BGH, Urt. v. 19.4.2018, I ZR 154/16, Tz. 34 – Werbeblocker II
Der Tatbestand der unlauteren Behinderung unterscheidet sich nach Schutzzweck, Voraussetzungen und Rechtsfolgen von den Sonderschutzrechten.
Beim Kennzeichenmissbrauch geht es um die Behinderung der wettbewerblichen Entfaltung von Mitbewerbern durch die Dritte vom Gebrauch ausschließende Wirkung von Kennzeichenrechten (Marken, geschäftliche Bezeichnungen (Unternehmenskennzeichen, Titel, Herkunftsangaben)). Beim Schutzrechtsmissbrauch geht es ebenfalls um den den unberechtigten Einsatz von Schutzrechten, durch den Dritte beim Vertrieb ihrer Waren oder Dienstleistungen am Markt behindert werden.
1. Grundsatz: Ausschließende Wirkung von Kennzeichen/Schutzrechten ist keine unlautere Behinderung
2. Fallkonstellationen möglichen Kennzeichenmissbrauchs/Schutzrechtsmissbrauchs
a. Kenntnis von der Verwendung des Kennzeichens durch einen Mitbewerber
b. Kennzeichenmissbrauch durch Eingriff in einen schutzwürdigen Besitzstand
i. Was ist ein schutzwürdiger Besitzstand
ii. 1. Alternative: Ziel der Störung des schutzwürdigen Besitzstandes
iii. 2. Alternative: Absicht der Sperre des Zeichengebrauchs
d. Weitere maßgebliche Umstände beim Kennzeichenmissbrauch
i. Eigene Benutzungsabsicht des Kennzeicheninhabers
ii. Vermutung des Benutzungswillens
e. Beispiele (k)eines Kennzeichenmissbrauchs
f. Kennzeichenmissbrauch als Einrede im Kennzeichenverletzungsstreit
g. Wettbewerbsrechtlicher Löschungsanspruch
h. Markenrechtlicher Löschungsanspruch
4. Behinderung durch rechtmäßige Marken/Schutzrechte
a. Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung
b. Allgemeine Sperre als Keyword
c. Verweigerte Zustimmung zur Online-Werbung oder in den Vertrieb
Grundsatz: Ausschließende Wirkung von Kennzeichen/Schutzrechten ist keine unlautere Behinderung
Kennzeichenrechte, insbesondere Marken und geschäftlichen Bezeichnungen haben die Funktion, dem Inhaber an dem Kennzeichen ein Monopol zu verschaffen. Der Ausschluss Dritter von der Nutzung liegt in der Natur dieser ‚Ausschließlichkeits’-Rechte. Die darin liegende behindernde Wirkung der Mitbewerber ist vom Gesetz gewollt und nicht unlauter.
Es gibt allerdings Konstellationen, in denen Kennzeichenrechte nicht um ihrer selbst willen, sondern zur Verfolgung von dem Kennzeichenrecht fremden, u.U. wettbewerbswidrigen Zwecke erworben und eingesetzt werden.
Fallkonstellationen möglichen Kennzeichenmissbrauchs/Schutzrechtsmissbrauchs
BGH, Urt. 10.1.2008, I ZR 38/05, Tz. 21 – AKADEMIKS
Eine wettbewerbswidrige Behinderung kann grundsätzlich auch durch die Anmeldung und Eintragung einer Marke erfolgen.
BGH, Urt. v. 23.11.2000, I ZR 93/98, II.3.a – Classe E
Allerdings kann auch die Ausübung eines - selbst eines schutzwürdigen – Zeichenrechts als mißbräuchlich behandelt werden, sofern besondere Umstände hinzutreten (vgl. BGH, Urt. v. 7.3.1969, I ZR 36/67, GRUR 1970, 138, 139 - Alemite).
Sperrmarken
Bei Sperrmarken geht es um die Anmeldung oder Ausübung von Markenrechten, die dem Zweck dienen, andere davon abzuhalten, diese oder ein verwechslungsfähiges Zeichen zu benutzen oder weiterzubenutzen.
Kenntnis von der Verwendung des Kennzeichens durch einen Mitbewerber
Die Kenntnis von Verwendung des Kennzeichens durch einen Mitbewerber ist eine notwendige, aber alleine nicht ausreichende Voraussetzung für einen Kennzeichenmissbrauch.
OLG Hamburg, Urt. v. 13.9.2018, 5 U 22/17, Tz. 93
Bösgläubigkeit setzt voraus, dass der Anmelder weiß oder wissen muss, dass der Mitbewerber die gleiche oder eine ähnliche Marke im Inland oder einem anderen Mitgliedstaat der EU für gleiche oder verwechselbare Waren entweder bereits benutzt hat oder benutzen möchte, ohne hierfür einen formalen Kennzeichenschutz erworben zu haben (EuGH GRUR 2009, 763 Rn. 34 ff – Lindt & Sprüngli).
BGH, Urt. v. 26.6.2008, I ZR 190/05 – EROS
Wer ein Zeichen als Marke anmeldet, handelt nicht schon deshalb unlauter, weil er weiß, dass ein anderer dasselbe oder ein verwechselbares Zeichen für dieselben oder ähnliche Waren benutzt, ohne hierfür einen formalen Kennzeichenschutz erworben zu haben.
Ebenso wenig ist es alleine ausreichend, dass der spätere Markeninhaber weiß, dass sein Mitbewerber im Ausland über ein oder viele Markenrecht an dem Kennzeichen verfügt, da Kennzeichenrechte immer nur beschränkt für das Territorium gelten, für das das Kennzeichenrechte gewährt wurde. Eine deutsche Marke gilt nur in Deutschland, eine EU-Marke nur in Europa etc.
BGH, Urt. 10.1.2008, I ZR 38/05, Tz. 21 – AKADEMIKS
Wegen des im Markenrecht geltenden Territorialitätsgrundsatzes ist es im Allgemeinen rechtlich unbedenklich, wenn im Inland ein Zeichen als Marke in Kenntnis des Umstands angemeldet wird, dass ein anderer dasselbe oder ein verwechselbar ähnliches Zeichen im Ausland als Marke für gleichartige oder sogar identische Waren benutzt. Nur wenn zur Kenntnis von der Benutzung besondere Umstände hinzutreten, die das Verhalten des Anmelders als wettbewerbswidrig erscheinen lassen, steht der markenrechtliche Territorialitätsgrundsatz der Anwendung des UWG nicht entgegen.
