Ihr Rechtsanwalt im Wettbewerbsrecht
Dr. Hermann-Josef Omsels*

Eine Darstellung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und wettbewerbsrechtlicher Nebengesetze



 

b) Verbände

1. Gesetzestext

2. Sinn und Zweck

3. Rechtsnatur der Tatbestandsvoraussetzungen

4. Eintragung in die Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände

Ruhende Eintragung

5. Grenzen der Anspruchsberechtigung (Aktivlegitimation)

6. Mischverbände

7. Kammern als Verbände

8. Übergangsvorschrift

Gesetzestext

Der Anspruch auf Unterlassung und Beseitigung steht gem. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG zu:

“denjenigen rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen, die in der Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände nach § 8b eingetragen sind, soweit ihnen eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben, und die Zuwiderhandlung die Interessen ihrer Mitglieder berührt“

Bis zur UWG-Reform 2020 hieß es in § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG:

„rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen, soweit ihnen eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben, und eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben, wenn sie insbesondere nach ihrer personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande sind, ihre satzungsmäßigen Aufgaben der Verfolgung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen tatsächlich wahrzunehmen und soweit die Zuwiderhandlung die Interessen ihrer Mitglieder berührt“

Die Gesetzesänderung trat zum 1.12.2021 in Kraft und findet ab dann nach § 15a UWG auf Verfahren Anwendung, die nach dem 01.09.2020 rechtshängig geworden sind. Soweit ein Verband den Voraussetzungen des neuen § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG nicht genügt, muss er einen nach dem 1.9.2021 rechtshängig gewordenen Rechtsstreit für erledigt erklären.

BGH, Urt. v. 26.1.2023, I ZR 111/22, Tz. 11 - Mitgliederstruktur

Am 1. Dezember 2021 ist § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG in der Fassung des Gesetzes zur Stärkung des fairen Wettbewerbs (BGBl. I 2020 S. 2568; UWG nF) in Kraft getreten (vgl. Art. 9 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 dieses Gesetzes), wonach Wirtschaftsverbände nunmehr der Eintragung in eine Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände nach § 8b UWG nF bedürfen, um Ansprüche aus § 8 Abs. 1 UWG geltend machen zu können. Die Übergangsregelung gemäß § 15a Abs. 1 UWG bestimmt jedoch, dass § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG nF nicht auf Verfahren anzuwenden ist, die am 1. September 2021 bereits rechtshängig sind.

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Sinn und Zweck

Die Verbände zur Förderung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen, die manchmal despektierlich auch ‚Abmahnvereine‘ genannt, sind berechtigt, unlauteren Wettbewerb zu verfolgen, weil die Einhaltung der Spielregeln des lauteren Wettbewerbs im öffentlichen Interesse liegt. Außerdem nehmen sie kollektive Mitgliederinteressen wahr.

Andererseits will der Gesetzgeber durch die Änderung der Vorschrift und die Notwendigkeit der Eintragung eines Vereins in der Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände nach § 8b UWG sicherstellen, dass nur seriöse Verbände von einer gewissen Größe (mindestens 75 Mitglieder) aktiv legitimiert sind. Dadurch soll rechtsmissbräuchliches Verhalten ausgeschlossen werden.

Gesetzesbegründung in BT-Drcks. 19/12084, Seite 27

Durch die Neuregelung wird die Klagebefugnis von Verbänden nicht beeinträchtigt, die auf Grund anderer, zur bisherigen Fassung von § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG gleichlautend formulierten Gesetzen besteht, wie zum Beispiel § 33 Absatz 4 GWB.

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Rechtsnatur der Tatbestandsvoraussetzungen

BGH, Urt. v. 9.9.2021, I ZR 125/20, Tz. 11 - Influencerin II

§ 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG regelt nicht nur die sachlich-rechtliche Anspruchsberechtigung, sondern auch die prozessuale Klagebefugnis, die als Sachurteilsvoraussetzung nicht nur im Zeitpunkt der beanstandeten Wettbewerbshandlung bestanden haben, sondern auch im Revisionsverfahren noch fortbestehen muss.

Ebenso BGH, Urt. v. 23.1.2024, I ZR 147/22, Tz. 19 – chalk in it; BGH, Urt. v. 26.1.2023, I ZR 111/22, Tz. 13 - Mitgliederstruktur; BGH, Urt. v. 7.4.2022, I ZR 143/19, Tz. 12 – Knuspermüsli II; OLG Hamburg, Urt. v. 31.8.2023, 5 U 99/20, Tz. 56

BGH, Urt. v. 11.4.1991, I ZR 82/89, Ls. – Verbandsausstattung (= GRUR 1991, 684)

Die Vorschrift hat rechtlich eine Doppelnatur. Sie ist die Rechtsgrundlage sowohl der Anspruchsberechtigung (Aktivlegitimation) als auch der Prozessführungsbefugnis eines Verbands im Sinne dieser Bestimmung.

