Neben dem geschilderten Grundsätzen zum Aufwendungsersatzanspruch aus § 12 Abs. 1 s. 2 UWG stellen sich in bestimmten Konstellationen immer wieder einzelne Fragen, z.B
1. Abmahnung nach beantragter einstweiliger Verfügung (Schubladenverfügung)
2. Abmahnung durch mehrere Gläubiger
a. Aufwendungsersatz bei mehreren Abmahnungen
3. Teilweise berechtigte Abmahnung
a. Abmahnung durch einen Rechtsanwalt
b. Abmahnung durch einen Wettbewerbsverband
4. Abmahnung/Abschlussschreiben durch ein Unternehmen mit Rechtsabteilung
5. Abmahnung eines Verbands über einen Rechtsanwalt
6. Vollmachtsnachweis erforderlich ?
7. Aufwendungsersatz für die Abmahnung oder Kontaktierung Dritter
8. Anspruch auf Freistellung oder auf Zahlung
9. Zinsen auf den Aufwendungsersatzanspruch
10. Ausnahme: Kein Aufwendungsersatzanspruch bei widersprüchlichem Verhalten (Abwehrklauseln)
11. Ausnahme: Kein Aufwendungsersatzanspruch bei Rechtsmissbrauch
12. Ausnahme: Kenntnis von erfolgloser Drittabmahnung
Abmahnung nach beantragter einstweiliger Verfügung (Schubladenverfügung)
Literatur: Zindel, Johannes/Vorländer, Julia, Vom Ende der Schubladenverfügung, WRP 2017, 276
Ein Aufwendungsersatzanspruch aus § 12 Abs. 1 S. 2 UWG besteht nur, wenn die Abmahnung ausgesprochen wird, bevor gerichtliche Schritte eingeleitet werden.
BGH, Urt. v. 7.10.2007, I ZR 216/07, Ls. – Schubladenverfügung
Ein Aufwendungsersatzanspruch nach § 12 Abs. 1 S. 2 UWG besteht nur für eine Abmahnung, die vor Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens ausgesprochen wird.
Für eine Abmahnung, die erst nach Erlass einer Verbotsverfügung ausgesprochen wird, ergibt sich ein Aufwendungsersatzanspruch auch nicht aus Geschäftsführung ohne Auftrag.
BGH, Urt. v. 7.10.2007, I ZR 216/07, Tz. 11 ff – Schubladenverfügung
Die Bestimmung des § 12 Abs. 1 UWG regelt das Institut der Abmahnung und Unterwerfung sowie den Aufwendungsersatzanspruch Die durch eine Verletzungshandlung veranlasste Abmahnung dient im Regelfall dem wohlverstandenen Interesse beider Parteien, da sie das Streitverhältnis auf einfache, kostengünstige Weise vorprozessual beenden und einen Rechtsstreit vermeiden soll. Auf dieses Rechtsinstitut der vorgerichtlichen Abmahnung bezieht sich auch die Regelung des Aufwendungsersatzanspruchs in § 12 Abs. 1 S. 2 UWG. Es sprechen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Anwendungsbereich der Obliegenheit nach § 12 Abs. 1 S. 1 UWG zwar auf die vorgerichtliche Abmahnung beschränkt ist, die Kostenerstattung nach § 12 Abs. 1 S. 2 UWG aber einen davon unabhängigen Regelungsbereich hat und sich ohne jede Beschränkung als allgemeine Rechtsfolge einer begründeten Abmahnung darstellt.
Es besteht im Falle der Erwirkung einer Schubladenverfügung auch kein Anspruch auf Erstattung der Kosten aus § 683 in Verbindung mit §§ 677, 667 BGB (GoA), weil derartige Abmahnungen objektiv nicht im Interesse des Abgemahnten ergehen. Für die Frage, ob eine Abmahnung im Interesse des Schuldners liegt, ist auf die objektiven Umstände im Zeitpunkt der Abmahnung abzustellen.
Anders als bei einer vor Einleitung eines Gerichtsverfahrens ausgesprochenen Abmahnung besteht kein Interesse des Schuldners, nach Erlass einer Verbotsverfügung noch abgemahnt zu werden. Unerheblich ist, dass sich die Situation für den Abgemahnten, der nichts von der erlassenen Beschlussverfügung weiß, nicht anders darstellt, als wenn er vorgerichtlich abgemahnt worden wäre. Zwar erhält der Schuldner auch durch die nachgeschaltete Abmahnung Gelegenheit, eine den Streit beilegende Unterwerfungserklärung abzugeben. Diese Möglichkeit stünde ihm aber auch offen, wenn ihm die Verbotsverfügung sogleich zugestellt würde. Entscheidend ist, dass der Schuldner den Rechtsstreit im Falle der nachgeschalteten Abmahnung durch eine Unterwerfungserklärung nicht mehr vermeiden kann.
Zweck der Abmahnung ist es, dem Schuldner, der sich nicht streitig stellt, eine Möglichkeit zu geben, den Streit kostengünstig beizulegen. Die nachgeschaltete Abmahnung vermittelt eine solche kostengünstige Möglichkeit nicht. Ist bereits eine einstweilige Verfügung gegen den Schuldner erlassen worden, ist es für den Schuldner am kostengünstigsten, wenn ihm die Verfügung zugestellt wird und er gegen diese Verfügung Kostenwiderspruch einlegt oder eine Unterwerfungserklärung abgibt. Ein auf die Kosten beschränkter Widerspruch des Schuldners hat in der Regel zur Folge, dass die für den Erlass der Verbotsverfügung entstandenen Kosten nach § 93 ZPO vom Gläubiger zu tragen sind.
Schubladenverfügungen dürften aber ohnehin der Vergangenheit angehören, nachdem das Bundesverfassungsgericht entschieden hat, das einstweilige Verfügungen nicht ohne Anhörung des Gegners, sei es im Rahmen einer Abmahnung oder im Rahmen einer gerichtlichen Anhörung erlassen werden dürfen. Dazu siehe hier.
Abmahnung durch mehrere Gläubiger
Da ein Wettbewerbsverstoß von allen Mitbewerbern und darüber hinaus auch noch von weiteren Gläubigern verfolgt werden kann, kommt es durchaus vor, dass ein Unternehmen wegen desselben Verhaltens von mehreren abgemahnt wird. In diesen Fällen muss der Unterlassungsschuldner nur gegenüber einem Gläubiger eine mit einer Vertragsstrafe verbundene Unterlassungserklärung abgeben. Damit entfällt auch gegenüber anderen Gläubigern die Wiederholungs- oder Erstbegehungsgefahr, die Voraussetzung für den Unterlassungsanspruch sind (s. dazu auch nachfolgend 'Kostenerstattung bei mehreren Abmahnungen).
