Der Unlauterkeitstatbestand ist in den Jahren durch das UWG gewandert. Zunächst fand er sich in § 4 Nr. 3 UWG (a.F.) und in der Zeit vom 10.12.2015 bis zum 27.5.2022 in geänderter Form § 5a Abs. 6 UWG. Ab dem 28.5.2022 findet sich die Vorschrift - wiederum mit Änderungen - in § 5a Abs. 4 UWG.
a. Richtlinie 2005/29/EG gegen unlautere Geschäftspraktiken
b. Richtlinie 2010/13/EU über audiovisuelle Mediendienste
c. Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr
3. § 4 Abs. 3 und § 5a Abs. 6 UWG (a.F)
6. Anwendungsbereiche des § 5a Abs. 4 UWG
Kenntlichmachung des kommerziellen Zwecks
8. Verschleierung / klar und eindeutig
11. Prüfungsreihenfolge (§ 5 Abs. 4 UWG und Nr. 11 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG)
12. Werbung für redaktionelle Werbung
13. Verhältnis zu § 5a Abs. 1 UWG
Literatur: Alexander, Christian, Die Neufassung von § 5 a UWG, WRP, 2016, 139; Fuchs/Hahn, Erkennbarkeit und Kennzeichnung von Werbung im Internet, MMR 2016, 503
Gesetzestext
§ 5a Abs. 4 UWG
Unlauter handelt auch, wer den kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung nicht kenntlich macht, sofern sich dieser nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt, und das Nichtkenntlichmachen geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Ein kommerzieller Zweck liegt bei einer Handlung zugunsten eines fremden Unternehmers nicht vor, wenn der Handelnde kein Entgelt oder keine ähnliche Gegenleistung für die Handlung von dem fremden Unternehmer erhält oder sich versprechen lässt. Der Erhalt oder das Versprechen einer Gegenleistung wird vermutet, es sei denn der Handelnde macht glaubhaft, dass er eine solche nicht erhalten hat.
Richtlinienkonformität
Richtlinie 2005/29/EG gegen unlautere Geschäftspraktiken
Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie lautet
Als irreführende Unterlassung gilt es auch, wenn ein Gewerbetreibender wesentliche Informationen gemäß Absatz 1 unter Berücksichtigung der darin beschriebenen Einzelheiten verheimlicht oder auf unklare, unverständliche, zweideutige Weise oder nicht rechtzeitig bereitstellt oder wenn er den kommerziellen Zweck der Geschäftspraxis nicht kenntlich macht, sofern er sich nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt, und dies jeweils einen Durchschnittsverbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst oder zu veranlassen geeignet ist, die er ansonsten nicht getroffen hätte.
Zur Vorgängervorschrift des § 4 Nr. 3 (alt) UWG.
BGH, Urt. v. 1.7. 2010, I ZR 161/09, Tz. 21 - Flappe
Die Vorschrift des § 4 Nr. 3 (alt) UWG dient der Umsetzung des Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken. Danach liegt eine irreführende Unterlassung vor, wenn der kommerzielle Zweck der Geschäftspraxis nicht kenntlich gemacht wird. Die Bestimmung des § 4 Nr. 3 (alt) dient dem Schutz der Verbraucher vor einer Täuschung über den kommerziellen Hintergrund geschäftlicher Maßnahmen.
Ebenso zu § 5a Abs. 6 UWG (a.F.) BGH, Urt. v. 9.9.2021, I ZR 90/20, Tz. 70 - Influencerin I; BGH, Urt. v. 9.9.2021, I ZR 125/20, Tz. 23 - Influencerin II
Richtlinie 2010/13/EU über audiovisuelle Mediendienste
Artikel 9
(1) Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass die audiovisuelle kommerzielle Kommunikation, die von den ihrer Rechtshoheit unterworfenen Mediendiensteanbietern bereitgestellt wird, folgenden Anforderungen genügt:
a) audiovisuelle kommerzielle Kommunikation muss leicht als solche zu erkennen sein. Schleichwerbung in der audiovisuellen kommerziellen Kommunikation ist verboten;
b) in der audiovisuellen kommerziellen Kommunikation dürfen keine Techniken der unterschwelligen Beeinflussung eingesetzt werden;
Artikel 11
(1) Die Absätze 2, 3 und 4 gelten nur für Sendungen, die nach dem 19.Dezember 2009 produziert werden.
(2) Produktplatzierung ist untersagt.
(3) Sofern die Mitgliedstaaten nichts anderes beschließen, ist Produktplatzierung abweichend von Absatz 2 in folgenden Fällen zulässig:
a) in Kinofilmen, Filmen und Serien für audiovisuelle Mediendienste, Sportsendungen und Sendungen der leichten Unterhaltung;
b) wenn kein Entgelt geleistet wird, sondern lediglich bestimmte Waren oder Dienstleistungen wie Produktionshilfen und Preise im Hinblick auf ihre Einbeziehung in eine Sendung kostenlos bereitgestellt werden.
Die Abweichung nach Buchstabe a gilt nicht für Kindersendungen.
Sendungen, die Produktplatzierung enthalten, müssen mindestens alle folgenden Anforderungen erfüllen:
a) ihr Inhalt und— bei Fernsehsendungen— ihr Programmplatz dürfen keinesfalls so beeinflusst werden, dass die redaktionelle Verantwortung und Unabhängigkeit des Mediendiensteanbieters beeinträchtigt wird;
b) sie dürfen nicht unmittelbar zu Kauf, Miete bzw. Pacht von Waren oder Dienstleistungen auffordern, insbesondere nicht durch spezielle verkaufsfördernde Hinweise auf diese Waren oder Dienstleistungen;
c) sie dürfen das betreffende Produkt nicht zu stark herausstellen;
d) die Zuschauer müssen eindeutig auf das Bestehen einer Produktplatzierung hingewiesen werden. Sendungen mit Produktplatzierung sind zu Sendungsbeginn und -ende sowie bei Fortsetzung einer Sendung nach einer Werbeunterbrechung angemessen zu kennzeichnen, um jede Irreführung des Zuschauers zu verhindern.
