Ihr Rechtsanwalt im Wettbewerbsrecht
Dr. Hermann-Josef Omsels*

Eine Darstellung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und wettbewerbsrechtlicher Nebengesetze



 

4. Schuldner eines Unterlassungsanspruchs

BGH, Urt. v. 17.9.2015, I ZR 92/14, Tz. 23 – Smartphone-Werbung

Schuldner der in § 8 UWG geregelten Abwehransprüche ist jeder, der durch sein Verhalten den objektiven Tatbestand einer Zuwiderhandlung selbst, durch einen anderen oder gemeinschaftlich mit einem anderen adäquat kausal verwirklicht oder sich als Teilnehmer an der deliktischen Handlung eines Dritten beteiligt.

Ebenso BGH, Urt. v. 15.4.2021, I ZR 134/20, Tz. 30 - Testsiegel auf Produktabbildung; BGH, Urt. v. 3.3.2016, I ZR 110/15, Tz. 32 - Herstellerpreisempfehlung bei Amazon

Schuldner eines Unterlassungsanspruchs oder - im Juristendeutsch - passivlegitimiert ist

Die Frage, ob sich jemand als Täter, Mittäter, Anstifter oder Gehilfe in einer die zivilrechtliche Haftung begründenden Weise an einer deliktischen Handlung eines Dritten beteiligt hat, beurteilt sich nach den im Strafrecht entwickelten Rechtsgrundsätzen (BGH, Urt. v. 6.5.2021, I ZR 61/20, Tz. 30 - Die Filsbacher; BGH, Urt. v. 6.12.2017, I ZR 186/16, Tz. 25 – Konferenz der Tiere; BGH, Urt. v. 14.1.2016, I ZR 65/14, Tz. 40 - Freunde finden; BGH, Urt. v. 5.2.2015, I ZR 240/12, Tz. 35 - Kinderhochstühle im Internet III; BGH, Urt. v. 27.11.2014, I ZR 124/11 – Video-Spielkonsolen II; OLG Frankfurt, Urt. v. 24.6.2021, 6 U 244/19, II.2.h.aa; KG, Urt. v. 22.2.2023, 5 U 50/21, Tz. 21).

OLG Karlsruhe, Urt. v. 13.11.2024, 6 U 38/24, Tz. 74

Schuldner der in § 8 Abs. 1 UWG geregelten Abwehransprüche ist jeder, der durch sein Verhalten den objektiven Tatbestand einer Zuwiderhandlung selbst, durch einen anderen oder gemeinschaftlich mit einem anderen adäquat kausal verwirklicht oder sich als Teilnehmer an der deliktischen Handlung eines Dritten beteiligt (vgl. nur BGH, GRUR 2021, 979 Rn. 30 mwN - Testsiegel auf Produktabbildung) oder – im Fall des vorbeugenden Unterlassungsanspruchs – von dem solches droht (vgl. Köhler/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 42. Aufl., § 8 Rn. 2.4). In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass eine geschäftliche Handlung nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG auch bei einem Handeln „zugunsten […] eines fremden Unternehmens“ vorliegt (vgl. Köhler/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 42. Aufl., § 8 Rn. 2.5a) und im Übrigen „Unternehmer“ nach § 2 Abs. 1 Nr. 8 UWG auch jede Person ist, die im Namen oder Auftrag einer natürlichen oder juristischen Person handelt, die geschäftliche Handlungen im Rahmen ihrer gewerblichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit vornimmt (siehe Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 42. Aufl., § 2 Rn. 2.20; Köhler/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 42. Aufl., § 8 Rn. 3.32). Als passivlegitimierte Täter kommen folglich insbesondere Mitarbeiter und Beauftragte des Unternehmens in Betracht, zu dessen Gunsten das beanstandete Verhalten erfolgt (vgl. Köhler/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 42. Aufl., § 8 Rn. 2.5a; siehe BGH, GRUR 2012, 1279 Rn. 43 mwN - DAS GROSSE RÄTSELHEFT; siehe § 8 Abs. 2 UWG: „auch“).

Erforderlich ist eine adäquate Kausalität zwischen einer Handlung und dem Taterfolg:

BGH, Urt. v. 3.3.2016, I ZR 110/15, Tz. 34 - Herstellerpreisempfehlung bei Amazon

Das Kriterium der Adäquanz dient im Rahmen der Feststellung des Zurechnungszusammenhangs dem Zweck, diejenigen Kausalverläufe auszugrenzen, die dem Schädiger billigerweise nicht mehr zugerechnet werden können. Nach ständiger Rechtsprechung besteht im Deliktsrecht ein adäquater Zusammenhang zwischen Tatbeitrag und Taterfolg, wenn eine Tatsache im Allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, ganz unwahrscheinlichen und nach regelmäßigem Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen zur Herbeiführung eines Erfolges geeignet ist. Hieran kann es fehlen, wenn der Geschädigte oder ein Dritter in völlig ungewöhnlicher und unsachgemäßer Weise in den schadensträchtigen Geschehensablauf eingreift und eine weitere Ursache setzt, die den Schaden erst endgültig herbeiführt. Bei der Ermittlung der Adäquanz ist auf eine nachträgliche Prognose abzustellen, bei der neben den dem Schädiger bekannten Umständen alle einem optimalen Betrachter zur Zeit des Eintritts des Schadensereignisses erkennbaren Gegebenheiten zu berücksichtigen sind. Der so festgestellte Sachverhalt ist unter Heranziehung des gesamten, zur Zeit der Beurteilung zur Verfügung stehenden menschlichen Erfahrungswissens darauf zu prüfen, ob er den Eintritt des Schadens in erheblicher Weise begünstigt hat.

Zurechnungszusammenhang

BGH, Urt. v. 6.5.2021, I ZR 61/20, Tz. 19 - Die Filsbacher

Nach den allgemeinen Grundsätzen setzen Ansprüche wegen der Verletzung eines Ausschließlichkeitsrechts voraus, dass ein Zurechnungszusammenhang zwischen dem als pflichtwidrig geltend gemachten Verhalten (Tun oder Unterlassen) und der Beeinträchtigung des geschützten Rechts vorliegt. Das Grunderfordernis für die Annahme eines Zurechnungszusammenhangs ist im Rahmen sowohl der vertraglichen als auch der deliktischen Haftung die Verursachung im logisch-naturwissenschaftlichen Sinn. Nach der insoweit anzuwendenden Äquivalenztheorie ist jede Bedingung kausal, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele. Besteht das dem Verletzer vorgeworfene Verhalten in einem Unterlassen, ist zu fragen, ob eine pflichtgemäße Handlung den Eintritt der Rechtsgutsverletzung verhindert hätte. Dieser Ursachenbegriff im logisch-naturwissenschaftlichen Sinn ist Mindesterfordernis jeder Haftungsbegründung. Die sich aus der von der Äquivalenztheorie vorausgesetzten Gleichwertigkeit aller Ursachen ergebende weite Haftung grenzt die Rechtsprechung durch weitere Zurechnungskriterien wie die Adäquanz des Kausalverlaufs und den Schutzzweck der Norm ein.

BGH, Urt. v. 6.5.2021, I ZR 61/20, Tz. 27 - Die Filsbacher

Besteht das dem Verletzer vorgeworfene Verhalten in einem Unterlassen, ist zu fragen, ob eine pflichtgemäße Handlung den Eintritt der Rechtsgutsverletzung verhindert hätte.

Unbeschadet der adäquaten Kausalität bleibt dem in Anspruch genommen der Einwand vorbehalten, dass er überhaupt nichts getan hat oder nicht in der Lage war, auf den Taterfolg Einfluss zu nehmen.

BGH, Urt. v. 17.9.2015, I ZR 92/14, Tz. 23 – Smartphone-Werbung

Einem Unternehmen, das sich nach dem äußeren Erscheinungsbild einer Werbung als hierfür verantwortlich geriert, steht ... der Nachweis offen, tatsächlich nicht in der Lage gewesen zu sein, auf den Inhalt der beanstandeten Werbung Einfluss zu nehmen (vgl. BGH, Urt. v. 10.2.2011, I ZR 183/09, Tz. 31 - Irische Butter).

Früher war auch der sog. Störer Schuldner eines Unterlassungsanspruchs. Die Störerhaftung wurde im Wettbewerbsrecht allerdings mittlerweile aufgegeben. Sie wird aber bei der Verletzung von Ausschließlichkeitsrechten, namentlich im Markenrecht, Urheberrecht und Geschmacksmusterrecht, weiterhin angewendet.

Zu Angeboten bei Amazon, zu denen Amazon eigene Informationen über ein Produkt hinzufügt:

BGH, Urt. v. 3.3.2016, I ZR 110/15, Tz. 36 f - Herstellerpreisempfehlung bei Amazon

Mit der Nutzung der Plattform lässt der Händler im eigenen Namen ein Angebot veröffentlichen, obwohl er dessen inhaltliche Gestaltung nicht vollständig beherrscht, weil dem Plattformbetreiber die Angabe und Änderung der unverbindlichen Preisempfehlung vorbehalten ist. Diese Möglichkeit der Einflussnahme auf die inhaltliche Gestaltung führt - wie dem objektiven Betrachter im Vorhinein ohne weiteres erkennbar ist - im Falle der Hinzufügung einer unzutreffenden Herstellerpreisempfehlung zum irreführenden Gehalt des vom Händler eingestellten Angebots. Bei wertender Betrachtung liegt es aber keinesfalls außerhalb der Lebenserfahrung, dass es zur Einstellung falscher Herstellerpreisempfehlungen kommt, so dass ein entsprechender Fehler des Plattformbetreibers nicht als völlig ungewöhnliche und unsachgemäße Handlungsweise angesehen werden kann, die die Adäquanz entfallen ließe. Dass der Plattformbetreiber selbst fehlerhafte Angaben für möglich hält, folgt nicht zuletzt daraus, dass er den Händlern … im Wege Allgemeiner Geschäftsbedingungen die Pflicht auferlegt, die für sein Angebot angezeigten Produktinformationen und deren Rechtmäßigkeit regelmäßig zu kontrollieren. Die dem Plattformbetreiber eingeräumte Möglichkeit, dem Angebot des Händlers von diesem nicht kontrollierte Informationen hinzuzufügen, erweist sich als Umstand, der einen irreführenden Gehalt des Angebots erheblich begünstigt.

Die Zurechnung der Gefahr, in dieser Konstellation für falsche Angaben Dritter zu haften, stellt deshalb keine völlig unvorhersehbare Rechtsfolge dar, weil sie gleichsam die Kehrseite der von den Händlern in Anspruch genommenen Vorteile einer internetbasierten, allgemein zugänglichen und eine weitgehende Preistransparenz vermittelnden Verkaufsplattform darstellt. Wenn es … zur Wahrung der Einheitlichkeit und Übersichtlichkeit des Produktangebots im Internetportal erforderlich ist, identische Produkte unter einer Identifikationsnummer aufzulisten, und Händler sich in diesem Zusammenhang einer inhaltlichen Einflussnahmemöglichkeit des Plattformbetreibers unterwerfen, müssen sie auch mit der hiermit potentiell verbundenen Verfälschung ihres Angebots rechnen.

Zu Angaben in einer Google-Anzeige, die der Google-Algorithmus selbst erstellt, siehe KG, Urt. v. 22.2.2023, 5 U 50/21, Tz. 23 ff.