Ebenso BGH, Beschl. v. 21.12.2023, I ZB 42/23; BGH, Urt. v. 13.1.2022, I ZR 35/21, Tz. 20 - Influencer III; BGH, Urt. v. 22.7.2021, I ZR 194/20, Tz. 23 - Rundfunkhaftung; BGH, Urt. v. 27.4.2017, I ZR 55/16, Tz. 10 - Preisportal; BGH, Urt. v. 17.8.2011, I ZR 148/10, Tz. 12 – Glückspielverband; OLG Frankfurt, Urt. v. 2.5.2019, 6 U 58/18, II.1; KG, Urt. v. 11.3.2016, 5 U 83/15 (= WRP 2016, 895); OLG Saarbrücken, Urt. v. 19.12.2018, 1 U 41/18, B.I.1; OLG Hamm, Beschl. v. 15.5.2023, 4 W 32/22, Tz. 11; OLG Bremen, Urt. v. 23.12.2022, 2 U 103/22 (MD 2023, 676); OLG München, Urt. v. 27.4.2023, 29 U 7344/21, Tz. 29 - Irische Impotenzfernbehandlung

BGH, Urt. v. 22.7.2021, I ZR 194/20, Tz. 23 - Rundfunkhaftung

Liegen ihre Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG nicht vor, ist die Klage unzulässig.

Daran dürfte sich durch die Änderung der Vorschrift im Zuge der UWG-Reform 2020 nichts geändert haben.

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Eintragung in die Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände

Ein Verband ist nur anspruchsberechtigt, wenn er in die Liste der qualifizierten Einrichtungen beim Bundesamt für Justiz eingetragen ist, die nach § 8b UWG geführt wird. Bestehen im Laufe eines Rechtsstreits Zweifel daran, ob die Eintragung zurecht erfolgt ist oder ob die Eintragungsvoraussetzungen noch bestehen, kann das Gericht das Verfahren aussetzen (§ 8b Abs. 3 UWG iVm § 4 Abs. 4 UKlaG). Wird der Verband während des Verfahrens aus der Liste gestrichen, entfällt seine Anspruchsberechtigung. Der Anspruch wird unbegründet.

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Ruhende Eintragung

Nach § 8 Abs. 4 UWG können Verbände solange keine Ansprüche aus dem UWG geltend machen, wie ihre Eintragung in die Liste der qualifizierten Einrichtungen ruht. Welche prozessualen oder materiell-rechtlichen Auswirkungen sich daraus ergeben, wenn bereits vorher ein Klage- oder einstweiliges Verfügungsverfahren eingeleitet wurde, ist noch offen.

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Grenzen der Anspruchsberechtigung (Aktivlegitimation)

Neben der Eintragung eines Verbandes in die Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände nach § 8b UWG ist weitere Anspruchsvoraussetzung, dass dem Verband eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben, und dass die geschäftliche Handlung, gegen die sich der Verband wendet, die Interessen seiner Mitglieder berührt.

Diese Einschränkungen fanden sich bereits in der Vorgängervorschrift, sodass auf deren Auslegung zurückgegriffen werden kann, die in den Unterkapiteln dargelegt werden.

Auch wenn die Interessen eines oder einzelner Mitglieder berührt sind, sind die Verbände nicht berechtigt, gegen geschäftliche Handlungen vorzugehen, von denen nur einzelne Mitbewerber individuell betroffen werden, wie in der Regel bei einer Verletzung von § 4 Nr. 3 UWG oder häufig in Fällen der gezielten Behinderung gemäß § 4 Nr. 4 UWG. Allerdings hat der BGH hiervon zuletzt eine Einschränkung im Rahmen des § 4 Nr. 2 UWG als einem Unterfall des § 4 Nr. 4 UWG in Fällen  gemacht, in denen von der geschäftlichen Handlung nicht nur ein bestimmter Mitbewerber, sondern eine Gruppe von Mitbewerbern betroffen ist und ein betroffener Mitbewerber Verbandsmitglied ist (BGH, Urt. v. 23.1.2024, I ZR 147/22, Tz. 21 – chalk in it; näheres dazu hier). Es bleibt abzuwarten, ob der BGH diese Rechtsprechung auch auf andere Tatbestände der Mitbewerberbehinderung des § 4 UWG erstreckt.

Die Verbände sind nicht berechtigt, gegen die Verletzung von Ausschließlichkeitsrechten wie einem Markenrecht, einem Patentrecht, einem Urheberrecht, einem Designrecht oder einem Gebrauchsmusterrecht vorzugehen. Eine Ausnahme bildet in gewisser Weise nur eine Verletzung des § 5 Abs. 2 UWG, der sich mit den Ansprüchen eines Markeninhabers oder Inhabers an einer geschäftlichen Bezeichnung überschneidet.

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Mischverbände

Verbände, die sowohl gewerbliche Interessen der Mitbewerber als auch Verbraucherinteressen wahrnehmen (Mischverbände), sind nicht aktivlegitimiert:

BGH, Urt. v. 22.7.2021, I ZR 194/20, Tz. 27 f - Rundfunkhaftung

Einem Verband ist die Klagebefugnis abzusprechen, wenn er gleichrangig sowohl der Förderung gewerblicher Interessen als auch der Wahrnehmung von Verbraucherinteressen dient und beide Gruppen gleichgewichtig in einer Weise vertritt, dass er weder als Verband zur Förderung gewerblicher Interessen noch als Verbraucherverband angesehen werden kann. Bei einem solchen Verband besteht die Gefahr, dass gegenläufige Interessen der gleichrangig zusammengeschlossenen Gewerbetreibenden und Verbraucher miteinander kollidieren, die sich auf die Willensbildung und -betätigung des Verbands auswirken, und der Verband dadurch in der Wahrnehmung der ihm gesetzlich zugewiesenen Aufgabe der Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs beeinträchtigt wird (vgl. BGH, Urt. v. 14.10.1982, I ZR 81/81, GRUR 1983, 129, 130 - Mischverband I).

Für die Annahme eines Mischverbands ist nicht allein auf die satzungsgemäße Gleichstellung der Verfolgung von gewerblichen Interessen und Verbraucherinteressen abzustellen, sondern auch auf die tatsächlichen Gegebenheiten. Entscheidend ist das Gesamtbild, das der Verband bei einer zusammenfassenden Betrachtung seiner satzungsgemäßen Ziele, der Zusammensetzung seiner Mitglieder, des satzungsgemäßen und tatsächlichen Gewichts der einzelnen Mitgliedergruppen und seiner konkret ausgeübten Tätigkeiten bietet.

BGH, Urt. v. 22.7.2021, I ZR 194/20, Tz. 31 - Rundfunkhaftung

Die Gefahr einer Interessenkollision besteht nicht, wenn dem Verband ausschließlich Unternehmen angehören. Allein die satzungsgemäße Gleichstellung der Verfolgung von Gewerbe- und Verbraucherinteressen bietet keine ausreichende Grundlage für die Annahme eines Mischverbands, wenn sie den tatsächlichen Gegebenheiten nicht entspricht.

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Kammern als Verbände

Bis zur UWG-Reform 2020 konnten nur die Industrie- und Handelskammern und die Handwerkskammern ihre Aktivlegitimation aus § 8 Abs. 2 Nr. 4 herleiten. Alle anderen Kammern mussten die Voraussetzungen des früheren § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG nachweisen. (vgl. BGH, Urt. v. 25.10.2001, I ZR 29/99 - Vertretung der Anwalts-GmbH; BGH, Urt. v. 31.3.2016, I ZR 88/15, Tz. 13 - Rechtsberatung durch Entwicklungsingenieur

Die Rechtlage hat sich im Zuge der UWG-Reform 2020 geändert. Nunmehr sind nach § 8 Abs. 3 Nr. 4 UWG die den Industrie- und Handelskammern, die nach der Handwerksordnung errichteten Organisationen und andere berufsständische Körperschaften des öffentlichen Rechts im Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben berechtigt, gegen unlautere geschäftliche Handlungen, die Interessen ihrer Mitglieder berühren, vorzugehen. Zu den anderen berufsständischen Körperschaften gehören bspw. die Rechtsanwalts-, Ärzte-, Ingenieur- oder Architektenkammern.

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Übergangsvorschrift

§ 8 Abs. 3 Nr. 2 findet keine Anwendung auf Verfahren, die am 1. September 2021 bereits rechtshängig waren.

Für Verfahren, die bis zum 1.9.2021 rechtshängig sind, gilt noch die Vorgängerversion des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG. Den Verbänden soll dadurch die Aktivlegitimation für einen Zeitraum erhalten bleiben, den sie voraussichtlich benötigen, bis sie in die Liste der qualifizierten Einrichtungen eingetragen sind.

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Zitiervorschlag zur aktuellen Seite

Omsels, Online-Kommentar zum UWG:

http://www.webcitation.org/6M6EKu0VX