Da es im Kennzeichenrecht kein Recht des Vorbenutzers gibt, eine ungeschützte Marke weiter benutzen zu dürfen, nachdem ein anderer daran einen Markenschutz erworben hat, darf der spätere Markeninhaber dem früheren Markennutzer die weitere Nutzung der Marke untersagen. Der frühere Nutzer der Marke kann dem späteren ohne Erwerb eines besseren Markenrechts die Nutzung desselben Kennzeichen nicht untersagen.
OLG Köln, Beschl. v. 7.5.2007, 6 W 54/07, Tz. 18
Die Verwendung eines nicht geschützten Kennzeichens durch einen Wettbewerber ist auch dann nicht als gezielte Behinderung unlauter, sondern stellt sich als hinzunehmende Auswirkung des Wettbewerbs dar, wenn dem in Anspruch Genommenen die Kollision der Zeichen bekannt ist.
Kennzeichenmissbrauch durch Eingriff in einen schutzwürdigen Besitzstand
Was ist ein schutzwürdiger Besitzstand
BGH, Urt. 10.1.2008, I ZR 38/05, Tz. 22 – AKADEMIKS
Die Annahme eines schutzwürdigen Besitzstandes setzt voraus, dass das Zeichen der Klägerin im Inland zum Prioritätszeitpunkt … entweder aufgrund einer im Inland erfolgten Nutzung oder im Hinblick auf eine überragende Verkehrsgeltung im Ausland eine gewisse Bekanntheit erreicht hat.
1. Alternative: Ziel der Störung des schutzwürdigen Besitzstandes
BGH, Urt. 10.1.2008, I ZR 38/05, Tz. 21 – AKADEMIKS
Nur wenn zur Kenntnis von der Benutzung besondere Umstände hinzutreten, die das Verhalten des Anmelders als wettbewerbswidrig erscheinen lassen, steht der markenrechtliche Territorialitätsgrundsatz der Anwendung des UWG nicht entgegen.
Solche besonderen Umstände können darin liegen, dass der Zeicheninhaber in Kenntnis eines schutzwürdigen Besitzstands des Vorbenutzers ohne zureichenden sachlichen Grund für gleiche oder gleichartige Waren oder Dienstleistungen die gleiche oder eine zum Verwechseln ähnliche Bezeichnung mit dem Ziel der Störung des Besitzstands des Vorbenutzers … als Kennzeichen hat eintragen lassen ….
Ebenso BGH, Urt. v. 26.6.2008, I ZR 190/05, Tz. 23 – EROS; OLG Hamburg, Urt. v. 7.6.2012, B.I.1.d, 3 U 186/10; OLG Hamburg, Urt. v. 13.9.2018, 5 U 22/17, Tz. 91
2. Alternative: Absicht der Sperre des Zeichengebrauchs
BGH, Urt. v. 26.6.2008, I ZR 190/05, Tz. 23 – EROS
Wer ein Zeichen als Marke anmeldet, handelt nicht schon deshalb unlauter, weil er weiß, dass ein anderer dasselbe oder ein verwechselbares Zeichen für dieselben oder ähnliche Waren benutzt, ohne hierfür einen formalen Kennzeichenschutz erworben zu haben.
Etwas anderes kann jedoch gelten, wenn zur Kenntnis von der Benutzung besondere Umstände hinzutreten, die das Verhalten des Anmelders als wettbewerbswidrig erscheinen lassen. Solche besonderen Umstände können darin liegen, dass der Zeicheninhaber in Kenntnis eines schutzwürdigen Besitzstands des Vorbenutzers ohne zureichenden sachlichen Grund für gleiche oder gleichartige Waren oder Dienstleistungen die gleiche oder eine zum Verwechseln ähnliche Bezeichnung … in der Absicht, für diesen den Gebrauch der Bezeichnung zu sperren, als Kennzeichen hat eintragen lassen.
Ebenso BGH, Urt. 10.1.2008, I ZR 38/05, Tz. 21 – AKADEMIKS; OLG Hamburg, Urt. v. 7.6.2012, B.I.1.d, 3 U 186/10
OLG Hamburg, Urt. v. 7.6.2012, B.I.1.d, 3 U 186/10
Die Absicht der wettbewerbswidrigen Behinderung braucht nicht der einzige Beweggrund des Anmelders zu sein; es ist ausreichend, wenn sie das wesentliche Motiv für die Anmeldung darstellt (BGH GRUR 2000, 1032, 1034 - EQUI 2000; GRUR 1986, 74, 76f.- Shamrock III). Deshalb schließt allein die etwaig bestehende Absicht, die angemeldete Marke auch tatsächlich zu benutzen, die Annahme der Behinderungsabsicht nicht zwangsläufig aus (BGH a.a.O.). Für die Feststellung der Behinderungsabsicht ist eine Gesamtabwägung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen (BGH GRUR 2008, 621, 623 - Akademiks).
Kennzeichenmissbrauch bei zweckfremdem Einsatz einer Marke als Mittel des Wettbewerbskampfes
BGH, Urt. 10.1.2008, I ZR 38/05, Tz. 21 – AKADEMIKS
Nur wenn zur Kenntnis von der Benutzung besondere Umstände hinzutreten, die das Verhalten des Anmelders als wettbewerbswidrig erscheinen lassen, steht der markenrechtliche Territorialitätsgrundsatz der Anwendung des UWG nicht entgegen.
Solche besonderen Umstände können darin liegen, dass der Zeicheninhaber … die mit der Eintragung des Zeichens kraft Markenrechts entstehende und wettbewerbsrechtlich an sich unbedenkliche Sperrwirkung zweckfremd als Mittel des Wettbewerbskampfes einsetzt.
Ebenso BGH, Urt. v. 26.6.2008, I ZR 190/05, Tz. 23 – EROS; OLG Hamburg, Urt. v. 7.6.2012, B.I.1.d, 3 U 186/10; OLG Hamburg, Urt. v. 13.9.2018, 5 U 22/17, Tz. 92
BGH, Urt. v. 3.2.2005, I ZR 45/03, II.1.b.aa – Russisches Schaumgebäck
Das Vorliegen eines schutzwürdigen Besitzstandes eines Vorbenutzers im Sinne einer gewissen Bekanntheit ist nicht der einzige Umstand, der die Unlauterkeit oder Sittenwidrigkeit der Geltendmachung des Rechts aus einer Marke begründen kann. Das wettbewerbsrechtlich Unlautere (vgl. §§ 3, 4 Nr. 10 UWG) kann auch darin liegen, daß ein Zeichenanmelder die mit der Eintragung des Zeichens kraft Zeichenrechts entstehende und wettbewerbsrechtlich an sich unbedenkliche Sperrwirkung zweckfremd als Mittel des Wettbewerbskampfes einsetzt.