In Ausnahmefällen können die Mitgliedstaaten von den Anforderungen des Buchstabens d absehen, sofern die betreffende Sendung weder vom Mediendiensteanbieter selbst noch von einem mit dem Mediendiensteanbieter verbundenen Unternehmen produziert oder in Auftrag gegeben wurde.
(4) Sendungen dürfen unter keinen Umständen die folgenden Produktplatzierungen enthalten:
a) Produktplatzierung zugunsten von Zigaretten oder Tabakerzeugnissen oder zugunsten von Unternehmen, deren Haupttätigkeit die Herstellung oder der Verkauf von Zigaretten und anderen Tabakerzeugnissen ist;
b) Produktplatzierung zugunsten bestimmter Arzneimittel oder medizinischer Behandlungen, die in dem Mitgliedstaat, dessen Rechtshoheit der Mediendiensteanbieter unterworfen ist, nur auf ärztliche Verordnung erhältlich sind.
FERNSEHWERBUNG UND TELESHOPPING
Artikel 19
(1) Fernsehwerbung und Teleshopping müssen als solche leicht erkennbar und vom redaktionellen Inhalt unterscheidbar sein. Unbeschadet des Einsatzes neuer Werbetechniken müssen Fernsehwerbung und Teleshopping durch optische und/oder akustische und/oder räumliche Mittel eindeutig von anderen Sendungsteilen abgesetzt sein
Die Richtlinie 2010/13/EU über audiovisuelle Mediendienste hat die Richtlinie 89/552/EWG zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit in der durch die Richtlinie 97/36/EG geänderten Fassung abgelöst.
Dazu hatte der EuGH entschieden:
EuGH, Urt. v. 9.6.2011, C-52/10, Tz. 35 - ALTER CHANNEL
Die Mitgliedstaaten haben nach dem 27. Erwägungsgrund der Richtlinie 89/552 das Recht, ausführlichere oder strengere Bestimmungen und in bestimmten Fällen unterschiedliche Bedingungen für die ihrer Rechtshoheit unterworfenen Fernsehveranstalter einzuführen, um sicherzustellen, dass die Interessen der Verbraucher als Zuschauer umfassend und angemessen geschützt werden.
Zu Art. 10 Richtlinie, der Art. 19 der Richtlinie 2010/13/EU über audiovisuelle Mediendienste vergleichbar ist, hieß es:
EuGH, Urt. v. 9.6.2011, C-52/10, Tz. 29 - 31, 33 - ALTER CHANNEL
29 Aus dieser Bestimmung ergibt sich, dass „Schleichwerbung von [einem] Fernsehveranstalter absichtlich zu Werbezwecken vorgesehen“ sein muss.
30 Insoweit wird nach Art. 1 Buchst. d Satz 2 der Richtlinie 89/552 vermutet, dass Waren, Dienstleistungen, Namen, Marke oder Tätigkeiten eines Herstellers von Waren oder eines Erbringers von Dienstleistungen in Programmen absichtlich erwähnt oder dargestellt werden, wenn diese Erwähnung oder Darstellung gegen Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung erfolgt.
31 Diese Bestimmung darf jedoch nicht eng in dem Sinne ausgelegt werden, dass eine solche Erwähnung oder Darstellung nur dann als beabsichtigt gelten kann, wenn sie gegen Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung erfolgt.
33 Eine solche Auslegung würde im Gegenteil den umfassenden und angemessenen Schutz der Fernsehzuschauer, den die Richtlinie 89/552 insbesondere durch das Verbot der Schleichwerbung in Art. 10 Abs. 4 der Richtlinie sicherstellen soll, in Frage stellen und könnte darüber hinaus diesem Verbot seine praktische Wirksamkeit nehmen, da es in manchen Fällen schwierig oder gar unmöglich sein dürfte, im Zusammenhang mit einer Werbung die Existenz eines Entgelts oder einer ähnlichen Gegenleistung festzustellen.
Zu Art. 19 der Richtlinie 2010/13/EU über audiovisuelle Mediendienste heißt es:
EuGH, Urt. v. 17.2.2016, C-314/14, Tz, 29 – Sanoma/Nelonen Media
Art. 19 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste sieht vor, dass Fernsehwerbung und Teleshopping als solche leicht erkennbar und vom redaktionellen Inhalt unterscheidbar sein müssen. Nach Art. 19 Abs. 1 Satz 2 müssen unbeschadet des Einsatzes neuer Werbetechniken Fernsehwerbung und Teleshopping durch optische und/oder akustische und/oder räumliche Mittel eindeutig von anderen Sendungsteilen abgesetzt sein.
EuGH, Urt. v. 17.2.2016, C-314/14, Tz, 37 – Sanoma/Nelonen Media
Fernsehwerbung und Teleshopping müssen zwar unter Anwendung der einzelnen in Art. 19 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste aufgezählten Mittel klar von den Fernsehsendungen getrennt werden. Diese Mittel müssen aber gemäß dieser Bestimmung nicht kumulativ angewendet werden. Wenn nämlich schon mit einem von ihnen, sei es optisch, akustisch oder räumlich, sichergestellt werden kann, dass die Anforderungen, die sich aus Art. 19 Abs. 1 Satz 1 dieser Richtlinie ergeben, in vollem Umfang eingehalten werden, brauchen die Mitgliedstaaten nicht den kombinierten Einsatz dieser Mittel vorzusehen.
Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr
Art. 6 Informationspflichten
Zusätzlich zu den sonstigen Informationsanforderungen nach dem Gemeinschaftsrecht stellen die Mitgliedstaaten sicher, daß kommerzielle Kommunikationen, die Bestandteil eines Dienstes der Informationsgesellschaft sind oder einen solchen Dienst darstellen, zumindest folgende Bedingungen erfüllen:
a) Kommerzielle Kommunikationen müssen klar als solche zu erkennen sein
§ 4 Abs. 3 und § 5a Abs. 6 UWG (a.F.)
Bis zum 10.12.2015 hieß es im damaligen § 4 Nr. 3, der als Umsetzung des Art. 7 Abs. 2 UGP-Richtlinie verstanden wurde:
Unlauter handelt insbesondere, wer ...
3. den Werbecharakter von geschäftlichen Handlungen verschleiert.
Danach hieß es in § 5a Abs. 6 UWG in der bis zum 27.5.2022 geltenden Fassung)
Unlauter handelt auch, wer den kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung nicht kenntlich macht, sofern sich dieser nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt, und das Nichtkenntlichmachen geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.
Für § 5a Abs. 4 UWG kann die Rechtsprechung zu § 4 Nr. 3 UWG (a.F.) und § 5 Abs. 6 UWG (a.F.) herangezogen werden. Alle drei Fassungen gehen auf dieselben europarechtlichen Vorgaben zurück.
Grundsatz
BGH, Urt. v. 30.6.2011, I ZR 157/10, Tz. 18 - Branchenbuch Berg
Eine Verschleierung im Sinne von § 4 Nr. 3 UWG (a.F., heute § 5a Abs. 4 UWG) und damit auch eine Irreführung gemäß § 5 Abs. 1 UWG liegt vor, wenn das äußere Erscheinungsbild einer geschäftlichen Handlung so gestaltet wird, dass die Marktteilnehmer den geschäftlichen Charakter nicht klar und eindeutig erkennen.
Ebenso BGH, Urt. v. 13.1.2022, I ZR 35/21, Tz. 45 - Influencer III; OLG Köln, Urt. v. 9.8.2013, 6 U 3/13; OLG Hamburg, Urt. v. 13.6.2013, 3 U 15/12, B.I.1.b; OLG Nürnberg, Urt. v. 15.1.2019, 3 U 724/18, Rn. 45; OLG München, Urt. v. 25.6.2020, 29 U 2333/19, Tz. 33 – Cathy Hummels; OLG Koblenz, Urt. v. 16.12.2020, 9 U 595/20, Tz. 103
Für einen Verstoß gegen § 5a Abs. 4 UWG ist es ausreichend, wenn die geschäftliche Handlung (z.B. Werbung) vom angesprochenen Verkehr nicht in ihrer ganzen geschäftlichen Tragweite erkannt wird. Es ist nicht erforderlich, dass der geschäftliche Charakter der Handlung ganz verborgen bleibt.
Zweck des § 5a Abs. 4 UWG
Der Normzweck liegt im Schutz des Verbrauchers und der sonstigen Marktteilnehmer (vgl. Wortlaut des § 5a Abs. 4 UWG).
BGH, Urt. v. 1.7.2010, I ZR 161/09, Tz. 21 - Flappe
Die Bestimmung des § 4 Nr. 3 (a.F., heute § 5a Abs. 4 UWG) dient dem Schutz der Verbraucher vor einer Täuschung über den kommerziellen Hintergrund geschäftlicher Maßnahmen.
Ebenso BGH, Urt. v. 9.9.2021, I ZR 90/20, Tz. 70 - Influencerin I; BGH, Urt. v. 9.9.2021, I ZR 125/20, Tz. 23 - Influencerin II; BGH, Urt. v. 31.10.2012, I ZR 205/11, Tz. 15 - Preisrätselgewinnauslobung V; OLG Hamburg, Urt. v. 13.6.2013, 3 U 15/12, B.I.1.b
OLG Frankfurt, Beschl. v. 22.8.2019, 6 W 64/19, II.2.c
§ 5a Abs. 6 UWG (a.F., heute § 5a Abs. 4 UWG) bezweckt den Schutz der Verbraucher vor einer Täuschung über den kommerziellen Hintergrund geschäftlicher Maßnahmen. Grundlage des Verbots redaktioneller Werbung ist die damit regelmäßig einhergehende Irreführung des Lesers, der dem Beitrag aufgrund seines redaktionellen Charakters unkritischer gegenübertritt und ihm auch größere Bedeutung und Beachtung bemisst (BGH GRUR 2013, 644 Rn. 15 - Preisrätselgewinnauslobung V).
OLG Karlsruhe, Urt. v. 9.9.2020, 6 U 38/19, Tz. 122
Die Vorschrift trägt dem Schutzbedürfnis Rechnung, das daraus entsteht, dass Verbraucher kommerziellen Annäherungen und Äußerungen eher skeptisch, reserviert und mit Vorbehalten gegenübertreten, augenscheinlich ohne kommerzielle Absicht vorgetragenen Äußerungen aber offener, positiv und regelmäßig vertrauensvoll. Dieser Schutzzweck verlangt, dass die Offensichtlichkeit des kommerziellen Zwecks konkret und produktbezogen vorzuliegen hat.
BGH, Urt. v. 31.10.2012, I ZR 205/11, Tz. 15 - Preisrätselgewinnauslobung V
Mit der Vorschrift soll das medienrechtliche Verbot der Schleichwerbung auf alle Formen der Werbung ausgedehnt werden (Begründung zum Entwurf eines Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, BT-Drucks. 15/1487, S. 17).
