Urt. v. 13.9.2016, 4 U 17/16, Tz. 67; KG, Urt. v. 27.11.2015, 5 U 96/14, Tz. 32; OLG Celle, Urt. v. 24.4.2018, 13 U 124/17). Der BGH hat seine Rechtsprechung mittlerweile aufgegeben.
BGH, Urt. v. 19. 9. 2019, I ZR 91/18, Tz. 17 f – Gelenknahrung
Der Senat hat bislang angenommen, dass Verweise auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile im Sinne von Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 nicht durch diese Verordnung reglementiert sind, solange die Listen nach Art. 13 und 14 der Verordnung nicht erstellt sind.
Diese Auffassung ist mit dem Wortlaut von Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 sowie dem Sinn und Zweck dieser Bestimmung kaum vereinbar und führt außerdem nicht durchgehend zu sachgerechten Ergebnissen (vgl. Meisterernst, WRP 2018, 397 Rn. 15). Der Vorstellung abschließend zu erstellender Listen steht darüber hinaus die aus Art. 13 Abs. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 folgende Zulässigkeit von Ergänzungen entgegen.
Unbeschiedene Claims/Botanicals
Der BGH hat bislang offengelassen, ob Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/ 2006 auf Angaben anwendbar ist, deren Prüfung durch die Europäische Kommission noch nicht abgeschlossen ist, wie Angaben zu "Botanicals". Zuletzt legte er dem EuGH folgende Frage vor:
BGH, Beschl. v. 1.6.2023 - I ZR 109/22 - Botanicals
Darf für pflanzliche Stoffe ("Botanicals") mit gesundheitsbezogenen Angaben (Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006) bzw. mit Verweisen auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile des Nährstoffs oder Lebensmittels für die Gesundheit im Allgemeinen oder das gesundheitsbezogene Wohlbefinden (Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006) geworben werden, ohne dass diese Angaben gemäß dieser Verordnung zugelassen und in die Liste der zugelassenen Angaben gemäß den Art. 13 und 14 der Verordnung aufgenommen sind (Art. 10 Abs. 1 der Verordnung) bzw. ohne dass diesen Verweisen eine in einer der Listen nach Art. 13 oder 14 der Verordnung enthaltene spezielle gesundheitsbezogene Angabe beigefügt ist (Art. 10 Abs. 3 der Verordnung), solange die Bewertung der Behörde und die Prüfung der Kommission über die Aufnahme der zu "Botanicals" angemeldeten Angaben in die Gemeinschaftslisten gemäß Art. 13 und 14 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 noch nicht abgeschlossen sind?
Dadurch werden frühere Entscheidungen zu dem Thema in Frage gestellt wie:
OLG Dresden, Urt. v. 24.9.2021, 14 U 156/21, B.I.5
Art. 10 Abs. 3 HCVO ist bei Botanicals mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Bestimmung auch dann genügt ist, wenn eine spezielle gesundheitsbezogene Angabe beigefügt wird, die nach Angabe der Kommission „on hold“ gehalten wird und nach Art. 28 Abs. 5 und 6 HCVO weiter verwendet werden darf (vgl. OLG Celle, Beschl. v. 26.10.2020, 13 U 44/20, m.w.N.; Hiller, WRP 2020, 16, Rn. 6 f.; Meisterernst/Haber, WRP 2019, 413 Rn. 17).
Bei diesem Verständnis der Regelung ist es dem Hersteller auch bei Botanicals möglich, mit allgemeinen gesundheitsbezogenen Vorteilen des Produkts zu werben, wenn er spezielle Angaben beifügt, die er nach den Übergangsvorschriften des Art. 28 Abs. 5 und 6 HCVO verwenden darf. Dagegen besteht keine gesetzliche Grundlage dafür, Art. 10 Abs. 3 HCVO für Botanicals einstweilen überhaupt nicht anzuwenden und es dem Hersteller dadurch zu gestatten, in seiner Werbung allgemeine gesundheitsbezogene Vorteile zu behaupten, ohne die Behauptung durch einschlägige wissenschaftlich anerkannte Angaben zu unterlegen. Eine solche vollständige Freigabe nicht spezifischer Angaben würde dem mit der Vorschrift bezweckten Verbraucherschutz zuwiderlaufen (vgl. OLG Celle, a.a.O., Rn. 43; OLG Hamm WRP 2015, 228, juris Rn. 74 - Bach-Blüten).