OLG Hamburg, Urt. v. 13.9.2018, 5 U 22/17, Tz. 92
Diese Absicht braucht nicht der einzige Beweggrund zu sein; vielmehr reicht es aus, wenn diese Absicht das wesentliche Motiv war (BGH GRUR 2000, 1032, 1034 - EQUI 2000). Der wettbewerbsrechtlich unlautere Einsatz einer Markenanmeldung als Mittel des Wettbewerbskampfes erfordert neben einer objektiven Eignung des Zeichens, eine Sperrwirkung zu entfalten und als Mittel des Wettbewerbskampfes eingesetzt zu werden, eine entsprechende Absicht des Anmelders.
Die Feststellung der unlauteren Behinderung bedarf in solchen Fällen einer eingehenden Würdigung aller Umstände des Einzelfalls.
OLG Hamburg, Urt. v. 13.9.2018, 5 U 22/17, Tz. 93
Der Begriff der Bösgläubigkeit ist dabei umfassend unter Berücksichtigung aller im Einzelfall erheblichen Faktoren zu beurteilen. Maßgeblich ist die Absicht des Anmelders zum Zeitpunkt der Anmeldung, die anhand der objektiven Umstände zu bestimmen ist (BGH GRUR 2015, 1214, 1220 Rn. 58 – Goldbären; vgl. zu Art. 51 Abs. 1 Buchst. b GMV aF EuGH GRUR 2009, 763 Rn. 37 ff., 53 - Lindt & Sprüngli/Franz Hauswirth; zu Art. 4 Abs. 4 Buchst. g MarkenRL EuGH, GRUR 2013, 919 Rn. 36 f. - Malaysia Dairy Industries; BGH GRUR 2009, 780 Rn. 18 - Ivadal). Nach der Rechtsprechung des BGH ist eine Markenanmeldung bösgläubig i.S.v. § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG, wenn der Anmelder das angemeldete Zeichen nicht als Marke, das heißt als Herkunftshinweis, benutzen, sondern die formale Rechtsstellung als Inhaber eines Kennzeichenrechts lediglich zum Zwecke der rechtsmissbräuchlichen oder sittenwidrigen Behinderung Dritter einsetzen will.
Siehe dazu auch die nachfolgenden Bespiele.
Weitere maßgebliche Umstände
BGH, Urt. 10.1.2008, I ZR 38/05, Tz. 32 – AKADEMIKS
Die Schwelle der als bloße Folge des Wettbewerbs hinzunehmenden Behinderung ist erst überschritten, wenn das betreffende Verhalten bei objektiver Würdigung der Umstände in erster Linie auf die Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltung des Mitbewerbers und nicht auf die Förderung des eigenen Wettbewerbs gerichtet ist (BGH GRUR 2005, 581, 582 - The Colour of Elégance).
Eigene Benutzungsabsicht des Kennzeicheninhabers
Wer ein Zeichen für sich schützen lässt, um es selber zu benutzen, handelt auch dann, wenn der Mitbewerber einen schutzwürdigen Besitzstand erworben hat, nicht zwingend unlauter. Die eigene Benutzungsabsicht schließt andererseits die Unlauterkeit nicht stets aus. Entscheidend sind die wesentlichen Motive für das Verhalten: Geht es dem Unternehmer nur um das eigene Fortkommen oder wesentlich auch um die Behinderung des Konkurrenten.
BGH, Urt. 10.1.2008, I ZR 38/05, Tz. 32 – AKADEMIKS
Soweit eine Benutzungsabsicht vorliegt, dient die Markenanmeldung grundsätzlich auch dem eigenen Produktabsatz.
BGH, Urt. 10.1.2008, I ZR 38/05, Tz. 32 – AKADEMIKS
Die Absicht, die Marke zweckfremd als Mittel des Wettbewerbskampfes einzusetzen, braucht jedoch nicht der einzige Beweggrund zu sein; vielmehr reicht es aus, wenn diese Absicht das wesentliche Motiv ist (BGH, Urt. v. 10.8.2000, I ZR 283/97, II.1.c.bb – EQUI 2000). Daher ist die Annahme einer Unlauterkeit nicht allein durch den eigenen Benutzungswillen ausgeschlossen. Vielmehr erfordert die Subsumtion unter § 4 Nr. 10 UWG eine Gesamtabwägung aller Umstände des Einzelfalls.
Ebenso BGH, Urt. v. 26.6.2008, I ZR 190/05, Tz. 23 – EROS
Vermutung des Benutzungswillens
BGH, Urt. v. 23.11.2000, I ZR 93/98, II.3.a.cc – Classe E
Die Rechtsprechung ist bislang von der Vermutung ausgegangen, daß der Anmelder Marken in der vom Gesetz als Regelfall angenommenen Weise, nämlich zur Kennzeichnung von Waren oder Leistungen aus seinem Geschäftsbetrieb, verwenden will. Von einer derartigen Vermutung - also von einem generellen Benutzungswillen, die Marke selbst zu benutzen oder sie der Benutzung durch einen Dritten zuzuführen - ist auch weiterhin auszugehen. Es handelt sich insoweit allerdings um eine widerlegbare Vermutung.
Spekulationsmarken
BGH, Beschl.. v. 2.4.2009, I ZB 8/06, Tz. 19 f - IVADAL
Die Anmeldung einer Marke ist grundsätzlich bösgläubig, wenn sie in der Absicht vorgenommen wird, die Marke nicht selbst zu benutzen, sondern (nur) andere an ihrer Benutzung zu hindern. Da eine Bindung der Marke an den Geschäftsbetrieb nicht (mehr) besteht, genügt es für das Vorliegen eines Benutzungswillens des Anmelders allerdings, wenn er die Absicht hat, die Marke im geschäftlichen Verkehr zwar nicht selbst zur Kennzeichnung von Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, sie aber der Benutzung durch einen Dritten - im Wege der Lizenzerteilung oder nach einer Übertragung - zuzuführen. Ein solcher genereller Benutzungswille kann demnach auch bei Markenagenturen gegeben sein, die im Hinblick auf eine bestehende oder potentielle Geschäftsbeziehung zu ihren Kunden Marken anmelden, um sie diesen für deren spezielle Vermarktungsbedürfnisse zur Verfügung zu stellen. Es ist auch hinsichtlich solcher Anmelder grundsätzlich von der Vermutung auszugehen, dass sie die Marke jedenfalls der Benutzung durch einen Dritten zuführen wollen (BGH GRUR 2001, 242, 244 - Classe E).