Ebenso BGH, Urt. v. 9.9.2021, I ZR 90/20, Tz. 70 - Influencerin I; BGH, Urt. v. 9.9.2021, I ZR 125/20, Tz. 23 - Influencerin II; OLG Karlsruhe, Urt. v. 7.6.2013, 4 U 7/12 (= WRP 2013, 1054); OLG Hamburg, Urt. v. 13.6.2013, 3 U 15/12, B.I.1.b
OLG Hamburg, Urt. v. 13.6.2013, 3 U 15/12, B.I.1.b
Grundlage des in § 4 Nr. 3 (a.F., heute § 5a Abs. 4 UWG) - ebenso wie in Nr. 11 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG - enthaltenen Verbots redaktioneller Werbung ist die damit regelmäßig einhergehende Irreführung des Lesers, der dem Beitrag aufgrund seines redaktionellen Charakters unkritischer gegenübertritt und ihm auch größere Bedeutung und Beachtung bemisst (vgl. BGH, GRUR 1981, 835 - Getarnte Werbung I; BGH GRUR 1994, 821, 822 - Preisrätselgewinnauslobung I).
Ebenso BGH, Urt. v. 9.9.2021, I ZR 90/20, Tz. 70 - Influencerin I
Anwendungsbereiche des § 5a Abs. 4 UWG
Aufgrund des Wortlauts des § 5a Abs. 4 UWG ist davon auszugehen, dass § 5a Abs. 4 UWG die Verschleierung des kommerziellen Zwecks im Verhältnis Unternehmer – Verbraucher/sonstige Marktteilnehmer erfasst.
OLG Frankfurt, Beschl. v. 22.2.2019, 6 W 9/19, II.3.e.1
Der nach § 5a Abs. 6 UWG (a.F., heute § 5a Abs. 4 UWG) notwendige "kommerzielle Zweck" stellt keine Besonderheit einer geschäftlichen Handlung dar. Vielmehr wohnt jeder geschäftlichen Handlung schon definitionsgemäß (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 (a.F., heute § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG)) ein geschäftlicher und somit ein "kommerzieller" Zweck inne, weil sie "zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens" erfolgt, also unternehmerischen Interessen dient, gleichviel ob es um die Förderung des Absatzes oder Bezugs oder den Abschluss oder die Durchführung eines Vertrags geht (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 37. Aufl. 2019, UWG § 5a Rnr. 7.23-7.27)
Schleichwerbung findet auf allen Ebenen der Kommunikation statt.
Ein wichtiges Feld ist die Schleichwerbung in den Medien, etwa in Form einer redaktionellen Werbung (= in einem Medienbeitrag, z.B. Zeitungsartikel wird Werbung für ein Produkt gemacht) oder der redaktionell getarnten Werbung (= die Werbeanzeige sieht aus wie ein redaktioneller Beitrag). Darauf ist der Anwendungsbereich des § 5a Abs. 4 UWG aber bei weitem nicht beschränkt. Die Vorschrift ist in gleicher Weise einschlägig z.B. auf unabhängig erscheinende Äußerungen Dritter zu einem Produkt im Internet (Stichwort Influencer), auf die Gestaltung von Formularen, die eine Gratisleistung vermuten lassen und versteckt entgeltlich sind (z.B. bei Abofallen), auf Laienwerber, die sich zwar als Laien, nicht aber als Werber zu erkennen geben, gekauftes Product Placement und vieles mehr. Zu einer - nicht unbedingt vollständigen - Übersicht über die Anwendungsbereiche siehe die Beispiele in den Unterkapiteln.
Kommerzieller Zweck
BGH, Urt. v. 13.1.2022, I ZR 35/21, Tz. 42 – Influencer III
Der kommerzielle Zweck ist … im Rahmen der Einzelfallwürdigung anhand derjenigen objektiven Indizien zu bestimmen, die auch für die Beurteilung geschäftlicher Handlungen im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG gelten (vgl. BGH, GRUR 2021, 1400 Rn. 73 bis 78 - Influencer I; GRUR 2021, 1414 Rn. 27 bis 31 - Influencer II, jeweils mwN).
BGH, Urt. v. 9.9.2021, I ZR 90/20, Tz. 73 - Influencerin I
Hinsichtlich des kommerziellen Zwecks greift keine Vermutung ein, die vom Anspruchsgegner zu widerlegen wäre. Es hat vielmehr eine Würdigung der gesamten Umstände des Einzelfalls zu erfolgen.
Ebenso BGH, Urt. v. 9.9.2021, I ZR 125/20, Tz. 26 - Influencerin II; BGH, Urt. v. 13.1.2022, I ZR 35/21, Tz. 42 - Influencer III
BGH, Urt. v. 9.9.2021, I ZR 125/20, Tz. 30 - Influencerin II
Der kommerzielle Zweck kann in der Praxis regelmäßig nur anhand objektiver Indizien bestimmt werden. Insoweit gilt dasselbe wie bei der Beurteilung der Frage, ob ein vom Unternehmer finanzierter Einsatz redaktioneller Inhalte gemäß Nr. 11 der Anlage zu § 3 Abs. 3 UWG "zu Zwecken der Verkaufsförderung" erfolgt. Ein Einsatz zu "Zwecken der Verkaufsförderung" im Sinne dieser Vorschrift ist anzunehmen, wenn ein Unternehmer die Absicht hat, durch den redaktionellen Inhalt den Absatz seiner Waren oder Dienstleistungen zu fördern. Von einer solchen Absicht ist wiederum immer dann auszugehen, wenn der Beitrag objektiv eine Werbung enthält.
