Ihr Rechtsanwalt im Wettbewerbsrecht
Dr. Hermann-Josef Omsels*

Eine Darstellung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und wettbewerbsrechtlicher Nebengesetze



 

2. Konkurrenzen (§ 3 Abs. 1, § 5a und b UWG)

1. Verhältnis zu § 3 Abs. 1 UWG

2. Verhältnis zu §§ 5a Abs. 1, 5b UWG

Verhältnis zu § 3 Abs. 1 UWG

§ 3 Abs. 1 UWG gilt als Auffangtatbestand für alle geschäftlichen Handlungen, die nicht unter einen Verbotstatbestand der §§ 3 Abs. 2,, 4 bis 7 UWG fallen. Wenn eine geschäftliche Handlung, die gegen eine gesetzliche Norm verstößt, aber nicht gegen § 3a UWG oder §§ 5a Abs. 1, 5b Abs. 4 UWG verstößt, kommt ein Rückgriff auf § 3 Abs. 1 nicht in Betracht:

OLG München, Urt. v. 27.7.2017, U 2879/16 Kart

 Der Gesetzgeber hat mit dem Erlass des § 4 Nr. 11 UWG im Jahr 2004, dem der nunmehr geltende § 3a UWG entspricht, zum Ausdruck gebracht, dass Verstöße gegen außerwettbewerbsrechtliche Rechtsnormen allein unter den besonderen Voraussetzungen dieser Vorschrift als unlauter anzusehen sind. Er hat sich dabei von der Erwägung leiten lassen, dass es nicht Aufgabe des Lauterkeitsrechts sein kann, alle nur denkbaren Gesetzesverstöße im Zusammenhang mit geschäftlichen Handlungen (auch) lauterkeitsrechtlich zu sanktionieren, sofern sie sich auf das Marktverhalten der Marktteilnehmer auswirken. Aus diesem Grund können Verstöße gegen außerwettbewerbsrechtliche Normen, die keine Marktverhaltensregelungen i. S. d. § 3a UWG sind, nicht allein wegen ihrer - nach Auffassung der Klägerinnen bestehenden - Gesetzeswidrigkeit nach § 3 UWG als unlauter angesehen werden (vgl. BGH GRUR 2016, 513 - Tz. 35).

Verhältnis zu §§ 5a Abs. 1, 5b UWG

Nach § 3a UWG handelt unlauter, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.

Nach § 5a Abs. 1 UWG handelt unlauter, wer im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände dem Verbraucher eine wesentliche Information vorenthält. Als wesentlich im Sinne des Absatzes 1 gelten nach § 5b Abs. 4 UWG Informationen, die dem Verbraucher auf Grund unionsrechtlicher Verordnungen oder nach Rechtsvorschriften zur Umsetzung unionsrechtlicher Richtlinien für kommerzielle Kommunikation einschließlich Werbung und Marketing nicht vorenthalten werden dürfen.

Fraglich ist, ob im Anwendungsbereich des §§ 5a Abs. 1, 5b Abs. 4 UWG, der wie § 3a UWG die Verletzung einer Norm voraussetzt, ergänzend auch auf § 3a UWG zurückgegriffen werden kann. Davon ging die Rechtsprechung lange aus. Der BGH hat davon aber zuletzt für den Verstoß gegen Informationspflichten in Bezug auf kommerzielle Kommunikation Abstand genommen.

BGH, Urt. v. 7.4.2022, I ZR 143/19, Tz. 20, 23 – Knuspermüsli II

Nach der bisherigen ständigen Rechtsprechung des Senats konnte sich die Unlauterkeit des Verstoßes gegen Informationspflichten in Bezug auf kommerzielle Kommunikation auch aus § 3a UWG und dem dieser Vorschrift der Sache nach entsprechenden § 4 Nr. 11 UWG in der bis zum 9. Dezember 2015 geltenden Fassung ergeben (vgl. Urteil v. 14.1.2016, I ZR 61/14, Tz. 11 - Wir helfen im Trauerfall). ...

An der gleichrangigen Prüfung von § 3a UWG und § 5a Abs. 2 und Abs. 4 UWG (a.F., heute § 5a Abs. 1, 5b Abs. 4 UWG) hält der Senat in Fällen der Verletzung einer Informationspflicht in Bezug auf kommerzielle Kommunikation nicht länger fest. In diesen Fällen ist die Unlauterkeit vielmehr allein nach § 5a Abs. 2 und 4 UWG (a.F., heute §§ 5a Abs. 1, 5b Abs. 4 UWG) zu beurteilen.

Ebenso BGH, Urt. v. 11.7.2024, I ZR 164/23, Tz. 21 - nikotinhaltige Liquids; BGH, Urt. v. 26.10.2023, I ZR 176/19, Tz. 18 – Zigarettenausgabeautomat III; BGH, Urt. v. 10.11.2022, I ZR 241/19, Tz. 16 – Herstellergarantie IV; OLG Hamm, Urt. v. 24.11.2022, 4 U 170/21, Tz. 53; OLG Frankfurt, Urt. v. 9.6.2022, 6 U 102/21; OLG Braunschweig, Beschl. v. 20.7.2022, 2 U 9/22, I.1.b (MD 2022, 1051); OLG Hamm, Urt. v. 1.6.2023, 4 U 225/22, Tz. 153; OLG Köln, Urt. v. 24.5.2024, 6 U 150/23, Tz. 183

Zur früheren Rechtslage auch OLG Köln, Urt. v. 19. 5.2017, 6 U 155/16, Tz. 26; OLG Frankfurt, Urt. v. 17.11.2016, 6 U 231/15, II.3.b; OLG Schleswig, Urt. v. 30.7.2020, 6 U 49/19, Tz. 33

Begründet wird die neue Sichtweise damit, dass der Verbraucher nur bei der Verletzung von Informationspflichten in Bezug auf kommerzielle Kommunikation einen Schadenersatzanspruch aus § 9 Abs. 2 UWG hat, nicht aber bei einem Verstoß gegen eine Marktverhaltensregelung nach § 3a UWG (BGH, Urt. v. 7.4.2022, I ZR 143/19, Tz. 24 f – Knuspermüsli II)

Bei der Verletzung anderer Informationspflichten sind beide Bestimmungen aber nebeneinander anzuwenden.

BGH, Urt. v. 7.4.2022, I ZR 143/19, Tz. 26 – Knuspermüsli II

Nicht hiervon erfasst sind Informationspflichten, die nicht die kommerzielle Kommunikation betreffen und daher nicht unter Art. 7 Abs. 1 und 5 der Richtlinie 2005/29/EG fallen. Ein Verstoß gegen solche Informationspflichten kann weiterhin eine Unlauterkeit nach § 3a UWG begründen.

BGH, Urt. v. 10.11.2022, I ZR 241/19, Tz. 42 – Herstellergarantie IV

Ein Verstoß gegen Informationspflichten, die nicht die kommerzielle Kommunikation betreffen und daher nicht unter Art. 7 Abs. 1 und 5 der Richtlinie 2005/29/EG fallen, kann weiterhin eine Unlauterkeit nach § 3a UWG begründen (vgl. BGH, GRUR 2022, 500 [juris Rn. 60 bis 64] - Zufriedenheitsgarantie; GRUR 2022, 930 [juris Rn. 26] - Knuspermüsli II). 

OLG Frankfurt, Beschl. v. 13.2.2024, 6 W 5/24

Da vorliegend nicht die Verletzung einer Informationspflicht in Bezug auf kommerzielle Kommunikation in Rede steht, ist die Unlauterkeit der geschäftlichen Handlung nicht allein nach § 5a Abs. 1, § 5b Abs. 4 UWG zu beurteilen (vgl. insofern z.B. BGH, Urteil vom 26.10.2023 - I ZR 176/19, GRUR 2023, 1704 Rn. 18 mwN - Zigarettenausgabeautomat III).

Das wirft die Frage auf, was unter kommerzieller Kommunikation zu verstehen ist:

BGH, Urt. v. 26.10.2023, I ZR 176/19, Tz. 22 ff – Zigarettenausgabeautomat III

Unter kommerzieller Kommunikation in diesem Sinne sind in Anlehnung an Art. 2 Buchst. f der Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr alle Formen der Kommunikation zu verstehen, die der unmittelbaren oder mittelbaren Förderung des Absatzes von Waren und Dienstleistungen oder des Erscheinungsbilds eines Unternehmens, einer Organisation oder einer natürlichen Person dienen, die eine Tätigkeit in Handel, Gewerbe oder Handwerk oder einen reglementierten Beruf ausübt.

Danach fallen unter den Begriff der kommerziellen Kommunikation etwa Mitteilungen in Form einer Lebensmittelwerbung, die der unmittelbaren oder mittelbaren Förderung des Absatzes dieser Lebensmittel dienen, oder eines Werbeschreibens, das nährwert- oder gesundheitsbezogene Angaben enthält, sowie die Nährwertdeklaration auf der Verpackung eines Lebensmittels (BGHZ 233, 193 Tz. 33 und 35 - Knuspermüsli II). Ferner betreffen die Vorschriften der § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB, Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EGBGB aF, die eine Informationspflicht über das Bestehen und die Bedingungen von Garantien vorsehen, die der Förderung des Produktabsatzes dienende kommerzielle Kommunikation, weil die danach vorgeschriebenen Informationen dem Verbraucher vor Abgabe von dessen Vertragserklärung zur Verfügung zu stellen sind (§ 312d Abs. 1 Satz 1 BGB, Art. 246a § 4 Abs. 1 EGBGB, vgl. BGH, GRUR 2022, 1832, Tz. 17 - Herstellergarantie IV). Auch die Pflicht zur Angabe des Grundpreises beim Angebot von Waren (Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 98/6/EG, § 2 Abs. 1 Satz 1 PAngV aF, § 3 Abs. 1 Fall 1 PAngV nF) und die Pflicht zur Angabe des Grundpreises bei der Werbung unter Angabe von Preisen (Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 98/6/EG, § 2 Abs. 1 Satz 2 PAngV aF, § 3 Abs. 1 Fall 2 PAngV nF) sind wesentliche Informationspflichten gemäß Art. 7 Abs. 5 der Richtlinie 2005/29/EG (vgl. BGH, GRUR 2022, 1163, Tz. 49 f. - Grundpreisangabe im Internet; GRUR 2023, 585, Tz. 61 - Mitgliederstruktur).