Kommt wegen des Unternehmensgegenstands des Anmelders nur eine Benutzung der Marke durch Lizenzierung oder Veräußerung an Dritte in Betracht, kann bereits die Anmeldung als bösgläubig zu beurteilen sein, wenn nach den tatsächlichen Umständen des Falles der Schluss gerechtfertigt ist, der Anmelder werde in rechtsmissbräuchlicher Weise versuchen, Dritte zum Erwerb der Markenrechte zu veranlassen. Die tatsächliche Vermutung, der Anmelder werde unter rechtsmissbräuchlichem Einsatz seiner aus der Marke folgenden Ausschließlichkeitsrechte zum Zwecke der Lizenzierung oder Veräußerung der Marke auf Dritte einwirken, kann insbesondere dann begründet sein, wenn Marken nicht im Hinblick auf eine Vielzahl in Betracht kommender, im Einzelnen noch unbestimmter und allenfalls nach abstrakten Merkmalen umschriebener potentieller Interessenten auf Vorrat angemeldet werden, sondern im Zeitpunkt der Anmeldung die Veräußerung an einzelne, bereits bestimmte Dritte naheliegt, deren Interesse an einem Erwerb der Markenrechte jedoch im Wesentlichen nur durch den Umstand begründet wird, dass sie infolge der Eintragung der Marke auf den Anmelder an der Verwendung der bislang ungeschützten Kennzeichnung gehindert werden können.
OLG Frankfurt, Urt. v. 7.2.2013, 6 U 126/12, Tz. 5 f, 9
Die Anmeldung einer Marke kann rechtsmissbräuchlich sein, wenn der Anmelder zwar behauptet, die Marke im Zusammenhang mit dem Betrieb einer Markenagentur auf Vorrat für künftige Kunden angemeldet zu haben, dem Betrieb dieser Markenagentur nach den Gesamtumständen des Einzelfalles jedoch kein nachvollziehbares Geschäftsmodell zugrunde liegt; in diesem Fall ist die Marke als "Spekulationsmarke" einzustufen, deren Anmeldung darauf angelegt ist, Dritte durch die Geltendmachung von Ansprüchen aus der Marke zu behindern.
... Davon kann man ausgehen, wenn der Markeninhaber eine Vielzahl von Marken für unterschiedliche Waren und Dienstleistungen anmeldet, keinen ernsthaften Willen hat, die Marke im eigenen Geschäftsbetrieb oder für Dritte aufgrund eines bestehenden oder potentiellen Beratungskonzepts zu nutzen und die Marken im Wesentlichen zu dem Zweck gehortet werden, Dritte, die identische oder ähnliche Bezeichnungen verwenden, mit Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen zu überziehen. (BGH GRUR 2001, 242, 244 – Classe E). ...
Die Bevorratung von Marken und das Fehlen eines konkreten Vermarktungskonzepts weisen zwar – für sich gesehen - noch nicht zwangsläufig darauf hin, dass der Markeninhaber ein rechtsmissbräuchliches Geschäftsmodell verfolgt. Vielmehr muss untersucht werden, ob konkrete Unlauterkeitsmerkmale vorliegen, die darauf hindeuten, dass ein ernsthafter Benutzungswille fehlt und die Anmeldung der Marken und/oder deren Verwertung bösgläubig sind (BGH GRUR 2009, 782, Tz. 16 – Ivadal). Dabei steht die Frage im Vordergrund, ob der Markeninhaber in der Absicht handelt, andere zu behindern. Die Behinderungsabsicht muss sich nicht gegen bestimmte Mitbewerber richten sondern kann auch verschiedene, im Einzelnen noch nicht bekannte Dritte betreffen. Die Behinderungsabsicht muss auch nicht das einzige Motiv des Markenanmelders/-inhabers sein, wohl aber ein wesentlicher Beweggrund seines Handelns. Maßgeblich ist daher, ob sich nach der Lebenserfahrung eine Behinderungsabsicht des Markeninhabers aufdrängt.
OLG Frankfurt, Urt. v. 13.2.2014, 6 U 9/13, Tz. 16
Von einer Bösgläubigkeit des Anmelders ist auszugehen, wenn er das angemeldete Zeichen nicht als Marke - d.h. als Herkunftshinweis - benutzen, sondern die formale Rechtsstellung als Inhaber eines Monopolrechts lediglich zum Zweck einer markenrechtlich nicht gerechtfertigten Behinderung Dritter einsetzen will (BGH GRUR 2006, 850 Tz. 41 - Fußball-WM 2006).
Die Bevorratung von Marken und das Fehlen eines konkreten Vermarktungskonzepts weisen zwar - für sich gesehen - noch nicht zwangsläufig darauf hin, dass der Markeninhaber ein rechtsmissbräuchliches Geschäftsmodell verfolgt. Vielmehr muss untersucht werden, ob konkrete Unlauterkeitsmerkmale vorliegen, die darauf hindeuten, dass ein ernsthafter Benutzungswille fehlt und die Anmeldung der Marken und/oder deren Verwertung bösgläubig sind (BGH GRUR 2009, 782, Tz. 16 - Ivadal).
Dabei steht die Frage im Vordergrund, ob der Markeninhaber in der Absicht handelt, andere zu behindern. Die Behinderungsabsicht muss sich nicht gegen bestimmte Mitbewerber richten, sondern kann auch verschiedene, im Einzelnen noch nicht bekannte Dritte betreffen, sofern sich feststellen lässt, dass der Anmelder keinen ernsthaften Willen hat, die Marke im eigenen Geschäftsbetrieb oder für Dritte aufgrund eines bestehenden oder potentiellen Beratungskonzepts zu nutzen, und die Marken im Wesentlichen zu dem Zweck gehortet werden, Dritte, die identische oder ähnliche Bezeichnungen verwenden, mit Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen zu überziehen (BGH GRUR 2001, 242, 244 - Classe E).
Die Behinderungsabsicht muss nicht das einzige Motiv des Markenanmelders/-inhabers sein, wohl aber ein wesentlicher Beweggrund seines Handelns. Maßgeblich ist daher, ob sich nach der Lebenserfahrung eine Behinderungsabsicht des Markeninhabers aufdrängt (vgl. Ströbele a.a.O., Rn 543 zu § 8 MarkenG).
Zum Rechtsmissbrauch bei einem Unternehmen, dass viele Marken hortet und sie nicht ersichtlich nutzt siehe auch OLG Hamburg, Urt. v. 22.6.2017, 3 U 223/16.