Kenntlichmachung des kommerziellen Zwecks
BGH, Urt. v. 9.9.2021, I ZR 90/20, Tz. 80 - Influencerin I
Wie der kommerzielle Zweck einer geschäftlichen Handlung kenntlich zu machen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Der Hinweis muss so deutlich erfolgen, dass der kommerzielle Zweck gemäß § 3 Abs. 4 Satz 1 UWG aus der Sicht des durchschnittlich informierten, situationsadäquat aufmerk-samen und verständigen Verbrauchers, der zur angesprochenen Gruppe gehört, auf den ersten Blick und zweifelsfrei hervortritt.
BGH, Urt. v. 9.9.2021, I ZR 90/20, Tz. 80 - Influencerin I
Der Umstand, dass Influencer sich auch an junge, zum Teil noch minderjährige Nutzer wenden, ändert an diesem Maßstab grundsätzlich nichts. Auf die Sicht eines durchschnittlichen Mitglieds einer eindeutig identifizierbaren Gruppe von Verbrauchern, die auf Grund von geistigen oder körperlichen Beeinträchtigungen, Alter oder Leichtgläubigkeit im Hinblick auf diese geschäftlichen Handlungen oder die diesen zugrundeliegenden Waren oder Dienstleistungen besonders schutzbedürftig sind, insbesondere Kinder und Jugendliche, ist gemäß § 3 Abs. 4 Satz 2 UWG nicht schon dann abzustellen, wenn möglicherweise auch diese durch die fragliche geschäftliche Handlung beeinflusst werden, sondern erst dann, wenn voraussichtlich und vorhersehbar allein das geschäftliche Verhalten dieser Verbrauchergruppe wesentlich beeinflusst wird.
Verschleierung / klar und eindeutig
BGH, Urt. v. 30.6.2011, I ZR 157/10, Tz. 19 - Branchenbuch Berg
Für die Frage, wie die Werbung verstanden wird, ist die Sichtweise des durchschnittlich informierten, situationsadäquat aufmerksamen und verständigen Marktteilnehmers maßgebend. Hiervon ist auch bei der Beurteilung auszugehen, ob der Werbecharakter einer geschäftlichen Handlung verschleiert wird. Richtet sich die Handlung an Gewerbetreibende oder Freiberufler, so ist das durchschnittliche Verständnis der Mitglieder dieser Gruppe maßgebend.
BGH, Urt. v. 9.9.2021, I ZR 90/20, Tz. 87 ff - Influencerin I
Eine Kennzeichnung des kommerziellen Zwecks ist dann nicht erforderlich, wenn das äußere Erscheinungsbild der geschäftlichen Handlung so gestaltet wird, dass die Verbraucher den kommerziellen Zweck klar und eindeutig auf den ersten Blick erkennen können. Auch für die Frage, wie die Werbung verstanden wird, ist auf die Sichtweise des durchschnittlich informierten, situationsadäquat aufmerksamen und verständigen Verbrauchers abzustellen, der zur angesprochenen Gruppe gehört.
... Es genügt nicht, dass der Verkehr etwa eine äußerst positive Beschreibung eines Produkts erkennt. Er muss vielmehr sofort und zweifelsfrei erkennen, dass diese Beschreibung der Bewerbung des Produkts dient.
Nicht ausreichend ist daher, wenn sich der werbliche Charakter eines Beitrags dem Verbraucher erst erschließt, wenn er ihn bereits zur Kenntnis genommen hat, denn dann ist er der Anlockwirkung bereits erlegen, die das Kennzeichnungsgebot gerade unterbinden soll, und war der Werbebotschaft unvorbereitet ausgesetzt. Die Kennzeichnung soll dem Verbraucher gerade die Möglichkeit verschaffen, sich auf den kommerziellen Charakter der Handlung ein-zustellen, damit er sie von vornherein kritisch beurteilen oder sich ihr ganz entziehen kann.
Gerade die häufig anzutreffende Vermischung nicht-werblicher und werblicher Beiträge kann der Einschätzung entgegenstehen, dass sich der kommerzielle Zweck einzelner Beiträge, fremde Unternehmen zu fördern, aus den Umständen ergibt. Bei einer solchen Vermischung der Beiträge ergibt sich der kommerzielle Zweck einzelner Beiträge nicht bereits aus einer etwaigen Verifizierung des Profils (also der Kennzeichnung als "echtes Profil" des namentlich benannten Inhabers, die nur bei Personen mit einer bestimmten öffentlichen Bekanntheit bzw. ab einer gewissen Anzahl an Followern erfolgt, einer besonders hohen Anzahl der Follower oder aus einer generellen Bekanntheit des Influencers.
Ebenso BGH, Urt. v. 13.1.2022, I ZR 35/21, Tz. 45 f - Influencer III; BGH, Urt. v. 9.9.2021, I ZR 125/20, Tz. 34 ff - Influencerin II; OLG Frankfurt, Urt. v. 19.5.2022, 6 U 56/21
Zur Erkennbarkeit bei redaktioneller Werbung:
BGH, Urt. v. 31.10.2012, I ZR 205/11, Tz. 21 - Preisrätselgewinnauslobung V
Bei der Beurteilung der Erkennbarkeit von redaktioneller Werbung kommt es nicht allein darauf an, ob der durchschnittliche Leser erst nach einer - analysierenden - Lektüre des Beitrags die werbliche Wirkung des Beitrags erkennt. Dies schließt es nämlich nicht aus, dass der Leser aufgrund der Zuordnung des Beitrags zum redaktionellen Teil einer Zeitschrift diesem überhaupt erst eine eingehendere Beachtung schenkt, weil er der irrigen Annahme unterliegt, es handele sich um eine unabhängige Äußerung der Redaktion. Aus diesem Grund muss für den Leser bereits auf den ersten Blick und ohne jeden Zweifel erkennbar sein, dass es sich der Sache nach um Werbung für den Hersteller des ausgelobten Produkts handelt. In diesem Zusammenhang genügt es nicht, dass der Verkehr die äußerst positive Beschreibung des Produkts erkennt. Er muss vielmehr sofort und zweifelsfrei erkennen, dass diese Beschreibung der Bewerbung des Produkts dient und nicht von der Redaktion verantwortet wird.
Ebenso OLG Karlsruhe, Urt. v. 9.9.2020, 6 U 38/19, Tz. 109; OLG München, Urt. v. 25.6.2020, 29 U 2333/19, Tz. 33 – Cathy Hummels; OLG Koblenz, Urt. v. 16.12.2020, 9 U 595/20, Tz. 103
OLG Karlsruhe, Urt. v. 9.9.2020, 6 U 38/19, Tz. 109
Der kommerzielle Zweck einer geschäftlichen Handlung muss spätestens in dem Zeitpunkt für den Verbraucher erkennbar sein, in dem er eine geschäftliche Entscheidung oder zumindest eine damit unmittelbar zusammenhängende Entscheidung treffen kann. Nicht hinreichend ist es dagegen, wenn der kommerzielle Zweck für den Verbraucher erst nach einer analysierenden Betrachtung des Beitrags erkennbar wird (OLG Celle, Urt. v. 08.06.2017, 13 U 53/17 – Hashtag #ad, GRUR 2017, 1158, 1159; LG Heilbronn, Urt. v. 08.05.2018, 21 O 14/18 KfH – Instagram-Influencerin, GRUR-RS 2018, 18453, Rn. 54). Die Art und Weise der Kenntlichmachung des kommerziellen Zwecks bleibt dem Unternehmer überlassen. Der Hinweis muss jedoch so deutlich erfolgen, dass aus der Sicht eines durchschnittlichen Mitglieds der jeweils angesprochenen oder betroffenen Verbraucherkreise kein Zweifel am Vorliegen eines kommerziellen Zwecks besteht.
OLG Frankfurt, Beschl. v. 22.2.2019, 6 W 9/19, II.3.e.2
Ein Nichtkenntlichmachen des kommerziellen Zwecks liegt vor, wenn das äußere Erscheinungsbild der geschäftlichen Handlung so gestaltet wird, dass der Verbraucher ihren kommerziellen Zweck nicht klar und eindeutig erkennen kann (BGH GRUR 2013, 644 [BGH 31.10.2012 - I ZR 205/11] Rn. 15 - Preisrätselgewinnauslobung V). Dabei ist auf den konkreten Fall abzustellen und es sind alle tatsächlichen Umstände sowie die Beschränkungen des verwendeten Kommunikationsmittels zu berücksichtigen. Maßgebend ist nach § 3 Abs. 4 1 UWG die Sicht des durchschnittlich informierten, situationsadäquat aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers oder des durchschnittlichen Mitglieds der angesprochenen Verbrauchergruppe.
Ebenso OLG Hamburg, Urt. v. 2.7.2020, 15 U 142/19, II.2.b (MD 2020, 610); OLG Köln, Urt. v. 16.12.2020, 6 W 102/20, Tz. 28; OLG Koblenz, Urt. v. 16.12.2020, 9 U 595/20, Tz. 104
Die vorstehenden Ausführungen des BGH lassen sich auf andere Formen von Schleichwerbung übertragen.
KG Berlin, Urt. v. 15.1.2013, 5 U 84/12, Tz. 4 f
Wenn es Kinder sind, die die Werbung rezipieren sollen, dann ist, soweit es um § 4 Nr. 3 UWG (a.F., heute § 5a Abs. 4 UWG) geht, der Blick auf die Kinder zu richten, ob diese also die Werbung von vornherein "als Werbung" erkennen.
... Im Vergleich zu erwachsenen Personen haben Kinder (insbesondere, wenn sie erst sieben Jahre oder kaum älter sind) in aller Regel eine schwächere Aufmerksamkeits- und Lesekompetenz, demgegenüber aber einen stärkeren Spieltrieb, welcher gerade für "bewegte Bilder" besonders anfällig ist. Das muss in Rechnung gestellt werden, weshalb zu verlangen wäre, auf den kommerziellen Charakter der in Rede stehenden Werbung deutlich und kindgerecht hinzuweisen.
OLG Köln, Urt. v. 12.4.2013, 6 U 132/12, Tz. 18
Bei einer Werbung, die sich überwiegend an Kinder richtet, kommt es dementsprechend auf die Sichtweise eines durchschnittlichen Kindes an, an das sich die Werbung richtet. Ob bei einer gezielten Werbung gegenüber Minderjährigen eine Verschleierung des Werbecharakters von geschäftlichen Handlungen im Sinne von § 4 Nr. 3 UWG (a.F., heute § 5a Abs. 4 UWG) vorliegt, beurteilt sich nach dem Informationsstand und der Aufmerksamkeit sowie Kritikfähigkeit eines durchschnittlichen Angehörigen dieser Zielgruppe. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Kinder grundsätzlich nicht in gleicher Weise wie Erwachsene in der Lage sind, redaktionelle Beiträge von Werbung zu unterscheiden, und sich deshalb auf Grund ihres Alters leichter täuschen lassen. Daher sind bei diesem nach § 3 Abs. 2 S. 3 UWG besonders schutzbedürftigen Adressatenkreis besondere, strengere Anforderungen an die erforderliche deutliche Trennung zwischen redaktionellem Teil und bezahlten Anzeigen zu stellen.
OLG Jena, Urt. v. 13.1.2016, 2 U 364/15, II.3.c
Eine Verschleierung i.S. v. § 4 Nr. 3 UWG liegt vor, wenn das äußere Erscheinungsbild einer geschäftlichen Handlung so gestaltet wird, dass die Marktteilnehmer den geschäftlichen Charakter nicht klar und eindeutig erkennen können (BGH GRUR 2012, 184 Rn. 18 - Branchenbuch Berg).
Ob bei § 5a Abs. 4 UWG die Beschränkungen des Kommunikationsmittels zu beachten sind, ist noch nicht geklärt. Dafür Alexander, WRP 2016, 139, 145.
Relevanz
BGH, Urt. v. 13.1.2022, I ZR 35/21, Tz. 53 – Influencer III
Ebenso wie für die Informationspflichtverletzung nach § 5a Abs. 2 UWG gilt für die Informationspflichtverletzung nach § 5a Abs. 6 UWG die Annahme, dass die Nichtkenntlichmachung des kommerziellen Zwecks im Regelfall geeignet ist, eine geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers zu veranlassen. Denn der Verbraucher steht einer geschäftlichen Handlung im Falle des Erkennens des kommerziellen Zwecks von vornherein kritischer gegenüber. Den Unternehmer trifft daher auch im Rahmen von § 5a Abs. 6 UWG die sekundäre Darlegungslast für Umstände, die gegen die Relevanz des Kennzeichnungsverstoßes sprechen (vgl. BGH, GRUR 2021, 1400 Rn. 98 - Influencer I, mwN).
TMG und RStV/MStV
BGH, Urt. v. 13.1.2022, I ZR 35/21, Tz. 54 - Influencer III
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine geschäftliche Handlung, die die Voraussetzungen des § 5a Abs. 6 UWG (a.F., heute § 5a Abs. 4 UWG) erfüllt, nicht als unlauter anzusehen, wenn sie den Erfordernissen des § 6 Abs. 1 Nr. 1 TMG so-wie des § 58 Abs. 1 Satz 1 RStV und § 22 Abs. 1 Satz 1 MStV genügt, weil es sich dabei um vorrangige Spezialvorschriften handelt, deren Wertungen durch das Lauterkeitsrecht nicht unterlaufen werden dürfen (vgl. dazu BGH, GRUR 2021, 1414 Rn. 58 bis 61 und 71 - Influencer II).
BGH, Urt. v. 13.1.2022, I ZR 35/21, Tz. 56, 58 f - Influencer III
Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 TMG haben Diensteanbieter bei kommerziellen Kommunikationen, die Telemedien oder Bestandteile von Telemedien sind, zu beachten, dass die kommerziellen Kommunikationen klar als solche zu erkennen sein müssen. ...
Kommerzielle Kommunikation ist gemäß § 2 Satz 1 Nr. 5 TMG jede Form der Kommunikation, die der unmittelbaren oder mittelbaren Förderung des Absatzes von Waren, Dienstleistungen oder des Erscheinungsbilds eines Unternehmens, einer sonstigen Organisation oder einer natürlichen Person dient, die eine Tätigkeit im Handel, Gewerbe oder Handwerk oder einen freien Beruf ausübt. Keine kommerzielle Kommunikation stellt nach § 2 Satz 1 Nr. 5 Buchst. b TMG die Übermittlung von Angaben in Bezug auf Waren und Dienstleistungen oder das Erscheinungsbild eines Unternehmens, einer Organisation oder Person dar, die unabhängig und insbesondere ohne finanzielle Gegenleistung gemacht werden. Gemäß einer Ergänzung in § 2 Satz 1 Nr. 5 Buchst. b TMG durch das Gesetz zur Änderung des Telemediengesetzes und weiterer Gesetze vom 19. November 2020 (BGBl. I S. 2456) umfasst dies auch solche unabhängig und insbesondere ohne finanzielle Gegenleistung oder sonstige Vorteile von natürlichen Personen gemachten Angaben, die eine unmittelbare Verbindung zu einem Nutzerkonto von weiteren natürlichen Personen bei Diensteanbietern ermöglichen.
Danach liegt sowohl nach der alten als auch nach der neuen Fassung des § 2 Satz 1 Nr. 5 Buchst. b TMG kommerzielle Kommunikation zugunsten fremder Unternehmen nicht vor, wenn die Angaben unabhängig und insbesondere ohne finanzielle Gegenleistung gemacht werden. Für die Eigenwerbung gilt die Ausnahmeregelung des § 2 Satz 1 Nr. 5 Buchst. b TMG hingegen nicht, so dass es für die Beurteilung als kommerzielle Kommunikation nicht auf die Unabhängigkeit einer Angabe, insbesondere das Fehlen einer Gegenleistung, ankommt (BGH, GRUR 2021, 1414 Rn. 75 f. - Influencer II).
BGH, Urt. v. 13.1.2022, I ZR 35/21, Tz. 64 - Influencer III
Die in Art. 6 Buchst. a in Verbindung mit Art. 2 Buchst. f der Richtlinie 2000/31/EG niedergelegten Transparenzanforderungen gebieten es in gleicher Weise, der Förderung des Absatzes von Waren oder Dienstleistungen dienende Angaben einer Influencerin mangels Unabhängigkeit als kommerzielle Kommunikation im Sinne des § 2 Satz 1 Nr. 5 TMG anzusehen, wenn der hierdurch begünstigte Unternehmer zwar keine Geldzahlung geleistet, jedoch das dargestellte Produkt der Influencerin zur Verfügung gestellt hat. Der Bezug zwischen Bericht und geldwertem Vorteil wird hier durch die naheliegende und daher regelhaft anzunehmende Erwartung des durch den Bericht begünstigten Unternehmens hergestellt, dass die Influencerin über das Produkt berichten werde (vgl. Henning-Bodewig, WRP 2017, 1415 Rn. 22). Ein solcher Bericht ist durch die Produktbereitstellung initiiert und daher nicht unabhängig, so dass er als kommerzielle Kommunikation nach § 6 Abs. 1 TMG erkennbar sein muss.
BGH, Urt. v. 13.1.2022, I ZR 35/21, Tz. 70 - Influencer III
Nach § 58 Abs. 1 Satz 1 RStV muss Werbung als solche klar erkennbar und vom übrigen Inhalt der Angebote eindeutig getrennt sein. Dieser Regelung entspricht diejenige in § 22 Abs. 1 Satz 1 MStV.
BGH, Urt. v. 13.1.2022, I ZR 35/21, Tz. 72 - Influencer III
Gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 7 RStV ist Werbung jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs, die im Rundfunk von einem öffentlich-rechtlichen oder einem privaten Veranstalter oder einer natürlichen Person entweder gegen Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung oder als Eigenwerbung gesendet wird, mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich unbeweglicher Sachen, Rechte und Verpflichtungen, gegen Entgelt zu fördern. Diese Definition ist auch auf den Begriff der Werbung in Telemedien gemäß § 58 Abs. 1 RStV anzuwenden. § 2 Abs. 2 Nr. 7 MStV enthält nunmehr eine auch ausdrücklich auf Telemedien bezogene, im Übrigen übereinstimmende Definition.
Danach stellt eine Äußerung mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen eines fremden Unternehmens zu fördern, nur dann eine Werbung im Sinne dieser Vorschrift dar, wenn sie gegen Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung gemacht wird. Für die Eigenwerbung setzen § 2 Abs. 2 Nr. 7 RStV und § 2 Abs. 2 Nr. 7 MStV hingegen nicht voraus, dass für diese ein Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung erbracht wird (BGH, GRUR 2021, 1414 Rn. 77 - Influencer II).
Die Einschränkung, dass ein kommerzieller Zweck bei einer Werbung für einen Dritten nur vorliegt, wenn der Werbende dafür eine Gegenleistung erhalten hat, findet sich auch im aktuellen § 5a Abs. 4 UWG. Allerdings wird dies bei § 5a Abs. 4 UWG vermutet. Der Werbende muss glaubhaft machen, dass er keine Gegenleistung bekommen hat.
BGH, Urt. v. 13.1.2022, I ZR 35/21, Tz. 74 f - Influencer III
Bei der Auslegung der Tatbestandsmerkmale des Entgelts oder einer ähnlichen Gegenleistung ist ... - ebenso wie im Falle von § 2 Satz 1 Nr. 5 Buchst. b und § 6 Abs. 1 Nr. 1 TMG - der in Art. 2 Buchst. f 2. Spiegelstrich der Richtlinie 2000/31/EG genannte Oberbegriff der Unabhängigkeit maßgeblich. Diese Vorschriften dienen mithin gleichfalls dem Zweck, einer Irreführung des Empfängers über Motivation, Zweck und Zustandekommen einer Mitteilung vorzubeugen.
Diesem Schutzzweck entsprechend ist unter einem Entgelt oder einer ähnlichen Gegenleistung im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 7 RStV und § 2 Abs. 2 Nr. 7 MStV neben Geld- oder Sachleistungen jede geldwerte Gegenleistung zu verstehen. Der Förderung des Absatzes von Waren oder Dienstleistungen dienende Angaben einer Influencerin sind daher als Werbung im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 7 RStV und § 2 Abs. 2 Nr. 7 MStV anzusehen, wenn der hierdurch begünstigte Unternehmer zwar keine Geldzahlung geleistet, jedoch das dargestellte Produkt zur Verfügung gestellt hat. Stellt der durch die Angabe begünstigte Unternehmer das Produkt kostenlos und in der naheliegenden und daher regelhaft anzunehmenden Erwartung bereit, dass die Influencerin über das Produkt berichten werde, wird die Angabe gegen eine Gegenleistung gemacht.
Prüfungsreihenfolge (§ 5 Nr. 4 UWG und Nr. 11 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG)
OLG Karlsruhe, Urt. v. 7.5.2012, 6 U 18/11, Tz. 58
Der Kläger greift die Gesamtheit des Internetauftritts der Beklagten als Verstoß gegen §§ 3, 4 Nr. 3 UWG (a.F., heute § 5a Abs. 4 UWG) und gegen § 3 Abs. 3 UWG i.V.m. Nr. 11 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG an. Dabei ist das per-se-Verbot gemäß Nr. 11 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG vorrangig zu prüfen.
Werbung für redaktionelle Werbung
OLG Frankfurt, Beschl. v. 3.12.2012, 6 U 230/12, Tz. 3
Die Aussage „Ihre Vorteile als Anzeigenkunde … Kostenlose redaktionelle Präsentation Ihres Produkt Highlights im … Sonderteil“ in der beanstandete Werbeschrift kann von dem angesprochenen Anzeigeninteressenten nur dahin verstanden werden, dass er bei Schaltung einer Anzeige als weitere Gegenleistung hierfür sein Produkt im redaktionell aufgemachten, d. h. nicht als Werbung kenntlich gemachten oder sonst als Werbung erkennbaren Teil der Messezeitschrift positiv darstellen kann. Ausgehend von diesem Verkehrsverständnis verstößt die Werbeaussage der Antragsgegnerin wahlweise gegen das Verbot der als Information getarnten Werbung (Ziffer 11 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG) oder gegen das Irreführungsverbot (§ 5 UWG).