Ihr Rechtsanwalt im Wettbewerbsrecht
Dr. Hermann-Josef Omsels*

Eine Darstellung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und wettbewerbsrechtlicher Nebengesetze

Umwelt


 

Unterlassene Aufklärung

Bornkamm, Jürgen Irrungen, Wirrungen. Der Tatbestand der Irreführung durch Unterlassen, WRP 2012, 1; Alexander, Christian, Die Neufassung von § 5 a UWG, WRP, 2016, 139

1. Historie

2. Verbot der Irreführung - auch durch Unterlassen

3. Irreführung durch Unterlassen

4. Kein allgemeines Informationsgebot

5. Beispiele

Historie

Die Irreführung durch Unterlassen war bis zum 27.5.2022 als eigener Tatbestand in § 5a Abs. 1 UWG (a.F.) normiert. Darin hieß es: "Bei der Beurteilung, ob das Verschweigen einer Tatsache irreführend ist, sind insbesondere deren Bedeutung für die geschäftliche Entscheidung nach der Verkehrsauffassung sowie die Eignung des Verschweigens zur Beeinflussung der Entscheidung zu berücksichtigen."

Der Tatbestand wurde zum 28.5.2022 gestrichen. Die Irreführung durch Unterlassen ist aber weiterhin nach § 5 UWG verboten.

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Verbot der Irreführung - auch durch Unterlassen

Irreführende Angaben sind im Geschäftsverkehr grundsätzlich verboten. Eine Irreführung kann auch dadurch erfolgen, dass eine Information unterlassen wird, die

  • für den Adressaten aber relevant ist oder
  • zu der der Werbende verpflichtet ist.

Für die Ermittlung eine Irreführungsgefahr durch das Unterlassen einer Angabe gelten die gleichen Grundsätze wie für die Ermittlung der Irreführungsgefahr im allgemeinen (Bornkamm, WRP 2012, 1, 3). Dazu siehe hier.

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Irreführung durch Unterlassen

EuGH, Urt. v. 18.11.2010, C‑159/09, Tz. 49 – Vierzon/Lidl

Eine Unterlassung kann eine Werbung irreführend machen, insbesondere wenn eine solche Werbung unter Berücksichtigung der Verbraucher, an die sie sich richtet, einen Umstand verdecken soll, der, wäre er bekannt gewesen, geeignet gewesen wäre, eine erhebliche Zahl von Verbrauchern von ihrer Kaufentscheidung abzuhalten.

BGH, Urt. v. 20.1.2011, I ZR 28/09, Tz. 21 – Kein Telekom-Anschluss nötig

Eine Irreführung durch Verschweigen von Tatsachen ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der verschwiegenen Tatsache nach der Auffassung des Verkehrs eine besondere Bedeutung zukommt, so dass das Verschweigen geeignet ist, das Publikum in relevanter Weise irrezuführen, also seine Entschließung zu beeinflussen.

Ebenso BGH, Urt. v. 25.11.2021, I ZR 148/20, Tz. 25 – Kopplungsangebot IIIBGH, Urt. v. 16.11.2017, I ZR 160/16, Tz. 38 – Knochenzement II; BGH, Urt. v. 10.1.2013, I ZR 190/11, Tz. 34 – Standardisierte Mandatsbearbeitung; OLG Düsseldorf, Urt. v. 29.8.2013, I-20 U 175/13, Tz. 15 (= WRP 2014, 1340); OLG Köln, Urt. v. 22.03.2019, 6 U 193/18, Tz. 60; OLG Köln, Urt. v. 22.11.2019, 6 U 81/19, Tz. 59; OLG Frankfurt, Urt. v. 9.6.2022, 6 U 12/22, II.1.e

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Kein allgemeines Informationsgebot

BGH, Urt. v 14.4.2011, I ZR 133/09, Tz. 34 – Werbung mit Garantie

Ein allgemeines Informationsgebot ergab sich nicht aus § 5 UWG 2004 (vgl. BGH, Urt. v. 14.12.1995, I ZR 213/93 - GRUR 1996, 367, 368 = WRP 1996, 290 – Umweltfreundliches Bauen, zu § 3 UWG aF); es folgt auch nicht aus § 5a Abs. 1 und 2 UWG (a.F.).

BGH, Urt. v. 25.11.2021, I ZR 148/20, Tz. 25 – Kopplungsangebot III

Eine Irreführung durch Unterlassen gemäß § 5a Abs. 1 UWG (a.F.) setzt die Verletzung einer Aufklärungspflicht voraus. Maßgebend für die Frage, ob eine Aufklärungs- oder Informationspflicht vorliegt, ist, inwieweit der angesprochene Verkehr auf die Mitteilung der Tatsache angewiesen und dem Unternehmer eine Aufklärung zumutbar ist (vgl. BGH, GRUR 2018, 541 Rn. 38 - Knochenzement II).

BGH, Urt. v. 16.11.2017, I ZR 160/16, Tz. 38 – Knochenzement II

Eine Irreführung durch Unterlassen gemäß § 5a Abs. 1 UWG (a.F.) setzt die Verletzung einer Aufklärungspflicht voraus. Den Unternehmer trifft keine allgemeine Aufklärungspflicht über Tatsachen, die für die geschäftliche Entscheidung des angesprochenen Verkehrs möglicherweise von Bedeutung sind. Er ist nicht generell verpflichtet, auch auf weniger vorteilhafte oder gar negative Eigenschaften des eigenen Angebots hinzuweisen. Maßgebend für die Frage einer Informationspflicht ist, inwieweit der angesprochene Verkehr auf die Mitteilung der Tatsache angewiesen und dem Unternehmer eine Aufklärung zumutbar ist. Macht sich der Marktteilnehmer über den fraglichen Umstand gar keine Gedanken, weil er für seine geschäftliche Entscheidung nicht von Bedeutung ist, liegt eine Irreführung durch Unterlassen nicht vor.

Ebenso BGH, Urt. v. 25.11.2021, I ZR 148/20, Tz. 27 – Kopplungsangebot III; OLG Köln, Urt. v. 22.03.2019, 6 U 193/18, Tz. 60; OLG Köln, Urt. v. 22.11.2019, 6 U 81/19, Tz. 59; OLG Frankfurt, Urt. v. 9.6.2022, 6 U 12/22, II.1.e

BGH, Urt. v. 25.11.2021, I ZR 148/20, Tz. 27 – Kopplungsangebot III

Ein Unternehmer ist nicht generell verpflichtet, auch auf weniger vorteilhafte oder gar negative Eigenschaften des eigenen Angebots hinzuweisen (vgl. BGH, GRUR 2018, 541 Rn. 38 - Knochenzement II). Eine solche umfassende Aufklärung wird weder von verständigen Verbraucherinnen und Verbrauchern noch von sonstigen Marktteilnehmern erwartet (vgl. BGHZ 154, 105, 109 [juris Rn. 17] - Gesamtpreisangebot). Unternehmer sind danach insbesondere nicht gehalten, in der Werbung die Elemente ihrer Preisbemessung nachvollziehbar darzustellen, um Preisvergleiche zu erleichtern. Es ist vielmehr Sache der Verbraucher und der sonstigen Marktteilnehmer selbst, Preisvergleiche anzustellen und sich Gedanken über die Preiswürdigkeit des Angebots zu machen. Zumindest anhand des letztlich maßgebenden Gesamtpreises sind Preisvergleiche immer möglich (vgl. BGHZ 154, 105, 109 [juris Rn. 18] - Gesamtpreisangebot).

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Beispiele

BGH, Urt. v. 16.11.2017, I ZR 160/16, Tz. 42 – Knochenzement II

Dass das Unternehmen eine in der Werbung herausgestellte Spitzenstellung nicht (allein) durch eigene Leistung bei der Entwicklung eines besonders wettbewerbsfähigen Produkts, sondern unter Verletzung von Betriebsgeheimnissen eines Wettbewerbers erreicht hat, stellt der Verkehr erfahrungsgemäß nicht in Rechnung. Bewirbt der Anbieter ein neues Produkt unter Hinweis auf die in der Vergangenheit mit einem anderen Produkt erworbene Marktführerschaft, ist das Verschweigen dieses Umstands deshalb im Regelfall geeignet, eine unrichtige Vorstellung über die Leistungsfähigkeit des Anbieters hervorzurufen und damit die Entschließung des Publikums über den Erwerb des beworbenen Nachfolgeprodukts im Sinne von § 5a Abs. 1 UWG in unlauterer Weise zu beeinflussen.

OLG Köln, Urt. v. 22.03.2019, 6 U 193/18, Tz. 60

Wenn der angesprochene Verkehr aufgrund der Optik der Geräte für ein Permanent Makeup von einer bestimmten Ausführung ausgeht, kann er nur mittels aufklärendem Hinweis die Kenntnis über die tatsächliche unterschiedliche Ausführung der Module erlangen. Diese Kenntnis ist für die angesprochenen Kosmetiker von immenser Bedeutung. Denn es besteht bei den Modulen der Beklagten eine erhebliche Gefahr, dass Flüssigkeit und damit Keime in das Handstück zurückfließen, das nicht desinfiziert werden kann. Damit besteht eine erhebliche Gefahr für die Gesundheit aller Patienten, die bei dem entsprechenden Kosmetiker behandelt werden.

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