Beispiele (k)eines Kennzeichenmissbrauchs
Markenusurpation und Produktnachahmung
BGH, Urt. 10.1.2008, I ZR 38/05, Tz. 32 – AKADEMIKS
Wenn die Beklagte das Zeichen „AKADEMIKS“ für Bekleidungsstücke verwendet, die den von der Klägerin hergestellten und vertriebenen Waren täuschend ähnlich sind, wird die wettbewerbliche Entfaltung der Klägerin in Deutschland nicht nur durch die Anmeldung der Marke, sondern auch durch die Gestaltung der Produkte beeinträchtigt. Dies rechtfertigt die Annahme, dass es der Beklagten vor allem darum ging, die Klägerin vom deutschen Markt fernzuhalten, um selbst in diesem Modesegment mit nachgeahmten Produkten erfolgreich sein zu können. Die Absicht, die Marke zweckfremd als Mittel des Wettbewerbskampfes einzusetzen, war - die Produktnachahmung unterstellt - somit zumindest das wesentliche Motiv. Einer daneben auch noch bestehenden eigenen Benutzungsabsicht kommt in diesem Fall keine maßgebliche Bedeutung zu (BGH GRUR 2000, 1032, 1034 - EQUI 2000).
Kenntnis von der Benutzungsabsicht eines Ausländer im Inland:
BGH, Urt. 10.1.2008, I ZR 38/05, Tz. 26 – AKADEMIKS
Die Anmeldung einer Marke kann als wettbewerbswidrig zu beurteilen sein, wenn der Anmelder weiß, dass ein identisches oder verwechslungsfähig ähnliches Zeichen im Ausland bereits für zumindest gleichartige Waren benutzt wird, das ausländische Unternehmen die Absicht hat, das Zeichen in absehbarer Zeit auch im Inland zu benutzen, und sich dem Anmelder diese Absicht zumindest aufdrängen musste (BGH, Urt. v. 2.4.1969, I ZR 47/67, GRUR 1969, 607, 609 - Recrin; BGH GRUR 1987, 292, 294 - KLINT; vgl. auch BGH, Urt. v. 12.7.2007, I ZR 148/04, Tz. 21 - CORDARONE).
Verwendung einer nur im Ausland verwendeten und dort geschützten Bezeichnung für den Vertrieb von parallel-importierten Waren im Inland:
BGH, Urt. v. 12.7.2007, I ZR 148/04 – CORDARONE
Vertreibt der Markeninhaber ein Arzneimittel im Inland und im Ausland unter unterschiedlichen Marken, so ist, wenn der Parallelimporteur die im Ausland verwendete, im Inland aber bislang nicht geschützte Bezeichnung für sich im Inland als Marke eintragen lässt und das Arzneimittel unter dieser Bezeichnung (weiter-)vertreibt, eine unlautere Mitbewerberbehinderung nur gegeben, wenn zur Kenntnis von der Benutzung im Ausland besondere Umstände hinzutreten, die das Verhalten des Parallelimporteurs als wettbewerbswidrig erscheinen lassen.
Zur Anmeldung einer Marke vor fristloser Kündigung eines Kooperations- und Vertriebsvertrags:
BGH, Urt. v. 26.6.2008, I ZR 190/05, Tz. 24 – EROS
Das Berufungsgericht hat insbesondere darin, dass die Anmeldung der Zeichen ab November 2001 der fristlosen Kündigung des Vertriebsvertrages im Mai 2002 unmittelbar vorausging, ein deutliches Indiz dafür gesehen, dass es den Klägern zu 1 und 2 bei der Anmeldung der Zeichen zumindest auch darum ging, die Beklagte zu 3 bei dem Vertrieb von Erotik-Produkten unter der Bezeichnung „EROS“ zu behindern und künftig nur noch eigene Produkte unter dieser Bezeichnung vertreiben zu können.
Zur Blockade von Herstellung und Vertrieb einer im Ausland typischen Produktsaufmachung durch Markenschutz im Inland:
BGH, Urt. v. 3.2.2005, I ZR 45/03 – Russisches Schaumgebäck (Ls.)
Es ist als unlauterer Behinderungswettbewerb anzusehen, wenn ein Importeur eines Schaumgebäcks, der für sich die Eintragung einer dreidimensionalen Form als Marke erwirkt hat, unter Berufung auf die Marke andere Importeure von der Benutzung dieser Form ausschließen will, die der traditionellen Form dieses in den Staaten der ehemaligen Sowjetunion nach einem bestimmten staatlichen Standard von verschiedenen Unternehmen hergestellten und nach Deutschland importierten Süßwarenprodukts entspricht. …
BGH, Urt. v. 3.2.2005, I ZR 45/03, II.1.b.cc – Russisches Schaumgebäck
Ein markenrechtlicher Schutz einer traditionellen, in Rußland und den anderen Staaten der ehemaligen UdSSR nicht nur üblichen und gängigen, sondern dort sogar vorherrschenden Produktform spricht für die Annahme, die Klägerin wolle diese Form für sich monopolisieren und zweckfremd als Mittel des Wettbewerbskampfes einsetzen.
Registrierung von Spekulationsmarken:
BGH, Urt. v. 23.11.2000, I ZR 93/98, II.3.a.cc – Classe E
Von einer mißbräuchlichen Ausnutzung einer formalen Rechtsstellung ist auszugehen, wenn ein Markeninhaber (1) eine Vielzahl von Marken für unterschiedliche Waren oder Dienstleistungen anmeldet, (2) hinsichtlich der in Rede stehenden Marken keinen ernsthaften Benutzungswillen hat - vor allem zur Benutzung in einem eigenen Geschäftsbetrieb oder für dritte Unternehmen aufgrund eines bestehenden oder potentiellen konkreten Beratungskonzepts - und (3) die Marken im wesentlichen zu dem Zweck gehortet werden, Dritte, die identische oder ähnliche Bezeichnungen verwenden, mit Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen zu überziehen.
Ebenso BGH, Urt. v. 23.10.2019 - I ZR 46/19 - Da Vinci.
Kennzeichenmissbrauch als Einrede im Kennzeichenverletzungsstreit
BGH, Urt. v. 3.2.2005, I ZR 45/03, II.1.b.aa – Russisches Schaumgebäck
Den aus einer Marke hergeleiteten Ansprüchen kann … nach der Rechtsprechung des Senats einredeweise entgegengehalten werden, daß auf Seiten des Markeninhabers Umstände vorliegen, die die Geltendmachung des markenrechtlichen Schutzes hinsichtlich der angegriffenen Warenform als sittenwidrig i.S. des § 826 BGB oder als unlauter i.S. des § 3 UWG erscheinen lassen.
Ebenso OLG Hamburg, Urt. v. 7.6.2012, B.I.1.d, 3 U 186/10
Wettbewerbsrechtlicher Löschungsanspruch
Aus §§ 3, 4 Nr. 10, 8 Abs. 1 UWG (Beseitigung) ergibt sich ein außermarkenrechtlicher Löschungsanspruch gegen bösgläubig oder in Behinderungsabsicht eingetragene oder erworbene Marken (BGH, Urt. v. 30.1.2014, I ZR 107/10 - H 15). Der Anspruch besteht rückwirkend auf den Zeitpunkt der Anmeldung oder den Erwerb der Marke zurück.
BGH, Urt. v. 30.1.2014, I ZR 107/10, Tz. 22 f - H 15
Die Rückwirkung der Löschung auf den Zeitpunkt der Eintragung einer Marke oder auf den Zeitpunkt des Erwerbs einer Marke ergibt sich aus einer analogen Anwendung des § 52 Abs. 2 MarkenG auf den im Markengesetz nicht geregelten außerkennzeichenrechtlichen Löschungsanspruch nach § 8 Abs. 1 Satz 1, §§ 3, 4 Nr. 10 UWG. Nach der Vorschrift des § 52 Abs. 2 MarkenG gelten die Wirkungen der Eintragung einer Marke in dem Umfang, in dem die Eintragung wegen Nichtigkeit ge-löscht wird, als von Anfang an nicht eingetreten. … Der Klage auf Einwilligung in die Löschung kann danach Rückwirkung auch über den Zeitpunkt der Klageerhebung hinaus zukommen. Ein besonderer Antrag ist hierzu anders als bei der Löschungsklage wegen Verfalls nach § 52 Abs. 1 Satz 2 MarkenG nicht erforderlich.
Bei dem außerkennzeichenrechtlichen Löschungsanspruch nach § 8 Abs. 1 Satz 1, §§ 3, 4 Nr. 10 UWG besteht eine vergleichbare Interessenlage wie beim Nichtigkeitsgrund der bösgläubigen Markenanmeldung im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 10, § 50 Abs. 1 MarkenG, auf den § 52 Abs. 2 MarkenG unmittelbar anzuwenden ist. Die Voraussetzungen beider Löschungstatbestände entsprechen sich (vgl. BGH, Beschl. v. 20.5.2009, I ZB 53/08 - Schuhverzierung). Mit ihnen sollen rechtsmissbräuchlich oder sittenwidrig angemeldete Marken zur Löschung gebracht werden.
Markenrechtlicher Löschungsanspruch
Missbräuchlich angemeldete Marken fallen unter das absolute Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG (bösgläubige Anmeldung) und dürfen nicht als Marke geschützt werden. Nur weiß das Deutsche Patent- und Markenamt bei Eingang des Antrags regelmäßig nichts vom Missbrauch. Die Löschung eingetragener Marken erfolgt in diesen Fällen über § 50 MarkenG in Verbindung mit § 54 MarkenG auf Antrag, von Amts wegen oder vor den Zivilgerichten.
BGH, Urt. v. 10.8.2000, I ZR 283/97, II.1.c.bb – EQUI 2000
Von einer Bösgläubigkeit des Anmelders i.S. von § 50 Abs. 1 Nr. 4 MarkenG ist jedenfalls dann auszugehen, wenn die Anmeldung rechtsmißbräuchlich oder sittenwidrig erfolgt ist (vgl. Begr. zum Regierungsentwurf, BT-Drucks. 12/6581, S. 95 = BlPMZ 1994, Sonderheft, S. 89). Damit knüpft die Bestimmung an die Rechtsprechung zum außerkennzeichenrechtlichen Löschungsanspruch aus § 1 UWG (a.F.) oder § 826 BGB unter Geltung des Warenzeichengesetzes an. Zur Beurteilung der Bösgläubigkeit des Anmelders nach § 50 Abs. 1 Nr. 4 MarkenG sind daher diese Grundsätze weiter heranzuziehen.
Der Löschungsanspruch kann aber auch vor den Zivilgerichten verfolgt werden:
BGH, Urt. v. 10.8.2000, I ZR 283/97, II.2.a – EQUI 2000
Nach der Vorschrift des § 54 Abs. 1 MarkenG kann beim Deutschen Patent- und Markenamt ein Antrag auf Löschung der Marke gestellt werden, wenn der Anmelder bei der Anmeldung bösgläubig war. Dies schließt jedoch einen vor den ordentlichen Gerichten und nicht im Löschungsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt zu verfolgenden Anspruch aus § 1 UWG (a.F.) auf Einwilligung in die Löschung der Marke nicht aus. … Der Gesetzgeber hat mit den Bestimmungen des Markengesetzes den unter Geltung des Warenzeichengesetzes bestehenden ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Schutz nicht einengen und die grundsätzliche Verteilung der Zuständigkeiten zwischen dem Patentamt und den ordentlichen Gerichten erhalten wollen.
Behinderung durch rechtmäßige Marken
Zur unberechtigten Schutzrechtsverwarnung siehe hier.
Eine Behinderung kann auch daduurch eintreten, dass ein Unternehmen am rechtmäßigen Gebrauch der Marke eines Mitbewerbers behindert wird. Rechtmäßig ist der Gebrauch einer Marke beispielsweise, wenn ein Händler die Markenware eines anderen weiterverkaufen will und dafür unter Verwendung der Marke wirbt. Rechtmäßig kann ebenfalls die Verwendung einer Marke als Keyword für Anzeigen sein, beispielsweise bei Google.
Allgemeine Sperre als Keyword
Google und andere Anbieter von Keyword-Advertising bieten Markeninhabern zum Schutz ihrer Markenrechte die Möglichkeit, ihre Marken als Keywörter sperren zu lassen. In diesen Fällen muss der Werbeinteressent zunächst die Zustimmung des Markeninhabers einholen, bevor er die Marke als Keyword verwenden kann. In solchen Fällen ist nicht der Anttrag auf Sperre einer Marke als Keyword, aber die Verweigerung der Zustimmung zur Verwendung als Keyword unlauter, wenn nichts dafür spricht, dass die Marke als Keyword rechtswidrig genutzt wird.
BGH, Urt. v. 12.3.2015, I ZR 188/13, Tz. 17 - Uhrenankauf im Internet
Eine allgemeine Markenbeschwerde bei Google erfüllt nicht den Tatbestand der gezielten Behinderung nach § 4 Nr. 10 UWG. Mit der allgemeinen Markenbeschwerde verfolgt die Beklagte das Ziel, Verletzungen ihrer Markenrechte durch im Internet erscheinende Anzeigen zu verhindern. Damit fehlt es an einer Behinderungsabsicht. ... Bei objektiver Betrachtung stellt sich die legitime Durchsetzung von Markenrechten für die davon betroffenen Mitbewerber aber als wettbewerbsimmanente Handlungsbeschränkung und nicht als unlautere Behinderung der Entfaltungsmöglichkeiten dar.
Ebenso BGH, Urt. v. 29.5.2024, I ZR 145/23, Tz. 128 - Verwarnung aus Kennzeichenrecht III
Verweigerte Zustimmung zur Online-Werbung oder in den Vertrieb
BGH, Urt. v. 12.3.2015, I ZR 188/13, Tz. 18 - Uhrenankauf im Internet
Soweit Mitbewerber infolge der allgemeinen Markenbeschwerde daran gehindert werden, bestimmte Adwords-Anzeigen zu veröffentlichen, können sie sich an die Kennzeicheninhaberin wenden und um Zustimmung zu ihrer Werbung bitten. Eine gezielte Behinderung von Mitbewerbern kommt erst in Betracht, wenn der Markeninhaber die Zustimmung verweigert, obwohl seine Markenrechte durch die beabsichtigte Werbung nicht verletzt werden.
Ebenso BGH, Urt. v. 29.5.2024, I ZR 145/23, Tz. 128, 131 - Verwarnung aus Kennzeichenrecht III
BGH, Urt. v. 12.3.2015, I ZR 188/13, Tz. 29f - Uhrenankauf im Internet
Ist die beabsichtigte Werbung der Klägerin markenrechtlich zulässig, so ist die Verweigerung der Zustimmung durch die Beklagte bei objektiver Betrachtung unmittelbar auf die Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeiten der Klägerin gerichtet und nicht in erster Linie auf die Förderung eigenen Wettbewerbs (vgl. BGH, Urt. v. 26.6.2008, I ZR 190/05, Tz. 23 - EROS). Die Klägerin kann in diesem Fall ihre Leistung am Markt durch eigene Anstrengung nicht mehr in angemessener Weise zur Geltung bringen, weil sie die von ihr beabsichtigte Adwords-Werbung nur mit Zustimmung der Beklagten durchführen kann. Zwar könnte sie weiterhin uneingeschränkt allgemein für den Ankauf gebrauchter Luxusuhren werben. Sie ist aber daran gehindert, gezielt über eine Adwords-Werbung bei Google für den Ankauf gebrauchter Rolex- zu werben, die sie für die Vollständigkeit ihres Sortiments benötigt und an deren Ankauf sie ein besonderes kaufmännisches Interesse hat.
Dabei steht dem erheblichen Interesse der Klägerin an der Durchführung einer markenrechtlich zulässigen Adwords-Werbung kein anerkennenswertes Interesse der Beklagten an deren Unterbindung gegenüber. Ein Interesse, zulässiges Wettbewerbshandeln von Mitbewerbern zu verhindern, kann im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, das nach § 1 Satz 2 UWG im Interesse der Allgemeinheit auf den Schutz des unverfälschten Wettbewerbs gerichtet ist, von vornherein nicht anerkannt werden. Zum Schutz ihrer Markenrechte kann die Beklagte das allgemeine Markenbeschwerdeverfahren bei Google nutzen. Macht sie davon Gebrauch, ist ihr zuzumuten, die Zustimmung zu Adwords-Anzeigen zu erteilen, die markenrechtlich zulässig sind und deren Platzierung sie durch ihre Markenbeschwerde verhindert.
BGH, Urt. v. 29.5.2024, I ZR 145/23, Tz. 132 - Verwarnung aus Kennzeichenrecht III
Nichts Anderes kann für den Fall gelten, dass der Markeninhaber die Zustimmung zur Aufhebung der Sperre einer Seite bei Twitter beziehungsweise der Löschung einer Applikation im Google Playstore nicht erteilt, obwohl die jeweils beanstandete Nutzung eines Zeichens, das mit der Marke identisch oder ihr ähnlich ist, die Marke entweder nicht verletzt, oder wenn die Marke wegen Vorliegens absoluter Schutzhindernisse rückwirkend für diejenigen Waren oder Dienstleistungen gelöscht worden ist, für die die gesperrten Seiten oder die Applikation das angegriffene Zeichen verwenden. Es stellt eine gezielte Behinderung dar, wenn der Markeninhaber in einem derartigen Fall seine Einwilligung zur Aufhebung dieser Maßnahmen nicht erteilt.
BGH, Urt. v. 12.3.2015, I ZR 188/13, Tz. 32 - Uhrenankauf im Internet
Die Einlegung der allgemeinen Markenbeschwerde und eine unterbliebene Zustimmung zu einer markenrechtlich unbedenklichen Werbung nach einer vorherigen Aufforderung durch den Werbenden sind als ein einheitliches Verhalten des Markeninhabers anzusehen, durch das eine an sich unbedenkliche Sperrwirkung einer Marke zweckfremd als Mittel des Wettbewerbskampfes eingesetzt wird (vgl. BGH, Urt. v. 20.1.2005, I ZR 29/02 - The Colour of Elégance, mwN, zur bösgläubigen Markenanmeldung).
Diese Grundsätze lassen sich auch auf andere Schutzrechte (Patente, Designrechte, Urheberrechte etc.) und andere Verfahren zum Ausschluss Dritter bei Ihren Angeboten im Internet anwenden. Wer bspw. einer Online-Plattform - etwa mittels des ebay-VeRi-Programm Ware als rechtsverletzend meldet, die nicht rechtsverletzend ist, oder sich weigert, seine Zustimmung zum Vertrieb von Waren zu erteilen, die bicht rechtsverletzend ist, behindert den Wettbewerber unlauter.
OLG Düsseldorf, Urt. v. 3.12.2015, 15 U 140/14, Tz. 54
Erst recht liegt eine gezielte Behinderung darin, dass der Beklagte als Rechteinhaber die Zustimmung zur erneuten Zulassung der Angebote und damit zur Durchführung der Auktionen des Klägers verweigert hat, obwohl seine Rechte durch das Angebot nicht verletzt werden, und er auf diese Weise einen Verkauf der angebotenen Waren über B dauerhaft verhindern kann. Bei einer allgemeinen Markenbeschwerde, durch die Mitbewerber daran gehindert werden, bestimmte Adwords-Anzeigen bei Google zu veröffentlichen, kann eine gezielte Behinderung nach § 4 Nr. 10 UWG vorliegen, wenn der Beschwerdeführer keine Zustimmung zu der Adwords-Werbung erteilt, obwohl die konkret beabsichtigte Werbung seine Markenrechte nicht verletzt (BGH, GRUR 2015, 607 – Uhrenankauf im Internet). Diese Grundsätze sind auf die vorliegende Konstellation übertragbar: Hier wie dort überprüft der Betreiber einer Internetplattform bei der Beanstandung einer geschäftlichen Handlung als schutzrechtsverletzend die materielle Rechtslage nicht, sondern der Mitbewerber kann sich an den Beschwerdeführer bzw. Rechteinhaber wenden und um Zustimmung zu seiner Werbung oder zu seinem Angebot wenden. Verweigert dieser seine Zustimmung, obwohl die beabsichtigte Werbung oder das beabsichtigte Angebot zulässig ist, mithin das immaterielle Schutzrecht nicht verletzt, so ist dieses Verhalten objektiv auf die Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeiten gerichtet und nicht in erster Linie auf die Förderung eigenen Wettbewerbs (vgl. BGH, GRUR 2015, 607 – Uhrenankauf im Internet; BGH, WRP 2008, 1319 – EROS). Eine unlautere Behinderung liegt dabei schon vor, wenn der Beschwerdeführer bzw. Rechteinhaber der Aufforderung des Mitbewerbers nicht entspricht, der Werbung oder dem Angebot zuzustimmen (vgl. BGH, GRUR 2015, 607 – Uhrenankauf im Internet).
Grenzbeschlagnahmen
OLG München, Urt. v. 5.12.2019, 29 U 3149/18, Tz. 28 f - Grenzbeschlagnahmte Modellautos
In die Interessenabwägung ist neben dem offensichtlichen Kontrollinteresse des Markeninhabers und dem Absatz- und Beschleunigungsinteresse des Importeurs die im Interesse der Allge-meinheit liegende Berücksichtigung der vom Unionsverordnungsgeber vorgegebenen Wertungen einzustellen, die in der Struktur des Grenzbeschlagnahmeverfahrens nach der VO (EU) Nr. 608/2013 zum Ausdruck kommt.
Die bloße Inanspruchnahme des Grenzbeschlagnahmeverfahrens als eines staatlich eingerichteten und geregelten Verfahrens kann in der Regel keinen rechtswidrigen Eingriff in die Rechtsposition des verfügungsberechtigten Importeurs darstellen. Insoweit ist die grundsätzliche Interessenabwägung und Verfahrensausgestaltung durch den Unionsverordnungsgeber hinzunehmen, dass dem Schutzrechtsinhaber in der VO (EU) Nr. 608/2013 – jedenfalls für die erste Phase des Beschlagnahmeverfahrens bis zur Zurückhaltung der Ware, die auf Seiten des Verfügungsberechtigten bereits beträchtliche Schäden verursachen kann – eine deutlich stärkere Rechtsposition eingeräumt ist, der die gegenläufigen Belange des mutmaßlichen Verletzers wie der Gewährung rechtlichen Gehörs oder der Möglichkeit, Grenzbeschlagnahmemaßnahmen kurzfristig anzufechten oder außer Kraft zu setzen, bewusst untergeordnet werden, obwohl ein gegebenenfalls bloß vager Verletzungsverdacht gegeben ist. …
OLG München, Urt. v. 5.12.2019, 29 U 3149/18, Tz. 31 - Grenzbeschlagnahmte Modellautos
Das Kriterium der „redlichen Inanspruchnahme“ des Grenzbeschlagnahmeverfahrens wäre dann nicht als erfüllt anzusehen, wenn der Antragsteller aktiv oder durch Verschweigen mit unwahren Angaben operiert, von denen er annehmen muss, dass sie für die Willensbildung und die Entschließung des Zolls von Belang sind. Soweit der Antragsteller vollständige und wahrheitsgetreue Angaben macht, wird seine Redlichkeit im Beschlagnahmeverfahren noch nicht dadurch infrage gestellt, dass sich zurückgehaltene Waren tatsächlich als nicht schutzrechtsverletzend erweisen und der Antragsteller dies fahrlässig verkannt hat. Lediglich, wenn sich der Antragsteller bewusst der Erkenntnis von der fehlenden Berechtigung seines Verletzungsvorwurfs verschließt, ist von einer Unredlichkeit auszugehen.
OLG München, Urt. v. 5.12.2019, 29 U 3149/18, Tz. 33 f - Grenzbeschlagnahmte Modellautos
Die unterlassene Information des … Zolls über die „Spielzeug“-Rechtsprechung macht die Inanspruchnahme des Grenzbeschlagnahmeverfahrens nicht unredlich. Zum einen handelt es sich bei der von der Klägerin angeführten „Spielzeug“-Rechtsprechung um eine materielle markenrechtliche Überlegung, die eine Markenverletzung nur in dem sehr engen Bereich ausschließt, in dem die maßgeblichen Verkehrskreise das identische Zeichen auf den von der Beklagten vertriebenen verkleinerten Modellen nicht als Angabe darüber verstehen, dass diese Waren von der Klägerin oder einem mit dieser wirtschaftlich verbundenen Unternehmen stammen (BGH GRUR 2010, 726 Rn. 18 – Opel-Blitz II). Diese materiellrechtliche Überlegung ist indes vom Zoll im Rahmen des Grenzbeschlagnahmeverfahrens nach der VO (EU) Nr. 608/2013 nicht anzustellen, da der dort anzulegende Maßstab nach Art. 17 Abs. 1 der Verordnung der bloße Verdacht ist, dass die Waren ein Recht des geistigen Eigentums verletzen. …
Zum anderen kann auch aus einer – unterstellten – Nichtverletzung, die sich letztlich herausstellt, nicht auf eine Unredlichkeit geschlossen werden, wenn – wie im vorliegenden Fall – mehrere differenziert zu betrachtende Aspekte wie die unterschiedliche Zeichenverwendung auf dem Mo-dellauto und der Verpackung inmitten stehen, bei denen unterschiedliche Argumente betreffend den Verletzungsvorwurf jedenfalls vertretbar erscheinen.
Zitiervorschlag zur aktuellen Seite
Omsels, Online-Kommentar zum UWG: