Ihr Rechtsanwalt im Wettbewerbsrecht
Dr. Hermann-Josef Omsels*

Eine Darstellung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und wettbewerbsrechtlicher Nebengesetze



 

Allgemeine Marktbehinderung

Die allgemeine Marktbehinderung wird als ein Fall des § 3 Abs. 1 UWG angesehen. Schon der Gesetzgeber ging davon aus (siehe BT-Drcks. 15/1487, S. 19).

Die Voraussetzungen einer allgemeinen Marktstörung sind nach der jüngeren Rechtsprechung des BGH eng. Es muss die ernstliche Gefahr bestehen, dass der Wettbewerb auf einem bestimmten Markt in erheblichem Maße eingeschränkt wird. Kein Unternehmer hat einen Anspruch darauf, dass sich die Parameter des Marktes nicht ändern. Unter dem Gesichtspunkt der allgemeinen Marktstörung ist jedes Konkurrenzverhalten erlaubt, dass sich unternehmerisch 'rechnet'. Das wurde in der früheren Rechtsprechung viel strenger beurteilt.

BGH, Urt. v. 29. 10. 2009, I ZR 180/07, Tz. 23 – Stumme Verkäufer II

Eine allgemeine Marktbehinderung (Marktstörung) liegt nach § 3 Abs. 1 UWG 2008 vor, wenn ein für sich genommen zwar nicht unlauteres, aber immerhin bedenkliches Wettbewerbsverhalten allein oder in Verbindung mit gleichartigen Maßnahmen von Mitbewerbern die ernstliche Gefahr begründet, dass der auf der unternehmerischen Leistung beruhende Wettbewerb in erheblichem Maß eingeschränkt wird.

Ebenso BGH, Urt. v. 19.4.2018, I ZR 154/16, Tz. 52 – Werbeblocker II; OLG Nürnberg, Hinweisbeschl. v. 26.11.2021, 3 U 2473/21, Tz. 68

BGH, Urt. v. 29. 10. 2009, I ZR 180/07, Tz. 25 – Stumme Verkäufer II

Da das Wettbewerbsrecht gerade dem freien Spiel der Kräfte des Markts im Rahmen der gesetzten Rechtsordnung Raum gewähren soll, können konkurrierende Unternehmen und Produkte keine Sicherung ihres Bestands beanspruchen. Mögliche Absatzrückgänge bei einzelnen Produkten führen auch nicht dazu, dass eine Gratisverteilung unter allen Umständen wettbewerbsrechtlich zu beanstanden wäre (BGHZ 157, 55, 64 f. - 20 Minuten Köln; BGH WRP 2004, 746, 748 f. - Zeitung zum Sonntag).

BGH, Urt. v. 19.4.2018, I ZR 154/16, Tz. 54 – Werbeblocker II

Es ist nicht Aufgabe des Behinderungstatbestands oder des Lauterkeitsrechts allgemein, bestehende wettbewerbliche Strukturen zu bewahren und wirtschaftlichen Entwicklungen entgegenzusteuern, in denen die bisherigen Marktteilnehmer eine Bedrohung ihres Kundenstammes erblicken.

Ebenso OLG Nürnberg, Hinweisbeschl. v. 26.11.2021, 3 U 2473/21, Tz. 70

BGH, Urt. v. 29. 10. 2009, I ZR 180/07, Tz. 26 – Stumme Verkäufer II

Lauterkeitsrechtlich bedenklich werden beide Vertriebssysteme erst dann, wenn sie zu einer dauerhaften Abgabe unter Selbstkosten führen und auf diese Weise den Bestand des Wettbewerbs gefährden (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm aaO § 4 Rdn. 12.24). Soweit sich aus der Senatsentscheidung "Stumme Verkäufer I" Gegenteiliges ergibt, hält der Senat hieran nicht fest.

BGH, Urt. v. 29. 10. 2009, I ZR 180/07, Tz. 30 – Stumme Verkäufer II

Das Drohen einer Rechtsverletzung i.S. des § 8 Abs. 1 Satz 2 UWG setzt, soweit eine allgemeine Marktbehinderung in Rede steht, voraus, dass das Wettbewerbsverhalten allein oder in Verbindung mit zu erwartenden gleichartigen Maßnahmen von Mitbewerbern die ernstliche Gefahr begründet, der auf unternehmerischer Leistung beruhende Wettbewerb werde in erheblichem Maß eingeschränkt (st. Rspr.). Von einer solchen Gefahr ist nur dann auszugehen, wenn greifbare Anhaltspunkte für eine wettbewerbsbeschränkende Entwicklung vorliegen. Soweit in diesem Zusammenhang eine Nachahmungsgefahr mit berücksichtigt werden soll, müssen zudem auch greifbare Anhaltspunkte für ein entsprechendes Verhalten der Mitbewerber sprechen.

OLG Köln, Urt. v. 24.6.2016, 6 U 149/15, Tz. 65

Tatbestandlich ist ein Verhalten allgemeine Marktbehinderung, wenn es nicht nur einen individuellen Unternehmer, sondern eine Vielzahl von Unternehmen gleichermaßen in ihrer Entfaltung beeinträchtigt. Marktbehinderung liegt aber erst vor, wenn ein Wettbewerbsverhalten allein oder in Verbindung mit zu erwartenden gleichartigen Maßnahmen von Mitbewerbern die ernstliche Gefahr begründet, der auf der unternehmerischen Leistung beruhende Wettbewerb werde in erheblichem Maße eingeschränkt. Im Ergebnis muss das Verhalten damit geeignet sein, eine bestimmte Angebotsform vom Markt zu drängen.

Erforderlich ist in der Regel auch eine Verdrängungsabsicht.

OLG München, Urt. v. 17.8.2017, U 2225/14 Kart, Tz. 169

Von einer Verdrängungsabsicht ist auszugehen, wenn die Maßnahme ihrer Natur oder den Umständen nach keinen anderen Zweck als den der Verdrängung oder Schwächung des Mitbewerbers haben kann (vgl. BGH GRUR 2015, 607 Tz. 17 – Uhrenankauf im Internet). Das ist dann anzunehmen, wenn die Maßnahme für sich allein nur wirtschaftliche Nachteile bringt und diese Nachteile erst dann ausgeglichen werden können, wenn der Mitbewerber ausgeschaltet ist (vgl. Köhler in: Köhler/Bornkamm, UWG, 35. Aufl. 2017, § 4 UWG Rz. 4.9).

OLG München, Urt. v. 17.8.2017, U 2225/14 Kart, Tz. 191

Eine allgemeinen Marktbehinderung  liegt dann vor, wenn ein für sich genommen zwar nicht unlauteres, aber immer-hin bedenkliches Wettbewerbsverhalten die ernstliche Gefahr begründet, dass der auf der unternehmerischen Leistung beruhende Wettbewerb in erheblichem Maße eingeschränkt wird (vgl. BGH GRUR 2010, 455 - Stumme Verkäufer II Tz. 20 m. w. N.). Die Frage, ob in einem beanstandeten Wettbewerbsverhalten eine unzulässige allgemeine Marktbehinderung zu sehen ist, kann nur auf Grund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des jeweiligen Einzelfalls unter Abwägung der Interessen der Mitbewerber und der Allgemeinheit beurteilt werden (vgl. BGH GRUR 2004, 877, 880 – Werbeblocker)

Ebenso OLG Nürnberg, Hinweisbeschl. v. 26.11.2021, 3 U 2473/21, Tz. 68

Skeptisch

OLG München, Urt. v. 27.7.2017, U 2879/16 Kart

Eine allgemeinen Marktbehinderung soll dann vorliegen, wenn ein für sich genommen zwar nicht unlauteres, aber immerhin bedenkliches Wettbewerbsverhalten die ernstliche Gefahr begründet, dass der auf der unternehmerischen Leistung beruhende Wettbewerb in erheblichem Maß eingeschränkt wird (vgl. BGH GRUR 2010, 455 - Stumme Verkäufer II Tz. 20 m. w. N.). Mangelt schon dem Merkmal des nicht unlauteren, aber gleichwohl bedenklichen Wettbewerbsverhaltens jegliche Kontur,

Verschenken von Ware oder Dienstleistungen

OLG München, Urt. v. 3.12.2009, 29 U 3781/09, II.1.e

Das Verschenken von Ware kann grundsätzlich dann wettbewerbswidrig sein, wenn es eine allgemeine Marktbehinderung oder Marktstörung auf dem sachlich-gegenständlich und räumlich relevanten Markt zur Folge hat (vgl. BGH GRUR 2004, 602, 603 - 20 Minuten Köln). Ein solcher Fall ist dann gegeben, wenn das Wettbewerbsverhalten allein oder in Verbindung mit zu erwartenden gleichartigen Maßnahmen von Mitbewerbern die ernstliche Gefahr begründet, der auf der unternehmerischen Leistung beruhende Wettbewerb werde in erheblichem Maße eingeschränkt (vgl. BGH GRUR 2004, 602, 603 - 20 Minuten Köln m.w.N.). Damit soll im Interesse der betroffenen Wettbewerber, in dem sich das Interesse der Allgemeinheit am Bestand des Wettbewerbs widerspiegelt, auch in Fällen, in denen eine gezielte Verdrängungsabsicht nicht vorliegt, verhindert werden, daß durch ein systematisches Verschenken von Waren der Wettbewerbsbestand gefährdet wird (vgl. BGH GRUR 2004, 602, 603 - 20 Minuten Köln). Die Frage, ob in einem beanstandeten Wettbewerbsverhalten eine unzulässige allgemeine Marktbehinderung bzw. Marktstörung zu sehen ist, kann nur auf Grund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des jeweiligen Einzelfalls unter Abwägung der Interessen der Mitbewerber und der Allgemeinheit beurteilt werden (vgl. BGH GRUR 2004, 887, 880 - Werbeblocker m.w.N.).

OLG Nürnberg, Hinweisbeschl. v. 26.11.2021, 3 U 2473/21, Tz. 69

Die mit öffentlichen Mitteln finanzierte kostenlosen Abgabe von Leistungen kann als allgemeine Marktbehinderung unlauter i.S.d. § 3 Abs. 1 UWG sein, wenn sie zu einer Gefährdung des Wettbewerbsbestands führt (Köhler, in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 39. Aufl. 2021, § 3a Rn. 2.46). Ausreichend ist dabei der Nachweis einer konkreten, ernsthaften Gefahr der Marktstrukturverschlechterung (Köhler, a.a.O., § 4 Rn. 5.7). Wird die öffentliche Hand allerdings im Rahmen der Erfüllung ihr gesetzlich obliegender Aufgaben tätig, kann das Unwerturteil nicht allein mit den Auswirkungen des Verwaltungshandelns auf den Wettbewerb begründet werden.