Wenn gar keine oder eine nicht ausreichende Unterlassungserklärung abgegeben wird, kann jeder Gläubiger unabhängig von den anderen Gläubigern ein Gerichtsverfahren einleiten. Der Schuldner wird dann am Ende auf den Kosten sämtlicher Verfahren sitzen.
Zu einem Aufwendungsersatzanspruch wegen einer Abmahnung trotz einer einstweiligen Verfügung, die zugunsten eines Dritten ergangen war, siehe OLG Oldenburg, Urt. v. 10.2.2012, 6 U 247/11 (= MMR 2012, 312).
Aufwendungsersatzanspruch bei mehreren Abmahnungen
Wenn einem Gläubiger gegenüber bereits eine ausreichende Unterlassungserklärung abgegeben wurde, bevor ein anderer Gläubiger abmahnt, müssen nur dem früheren Gläubiger Kosten für die Abmahnung erstattet werden, nicht aber auch dem Gläubiger, der nach der ersten Unterlassungserklärung abmahnt.
BGH v. 17.01.2002 – I ZR 241/99, Tz. 18 - Missbräuchliche Mehrfachabmahnung
Eine Erstattung der Abmahnkosten aus dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag kommt im Allgemeinen nur hinsichtlich der ersten Abmahnung in Betracht kommt, weil nach der maßgeblichen objektiven Sicht nur die erste Abmahnung dem Interesse und dem mutmaßlichen Willen des Abgemahnten entspricht.
Diese Rechtsprechung lässt sich aber nicht auf den Fall übertragen, dass mehrere Abmahnungen eingehen, bevor einem Unterlassungsgläubiger eine ausreichende Unterlassungserklärung abgegeben wurde. Eventuell hilft in diesen Fällen der Rechtsmissbrauch weiter, wenn die Abmahnungen von mehreren Unterlassungsgläubigern koordiniert wurden.
OLG Hamm, Urt. v. 5.10.2010, 4 U 64/10
Ein Anspruch auf Kostenerstattung § 12 Abs. 1 S. 2 UWG oder GoA besteht nur, wenn der Unterlassungsanspruch objektiv (noch) besteht. Dies ist nicht (mehr) der Fall, wenn der Abgemahnte wegen des Wettbewerbsverstoßes zum Zeitpunkt der Abmahnung gegenüber einem Dritten bereits eine mit einer ausreichenden Vertragsstrafe versehene Unterlassungserklärung abgegeben hat.
Der Kostenerstattungsanspruch hängt entgegen einer zeitweise vertretenen anderen Meinung einzelner Gerichte nicht davon ab, ob der Abmahnung, die von einem Rechtsanwalt ausgesprochen wird, eine Vollmacht seines Mandanten beigefügt wird.
OLG Oldenburg, Urt. v. 10.2.2012, 6 U 247/11 (= MMR 2012, 312)
Der Missbrauch i.S.d. Bestimmung in § 8 Abs. 4 UWG bezieht sich nur auf die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs. Wenn es um Nebenansprüche - wie dem Erstattungsanspruch der Abmahnkosten - geht, kann der Missbrauchseinwand dagegen nur als materiell-rechtliches Hindernis dem Anspruch der Klägerin entgegengehalten werden (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 10.8.2010, 4 U 60/10 ). Für die Frage eines rechtsmissbräuchlichen Vorgehens kann allerdings auch auf 5 242 BGB abgestellt werden (vgl. OLG Hamm, a.a.0.; Köhler/Bornkamm/Köhler, UWG, § 8 Rdnr. 4.6).
Teilweise berechtigte Abmahnung
Fraglich ist, ob und in welchem Umfang ein Aufwendungsersatzanspruch besteht, wenn die Abmahnung zum Teil berechtigt, zum Teil aber unberechtigt war.
Bei dieser Frage wird unterschieden, ob die Abmahnung von einem Rechtsanwalt oder einem Verband ausgesprochen wurde.
Abmahnung durch einen Rechtsanwalt
BGH, Urt. v. 10.12.2009 – I ZR 149/07, Tz. 52 - Sondernewsletter
Richtet sich die Höhe der Abmahnkosten nach dem Gegenstandswert der Abmahnung, sind die Kosten einer nur teilweise berechtigten Abmahnung nur zu ersetzen, soweit die Abmahnung berechtigt war. Dabei ist die Höhe des Ersatzanspruchs nach dem Verhältnis des Gegenstandswerts des berechneten Teils der Abmahnung zum Gegenstandswert der gesamten Abmahnung zu bestimmen.
Ebenso BGH, Urt. v. 14.1.2016, I ZR 61/14, Tz. 45 - Wir helfen im Trauerfall; BGH, Urt. v. 31.5.2012, I ZR 45/11, Tz. 49 - Missbräuchliche Vertragsstrafe; OLG Düsseldorf, Urt. v. 24.9.2015, I-2 U 3/15, Tz. 125; OLG Frankfurt, Urt. v. 24.9.2015, 6 U 201/14, II.3
Das gilt aber nur, soweit der Wert der unberechtigten Abmahnung hinter dem Wert der unberechtigten Abmahnung zurückbleibt. Es gilt nicht, wenn die geforderte Unterlassungserklärung nur unzutreffend oder zu weitgehend vorformuliert wurde.
BGH, Urt. v. 31.10.2018 - I ZR 73/17, Tz. 35 - Jogginghosen
Eine Abmahnung ist zwar nur berechtigt, wenn sie dem Schuldner den Weg weist, wie er sich zu verhalten hat, damit ein Prozess vermieden wird. Dementsprechend muss die Abmahnung die Aufforderung zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung enthalten. Es ist aber unschädlich, wenn der Gläubiger mit der von ihm vorgeschlagenen Unterwerfungserklärung mehr fordert, als ihm zusteht; denn es ist Sache des Schuldners, aufgrund der Abmahnung die zur Beseitigung der Wiederholungsgefahr erforderliche Erklärung abzugeben.
Eine teilweise unberechtigte Abmahnung liegt nicht vor, wenn die Abmahnung auf einen Streitgegenstand gerichtet ist, aber mit verschiedenen UWG-Normen begründet wird.
