Ihr Rechtsanwalt im Wettbewerbsrecht
Dr. Hermann-Josef Omsels*

Eine Darstellung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und wettbewerbsrechtlicher Nebengesetze



 

 

 

Einzelfall (Ausreißer)

Für die Frage, ob es sich bei einer beanstandeten geschäftlichen Handlung 'nur' um eine Bagatelle handelt, kommt es nicht darauf an, ob es sich um einen Einzelfall, eine Ausnahme oder gar um einen ungewollten Ausreißer gehandelt hat. Maßgeblich ist, ob die Handlung 'abstrakt' geeignet ist, den Wettbewerb spürbar zu beeinträchtigen.

EuGH, Urt. V. 16.4.2015, C-388/13, Tz. 41f - Nemzeti Fogyasztóvédelmi Hatóság

Es ist völlig unbeachtlich ist, dass das Verhalten des betreffenden Gewerbetreibenden nur einmal vorkam und nur einen Verbraucher betraf.

Weder die Definitionen in Art. 2 Buchst. c und d, Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken noch diese Richtlinie in ihrer Gesamtheit enthalten nämlich einen Hinweis darauf, dass die Handlung oder die Unterlassung des Gewerbetreibenden sich wiederholen oder mehr als ein Verbraucher davon betroffen sein müsste.

BGH, Urt. v. 10.2.2011, I ZR 8/09, Tz. 21 – RC-Netzmittel

Eine geschäftliche Handlung ist auch dann geeignet, die Interessen der Verbraucher spürbar zu beeinträchtigen, wenn sie nur in einem einzigen Fall vorgenommen wurde. Die Häufigkeit oder Dauer einer unlauteren Handlung kann zwar deren Spürbarkeit erhöhen. Daraus kann aber nicht der Umkehrschluss gezogen werden kann, dass eine unlautere Handlung schon deshalb nicht spürbar ist, weil sie nur einmal oder nur für kurze Zeit vorgenommen worden ist. Denn dies fällt in den Bereich der Wiederholungsgefahr, auf die es nicht schon bei der Prüfung, ob das Verhalten unzulässig ist, sondern erst beim Unterlassungsanspruch ankommt. Im Rahmen des dem anspruchsbegründenden Tatbestand zuzurechnenden § 3 Abs. 1 UWG 2008 genügt bereits die Eignung zu einer spürbaren Beeinträchtigung der Marktteilnehmer.

OLG Köln, Urt. v. 19.6.2015 , 6 U 183/144, Tz. 27 - amazon

Das Ausreißer-Argument mag unter dem Gesichtspunkt des fehlendes Verschulden im Einzelfall im Bestrafungsverfahren zu berücksichtigen sein, dem an die objektive Rechtsverletzung anknüpfenden Unterlassungsanspruch steht es jedoch nicht entgegen. Von jedem Unternehmer kann unabhängig von der Größe seines Warenangebotes erwartet werden, dass er die unionsrechtlichen Informationspflichten erfüllt.

OLG Frankfurt, Urt. v. 16.9.2021, 6 U 133/20, II.4

Das Argument der Beklagten, es handele sich nur um einen einzelnen „Ausreißer“, fruchtet im Ergebnis nicht. Nach ständiger Rechtsprechung besteht auf Grund einer vollendeten Zuwiderhandlung eine widerlegliche tatsächliche Vermutung der Wiederholungsgefahr für die konkrete Zuwiderhandlung und im Kern gleichartige Verstöße. Dennoch ist die Vermutung im Grundsatz widerleglich. Nach h.M. ist zur Widerlegung in aller Regel die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung erforderlich. Die Rechtsprechung hat in seltenen Ausnahmefällen die Vermutung der Wiederholungsgefahr für widerlegt (oder nicht eingreifend) gehalten, namentlich in ganz ungewöhnlichen Situationen, in denen eine Wiederholung eines im Kern ähnlichen Wettbewerbsverstoßes unwahrscheinlich erschien oder erst nach einem so langen Zeitraum zu erwarten war, dass die Vermutung kaum mehr haltbar gewesen wäre. Der Einwand, es habe sich bei dem Wettbewerbsverstoß um einen einmaligen oder zumindest seltenen Ausreißer oder eine sonstige Panne gehandelt, widerlegt die Vermutung indes grundsätzlich nicht (OLG Hamburg WRP 2007, 1246, 1248; OLG Hamm Urteil vom 29.10.2009 - 4 U 145/09 = BeckRS 2009, 89543; MüKoUWG/Fritzsche, 2. Aufl. 2014, UWG § 8).