Mangels Förderung des Produktabsatzes oder des unternehmerischen Erscheinungsbilds zählen zur kommerziellen Kommunikation grundsätzlich nicht Informationspflichten, die anderen Zwecken dienen oder im Zuge des Vertragsschlusses oder bei der Vertragsabwicklung zu erfüllen sind (BGH, GRUR 2022, 500, Tz. 66 - Zufriedenheitsgarantie). Daraus ergibt sich, dass die vertraglichen Informationspflichten im Zusammenhang mit einer Garantieerklärung gemäß § 479 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht unter den Begriff der kommerziellen Kommunikation fallen, wenn die Garantieerklärung, was gemäß § 479 Abs. 2 BGB zulässig ist, erst zum Zeitpunkt der Lieferung der bereits zuvor bestellten Ware erfolgt (vgl. BGH, GRUR 2022, 500, Tz. 66 - Zufriedenheitsgarantie).

S.a. OLG Brandenburg, Urt. v. 17.10.2023, 6 U 88/22, II.2.b.aa

Beispiele

BGH, Urt. v. 7.4.2022, I ZR 143/19, Tz. 34 – Knuspermüsli II

Unter kommerzieller Kommunikation in diesem Sinne sind in Anlehnung an Art. 2 Buchst. f der Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr alle Formen der Kommunikation zu verstehen, die der unmittelbaren oder mittelbaren Förderung des Absatzes von Waren und Dienstleistungen oder des Erscheinungsbilds eines Unternehmens, einer Organisation oder einer natürlichen Person dienen, die eine Tätigkeit in Handel, Gewerbe oder Handwerk oder einen reglementierten Beruf ausübt.

BGH, Urt. v. 10.11.2022, I ZR 241/19, Tz. 17 – Herstellergarantie IV

Die Vorschriften der § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB, Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EGBGB aF (Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 EGBGB nF) betreffen die kommerzielle Kommunikation, weil die danach vorgeschriebenen Informationen dem Verbraucher vor Abgabe von des Vertragserklärung zur Verfügung zu stellen sind (§ 312d Abs. 1 Satz 1 BGB, Art. 246a § 4 Abs. 1 EGBGB) und daher der Förderung des Produktabsatzes dienen (zum Begriff der kommerziellen Kommunikation vgl. BGH, Beschl. v. 10.2.2022, I ZR 38/21, Tz. 65 f. - Zufriedenheitsgarantie; BGH, GRUR 2022, 930 [juris Rn. 34] - Knuspermüsli II). Ein Verstoß gegen die in § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB, Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EGBGB aF festgehaltene Informationspflicht kann eine Unlauterkeit daher allein nach § 5a UWG begründen.

BGH, Urt. v. 10.11.2022, I ZR 241/19, Tz. 42 – Herstellergarantie IV

Die Unlauterkeit eines Verstoßes gegen § 479 Abs. 1 BGB beurteilt sich nach dem Rechtsbruchtatbestand des § 3a UWG und nicht unter dem Gesichtspunkt des Vorenthaltens einer wesentlichen Information nach § 5a Abs. 2 und 4 UWG aF (§ 5a Abs. 1, § 5b Abs. 4 UWG nF).  ... Die durch § 479 Abs. 1 BGB vorgeschriebenen Informationen zum Gegenstand und Inhalt einer Garantieerklärung betreffen nicht die kommerzielle Kommunikation, weil sie dem Verbraucher erst bei Abgabe der vertraglichen Garantieerklärung zu erteilen sind und daher nicht der Förderung des Produktabsatzes dienen (BGH, GRUR 2022, 500 [juris Rn. 64 bis 66] - Zufriedenheitsgarantie).

BGH, Urt. v. 26.10.2023, I ZR 176/19, Tz. 21 – Zigarettenausgabeautomat III

Das für die Begründetheit des mit dem Hauptantrag verfolgten Anspruchs maßgebliche Verbot des Verdeckens gesundheitsbezogener Warnhinweise gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 TabakerzV betrifft Informationspflichten in Bezug auf kommerzielle Kommunikation im Sinne von § 5a Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 UWG aF und § 5a Abs. 1, § 5b Abs. 4 UWG nF.

OLG Brandenburg, Urt. v. 17.10.2023, 6 U 88/22, II.2.b.cc

Die nach der Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV, VO (EU) Nr. 1169/2011 vom 25.10.2011) vorgeschriebenen Angaben stellen als vom Unionsrecht festgelegte Mindestanforderungen in Bezug auf kommerzielle Kommunikation solche wesentlichen Informationen dar.