Ihr Rechtsanwalt im Wettbewerbsrecht
Dr. Hermann-Josef Omsels*

Eine Darstellung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und wettbewerbsrechtlicher Nebengesetze



 

§ 12 LFGB - Verbot krankheitsbezogener Werbung

§ 12 LFGB ist Anfang Dezember 2014 außer Kraft getreten. Das Verbot krankheitsbezogener Werbung für Lebensmittel findet sich jetzt in § 11 Abs. 1  Nr. 2 LFGB i.V.m. Art. 7 Abs. 3 und 4 VO (EU) Nr. 1169/2011. Inhaltliche Änderungen zu § 12  LFGB a.F. sollen mit der Verschiebung nicht verbunden sein.

KG, Urt. v. 4.11.2016, 5 U 3/16 (= MD 2017, 59)

Bei der Auslegung und Umsetzung von Art. 7 Abs. 3 LMIV kann auf die diesbezügliche Rechtsprechung zu § 12 Abs. 1 Nr. 1 LFGB a.F. zurückgegriffen werden.

Ebenso OLG Hamburg, Urt. v. 13.8.2020, 3 U 143/19, Tz. 30

KG, Urt. v. 10.7.2015, 5 U 131/13, B.II.1.a.aa (= MD 2015, 1086)

Nach Art. 7 Abs. 3 der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 dürfen Informationen über Lebensmittel diesem keine Eigenschaften der Vorbeugung, Behandlung oder Heilung einer Krankheit zuschreiben oder den Eindruck dieser Eigenschaften entstehen lassen. Gemäß Art. 7 Abs. 4 a) der Verordnung gilt dies auch für die Werbung.

Bei dieser Bestimmung handelt es sich um eine Marktverhaltensregel (BGH GRUR 2008, 1118 - MobilPlus-Kapseln, Tz. 15)

Ebenso BGH, Urt. v. 13.7.2023, I ZR 68/21, Tz. 57 – Bakterienkulturen; OLG Hamburg, Urt. v. 13.8.2020, 3 U 143/19, Tz. 30; KG, Urt. v. 4.11.2016, 5 U 3/16 (= MD 2017, 59); KG, Hinweisbeschl. v. 2.1.2024, 5 U 1015/20 (MD 2024, 224)

OLG Celle, Urt. v. 22.10.2015, 13 U 123/14, B.II.2

Nach Art. 7 Abs. 3 VO(EU) 1169/2011 dürfen Informationen über ein Lebensmittel diesem keine Eigenschaften der Vorbeugung, Behandlung oder Heilung einer menschlichen Krankheit zuschreiben oder den Eindruck dieser Eigenschaften entstehen lassen.

Ebenso OLG Hamburg, Urt. v. 13.8.2020, 3 U 143/19, Tz. 30

OLG Celle, Hinweisbeschl. v. 13.06.2022, 13 U 9/22, I.1.c

Das gilt für jede Information, die das Lebensmittel betrifft (Art. 2 II a LMIV), also auch für Werbung. Damit soll der Gefahr begegnet werden, dass Lebensmittel als Arzneimittelersatz angesehen und ohne zureichende Aufklärung zur Selbstbehandlung eingesetzt werden. Eine Aussage ist krankheitsbezogen, wenn sie dem angesprochenen Verbraucher direkt oder indirekt suggeriert, das beworbene Lebensmittel könne zur Vorbeugung, Behandlung oder Heilung einer menschlichen Krankheit beitragen (OLG Frankfurt, Urt. v. 12.9.2019, 6 U 114/18, Tz. 75; OLG Brandenburg, Urt. v. 26.2.2019, 6 U 84/18, Tz. 8; KG, Urt. v. 4.11.2016, 5 U 3/16, Tz. 81).

KG, Urt. v. 4.11.2016, 5 U 3/16 (= MD 2017, 59)

Nach Art. 7 Abs. 3 LMIV … soll beim Verbraucher nicht der Eindruck erweckt werden, dass das Lebensmittel an sich oder durch einzelne Bestandteile wie ein Mittel zur Vorbeugung, Behandlung oder Heilung einer menschlichen Krankheit wirkt. Dies begründet die Gefahr, dass das Lebensmittel als Arzneimittelersatz angesehen wird, mit dem eine wirksame und ausreichende Selbstbehandlung möglich sei. Eine Aussage ist sonach krankheitsbezogen, wenn sie dem angesprochenen Verbraucher direkt oder indirekt suggeriert, das Lebensmittel, für das geworben wird, könne zur Vorbeugung, Behandlung oder Heilung einer menschlichen Krankheit beitragen.