BGH, Urt. v. 31.10.2018 - I ZR 73/17, Tz. 37 f - Jogginghosen
Wendet sich der Gläubiger in einer Abmahnung gegen ein konkret umschriebenes Verhalten (wie etwa eine bestimmte Werbeanzeige), das er unter mehreren Gesichtspunkten als wettbewerbswidrig beanstandet, sind die für die Abmahnung anfallenden Kosten bereits dann in vollem Umfang ersatzfähig, wenn sich der Anspruch unter einem der genannten Gesichtspunkte als begründet erweist. In einer solchen Konstellation hat sich die Abmahnung - unabhängig davon, welcher Gesichtspunkt den Anspruch begründet - als objektiv nützlich und zur Streiterledigung geeignet erwiesen. Ist die Abmahnung nach einem der angeführten Gesichtspunkte begründet, handelt es sich deshalb nicht um eine nur teilweise berechtigte Abmahnung, für die Kostenerstattung nur im Umfang des teilweise begründeten Unterlassungsanspruchs zu leisten ist.
Anders kann es zu beurteilen sein, wenn der Gläubiger die einzelnen Beanstandungen zum Gegenstand gesonderter Angriffe macht. So kann es sich etwa verhalten, wenn der Kläger im Hinblick auf verschiedene Werbeaussagen in einer Werbeanzeige gesonderte Unterlassungsansprüche geltend macht. In einem solchen Fall ist die Abmahnung nur insoweit berechtigt und sind die Kosten der Abmahnung einem Mitbewerber nur insoweit zu ersetzen, wie die einzelnen Beanstandungen begründet sind. Die Höhe des Ersatzanspruchs ist dann nach dem Verhältnis der auf die einzelnen Verstöße entfallenden Gegenstandswerte zu bestimmen, wobei sich die Höhe der Anteile nach dem Verhältnis der auf die einzelnen Verstöße entfallenden Gegenstandswerte bemisst.
Die Frage, ob ein Gläubiger, der sich in einer Abmahnung gegen ein konkret umschriebenes Verhalten wendet, das er unter mehreren Gesichtspunkten als wettbewerbswidrig beanstandet, die einzelnen Beanstandungen
zum Gegenstand gesonderter Angriffe macht, ist durch Auslegung der Abmahnung zu beantworten. Zur Auslegung der Abmahnung kann eine der Abmahnung beigefügte, vom Gläubiger vorformulierte Unterwerfungserklärung herangezogen werden. Dem steht nicht entgegen, dass es grundsätzlich Sache des Schuldners ist, die Unterwerfungserklärung zu formulieren. Das ändert nichts daran, dass die vom Gläubiger vorformulierte Unterwerfungserklärung das Ziel seiner Abmahnung zum Ausdruck bringt und daher zu deren Auslegung herangezogen werden kann.
Ebenso OLG Stuttgart, Urt. v. 14.2.2019, 2 U 33/18; S.a. BGH, Beschl. v. 21.11.2018, I ZR 51/18, Ty. 6, OLG Köln, Urt. v. 13.1.2012, 6 U 122/11, Tz. 30 ff
Aber auch, wenn der Abmahnende den erhobenen Unterlassungsanspruch auf mehrere selbstständige Anspruchsgründe stützt, die in einem Gerichtsverfahren als selbständige Streitgegenstände angesehen werden müssen, und nur ein oder einzelne Anspruchsgründe berechtigt sind, hat er einen Anspruch auf Erstattung der Kosten in voller Höhe. Für den Fall der Stützung eines Anspruchs auf mehrere Zeichenrechte:
BGH, Urteil vom 28. April 2016 - I ZR 254/14, Tz. 66 ff – Kinderstube
Wendet sich der Gläubiger in einer Abmahnung gegen eine konkrete Zeichenverwendung und stützt er dieses Begehren auf mehrere Zeichenrechte, so sind die für die Abmahnung anfallenden Kosten bereits dann nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff. BGB) in vollem Umfang ersatzfähig, wenn sich der Anspruch als nach einem der Zeichenrechte begründet erweist.
Die Annahme, dass ein aus mehreren Streitgegenständen vorgehender Kläger teilweise unterliegt, wenn er nicht hinsichtlich aller Rechte (bei kumulativer Geltendmachung) oder nur aufgrund eines nachrangig geltend gemachten Rechts (bei eventualer Klagehäufung) obsiegt, folgt aus dem Bestimmtheitsgebot des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, welches im Prozess die alternative Klagehäufung ausschließt. Diesem Gebot unterliegt die Abmahnung als außergerichtliches Streitbeilegungsmittel nicht. Vielmehr hat sich in einer solchen Konstellation die Abmahnung - unabhängig davon, welches Zeichenrecht den Anspruch begründet - als objektiv nützlich und zur Streiterledigung geeignet erwiesen. Ist die Abmahnung nach einem der in ihr angeführten Zeichenrechte begründet, handelt es sich deshalb auch nicht um eine nur teilweise berechtigte Abmahnung, für die Kostenerstattung nur im Umfang des teilweise begründeten Unterlassungsanspruchs zu leisten ist.
Bei der Berechnung des Gegenstandswerts der Abmahnung ist in einem solchen Fall der einfache Wert des erfolgreichen Begehrens zugrunde zu legen, ohne dass der Streitwert - wie im Falle des einheitlichen Unterlassungsantrags gemäß § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG zu erhöhen ist.
Die vorstehenden Grundsätze gelten für die Kosten eines Abschlussschreibens entsprechend: BGH, Vers.-Urt. v. 9.2.2023, I ZR 61/22, Tz. 24 ff - Kosten für Abschlussschreiben III und hier.
Abmahnung durch einen Wettbewerbsverband
BGH, Urt. v. 17.8.2011, I ZR 134/10, Tz. 20 – Auftragsbestätigung
Der Umstand, dass die von der Klägerin (Verbraucherzentrale) ausgesprochene Abmahnung zu weit reichte und damit nur teilweise berechtigt war, ist für den Kostenerstattungsanspruch unerheblich.
Ebenso KG, Urt. v. 1.12.2020, 5 U 26/19, Tz. 65; OLG Karlsruhe, Urt. v. 21.8.2020, 4 U 214/18 (MD 2020, 826 und juris); OLG München, Urt. v. 22.12.2021, 29 U 470/18, Tz. 34
Abmahnung/Abschlussschreiben durch ein Unternehmen mit Rechtsabteilung
BGH, Urt. v. 19.5.2010, I ZR 140/08, Tz. 26 - Vollmachtsnachweis
Auch Unternehmen mit eigener Rechtsabteilung dürfen durch einen externen Rechtsanwalt auf Kosten des Abgemahnten abmahnen lassen. Die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen gehört nicht zu den originären Aufgaben eines Unternehmers, für die er eine eigene Organisation vorhalten muss (vgl. BGH, Urt. v. 8.5.2008, I ZR 83/06, Tz. 15 - Abmahnkostenersatz).
BGH, Urt. v. 8.5.2008, I ZR 83/06, Tz. 13 f – Abmahnkostenersatz
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt es im Rahmen des Kostenerstattungsrechts auf die tatsächliche Organisation eines an einem Rechtsstreit beteiligten Unternehmens und nicht darauf an, welche Organisation das Gericht für zweckmäßig hält. Dementsprechend braucht sich ein Unternehmen, das über keine Rechtsabteilung verfügt, nicht so behandeln zu lassen, als ob es eine eigene Rechtsabteilung hätte.
Auch ein Unternehmen mit eigener Rechtsabteilung ist nicht gehalten, dieser neben der rechtlichen Überprüfung der eigenen geschäftlichen Aktivitäten auch die Überprüfung der Wettbewerbshandlungen der Mitbewerber auf ihre wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit zu übertragen. In gleicher Weise steht es einem Unternehmen, das seine Rechtsabteilung mit der Überprüfung der Zulässigkeit der Wettbewerbshandlungen der Mitbewerber betraut hat, grundsätzlich frei, die bei festgestellten Wettbewerbsverstößen vor der Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 UWG regelmäßig gebotenen Abmahnungen entweder selbst oder durch beauftragte Rechtsanwälte aussprechen zu lassen.
Der Umstand, dass ein Wettbewerbsverband auch ohne anwaltlichen Rat in der Lage sein muss, typische und durchschnittlich schwer zu verfolgende Wettbewerbsverstöße zu erkennen und abzumahnen, rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Denn dieses Erfordernis trägt dem Umstand Rechnung, dass solche Verbände nur dann gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG klage- und anspruchsbefugt sind, wenn sie nach ihrer personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung im Stande sind, ihre satzungsmäßigen Aufgaben der Verfolgung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen tatsächlich wahrzunehmen. Ein entsprechendes Erfordernis besteht bei kaufmännischen Unternehmen - wie hier der Klägerin - nicht.
Ebenso BGH, Urt. v. 17.7.2008, I ZR 219/05, Tz. 36 - Clone-CD = Aufgabe von BGH, Urt. v. 6.5.2004, I ZR 2/03, II.2 – Selbstauftrag)
OLG Karlsruhe, Urt. v. 22.1.2014, 6 U 135/10, Tz. 87
Ein Unternehmen mit eigener Rechtsabteilung ist grundsätzlich nicht verpflichtet, dieser neben der rechtlichen Überprüfung der eigenen geschäftlichen Aktivitäten auch die Überprüfung der Wettbewerbshandlungen der Mitbewerber auf ihre wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit zu übertragen. In gleicher Weise steht es einem Unternehmen, das seine Rechtsabteilung mit der Überprüfung der Zulässigkeit der Wettbewerbshandlungen eines Mitbewerbers betraut hat, grundsätzlich frei, die bei festgestellten Wettbewerbsverstößen vor der Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens gem. § 12 Abs. 1 UWG regelmäßig gebotene Abmahnung entweder selbst oder durch beauftragte Rechtsanwälte aussprechen zu lassen (BGH, GRUR 2008, 928 Tz. 14 – Abmahnkostenersatz; BGH, GRUR 2010, 1038, Tz. 24 - Geschäftsgebühr für Abschlussschreiben). Der Umstand, dass die Klägerin teilweise Abschlussschreiben durch eigene Mitarbeiter hat entwerfen und versenden lassen, rechtfertigt ebenso wenig wie der Umstand, dass es sich um einfach gelagerte Sachverhalte handelte, eine andere Beurteilung. Denn die Einschaltung eines Rechtsanwalts kann sich auch dann als notwendig erweisen, wenn die Auslastung der juristischen Mitarbeiter mit anderen Aufgaben eine intensive Befassung mit den Wettbewerbsstreitigkeiten nicht erlaubt (Senat, WRP 1996, 591, 593).
Abmahnung eines Verbands über einen Rechtsanwalt
Näheres zum Kostenerstattungsanspruch von Verbänden lesen Sie hier.
BGH, Urt. v. 20.11.2018, I ZR 237/16, Tz. 55 - Versandapotheke
Bei dem in Rede stehenden Wettbewerbsverstoß handelte es sich im Zeitpunkt der Abmahnung, auf den es für die Beurteilung des Anspruchs auf Ersatz von Abmahnkosten ankommt, um einen typischen und auch nur durchschnittlich schwer zu verfolgenden Verstoß. Für die Klägerin als rechtsfähigen Verband zur Förderung selbständiger beruflicher Interessen im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG waren die ihr insoweit entstandenen Kosten für die Beauftragung eines Rechtsanwalts daher nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Sinne von § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG erforderlich. Der Umstand, dass die Klägerin berechtigt gewesen wäre, vom Beklagten im Falle einer Abmahnung durch eigenes Personal pauschale Abmahnkosten zu verlangen, führt zu keinem anderen Ergebnis. Derartige Kosten sind der Klägerin nicht entstanden, und fiktive Kosten sind nicht erstattungsfähig.
OLG Stuttgart, Urt. v. 11.9.2014, 2 U 178/13, Tz. 32
Für Wettbewerbsverbände und qualifizierte Einrichtungen gilt, dass sie - anders als Unternehmen - ohne anwaltlichen Rat in der Lage sein müssen, typische und durchschnittlich schwer zu verfolgende Wettbewerbsverstöße zu erkennen und abzumahnen. Gemäß § 4 Abs. 2 S. 1 UKlaG, muss eine qualifizierte Einrichtung i.S. des § 3 Abs. 1 Nr. 1 UKlaG für ihre Eintragung in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 Abs. 1 UKlaG unter anderem auf Grund ihrer bisherigen Tätigkeit die Gewähr für eine sachgerechte Aufgabenerfüllung bieten. Diese ist nur bei hinreichender personeller und sächlicher Ausstattung zu erwarten. Danach muss sich der Kläger zur Erfüllung seines Verbandszwecks grundsätzlich selbst mit den hierfür notwendigen Mitteln versehen und zumindest so ausgestattet sein, dass er typische und durchschnittlich schwer zu verfolgende verbraucherfeindliche Praktiken selbst erkennen und abmahnen kann (vgl. BGH, NJW 1984, 2525 - Anwaltsabmahnung).
Diese Argumentation gilt entsprechend auch für Verbände, die über eine entsprechende sachliche und personelle Ausstattung verfügen müssen, um nach § 8Abs. 3 Nr. 2 UWG aktivlegitimiert zu sein.
OLG Stuttgart, Urt. v. 11.9.2014, 2 U 178/13, Tz. 36 f
Beauftragt ein Verband oder eine qualifizierte Einrichtung im Sinne des § 3 Abs. 1 UKlaG einen Anwalt für die erste Abmahnung, so geschieht dies regelmäßig im eigenen, nicht im fremden Interesse. Durfte der Verband anwaltliche Hilfe nicht für erforderlich halten, so steht ihm kein Anspruch auf Erstattung der anwaltlichen Kosten für die erste Abmahnung zu.
Ebenso wie für eine auf eine erfolglose erste Abmahnung folgende zweite, nachfassende Abmahnung können Rechtsanwaltskosten dann nicht als notwendig angesehen werden, wenn der Auftrag an einen Rechtanwalt erteilt wurde, nachdem die entscheidenden Rechtsfragen bereits gegenüber einem Dritten geklärt wurden (vgl. zur Obliegenheit, ein Abschlussschreiben selbst zu verfassen OLG Köln, WRP 2000, 226, 230 u.H. auf BGH, GRUR 1984, 691, 692 - Anwaltsabmahnung).
OLG Stuttgart, Urt. v. 11.9.2014, 2 U 178/13, Tz. 52
Für einen Verband, dem es zuzumuten ist, typische und durchschnittlich schwer zu verfolgende Wettbewerbsverstöße zu erkennen und abzumahnen, kommt nur ein Anspruch auf anteiligen Ersatz der Personal- und Sachkosten in Form einer Kostenpauschale in Betracht. Sie kann nicht für fiktive Kosten geltend gemacht werden, sondern nur für tatsächliche Aufwendungen, die als Pauschale zu berechnen sind (s. OLG Frankfurt, GRUR-RR 2010, 221).
Wenn fiktive Kosten nicht geltend gemacht werden können, dann kann der Verband seine Abmahnpauschale auch nicht als Mindestbetrag fordern, wenn er nicht selber, sondern über einen Rechtsanwalt abgemahnt hat. Dann sind diese Kosten tatsächlich ja auch nicht angefallen.
Vollmachtsnachweis erforderlich ?
BGH, Urt. v. 19.5.2010, I ZR 140/08, Tz. 11, 14 f - Vollmachtsnachweis
Der Wirksamkeit der Abmahnung steht nicht entgegen, dass dem anwaltlichen Abmahnschreiben keine Vollmacht des Klägers beigefügt war und der Beklagte die Abmahnung deshalb zurückgewiesen hat.
Erstattung der Kosten für die Abmahnung oder Kontaktierung Dritter
Wenn ein Anspruchsinhaber es für erforderlich ansehen darf, dass er wegen eines Rechtsverstoßes nicht nur den unmittelbaren Anspruchsgegner abmahnt oder kontaktiert, sondern ebenfalls Dritte, z.B. Händler rechtswidriger Ware oder sonstige Multiplikatoren, sind auch die damit verbundenen Kosten vom Verursacher zu erstatten.
OLG Hamm, Urt. v. 28.1.2010, 4 U 157/09, Tz. 29
Um die Rechtsverletzung so schnell wie möglich zu beenden und um den drohenden Schaden auch dadurch so gering wie möglich zu halten, konnte es die Klägerin für erforderlich halten, nicht nur den Beklagten wegen des Wettbewerbsverstoßes abzumahnen, sondern auch die Firma F zur Entfernung aufzufordern. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Klägerin damit rechnen konnte, dass allein die Abmahnung des Beklagten zur sofortigen Beendigung der Beeinträchtigung führen konnte. Die Klägerin durfte vielmehr insoweit den sichersten Weg gehen.
Ebenso AG Köln, Urt. v. 30.12.2013, 147 C 139/12
OLG Hamm, Urt. v. 28.1.2010, 4 U 157/09, Tz. 29
Dem durch die Beauftragung ihrer Prozessbevollmächtigten mit der Aufforderung zur Entfernung des Ratgebers entstandenen Schaden steht nicht entgegen, dass die Klägerin von der Firma F die Erstattung der Kosten hätte verlangen können. Zum einen handelte es sich überhaupt nicht um eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung im Sinne des § 12 UWG, sondern um die Meldung einer Störung auf den Seiten eines Dienstanbieters, der diese auch Mitbewerbern zur Verfügung stellte. Zum anderen ist ein Schadensersatzanspruch gegen die Firma F mangels Verantwortlichkeit im Hinblick auf das Privileg der Diensteanbieter nach § 7 Abs. 2 TMG nicht gegeben. Die Firma F traf hier keine Überwachungspflicht; ein Verschulden vor der Kenntnis von dem Wettbewerbsverstoß im Übrigen ist auch nicht ersichtlich.
Anspruch auf Freistellung oder auf Zahlung
Solange der Auftraggeber des abmahnenden Rechtsanwalts dessen Kosten noch nicht bezahlt hat, hat der Auftraggeber gegen den Abgemahnten lediglich einen Anspruch auf Freistellung von dem Honoraranspruch des Rechtsanwalts gegen ihn.
Der Freistellungsanspruch wandelt sich aber in einen Zahlungsanspruch, wenn der Abgemahnte entweder nach Fristsetzung nicht zahlt oder definitiv erklärt, dass er nicht zahlen wird.
BGH, Urt. v. 9.7.2015, I ZR 224/13 - Kopfhörer-Kennzeichnung
Der Befreiungsanspruch, der zunächst gegen die Beklagte bestand, hat sich gemäß § 280 Abs. 1 und 3, § 281 Abs. 1 und 2 BGB in einen Zahlungsanspruch umgewandelt. Die Beklagte hat die Erfüllung dieses Anspruchs spätestens durch ihr Verhalten im Prozess im Sinne des § 281 Abs. 2 BGB ernsthaft und endgültig verweigert (vgl. BGH, Urt. v. 24.7.2012, II ZR 297/11, Tz. 30; Urt. v. 6.2.2013, I ZR 106/11, Tz. 59 - VOODOO). Zinsen auf den Zahlungsanspruch kann der Kläger nur seit dem 29. Oktober 2013 beanspruchen, weil die Beklagte erst zu diesem Zeitpunkt die Erfüllung des Anspruchs ernsthaft und endgültig verweigert hat.
OLG Frankfurt, Urt. v. 23.8.2011, 6 U 49/11, II.
Dem Unterlassungsgläubiger steht zwar bis zur Zahlung der Anwaltskosten grundsätzlich nur ein Freistellungsanspruch gegen den Unterlassungsschuldner zu. Dies ergibt sich für den auf § 12 Abs. 1 S. 2 UWG bzw. §§ 683, 670 BGB gestützten Aufwendungsersatzanspruch aus § 257 BGB; sofern der Anspruch auf § 249 BGB gestützt wird, ergibt sich diese aus dem Prinzip der Naturalherstellung.