OLG Hamburg, Urt. v. 2.6.2022, 3 U 110/21, II.2.a (MD 2022, 1054)
Die in Art. 10 Abs. 3 HCV normierte Pflicht, unspezifischen gesundheitsbezogenen Angaben in die Liste aufgenommene spezielle Claims i.S. des Art. 10 Abs. 1 HCV beizufügen, gilt auch für nichtspezifische Claims zu Botanicals. ...
Die obergerichtliche Rechtsprechung ist uneinheitlich. Teils wird Art. 10 Abs. 3 HCV auch auf Botanicals angewendet (siehe OLG Hamm, WRP 2015, 228, Rn. 68; OLG Celle, Beschl. v. 26.10.2020, 13 U 44/20, Magazindienst 2021, 1176, juris Tz. 41; KG, WRP 2016, 265, juris Tz. 39), teils gerade nicht (vgl. OLG Karlsruhe, Magazindienst 2019, 594 – Zyklus-Zauber-Tee). …
Nach Auffassung des Senats ist Art. 10 Abs. 3 HCVO bei Botanicals mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Bestimmung auch dann genügt ist, wenn eine spezielle gesundheitsbezogene Angabe beigefügt wird, die nach Angabe der Kommission „on hold“ gehalten wird und nach Art. 28 Abs. 5 und 6 HCVO weiter verwendet werden darf. Der Senat schließt sich damit der in der obergerichtlichen Rechtsprechung überwiegend sowie der auch in der Literatur vertretenen Ansicht an (vgl. OLG Dresden, NJW-RR 2022, 476, Tz. 33; OLG Celle, Beschl. v. 26.10.2020, 13 U 44/20, Magazindienst 2021, 1176, juris Tz. 41 m.w.N.; KG, WRP 2016, 265, juris Tz. 39; Hiller, WRP 2020, 16, Rn. 6 f.; Meisterernst/Haber, WRP 2019, 413 Rn. 17; siehe auch Senat, WRP 2018, 489, juris Tz. 71 ff. – Gut für die Stimme).
Ebenso OLG Hamburg, Hinweisbeschl. v. 18.1.2023, 3 U 24/22. Im Revisionsverfahren zum AZ 3 U 110/21 erging die vorstehend wiedergegebene Vorlagefrage des BGH.
Beifügen spezifischer gesundheitsbezogener Angaben
Verweise auf allgemeine, nicht-spezifische Vorteile des Lebensmittels oder einer Substanz im Lebensmittel für die Gesundheit im Allgemeinen oder das gesundheitsbezogene Wohlbefinden sind nach Art. 10 Abs. 3 der HCVO zulässig, wenn ihnen eine in einer der Listen nach Artikel 13 oder 14 enthaltene spezielle gesundheitsbezogene Angabe beigefügt ist (sogenanntes „Koppelungsgebot“; zur Ausnahme vom Koppelungsgebot siehe hier).
BGH, Urt. v. 10.10.2015, I ZR 222/13, Tz. 13 – Lernstark
Nach Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 sind Verweise auf allgemeine, nicht spezifische Vorteile des Nährstoffs oder Lebensmittels für die Gesundheit im Allgemeinen oder das gesundheitsbezogene Wohlbefinden nur zulässig, wenn ihnen eine in einer der Listen nach Art. 13 oder Art. 14 dieser Verordnung enthaltene spezielle gesundheitsbezogene Angabe beigefügt ist.
Ebenso BGH, Urt. v. 19. 9. 2019, I ZR 91/18, Tz. 12 – Gelenknahrung; OLG Hamm, Urt. v. 7.10.2014, 4 U 138/13, Tz. 58; OLG Hamm, Urt. v. 20.5.2014, 4 U 19/14, Tz. 59 – Claustaler vitalisierend; KG, Urt. v. 4.11.2016, 5 U 91/15 (= MD 2017, 48); OLG München, Urt. v. 20.7.2023, 29 U 680/22, Tz. 52; OLG Celle, Hinweisbeschl. v. 27.2.2024, 13 U 53/23
OLG Celle, Hinweisbeschl. v. 27.2.2024, 13 U 53/23
Hierfür ist erforderlich, dass für den angesprochenen Verbraucher ein unmittelbarer Bezug zwischen der nichtspezifischen Angabe und der sie stützenden speziellen Angabe besteht.
Zum Begriff des "Beifügens":
EuGH, Urt. v. 30.1.2020, C-524/18, Tz. 40 f, 46 ff – Schwabe/Queiser Pharma
Das Erfordernis des „Beifügens“ im Sinne von Art. 10 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1924/2006 ist dahin auszulegen, dass es nicht nur verlangt, dass die spezielle gesundheitsbezogene Angabe den Inhalt der allgemein formulierten gesundheitsbezogenen Angabe konkretisiert, sondern auch, dass es die Anordnung dieser beiden Angaben auf der Verpackung des betreffenden Erzeugnisses einem normal informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher ermöglicht, den Zusammenhang zwischen diesen Angaben zu erfassen. Der Begriff „beifügen“ im Sinne dieser Bestimmung ist somit dahin auszulegen, dass er sowohl eine materielle als auch eine visuelle Dimension hat.
So erfordert zum einen der Begriff „beifügen“ in seiner materiellen Dimension eine inhaltliche Entsprechung zwischen der „allgemeinen“ gesundheitsbezogenen Angabe und der speziellen gesundheitsbezogenen Angabe, was im Wesentlichen voraussetzt, dass die spezielle Angabe die allgemeine Angabe umfassend untermauert. …
Die Lebensmittelunternehmer müssen die speziellen gesundheitsbezogenen Angaben, mit denen die von ihnen verwendeten Verweise auf die allgemeinen, nicht spezifischen Vorteile untermauert werden, klar und präzise darstellen.
Somit ist die visuelle Dimension des Erfordernisses des „Beifügens“ im Sinne von Art. 10 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1924/2006 dahin zu verstehen, dass sie sich auf die sofortige Wahrnehmung eines unmittelbaren visuellen Zusammenhangs zwischen dem Verweis auf die allgemeinen, nicht spezifischen Vorteile für die Gesundheit und der speziellen gesundheitsbezogenen Angabe durch einen normal informierten und angemessen aufmerksamen Durchschnittsverbraucher bezieht, was grundsätzlich eine räumliche Nähe oder unmittelbare Nachbarschaft zwischen dem Verweis und der Angabe erfordert.
Jedoch ist in dem besonderen Fall, in dem die speziellen gesundheitsbezogenen Angaben wegen ihrer großen Zahl oder Länge nicht vollständig auf der Seite der Verpackung erscheinen können, auf der sich der Verweis befindet, den sie untermauern sollen, davon auszugehen, dass das Erfordernis eines unmittelbaren visuellen Zusammenhangs ausnahmsweise durch einen ausdrücklichen Hinweis wie etwa einen Sternchenhinweis erfüllt werden könnte, wenn damit klar und für den Verbraucher vollkommen verständlich die inhaltliche Entsprechung zwischen den gesundheitsbezogenen Angaben und dem Verweis in räumlicher Hinsicht sichergestellt wird.
Ebenso: OLG Celle, Hinweisbeschl. v. 27.2.2024, 13 U 53/23
Zur Vorlagefrage: BGH, Beschl. v. 12.7.2018, I ZR 162/16, Tz. 26 – B-Vitamine; s.a. OLG Celle, Beschl. v. 4.10.2017, 13 U 78/17, II.1 c aa.(2), Nichtzulassungsbeschwerde abgewiesen BGH, Beschl. v. 11.10.2018, I ZR 197/17). Siehe dazu auch die Leitlinien der Kommission im Beschluss 2013/63/EU: "Für die Zwecke der Verordnung sollte die dem Verweis auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile für die Gesundheit beigefügte zugelassene spezielle gesundheitsbezogene Angabe neben oder unter diesem Verweis angebracht werden."
Im Anschluss:
BGH, Urt. v. 25.6.2020, I ZR 162/16, Tz. 27 f – B-Vitamine II
In seiner materiellen Dimension erfordert der Begriff "beifügen" eine inhaltliche Entsprechung zwischen der allgemeinen gesundheitsbezogenen Angabe und der speziellen gesundheitsbezogenen Angabe. Dies setzt im Wesentlichen voraus, dass die spezielle Angabe die allgemeine Angabe umfassend untermauert (EuGH, GRUR 2020, 310 Rn. 41 - Dr. Willmar Schwabe). ...
Es ist zweifelhaft, ob es für die materielle Dimension ausreicht, dass die beanstandeten allgemeinen Angaben ... in ihrer Gesamtheit inhaltlich von den speziellen Angaben für die aufgeführten Bestandteile ... gedeckt sind, oder ob es hierfür erforderlich ist, dass der Durchschnittsverbraucher den einzelnen angegriffenen allgemeinen Angaben ... jeweils die diese erläuternden speziellen Angaben ... zutreffend zuordnen kann, ....
BGH, Urt. v. 25.6.2020, I ZR 162/16, Tz. 27 – B-Vitamine II
Die visuelle Dimension des Erfordernisses des "Beifügens" im Sinne von Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 bezieht sich auf die sofortige Wahrnehmung eines unmittelbaren visuellen Zusammenhangs zwischen dem Verweis auf die allgemeinen, nicht spezifischen Vorteile für die Gesundheit und der speziellen gesundheitsbezogenen Angabe durch einen normal informierten und angemessen aufmerksamen Durchschnittsverbraucher und erfordert grundsätzlich eine räumliche Nähe oder unmittelbare Nachbarschaft zwischen dem Verweis und der Angabe (EuGH, GRUR 2020, 310 Rn. 47 - Dr. Willmar Schwabe). Können die speziellen gesundheitsbezogenen Angaben wegen ihrer großen Zahl oder Länge nicht vollständig auf der Seite der Verpackung erscheinen, auf der sich der Verweis befindet, den sie untermauern sollen, kann das Erfordernis eines unmittelbaren visuellen Zusammenhangs ausnahmsweise durch einen ausdrücklichen Hinweis wie etwa einen Sternchenhinweis erfüllt werden. Voraussetzung ist allerdings, dass damit klar und für den Verbraucher vollkommen verständlich die inhaltliche Entsprechung zwischen den gesundheitsbezogenen Angaben und dem Verweis in räumlicher Hinsicht sichergestellt wird (EuGH, GRUR 2020, 310 Rn. 48 - Dr. Willmar Schwabe).
Wissenschaftlicher Nachweis
Die Anforderungen des Art. 5 und Art. 6 HCVO zur wissenschaftlichen Absicherung der Angabe gelten auch für Aussagen nach Art. 10 Abs. 3 HCVO.
EuGH, Urt. v. 30.1.2020, C-524/18, Tz. 53, 57 f – Schwabe/Queiser Pharma
Der Wortlaut der Art. 5 und 6 der Verordnung Nr. 1924/2006 bringt klar zum Ausdruck, dass jede gesundheitsbezogene Angabe im Sinne dieser Verordnung wissenschaftlich abgesichert sein muss. …
Folglich ist Art. 10 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1924/2006 dahin auszulegen, dass eine „allgemeine“ gesundheitsbezogene Angabe im Sinne dieser Bestimmung den in dieser Verordnung vorgesehenen Nachweisanforderungen genügen muss.
Es reicht zu diesem Zweck jedoch aus, dass Verweisen auf allgemeine, nicht spezifische Vorteile eines Nährstoffs oder Lebensmittels für die Gesundheit im Allgemeinen oder das gesundheitsbezogene Wohlbefinden spezielle gesundheitsbezogene Angaben beigefügt sind, die durch allgemein anerkannte wissenschaftliche Nachweise, die überprüft und zugelassen wurden, untermauert werden, sofern die Angaben in einer der Listen nach Art. 13 oder Art. 14 der Verordnung enthalten sind.
Zur Vorlagefrage: BGH, Beschl. v. 12.7.2018, I ZR 162/16, Tz. 35 – B-Vitamine
BGH, Urt. v. 25.6.2020, I ZR 162/16, Tz. 24 – B-Vitamine II
Für allgemeine gesundheitsbezogene Angaben müssen - anders als für spezielle gesundheitsbezogene Angaben - keine unmittelbaren wissenschaftlichen Nachweise erbracht werden; vielmehr genügt es, dass für allgemeine gesundheitsbezogene Angaben dadurch mittelbare wissenschaftliche Nachweise erbracht werden, dass ihnen spezielle gesundheitsbezogene Angaben beigefügt sein müssen, die durch wissenschaftliche Nachweise belegt sind (EuGH, GRUR 2020, 310 Rn. 58 in Verbindung mit Rn. 71 und 72 der Schlussanträge des Generalanwalts). Für allgemeine gesundheitsbezogene Angaben dürfen daher keine weitergehenden Nachweisanforderungen gestellt werden, die im Hinblick auf die Unbestimmtheit solcher Angaben in der Regel auch nicht erfüllt werden könnten (vgl. BGH, GRUR 2018, 959 Rn. 38 - B-Vitamine I).