Ebenso  OLG Hamburg, Urt. v. 13.8.2020, 3 U 143/19, Tz. 32; KG, Hinweisbeschl. v. 2.1.2024, 5 U 1015/20 (MD 2024, 224)

KG, Urt. v. 4.10.2022, 5 U 1023/20 - Prosta Pax

Der Krankheitsbegriff in Art. 7 III LMIV ist im Interesse eines möglichst wirksamer Gesundheitsschutzes weit auszulegen (OLG Frankfurt, Urt. v. 12.09.2019, 6 U 114/18, Tz. 81). Unter Krankheit ist jede, also auch eine geringfügige oder vorübergehende Störung der normalen Beschaffenheit oder der normalen Tätigkeit des Körpers zu verstehen. Auch eine unerhebliche oder vorübergehende Störung der normalen Beschaffenheit oder der normalen Tätigkeit des Körpers, die geheilt, das heißt beseitigt oder gelindert werden kann und die nicht nur eine normale Schwankung der Leistungsfähigkeit darstellt, rechnet zum Begriff der Krankheit. Nicht erfasst sind - normal verlaufende - Erscheinungen oder Schwankungen der Funktionen, denen jeder Körper ausgesetzt ist, die seiner Natur oder dem natürlichen Auf und Ab seiner Leistungsfähigkeit entsprechen wie etwa die Menstruation, die Schwangerschaft, das Alter, Ermüdungserscheinungen. Solange solche Erscheinungen nicht über das allgemein übliche Maß hinausgehen, sind sie keine Normabweichungen.

OLG Karlsruhe, Urt. v. 11.10.2017, 6 U 59/16 (MD 2018, 133)

Der Begriff „Krankheit“ ist unionsrechtlich nicht definiert. Daher kann und muss auf die durch die nationale Rechtsprechung entwickelte Definition zurückgegriffen werden. Demnach ist Krankheit jede Störung der normalen Beschaffenheit oder der normalen Tätigkeit des Körpers, auch wenn sie nur vorübergehend ist. Unter dem Begriff der Krankheit können auch unheilbare Abweichungen von der körperlichen Beschaffenheit und Mangelerscheinungen subsumiert werden, nicht aber normal verlaufende Erscheinungen wie Greisenalter oder Ermüdungserscheinungen. Problematisch und umstritten ist die Beurteilung von Krankheitssymptomen (z. B. Müdigkeit, Kopfschmerzen, Fieber) als krankheitsbezogene Angaben. Krankheitssymptome fallen jedenfalls dann in den Anwendungsbereich der Vorschrift, wenn ein mittelbarer Bezug zu einer bestimmten Krankheit hergestellt wird. Auf jeden Fall wird ein Bezug zu einer bestimmten Krankheit gefordert und nicht nur allgemeine Hinweise, z. B. auf die Förderung des Zellstoffwechsels oder das Immunsystem.

Um dem Regime des Art. 7 Abs. 3 LMIV zu unterfallen, muss keine bestimmte Krankheit konkret benannt worden sein. Vielmehr reichen auch eindeutige Umschreibungen einer Krankheit aus, was schon bei der Angabe bloßer Symptome der Fall sein kann. Der Krankheitsbegriff ist nach der Rechtsprechung weit auszulegen. Unter Krankheit ist jede, also auch eine geringfügige oder vorübergehende Störung der normalen Beschaffenheit oder der normalen Tätigkeit des Körpers zu verstehen. …

Ebenso KG, Urt. v. 4.10.2022, 5 U 1023/20 - Prosta Pax; KG, Urt. v. 25.4.2018, 5 U 82/17 (MD 2018, 530); KG, Urt. v. 4.10.2022, 5 U 1048/20 (bei juris)

OLG Frankfurt, Urt. v. 12.9.2019, 6 U 114/18

Eine Aussage ist krankheitsbezogen, wenn sie dem angesprochenen Verbraucher direkt oder indirekt suggeriert, das Lebensmittel, für das geworben wird, könne zur Vorbeugung, Behandlung oder Heilung einer menschlichen Krankheit beitragen (KG, Urt. v. 4.11.2016 - 5 U 3/16 - Tz. 81). Bei der Bestimmung handelt es sich um eine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 3a UWG. Sie dient dem Gesundheitsschutz und damit den Interessen der Verbraucher als Marktteilnehmer. …

Bei einem „Kater“ bzw. „Hangover“ handelt es sich um eine „Krankheit“ im Sinne des Art. 7 Abs. 3 LMIV. …

In der Verordnung wird der Begriff nicht näher erläutert. Er ist im Interesse eines möglichst wirksamen Gesundheitsschutzes weit auszulegen (vgl. OLG Nürnberg, GRUR-RR 2015, 391, Ingwer-Hustenbonbon; KG Berlin, Urt. v. 4.11.2016 - 5 U 3/16 - Rn. 81). Unter Krankheit ist jede, also auch eine geringfügige oder vorübergehende Störung der normalen Beschaffenheit oder der normalen Tätigkeit des Körpers zu verstehen (BGH GRUR 1998, 961 - Lebertran I zu § 12 Abs. 1 HWG). Auch eine nur unerhebliche oder vorübergehende Störung der normalen Beschaffenheit oder der normalen Tätigkeit des Körpers, die geheilt, das heißt beseitigt oder gelindert werden kann und die nicht nur eine normale Schwankung der Leistungsfähigkeit darstellt, rechnet zum Begriff der Krankheit (OLG Nürnberg, a.a.O.; OLG Schleswig, Urt. v. 20.3.2014 - 6 U 3/12). Als Krankheit sind zum Beispiel Kopfschmerzen anzusehen (KG Berlin, aaO). Keine Krankheit sind hingegen natürliche physiologische Zustände wie etwa Übergewicht (Senat, GRUR-RR 2016, 257, Rn. 35 - Lipoburn).

KG, Urt. v. 13.12.2019, 5 U 33/19 (MD 2020, 344)

Als Krankheit im Sinne des Art. 7 Abs. 3 LMIV ist jede, auch nur vorübergehende Störung der normalen Beschaffenheit oder der normalen Tätigkeit des Körpers anzusehen. Normal verlaufende Erscheinungen oder Schwankungen der Funktion, denen jeder Körper ausgesetzt ist, wie z. B. Schwangerschaft, Greisenalter, Ermüdungserscheinungen oder Hunger, werden hiervon jedoch nicht erfasst.

KG, Urt. v. 4.11.2016, 5 U 3/16 (= MD 2017, 59)

Maßgebend für die Beurteilung der Werbeaussagen ist deren Gesamteindruck, dass konkrete werbliche Umfeld der jeweiligen Aussage und der werbliche Zusammenhang.

OLG Karlsruhe, Urt. v. 11.10.2017, 6 U 59/16 (MD 2018, 133)

Das Verbot des Art. 7 Abs. 3 LMIV greift bereits ein, wenn durch die Information Assoziationen zu Krankheiten hervorgerufen werden.

Abgrenzung zur Health-Claims-Verordnung

OLG Karlsruhe, Urt. v. 11.10.2017, 6 U 59/16 (MD 2018, 133)

Rein gesundheitsbezogene Angaben fallen nicht unter das Verbot des Art. 7 Abs. 3 LMIV. Diese fallen unter die Verordnung (EG) Nummer 1924/2002 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel. … Sobald aber ein Bezug zu einer bestimmten Krankheit hergestellt wird und nicht nur ein bloßer Hinweis auf die gesundheitsfördernde Wirkung abgegeben wird, ist die Angabe krankheitsbezogen.

OLG Frankfurt, Urt. v. 12.9.2019, 6 U 114/18

Die LMIV einschließlich ihres Art. 7 Abs. 3 enthält zwar keinen ausdrücklichen Vorbehalt für zugelassene Angaben nach der Verordnung (EG) 1924/2006 (HCVO). Es kann jedoch nicht die Absicht des Gesetzgebers der Union sein, einerseits Angaben mit Krankheitsbezug im Rahmen der HCVO zuzulassen, andererseits aber solche Angaben durch Art. 7 III LMIV zu verbieten. Das kann auch den Erwägungsgründen entnommen werden. In dem Erwägungsgrund 38 wird insbesondere die Stimmigkeit und Kohärenz des Unionsrechts hervorgehoben (vgl. Zipfel/Rathke LebensmittelR/Rathke, 173. EL März 2019, LMIV Art. 7 Rn. 414, 415).

Vorbeugung

OLG Karlsruhe, Urt. v. 11.10.2017, 6 U 59/16 (MD 2018, 133)

Vorbeugung im Sinne des Art. 7 Abs. 3 LMIV meint alle Maßnahmen, die geeignet sind, eine noch nicht bestehende Krankheit zu verhindern. Ein Erfolgseintritt ist nicht erforderlich. Die Behandlung einer Krankheit im Sinne des Art. 7 Abs. 3 LMIV bezieht sich nur auf einzelne Symptome, die gemildert oder beseitigt werden, wohingegen die Heilung einer Krankheit deren vollständige Behebung meint.

Beispiele

OLG Frankfurt, Urt. v. 12.9.2019, 6 U 114/18

Die Angaben „Anti Hangover Drink“ und „Anti Hangover Shot“ … suggerieren den angesprochenen Verkehrskreisen, bei denen es sich vornehmlich um junge Verbraucher handelt, die beim Feiern Alkohol konsumieren, das beworbene Produkt sei zur Behandlung der Symptome eines Alkoholkaters geeignet bzw. könne einem Kater vorbeugen.

Entgegen der Ansicht der Beklagten erweckt auch die Angabe „pretox“ beim angesprochenen Verkehr den Eindruck, das Mittel sei zur Behandlung der Symptome eines Alkoholkaters geeignet bzw. könne einem Kater vorbeugen. Der Verkehr erkennt in dem Teilbegriff „tox“ eine Anspielung auf „toxisch“ und geht davon aus, das Mittel solle den Körper auf die Einnahme des Zellgiftes Alkohol vorbereiten („pre“).

OLG Hamburg, Urt. v. 13.8.2020, 3 U 143/19, Tz. 33

Die Werbeaussagen zeichnen sich jeweils dadurch aus, dass das beworbene Lebensmittel gerade in Bezug auf Typ-2-Diabetiker beworben wird. Schon dadurch wird der Eindruck vermittelt, dass dieses Eigenschaften aufweist, welche positive Wirkungen bezüglich der Diabetes-Erkrankung aufweist.

Die nachfolgende Darstellung gibt die Rechtslage bis zum Außerkrafttreten des § 12 LFGB wieder.

Zu § 12 LFGB a.F.

1. Gesetzestext

2. Verhältnis zur Health-Claims-Verordnung

3. Sinn und Zweck

4. Krankheitsbezogene Angabe

Beispiele

5. Produktbezogene Angabe

6. Marktverhaltensregelung

7. Hinweise auf ärztliche Empfehlungen oder ärztliche Gutachten (§ 12 Abs. 1 Nr. 2 LFGB)

8. Äußerungen Dritter (§ 12 Abs. 1 Nr. 3 LFGB)

Distanzierung von Äußerungen Dritter

9. Diätetische Lebensmittel

Gesetzestext

§ 12 LFGB - Verbot der krankeitsbezogenen Werbung

(1) Es ist verboten, beim Verkehr mit Lebensmitteln oder in der Werbung für Lebensmittel allgemein oder im Einzelfall

1. Aussagen, die sich auf die Beseitigung, Linderung oder Verhütung von Krankheiten beziehen,

2. Hinweise auf ärztliche Empfehlungen oder ärztliche Gutachten,

3. Krankengeschichten oder Hinweise auf solche,

4. Äußerungen Dritter, insbesondere Dank-, Anerkennungs- oder Empfehlungsschreiben, soweit sie sich auf die Beseitigung oder Linderung von Krankheiten beziehen, sowie Hinweise auf solche Äußerungen,

5. bildliche Darstellungen von Personen in der Berufskleidung oder bei der Ausübung der Tätigkeit von Angehörigen der Heilberufe, des Heilgewerbes oder des Arzneimittelhandels,

6. Aussagen, die geeignet sind, Angstgefühle hervorzurufen oder auszunutzen,

7. Schriften oder schriftliche Angaben, die dazu anleiten, Krankheiten mit Lebensmitteln zu behandeln,

zu verwenden.

(2) Die Verbote des Absatzes 1 gelten nicht für die Werbung gegenüber Angehörigen der Heilberufe, des Heilgewerbes oder der Heilhilfsberufe. Die Verbote des Absatzes 1 Nummer 1 und 7 gelten nicht für diätetische Lebensmittel, soweit nicht das Bundesministerium durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates etwas anderes bestimmt.(3) Artikel 14 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel (ABl. L 404 vom 30.12.2006, S. 9, L 12 vom 18.1.2007, S. 3, L 86 vom 28.3.2008, S. 34), die zuletzt durch die Verordnung (EU) Nr. 116/2010 (ABl. L 37 vom 10.2.2010, S. 16) geändert worden ist, über die Verwendung von Angaben über die Verringerung eines Krankheitsrisikos bleibt unberührt.

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Verhältnis zur Health-Claims-Verordnung

OLG Hamburg, Urt. v. 14.6.2012, 3 U 5/11. II.1.c.aa

§ 12 Abs. 1 Nr. 1. LFGB ist vorliegend anwendbar. Zwar regelt auch Art. 14 Abs. 1 der Health-Claims-Verordnung EGV 1924/2006 (im Folgenden: HCV) die Zulässigkeit von Angaben über die Verringerung eines Krankheitsrisikos. § 12 Abs. 1 Nr. 1 LFGB und die HCV sind jedoch grundsätzlich nebeneinander anwendbar. § 12 Abs. 1 Nr. 1 LFGB setzt die Richtlinie 2000/13/EG um. Nach Art. 2 Absatz 1 lit. b) der Richtlinie 2000/13/EG darf die Etikettierung und die Art und Weise, in der sie erfolgt, einem Lebensmittel - vorbehaltlich der Gemeinschaftsvorschriften über natürliche Mineralwässer und über Lebensmittel - keine Eigenschaften der Vorbeugung, Behandlung oder Heilung einer menschlichen Krankheit zuschreiben oder den Eindruck dieser Eigenschaften entstehen lassen. Dieses Verbot gilt gemäß Art. 2 Abs. 3 lit. b) der Verordnung und nach § 12 Abs. 1 LFGB auch für die Werbung gegenüber dem Publikum. Dass gerade jenes Verbot auch neben den Vorschriften der HCV Geltung hat, macht Art. 14 Abs. 1 HCV deutlich, wonach Angaben über die Verringerung eines Krankheitsrisikos unter den dort angeführten bestimmten Voraussetzungen gemacht werden dürfen, dies aber "ungeachtet des Artikels 2 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie". Das führt dazu, dass die in Umsetzung der Richtlinie 2000/13/EG bestehende Vorschrift des § 12 Abs. 1 Ziff. 1 LFGB anwendbar ist, solange nicht eine nach Art. 14 HCV zugelassene krankheitsbezogene Angabe vorliegt. Eine entsprechendende Regelung enthält § 12 Abs. 3 LFBG.

Ebenso KG, Urt. v. 24. 5. 2013, 5 U 34/12, B.I.1 – NattoPlasmin; KG, Urt, v. 15.4.14, 5 U 35/13; KG, Urt. v. 15.4.14, 5 U 61/13;

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Sinn und Zweck

OLG Bamberg, Urt. v. 12.2.2014, 3 U 192/13, Tz. 144

Die beanstandeten Werbeaussagen sind in ihrer Gesamtheit krankheitsbezogene Werbung. Dies ist nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 LFGB verboten. Es soll beim Verbraucher nicht der Eindruck erweckt werden, dass das Lebensmittel an sich oder durch einzelne Bestandteile wie ein Mittel zur Verhütung, Linderung oder Beseitigung von Krankheiten wirkt. Dies begründet die Gefahr, dass das Lebensmittel als Arzneimittelersatz angesehen wird, mit dem eine wirksame und ausreichende Selbstbehandlung möglich sei (Zipfel/Rathke, aaO Bd. II C102 § 12 LFGB Rn. 11 a.E.).

KG, Urt, v. 15.04.14, 5 U 35/13

Es soll - dem Verbot zufolge - beim Verbraucher nicht der Eindruck erweckt werden, dass das Lebensmittel an sich oder durch einzelne Bestandteile wie ein Mittel zur Verhütung, Linderung oder Beseitigung von Krankheiten wirkt. Dies begründet die Gefahr, dass das Lebensmittel als Arzneimittelersatz angesehen wird, mit dem eine wirksame und ausreichende Selbstbehandlung möglich sei (OLG Bamberg MD 2014, 346, 357, m.w.N.).

Ebenso KG, Urt. v. 15.4.14, 5 U 61/13

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Krankheitsbezogene Angabe

KG, Urt, v. 15.04.14, 5 U 35/13

Der Krankheitsbegriff ist nach der Rechtsprechung weit auszulegen. Unter Krankheit ist jede, also auch eine geringfügige oder vorübergehende Störung der normalen Beschaffenheit oder der normalen Tätigkeit des Körpers zu verstehen. ...

... Maßgebend für die Beurteilung der Werbeaussagen ist deren Gesamteindruck (OLG Bamberg MD 2014, 358, 361), das konkrete werbliche Umfeld der jeweiligen Aussage und der werbliche Gesamtzusammenhang (vgl. - zu § 3 a HWG - OLG Hamburg GRUR-RR 2014, 121, 124).

OLG Hamburg, Urt. v. 14.6.2012, 3 U 5/11. II.1.c.bb

Eine Aussage ist krankheitsbezogen, wenn sie dem angesprochenen Verbraucher direkt oder indirekt suggeriert, das Lebensmittel, für das geworben wird, könne zur Beseitigung, Linderung oder Verhütung der angesprochenen Krankheit beitragen.

Allgemein wird unter Krankheit jede auch nur geringfügige oder vorübergehende Störung des gesundheitlichen Wohlbefindens und der normalen Funktion des Körpers verstanden, in Abgrenzung zu den gewöhnlichen Änderungen oder Schwankungen der Leistungsfähigkeit des Menschen, die noch keinen Krankheitswert haben (OLG Hamburg, MD 2001, 1243, Tz. 37 m.w.N. - Pflanzliche Östrogene). Das Verbot des § 12 Abs. 1 LFGB setzt nicht voraus, dass die Werbeaussage eine konkrete Krankheit benennt. Vielmehr ist es ausreichend, wenn durch die Aussage indirekt auf bestimmte Krankheiten hingewiesen wird (Wehlau, LFGB, §12 Rz. 34 f.).

OLG Nürnberg, Urt. v. 23.12.2014, 3 U 1874/14, II.C.2.a

Der Krankheitsbegriff des § 12 Abs.1 Nr.1 LFGB ist weit auszulegen. ... Krankheit ist deshalb jede, also auch eine nur unerhebliche oder vorübergehende Störung der normalen Beschaffenheit oder der normalen Tätigkeit des Körpers, die geheilt, d.h. beseitigt oder gelindert werden kann und die nicht nur eine normale Schwankung der Leistungsfähigkeit darstellt, der jeder Körper ausgesetzt ist (Schleswig-Holsteinisches OLG, Urt. v. 20.3.2014, Az. 6 U 3/12). Husten ist eine Krankheit in diesem Sinne. ...

Maßgeblich für diese Beurteilung ist der Gesamteindruck, den das durchschnittlich informierte, situationsadäquat aufmerksame Mitglied des angesprochenen Verkehrskreises von der Werbung der Beklagten gewinnt.

Ebenso OLG Brandenburg, Urt. v. 26.2.2019, 6 U 84/18, Tz. 8 f

KG, Urt. v. 24. 5. 2013, 5 U 34/12, B.I.1 – NattoPlasmin

Im Zusammenhang des § 12 Abs. 1 Nr. 1 LFBG muss keine bestimmte Krankheit konkret benannt worden sein. Vielmehr reichen auch eindeutige Umschreibungen einer Krankheit aus, was schon bei der Angabe bloßer Symptome der Fall sein kann (BGH GRUR 1998, 493, 494 - Gelenk-Nahrung).

Ebenso KG, Urt, v. 15.4.14, 5 U 35/13; KG, Urt. v. 15.4.14, 5 U 61/13

OLG Bamberg, Urt. v. 22.1.2014, 3 U 191/13, Tz. 32

Allergien und die damit verbundenen Beschwerden fallen unter den Krankheitsbegriff des § 12 Abs. 1 Nr. 1 LFBG (Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, C 102 § 12 Rdn. 17 m. w. N.).

OLG Stuttgart, Urt. v. 6.6.2019, 2 U 144/18, Tz. 56 – Anti-Zecken-Snack

Der Begriff Krankheit ist – ebenso wie bei dem Verbot in der Werbung für Lebensmittel – weit auszulegen. Krankheit ist jede, auch jede unerhebliche oder vorübergehende, Beeinträchtigung der körperlichen Beschaffenheit oder der üblichen Funktionen des Organismus (Zipfel/Rathke, aaO., § 20 LFGB, Rn. 4). Maßgebliche Erwägung für den Krankheitsbegriff ist, dass der Verbraucher nicht nur vor unsachgemäßer Selbstbehandlung geschützt werden soll, sondern dass über diesen Zweck hinausgehend auch jegliche Anlehnung an die Arzneimittelwerbung unterbunden werden soll (Zipfel/Rathke, aaO., Art. 7 LMIV, Rn. 430).

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Beispiele

 OLG Nürnberg, Urt. v. 23.12.2014, 3 U 1874/14, II.C.2.a

Die Formulierung "In ihr verbindet sich Schärfe des für seine Heilkraft bekannten Ingwers mit der Frische sonnengereifter Orangen zu einem wohltuenden Geschmackserlebnis" für ein Hustenbonbon suggeriert, das beworbene Produkt könne zur Beseitigung, Linderung oder Verhütung von Husten beitragen. Der Verkehr versteht nämlich die Werbung so, dass wegen des beigefügten Ingwers die Bonbons zumindest die Beschwerden bei Husten lindern. Die Beklagte bewirbt auf der Verpackung nicht nur den Geschmack des Ingwers, sondern auch dessen "Heilkraft". Diese wir noch dadurch betont, dass der Ingwer hierfür "bekannt" sei.

OLG Brandenburg, Urt. v. 26.2.2019, 6 U 84/18, Tz. 10

Selbst auf der Grundlage des weiten Begriffs der krankheitsbezogenen Werbung in Art. 7 Abs. 3 LMIV kann der Senat nicht zu der Einschätzung gelangen, dass mit der Bezeichnung „Zu jedem Antibiotikum“ auf der Produktverpackung aus Verbrauchersicht die Heilung oder Linderung einer Krankheit bzw. eine Vorbeugung gegen dieselbe zu verstehen ist.

OLG Stuttgart, Urt. v. 6.6.2019, 2 U 144/18, Tz. 57 ff – Anti-Zecken-Snack

Es bestehen Bedenken, ob auch unter Berücksichtigung dieses weiten Krankheitsbegriffs die Beklagte mit der Bezeichnung „Anti-Zecken Snack“ behauptet, dass der Snack eine Krankheit verhindere.

Weder eine Zecke noch ein Zeckenbiss stellen für sich genommen eine Krankheit dar. Das Argument des Klägers, dass schon der Zeckenbiss für sich genommen Krankheitscharakter habe, weil er zu Rötungen, Hautschwellungen und grippeartigen Erscheinungen führe, erscheint zweifelhaft. Rötungen und Hautschwellungen sind normale Reaktionen der Haut auf einen Zeckenbiss und haben – ebenso wie die Reaktionen auf einen Mückenstich – für sich genommen keinen Krankheitscharakter, sondern entsprechen vielmehr den üblichen Funktionen des Organismus. Für grippeartige Erscheinungen gilt dies zwar nicht, allerdings dürfte es auch nicht richtig sein, dass ein Zeckenbiss zu derartigen Symptomen führt, wenn mit dem Biss nicht gleichzeitig die Infizierung mit Krankheitserregern verbunden ist. Der Zeckenbiss kann auch nicht dem dauerhaften Befall mit einem Parasiten gleichgesetzt werden, denn Zecken lassen sich nach Beendigung ihrer Blutmahlzeit von ihrem Wirt abfallen.

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Produktbezogene Angabe

Es ist erforderlich, dass die krankheitsbezogene Aussage mit dem beworbenen Produkt in Zusammenhang gebracht wird. Dafür ist es aber ausreichend, wenn die Produktwerbung z.B. im Rahmen einer Website mit Sachinformationen zur möglichen Krankheitsgefahren in Verbindung gebracht wird (vgl. z.B.: OLG Hamburg, Urt. v. 14.6.2012, 3 U 5/11. II.1.c.cc).

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Marktverhaltensregelung

OLG Hamburg, Urt. v. 14.6.2012, 3 U 5/11. II.1.c.cc

Bei der Regelung des § 12 Abs. 1 LFGB handelt es sich auch um eine das Marktverhalten im Interesse der Marktteilnehmer regelnde Vorschrift im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG. Ihre Verletzung ist geeignet, die Interessen von Mitbewerbern und Verbrauchern im Sinne von § 3 Abs. 1 UWG nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen (Köhler in Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 4 Rz. 11.136).

Ebenso BGH, Urt. v. 2.10.2008, I ZR 220/05, Tz. 25 - Mobil-Plus-Kapseln; OLG Bamberg, Urt. v. 22.1.2014, 3 U 191/13, Tz. 28; OLG Nürnberg, Urt. v. 23.12.2014, 3 U 1874/14, II.C.3; OLG Brandenburg, Urt. v. 26.2.2019, 6 U 84/18, Tz. 6

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Hinweise auf ärztliche Empfehlungen oder ärztliche Gutachten

OLG Nürnberg, Urt. v. 5.11.2013, 3 U 78/13, II.5

Umstritten ist, ob die Vorschrift im Hinblick auf das Urteil des EUGH vom 15.7.2004 zu Art. 18 Abs. 2 der Richtlinie 2000/13/EG (sog. Ettiketierungsrichtlinie) restriktiv dahin auszulegen ist, dass sich die Hinweise auf eine Krankheit beziehen oder - wenn sie keinen Krankheitsbezug aufweisen - irreführend sein müssen.

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Äußerungen Dritter (§ 12 Abs. 1 Nr. 3 LFGB)

OLG Düsseldorf, Urt. v. 15.1.2013, 20 U 222/11

Der Begriff der Verwendung gesundheitsbezogener Äußerungen Dritter im Bereich der Werbung für Lebensmittel setzt nicht voraus, dass sich der Werbende deren Aussageinhalt zu eigen macht. Es reicht vielmehr aus, dass solche zur Werbung geeigneten Äußerungen Dritter im Rahmen einer Werbung unmittelbar wiedergegeben oder zitiert werden oder dass bloß auf sie hingewiesen wird, wenn die Äußerungen in einer Weise mit der Werbung verbunden sind oder werden, dass aus der Sicht des Verbrauchers ernsthaft der Eindruck entstehen kann, das gerade beworbene Mittel könne die vom Dritten angesprochene Krankheit verhüten. Auch dann besteht nämlich die Gefahr, dass der Selbstmedikation Vorschub geleistet wird, was die Vorschrift verhindern will. Dabei ist es nicht entscheidend, ob der Werbende bei der Verwendung der Drittaussagen geplant und zielgerichtet vorgeht. Eine Wertung oder Einordnung der Äußerung braucht der Werbende selbst dabei nicht vorzunehmen. Der Werbende braucht unter Umständen noch nicht einmal aktiv Zu werden. Es kann im Rahmen einer Fernsehwerbesendung mit Zuschauerbeteiligung genügen, wenn der Werbende es geduldet hat, dass im Rahmen einer reklamehaften Anpreisung seiner Produkte in dieser Sendung Werbeaussagen von anrufenden Zuschauern so einbezogen werden, dass bei den zuschauenden Verbrauchern der Eindruck entsteht, diese Werbeaussagen seien Teil der zu vermittelnden Werbeinformation (KG MD 2010, 154, 159; OLG Hamm, Urt. v. 24.10.2006, 4 U 8/06).

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Distanzierung von Äußerungen Dritter

OLG Düsseldorf, Urt. v. 15.1.2013, 20 U 222/11

Hinweise, die Äußerungen beruhten allein auf persönlichen Erfahrungen, von denen man sich „aus rein rechtlichen Gründen komplett distanzieren" müsse, verstehen die Zuschauer schon wegen des durch das Wort ,,rein“ nochmals betonten Adjektivs „rechtlich" als rein formalen Hinweis, dem sie regelmäßig keine größere Bedeutung beimessen. Gleiches gilt für Aussagen wie „Sie wissen, rechtliche Gründe, ich muss da so'n bisschen einschränken". Rechtliche Gründe sind in den Augen der Zuschauer gerade keine tatsächlichen Gründe, die sie für allein relevant halten.

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Diätetische Lebensmittel

BGH, Urt. v. 2.10.2008, I ZR 220/05, Tz. 25 - Mobil-Plus-Kapseln

Gemäß § 12 Abs. 2 Satz 2 LFGB (§ 18 Abs. 2 Satz 2 LMBG), § 3 Abs. 1 DiätV gilt das Verbot des § 12 Abs. 1 Nr. 1 LFGB (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 LMBG) auch für diätetische Lebensmittel.

OLG Bamberg, Urt. v. 22.1.2014, 3 U 191/13, Tz. 33

Gemäß § 12 Abs. 2 Satz 2 LFBG i. V. m. § 3 Abs. 1 DiätV gilt das Verbot des § 12 Abs. 1 Nr. 1 LFGB auch für diätetische Lebensmittel.

OLG Bamberg, Urt. v. 14.1.2015, 3 U 176/14, II.1

Eine ergänzende bilanzierte Diät im Sinne des § 1 Abs. 4a DiätV setzt voraus, dass diese selbst die Voraussetzungen eines diätetischen Lebensmittels im Sinne des § 1 Abs. 1 DiätV erfüllt.

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Omsels, Online-Kommentar zum UWG:

http://www.webcitation.org/6nTgpPJjC