Der Befreiungsgläubiger kann aber unmittelbar Zahlung des erforderlichen Geldbetrages an sich verlangen, wenn er dem Ersatzpflichtigen erfolglos eine Frist zur Freistellung nach § 250 BGB gesetzt hat. Dem steht es gleich, wenn der Ersatzpflichtige die geforderte Herstellung oder überhaupt jeden Ersatz ernsthaft und endgültig verweigert (BGH, NJW 2004, 1868 f.).
OLG Frankfurt, Urt. v. 1.2.2018, 6 U 49/17, II.4
Mit der definitiven Weigerung jedenfalls in der Klageerwiderung, die Anwaltskosten zu bezahlen, hat die Beklagte aber zugleich auch die geschuldete Freistellung dem Grunde nach ernsthaft und endgültig verweigert. Damit hat die Beklagte ihre Pflicht zur Freistellung der Klägerin verletzt. Diese Pflichtverletzung berechtigt die Klägerin, gem. §§ 249 I, 250 S. 2 BGB statt der Freistellung Schadensersatz in Geld zu verlangen.
OLG Hamm, Urt. v. 23.10.2012, 4 U 134/12
Dem Abmahnenden steht ein Anspruch auf Freistellung von der Honorarforderung des von ihm mit der Abmahnung betrauten Rechtsanwaltes zu, und zwar nach § 257 S.1 BGB. Danach kann der Berechtigte nicht den zur Tilgung seiner Verbindlichkeit erforderlichen Geldbetrag verlangen (Köhler/Bornkamm, § 12 UWG Rdnr. 1.92a). Denn die im Interesse des Abgemahnten erbrachte Aufwendung besteht in der Eingehung der entsprechenden Verbindlichkeit. Insoweit gilt wie im Schadensrecht der Grundsatz der Naturalrestitution. ...
Die Vorschrift des § 250 BGB ist auf diesen Aufwendungsersatzanspruch aus § 12 Abs. 1 S. 2 UWG jedenfalls nicht unmittelbar anwendbar. Denn die Regelung des § 250 BGB ermöglicht (nur) dem Geschädigten, mithin dem Schadensersatzgläubiger den Übergang von der Naturalrestitution auf den Geldersatz.
Eine analoge Anwendung würde eine planwidrige Regelungslücke voraussetzen. Eine solche Lücke kann man in Anbetracht der Regelung des § 257 Abs. 1 BGB grundsätzlich nicht ohne weiteres annehmen (so auch Hess, jurisPR-WettbR 10/2011 Anm. 3 zur wohl a.A. des OLG Frankfurt, siehe oben).
Im vorliegenden Fall kann der Kläger jedoch gemäß § 281 Abs. 1 S.1 BGB statt der Leistung nach § 12 Abs. 1 S. 2 UWG Schadensersatz in Geld (§ 250 S. 2 BGB) verlangen. ...
§ 281 BGB gilt grundsätzlich für alle Schuldverhältnisse, mithin auch für das durch den vorangegangenen Wettbewerbsverstoß begründete und die Abmahnung konkretisierte gesetzliche Schuldverhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner und damit auch für den Aufwendungsersatzanspruch aus § 12 Abs. 1 S. 2 UWG. ...
Eine angemessene Frist zur Erfüllung der Freistellungspflicht gemäß § 281 Abs. 1 S. 1 BGB hat der Kläger der Beklagten bereits mit der Abmahnung ... gesetzt. Die zu begleichende Forderung ist in der Abmahnung im Einzelnen dargetan. Dass womöglich erst hierdurch die Fälligkeit des Freistellungsanspruches eingetreten ist, steht der Wirksamkeit der (gleichzeitigen) Fristsetzung nicht entgegen.
Tatsächlich war eine solche Fristsetzung gemäß § 281 Abs. 2 BGB aber auch spätestens mit der Reaktion der Beklagten auf diese Abmahnung ohnehin entbehrlich. In ihrem anwaltlichen Schreiben vom 16.09.2011 wies die Beklagte die geltend gemachten Unterlassungsansprüche nämlich generell zurück und stellte damit auch den Freistellungsanspruch des Klägers dem Grunde nach in Abrede.
Die Möglichkeit des Klägers, nunmehr ohne weiteres Schadensersatz statt der Leistung zu verlangen, und zwar ohne Ablehnungsandrohung (§ 326 BGB a.F.) oder rechtskräftiges Leistungsurteil (§ 283 BGB a.F.) rechtfertigt sich aus der Pflichtverletzung der Beklagten. Sie beruht auf der Nichterfüllung der ihr aus §§ 12 Abs. 1 S. 2 UWG, 257 BGB obliegenden Verpflichtung, den Kläger von dessen Verbindlichkeit gegenüber seinem Anwalt freizustellen.
Ebenso: OLG Hamm, Urt. v. 13.6.2013, 4 U 26/13, Tz. 134; OLG Hamm, Urt. v. 16.5.2013, 4 U 194/12, Tz. 9 ff; OLG Hamm, Urt. v. 3.9.2013, 4 U 58/13, Tz. 29; OLG Frankfurt, Urt. v. 1.2.2018, 6 U 49/17, II.4; aA u.a. OLG Celle, Urt. v. 21.11.2013, 13 U 84/13, II.5.b.bb (vom BGH aufgehoben)
Rechnungslegung erforderlich?
Der Anspruch auf Freistellung oder Zahlung setzt nicht voraus, dass der Anwalt seinem Auftraggeber für die Abmahnung des Dritten bereits eine Rechnung gestellt hat.
OLG Hamm, Urt. v. 3.9.2013, 4 U 58/13, Tz. 27 f
Auf die Fälligkeit der Gebührenforderung der Rechtsanwälte G . O kommt es im Rahmen der Geltendmachung des Freistellungsanspruchs nicht an. Denn wenn die zu ersetzende Aufwendung in der Eingehung einer Verbindlichkeit besteht, kann der Ersatzberechtigte auch schon Befreiung von der lediglich übernommenen, aber noch nicht erfüllten Pflicht verlangen. Der gesetzliche Befreiungsanspruch nach § 257 S. 1 BGB wird dabei nach allgemeiner Meinung sofort mit der Eingehung der Verbindlichkeit fällig, von der freizustellen ist, und zwar unabhängig davon, ob diese Verbindlichkeit ihrerseits bereits fällig ist. Das ergibt sich eindeutig aus § 257 S. 2 BGB, der regelt, dass der Ersatzpflichtige Sicherheit leisten kann, wenn die Verbindlichkeit noch nicht fällig ist (vgl. BGH NJW 2010, 2197, 2198 m.w.N.). Deshalb kommt es in Zusammenhang mit der Berechtigung des Freistellungsanspruches überhaupt nicht auf eine vorherige Rechnungslegung der Anwälte der Klägerin an.
Eine nicht erfolgte Rechnungslegung könnte danach allenfalls dann gegen einen Aufwendungsersatzanspruch der Klägerin sprechen, wenn sie ein Indiz dafür sein könnte, dass eine Rechnungsstellung absprachegemäß überhaupt nicht erfolgen sollte.
OLG Frankfurt, Urt. v. 1.2.2018, 6 U 49/17, II.4
Der Erstattungsanspruch ist ohne Rechnungsstellung fällig. Zwar kann der Rechtsanwalt nach § 10 Abs. 1 RVG die Vergütung grundsätzlich nur auf Grund einer von ihm unterzeichneten und dem Auftraggeber mitgeteilten Berechnung einfordern. Diese Bestimmung betrifft jedoch lediglich die Frage, wann eine entstandene und nach § 8 Abs. 1 S. 1 RVG mit Erledigung des Auftrags oder Beendigung der Angelegenheit fällige Gebühr von dem Mandanten einforderbar ist. Hiervon zu unterscheiden ist der materiell-rechtliche Kostenerstattungsanspruch. Der Gegner kann nicht einwenden, dass er nicht zur Zahlung verpflichtet sei, weil ihm keine Berechnung vorgelegt worden sei, die den Anforderungen der § 10 RVG, § 14 UStG entspreche. Dies betrifft lediglich das Innenverhältnis zum Mandanten. Dem Gebührenanspruch fehlt insoweit auch nicht die Bestimmbarkeit der Höhe des Gebührenanspruchs. Denn jedenfalls in Fällen, in welchem der mit der zu Grunde liegenden Angelegenheit beauftragte Rechtsanwalt den materiell-rechtlichen Gebührenanspruch für seinen Mandanten einklagt, hat er in der von ihm selbst verfassten Klageschrift von seinem Bestimmungsrecht i.S.d. § 14 RVG hinreichend Gebrauch gemacht (BGH, Urt. v. 22.3.2011, VI ZR 63/10, Tz. 18).
Eine von der Rechnung des Rechtsanwalts des Abmahnenden gegenüber seinem Mandanten zu unterscheidende Frage ist, ob der Abgemahnte vom Abmahnenden eine Rechnung fordern und die Zahlung solange verweigern darf, wie ihm die Rechnung nicht vorgelegt wird. Davon ist auszugehen, nachdem der Bundesfinanzhof entschieden hat, dass die Abmahnung eine steuerbare Leistung des Abmahnenden gegenüber dem Abgemahnten ist. Die ausstehende Rechnung führt zu einem Zurückbehaltungsrecht, das vom Abgemahnten aber auch geltend gemacht werden muss. Denn sie fehlende Rechnung führt nicht dazu, dass der Aufwendungsersatzanspruch nicht fällig ist. Näheres dazu hier.
Zinsen auf den Aufwendungsersatzanspruch
BGH, Urt. v. 19.7.2012, I ZR 199/10, Tz. 15 - Unbedenkliche Mehrfachabmahnung
Zinsen auf die Abmahnkosten kann die Klägerin, wie schon das Landgericht zutreffend erkannt hat, gemäß § 247 BGB lediglich in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz verlangen. Da die Abmahnung kein Rechtsgeschäft ist, kommt der höhere Zinssatz des § 288 Abs. 2 BGB nicht in Betracht.
BGH, Urt. v. 8.12.2016, I ZR 88/16, Tz. 12
Der Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten stellt keine Entgeltforderung im Sinne des § 288 Abs. 2 BGB dar.
OLG Celle, Urt. v. 9.11.2006, 13 U 120/06 (=GRUR-RR 2007, 111, 112)
Kommt der Unterlassungsschuldner mit der Erstattung der Kosten in Verzug, schuldet er ergänzend 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank.
Siehe dazu www.basiszinssatz.de
Überholt OLG Hamm, Urt. v. 9.2.2010, 4 U 185/09, Tz. 36, 38 = 8 %
Zinsen ohne vorgerichtliche Fristsetzung
BGH, Urt. v. 31.10.2018 - I ZR 73/17, Tz. 41 - Jogginghosen
Das Berufungsgericht hat allerdings mit Recht angenommen, dass der von der Klägerin geltend gemachte Zinsanspruch nicht bereits ab dem Zeitpunkt der Rechtshängigkeit der Klage, sondern erst ab dem Zeitpunkt begründet ist, zu dem die Beklagte die Abweisung der Klage beantragt hat, weil sie erst zu diesem Zeitpunkt die Erfüllung des Anspruchs ernsthaft und endgültig verweigert hat.
Ausnahme: Kein Aufwendungsersatz bei widersprüchlichem Verhalten ("Abwehrklauseln)
Eine besondere Konstellation lag der Forderung auf Erstattung der Rechtsanwaltskosten zugrunde, die vom OLG Hamm zu entscheiden war.
Der Abmahnende hatte auf der eigenen Website folgenden Text eingestellt:
„Um die Kosten eines Rechtsstreits zu vermeiden, sollten Sie uns im Vorfeld bei unvollständigen Angaben, wettbewerbsrechtlichen Vorkommnissen oder ähnlichen Problemen auf dem Postwege kontaktieren. Eine kostenpflichtige anwaltliche Abmahnung ohne diesen vorab Kontakt, wird aus Sicht der Schadensminderungspflicht als unzulässig abgewiesen.“
Selber ließ er mehrfach durch einen Rechtsanwalt abmahnen, ohne dass er vorher versucht hätte, eine Lösung ohne anwaltliche Unterstützung zu finden.
Das OLG führte zunächst aus, dass der vorstehend zitierte Text für Abmahnende unverbindlich ist.
OLG Hamm, Urt. v. 31.1.2012, 4 U 169/11, Tz. 26
Trotz der Formulierung steht es dem abmahnenden Mitbewerber frei, sofort abzumahnen und die Kosten dafür erstattet zu verlangen.
Der Text wendet sich allerdings über § 242 BGB gegen den Verwender. Wenn er durch einen Rechtsanwalt abmahnt, ohne vorher einen Versuch der einvernehmlichen Erledigung unternommen zu haben, muss er sich an seinen Text binden lassen.
OLG Hamm, Urt. v. 31.1.2012, 4 U 169/11, Tz. 26
Derjenige, der eine solche Vorgehensweise von den Mitbewerbern unter Androhung einer Sanktion verlangt und diese dadurch zu einem bestimmten Verhalten veranlasst, muss sich dann auch selbst so verhalten. Er bindet sich mit einer solchen Verhaltensempfehlung in Bezug auf sein eigenes Verhalten in ähnlicher Weise, als wenn er sich vertraglich zu einem solchen Vorabkontakt verpflichtet hätte.
Im Ergebnis wurde dem Unternehmer, der den entsprechenden Text auf seiner Website verwendete, ein Aufwendungsersatzanspruch aus § 12 Abs. 1 S. 2 UWG versagt, wenn er sich nicht selbst daran hält.
Ebenso
OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.1.2016, I-20 52/15 (= WRP 2016, 502)
Die Klägerin kann von dem Beklagten für die beiden Abmahnungen nicht die Zahlung der hierfür angefallenen Anwaltskosten ... aus § 12 Abs. 1 S. 2 UWG verlangen, weil sie sich durch ihr Verlangen in Widerspruch zu ihrem eigenen Verlangen setzt, nicht mit Anwaltskosten für Abmahnungen belastet zu werden und ihr Zahlungsverlangen daher gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, § 242 BGB, verstößt. Die Klägerin verlangt von ihren Mitbewerbern, dass diese sich nach der Entdeckung von Wettbewerbsverstößen zunächst selber an sie wenden sollen, um eine kostenträchtige anwaltliche Abmahnung zu vermeiden. Sie droht insoweit an, die Anwaltskosten nicht zu zahlen und sogar den gleichwohl einen Anwalt bemühenden Wettbewerber mit einem Rechtsstreit zu überziehen. Unabhängig davon, dass eine derartige Klausel keine rechtlichen Wirkungen entfaltet, ist sie geeignet, jedenfalls rechtsunkundige Mitbewerber zu verunsichern und zu veranlassen, vorsichtshalber selber abzumahnen. Wer ein solches Verhalten von Anderen erwartet, muss sich dann aber im Gegenzug auch ebenso verhalten und sich behandeln lassen, als habe er sich rechtlich verpflichtet, vor der Inanspruchnahme anwaltlichen Beistandes die Rechtsverletzung zunächst selber geltend zu machen, denn es ist kein Grund ersichtlich, diese Vergünstigung, die die Klägerin für sich in Anspruch nimmt, den Mitbewerbern vorzuenthalten
Zweifelnd
OLG Celle, Beschl. v. 28.3.2013, 13 U 19/13
Nicht folgen wird der Senat der landgerichtlichen Entscheidung, soweit diese unter Berufung auf das Urteil des OLG Hamm v. 31.1.2012 (4 U 169/11, Rz. 19 ff.) einen Anspruch des Klägers nach Treu und Glauben, § 242 BGB, verneint.
Der Senat hat bereits Zweifel an der grundsätzlichen dogmatischen Herleitung der rechtlichen Konstruktion des OLG Hamm. Insbesondere erscheint es dem Senat aus Rechtsgründen als fraglich, warum dem Kläger aus seiner eigenen – allerdings überaus aggressiv formulierten – “Abwehrklausel” im vorliegenden Verfahren Rechtsnachteile erfolgen können sollen, wenn diese eigene “Abwehrklausel” – was als solches unzweifelhaft ist – ihrerseits selbstverständlich keine Rechtswirkungen hätte entfalten können.
Das kann aber dahinstehen. Jedenfalls unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt entscheidend von dem, der der Entscheidung des OLG Hamm zu Grunde lag, weshalb der Senat im Falle einer streitigen Entscheidung auch nicht die Revision zulassen müsste. Denn unstreitig hat sich die eigene “Abwehrklausel” des Klägers lediglich im Rahmen seiner Angebote für Bekleidungen befunden, nicht aber im Bereich der hier streitgegenständlichen Nahrungsergänzungsmittel. Nur in Bezug auf den letztgenannten Bereich kann aber ein konkretes Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien hergeleitet werden. Wenn aber der Kläger seine “Abwehrklausel” gerade nicht in dem Bereich seines Internetauftritts verwendet, der zu der Beklagten ein konkretes Wettbewerbsverhältnis begründet, vermag der Senat auch unter Zugrundelegung der rechtlichen Argumentation des OLG Hamm nicht zu erkennen, dass die Klägerin sich – wegen der an Wettbewerber im Bereich des Bekleidungsverkaufs gerichteten “Abwehrklausel” – nach Treu und Glauben in einen Selbstwiderspruch begibt, wenn sie den Beklagten gemäß § 12 Abs. 1 UWG abmahnt.
Ausnahme: Kein Aufwendungsersatz bei Rechtsmissbrauch
OLG Hamm, Urt. v. 17.8.2010, 4 U 62/10
Ein Rechtsmissbrauch kann einem Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten als materiell-rechtliches Hindernis in Form eines Einwandes entgegengehalten werden. § 8 Abs. 4 UWG betrifft allerdings nur den Unterlassungsanspruch selbst. Bei Nebenansprüchen wie dem Erstattungsanspruch der Abmahnkosten kann der Missbrauchseinwand aber als materiell-rechtliches Hindernis eingewendet werden. Das setzt aber nicht voraus, dass der Beklagte sich ausdrücklich auf § 8 Abs. 4 UWG berufen muss. Denn der Einwand nach § 8 Abs. 4 UWG ist trotzdem von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn der unstreitigen Sachverhalt einen Missbrauch im Sinne dieser Vorschrift aufweist.
Dies wurde im Revisionsurteil nicht beanstandet:
BGH, Urt. v. 1512. 2011, I ZR 174/10 – Bauheizgerät
Ausnahme: Kenntnis von erfolgloser Drittabmahnung
OLG Oldenburg, Urt. v. 10.2.2012, 6 U 247/11 (= MMR 2012, 312)
Bei einer erfolglosen Abmahnung durch einen Dritten (weiteren Mitbewerber), der sich der Schuldner nicht unterwerfen, sondern es vielmehr auf eine gerichtliche Klärung ankommen lassen will, besteht für einen Gläubiger, der davon Kenntnis hat, vor der Stellung eines Verfügungsantrags bzw. vor Klageerhebung kein Anlass, erneut abzumahnen (vgl. Bornkamm, in Köhler/Bornkamm, UWG, § 12 Rdnr. 1.55). Maßgeblich ist aber stets auf die Kenntnis des Gläubigers abzustellen. Weiß der (weitere) Gläubiger nicht, dass ein anderer Gläubiger den Schuldner bereits ohne Erfolg abgemahnt hat, stellt sich die erneute Abmahnung als erforderlich und i.8.d. § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG auch als berechtigt dar.
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Omsels, Online-Kommentar zum UWG: