4. plastisch-chirurgischer Eingriff
5. Darstellung des Körperzustandes oder des Aussehens
7. Abstraktes Gefährdungsdelikt
Gesetzestext
Ferner darf für die in § 1 Nummer 2 genannten operativen plastisch-chirurgischen Eingriffe nicht mit der Wirkung einer solchen Behandlung durch vergleichende Darstellung des Körperzustandes oder des Aussehens vor und nach dem Eingriff geworben werden.
Historie
Mit der UWG-Reform 2012 wurde das Heilmittelwerbegesetz an die Vorgaben der Richtlinie 2001/83/EG für Humanarzneimittel angepasst. Dadurch entfiel unter anderem das Verbot der Heilmittelwerbung durch Vorher-Nachher-Abbildungen, wie es in § 11 Abs. 1 Nr. 5 b) HWG (a.F.) verankert war.
Die Richtlinie 2001/83/EG findet auf operative Maßnahmen aber keine Anwendung. Der deutsche Gesetzgeber ist deshalb frei, dafür Werbeverbote vorzusehen, die für Arzneimittel nicht zulässig wären. Von dieser Möglichkeit hat der Gesetzgeber für Schönheitsoperationen (operative plastisch-chirurgische Eingriffe gem. § 1 Abs. 1 Nr. 2 HWG) Gebrauch gemacht (vgl. BT-Drcks. 17/9341, S. 71).
Die Ergänzung des HWG führt dazu, dass frühere Gerichtsentscheidungen (vgl. BGH, Urt. v. 19.12.1980 - I ZR 157/78; KG, Urt. v. 7.3.2003 – 5 U 240/02) obsolet sind, wonach Schönheitsoperationen überhaupt nicht in den Anwendungsbereich des HWG fielen.
OLG Koblenz, Urt. v. 23.4.2024, 9 U 1097/23, Tz. 22 (WRP 2024, 1002 und juris)
Das Werbeverbot mit vergleichenden Darstellungen erfasst alle operativen plastisch-chirurgischen Eingriffe, sofern sich nicht aus der jeweiligen Werbung selbst ergibt, dass der Eingriff auf einer medizinischen Notwendigkeit beruht. § 11 Abs. 1 S. 3 HWG ist hierbei als abstraktes Gefährdungsdelikt ausgestaltet. Ein Verstoß gegen diese Verbotsnorm ergibt sich mithin allein schon aus der rein äußerlichen, formalen Erfüllung der Tatbestandsmerkmale (BeckOK HWG/Doepner/Reese, Ed. 1.10.2023, HWG § 11 Rn. 635).
Richtlinienkonformität
OLG Koblenz, Urt. v. 11.5.2016, 9 U 1362/15
Schönheitsoperationen werden von der Richtlinie 2001/83/EG nicht erfasst. Diese bezweckt eine vollständigen Harmonisierung des Bereichs der Werbung für und der Information über Humanarzneimittel und hat die Fälle, in denen die Mitgliedstaaten abweichende Regelungen erlassen dürfen, abschließend regelt (Köhler/Bornkamm/Köhler, UWG, § 3a, Rn. 1.219). Ihr Anwendungsbereich erstreckt sich ausweislich der Art. 1 und 2 Abs. 1 der Richtlinie lediglich auf Humanarzneimittel, nicht auf Dienstleistungen im Gesundheitsbereich.
... Schönheitsoperationen unterfallen auch nicht der Richtlinie 2005/29/EG, welche unlautere Geschäftspraktiken regelt. … Nach Erwägungsgrund 9 S 3 der Richtlinie können Mitgliedsstaaten unter Berufung auf den Schutz der Gesundheit der Verbraucher in ihrem Hoheitsgebiet für Geschäftspraktiken Beschränkungen aufrechterhalten oder einführen. Es genügt, wenn die Marktverhaltensregelung zumindest auch dem Schutz der Gesundheit von Verbrauchern dient (Köhler/Bornkamm/Köhler, UWG, Rn. 1.25).
... Schönheitsoperationen unterfallen nicht der Richtlinie 2006/123/EG über Dienstleistungen im Binnenmarkt. Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie sieht vor, dass die Mitgliedstaaten sämtliche absoluten Verbote der kommerziellen Kommunikation für reglementierte Berufe aufheben. Das Verbot der Werbung mit Vorher-Nachher-Bildern für Schönheitsoperationen erstreckt sich jedoch nur auf ein bestimmtes Werbemittel und erfasst auch nur spezielle ärztliche Tätigkeiten. Es handelt sich mithin um ein relatives Verbot. Darüber hinaus findet die Richtlinie ausweislich ihres Art. 2 Abs. 1 lit. f keine Anwendung auf Gesundheitsdienstleistungen, unabhängig davon, ob sie durch Einrichtungen der Gesundheitsversorgung erbracht werden, und unabhängig davon, wie sie auf nationaler Ebene organisiert und finanziert sind, und ob es sich um öffentliche oder private Dienstleistungen handelt.
Marktverhaltensregelung
OLG Koblenz, Urt. v. 11.5.2016, 9 U 1362/15
§ 11 Abs. 1 Satz 3 HWG ist im Sinne des § 3a UWG auch dazu bestimmt, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. … Durch die Einschränkung der zulässigen Werbemittel soll die Entscheidungsfreiheit der Interessenten bei der Marktteilnahme, vor und bei Vertragsschluss sichergestellt werden.
Ebenso OLG Düsseldorf, Urt. v. 17.2.2022, 15 U 24/21; OLG München, Urt. v. 09.02.2023, 29 U 7850/21 (MD 2023, 549)
plastisch-chirurgischer Eingriff
Dazu siehe auch hier.
§ 1 Abs. 1 Nr. 2 c) HWG: "operative plastisch-chirurgische Eingriffe zur Veränderung des menschlichen Körpers ohne medizinische Notwendigkeit"
OLG Düsseldorf, Urt. v. 17.2.2022, 15 U 24/22, Rn. 38. 41
Eine Legaldefinition dessen, was unter einem operativen plastisch-chirurgischen Eingriff im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 HWG zu verstehen ist, findet sich im HWG nicht. ...
Ein operativ plastisch-chirurgischer Eingriff ist als instrumenteller Eingriff in den lebenden menschlichen Organismus zu verstehen, mit dem Form- und Gestaltveränderung an den Organen oder der Körperoberfläche eines Menschen vorgenommen werden (OLG Celle Urt. v. 30.05.2013, 13 U 160/12, Tz. 16; LG Frankfurt a. M. Urt. v. 3.8.2021, 3-06 O 16/21, GRUR-RS 2021, 26716 Tz. 14 – Hyaluronsäure-Behandlung; Meyer GRUR 2006, 1007). Die Eröffnung der Haut oder Körperoberfläche, bspw. mittels eines Skalpells oder Messers und in einem bestimmten Umfang, ist hierfür nicht zwingend erforderlich.
(wird eingehend ausgeführt)
OLG Koblenz, Urt. v. 23.4.2024, 9 U 1097/23, Tz. 23 f (WRP 2024, 1002 und juris)
Unter der plastischen Chirurgie wird eine Chirurgie verstanden, die man an Organen oder Gewebeteilen vornimmt mit dem Ziel, eine Körperform, eine Körpergestalt oder eine sichtbar gestörte Körperfunktion wiederherzustellen oder zu verbessern (vgl. OLG Celle 30.05.2013 – 13 U 160/12 Rn. 16). Da § 11 Abs. 1 S. 3 HWG nur nicht medizinisch indizierte formverändernde Eingriffe erfasst, ist die heilmittelwerberechtlich relevante ästhetische Chirurgie, umgangssprachlich auch Schönheitsoperationen genannt, von anderen Varianten wie rekonstruktive Chirurgie, Verbrennungschirurgie und Handchirurgie zu unterscheiden, die formverändernde, medizinisch indizierte Eingriffe zum Gegenstand haben. Auszunehmen sind auch rein kosmetische Behandlungen, denen es an einem instrumentellen Eingriff am oder im Körper des Menschen fehlt, die Form- oder Gestaltveränderungen an den Organen oder der Körperoberfläche zum Gegenstand haben (Meyer GRUR 2006, 1007).
Weiterhin muss ein instrumenteller Eingriff vorliegen, der von einer gewissen Intensität sein muss; eine lediglich die Hautoberfläche erfassende instrumentelle Einwirkung genügt demgegenüber nicht (Meyer GRUR 2006, 1007; BeckOK HWG/Doepner/Reese, 11. Ed. 1.10.2023, HWG § 11 Rn. 642). Andererseits setzt ein operativer plastisch-chirurgischer Eingriff im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 2c) HWG keine Operation dahingehend voraus, dass mit einem Skalpell eine gewünschte Form- oder Gestaltveränderung des Körpers herbeigeführt wird. Vielmehr genügt es, dass die Formveränderung durch eine Unterspritzung vorgenommen wird. Erfasst werden insgesamt unter anderem Augenlidkorrekturen, Fettabsaugungen, Gesäßvergrößerungen und Formungen, Gesichtsstraffungen, Haarverpflanzungen wie auch Hautunterspritzungen mit Hyaluron und Lippenkorrekturen (vgl. insgesamt BeckOK HWG/Doepner/Reese, 11. Ed. 1.10.2023, HWG § 11 Rn. 643 m.w.N.). Demgegenüber genügen reine Hautoberflächenbehandlungen auch dann nicht, wenn diese mittels Instrumenten erfolgen (BeckOK HWG/Doepner/Reese, 11. Ed. 01.10.2023, HWG § 11 Rn. 644).
Ob es sich um einen operativen plastisch-chirurgischen Eingriff ohne medizinische Notwendigkeit handelt, beurteilt sich aus der Sicht des Verbrauchers auf der Grundlage der Werbemaßnahme.
OLG München, Urt. v. 9.2.2023, 29 U 7850/21 (MD 2023, 549)
Aus den Abbildungen allein lässt sich aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers eine medizinische Notwendigkeit des Eingriffs nicht erkennen. Aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers handelt es sich jeweils um weibliche Brüste, für welche die medizinische Notwendigkeit einer Korrektur nicht ersichtlich ist. Dass aufgrund der abgebildeten Brüste eine orthopädische, eine psychische oder eine Hauterkrankung besteht, ist den Bildern nicht zu entnehmen.
Maßgeblich ist allein, ob die medizinische Notwendigkeit für den Durchschnittsverbraucher erkennbar ist oder nicht.
OLG Düsseldorf. Urt. v. 27.4.2023, 20 U 66/22, Tz. 63 ff
Es kommt für die Erfüllung des Tatbestandes des § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 HWG i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 2 c) HWG nicht darauf an, dass die medizinische Indikation für den beworbenen Eingriff tatsächlich vorlag, sondern ob die von dieser Werbung angesprochenen Verkehrskreise erkennen können, dass ein operativer plastisch-chirurgischer Eingriff beworben wird, für den eine medizinische Indikation besteht.
Dieses Verständnis ergibt sich zum einen aus dem Wortsinn der Vorschrift des § 1 Abs. 1 Nr. 2 HWG, weil sich dort ausdrücklich die Bezugnahme auf die „Werbeaussage“ befindet ...
Zum anderen entspricht diese Wertung auch dem Sinn und Zweck der Vorschrift. Die allgemeinen Verkehrskreise, an die sich die Werbung für operative plastisch-chirurgische Eingriffe richtet, sind im Allgemeinen nicht in der Lage zu beurteilen, ob ein plastisch-chirurgischer Eingriff medizinisch notwendig war, wenn die Werbung hierzu keine ergänzenden Ausführungen enthält. Allein die Gegenüberstellung von Vorher-/Nachher-Bildern dient in erster Linie dazu, mit der ästhetischen Veränderung bzw. Verbesserung zu werben und es ist für den Betrachter nicht erkennbar, ob sich infolge dieser durch den plastischen Eingriff erreichten Veränderung des Körpers auch ggf. bestehende Krankheiten oder krankhafte Beschwerden (Bluthochdruck, Rückenbeschwerden, Hautausschlag etc.) des dargestellten Patienten verbessert haben bzw. geheilt worden sind. Dementsprechend sollte die Anwendung des HWG auf operative plastisch-chirurgische Eingriffe dafür Sorge tragen, dass jede Werbeaussage für schönheitschirurgische Behandlungen erfasst wird, ohne dass geklärt werden muss, ob die Operation zur Behandlung krankhafter Beschwerden oder zur Verbesserung des Aussehens dient (Pfohl in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 243. EL August 2022, § 1 Rz. 30).
Ergibt sich aus der Werbung für plastisch-chirurgische Eingriffe für den angesprochenen Verbraucher jedoch hinreichend deutlich, dass eine medizinische Indikation für den beworbenen Eingriff bestand und der dargestellte Patient sich dem Eingriff aus medizinischen Gründen unterzogen hat, unterfällt die Werbung nicht dem Werbeverbot des § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 HWG, weil in diesem Fall der Verbraucher nicht davor geschützt werden muss, sich von der Werbung dahingehend beeinflussen zu lassen, eine nicht medizinisch notwendige Operation – unter Inkaufnahme nicht unerheblicher gesundheitlicher Risiken – vornehmen zu lassen.
OLG Hamm, Urt. v. 29.8.2024, 4 UKl 2/24, Tz. 43
Ob eine medizinische Indikation in der Werbung selbst hinreichend herausgestellt wird (vgl. OLG Koblenz, Urt. v. 23.4.2024, 9 U 1097/23, Tz. 22), beurteilt sich aus der Sicht eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Werbeadressaten (vgl. BGH, Urt. v. 5.11.2020, I ZR 204/19, Tz. 11, Sinupret; Spickhoff/Fritzsche, 4. Aufl. 2022, HWG § 11 Rn. 51 jeweils mwN).
Darstellung des Körperzustandes oder des Aussehens
Eine Darstellung des Körperzustands oder des Aussehens ist jede Wiedergabe des äußeren Körpers im Bild, gleich mit welchen darstellerischen Mittel (Foto, Zeichnung, etc.).
Ob eine schriftliche Beschreibung verboten ist, scheint demgegenüber zweifelhaft. Dagegen spricht allerdings nicht die Rechtsprechung zum früheren § 11 Abs. 1 Nr. 5 b HWG, der ebenfalls Vorher-Nachher-Vergleiche verbot. Denn er stellt im Tatbestand explizit auf eine bildliche Darstellung ab (vgl. dazu OLG Hamburg, Urt. v. 10. 4. 2008, 3 U 182/07, B.II.2). Der bildlichen Darstellung kommt allerdings bei weitem nicht die gleiche Suggestivkraft zu wie einer Darstellung im Bild, insbesondere einer Fotografie.
OLG Koblenz, Urt. v. 11.5.2016, 9 U 1362/15
Im Gegensatz beispielsweise zu § 11 Abs. 1 Nr. 5 HWG verbietet § 11 Abs. 1 Satz 3 HWG nicht nur Darstellungen, die in missbräuchlicher, abstoßender oder irreführender Weise etwas darstellen, sondern er verbietet gänzlich den Einsatz dieses Werbemittels.
OLG Koblenz, Urt. v. 23.4.2024, 9 U 1097/23, Tz. 27, 29 (WRP 2024, 1002 und juris)
Unter Berücksichtigung des Wortlauts der Vorschrift des § 11 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 HWG sind als Darstellung sämtliche Abbildungen anzusehen, die visuell wahrgenommen werden können, mit Ausnahme von Schriftzeichen und solchen schematischen Zeichnungen, die keinerlei Zusammenhang mit der Darstellung des menschlichen Körpers haben. Es muss sich um erkennbare Darstellungen des menschlichen Körperzustandes handeln. Hierzu zählen nicht nur realistische Abbildungen, sondern auch schematisierende oder stilisierende Darstellungen, weil gerade sie Erscheinungsbilder oftmals besonders drastisch wiedergeben. Die Art der medialen Wiedergabe ist demgegenüber gleichgültig, sodass Fotografien, Zeichnungen, Grafiken, Film und Fernsehen als Darstellungen im Sinne der Vorschrift des § 11 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 HWG zu werten sein können. Gleichgültig ist auch, auf welche Technik und welchen Stil zurückgegriffen wird (BeckOK HWG/Doepner/Reese, 11. Ed. 01.10.2023, HWG § 11 Rn. 237). Die Grenzen der Stilisierung und Abstrahierung werden dadurch gesetzt, dass für den Betrachter die Möglichkeit der Wiedererkennung bestehen muss (vgl. insgesamt BeckOK HWG/Doepner/Reese, 11. Ed. 01.10.2023, HWG § 11 Rn. 645–647). Demgegenüber müssen solche Schemazeichnungen von dem Verbotsumfang ausgenommen werden, die keinerlei Zusammenhang mit der Darstellung eines menschlichen Körpers erkennen lassen (BeckOK HWG/Doepner/Reese, 11. Ed. 01.10.2023, HWG § 11 Rn. 238). ...
Auch unter Berücksichtigung des Zwecks der genannten Verbotsnorm ist eine einschränkende Auslegung des Begriffs „Darstellung“ nicht geboten. Insoweit ist zu beachten, dass in den Anwendungsbereich des HWG in den Katalog von § 1 Abs. 1 Nr. 2 HWG operative plastisch-chirurgische Eingriffe einbezogen worden sind, soweit sich die Werbeaussage auf die Veränderung des menschlichen Körpers ohne medizinische Notwendigkeit bezieht (BGBl. 2005 I 2570). Wegen erheblicher Risiken derartiger Eingriffe sollen suggestive und irreführende Formen der Absatzwerbung hierfür weitgehend unterbunden werden (BT-Drs. 15/5316, 46; Gröning/Mand/Reinhart/Gröning § 1 Rn. 331b, 331c; Meyer GRUR 2006, 1007, 1008; BeckOK HWG/Doepner/Reese, 11. Ed. 01.10.2023, HWG § 11 Rn. 621). § 11 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 HWG untersagt die Werbung mit einer vergleichenden Darstellung des Körperzustandes oder des Aussehens vor und nach dem Eingriff, weil gerade dies einen erheblichen Anreiz auslösen kann, sich unter Inkaufnahme gesundheitlicher Risiken ebenfalls solchen Eingriffen zu unterziehen, obwohl der Erfolg möglicherweise nicht der Gleiche sein wird (Spickhoff/Fritzsche, 4. Aufl. 2022, HWG § 11 Rn. 51) und auch diese Behandlungen, wie alle medizinischen Eingriffe, zu Komplikationen und gesundheitlichen Gefahren führen können. Die Vorschrift trägt dem Umstand Rechnung, dass durch vergleichende Bilddarstellungen bei dem Verbraucher eine suggestive Wirkung hervorgerufen wird, welche diesen in seiner Entscheidung, sich für eine solche Behandlung zu interessieren, maßgeblich beeinflusst. Diese Wirkung ist indes nicht auf Fotos beschränkt, sondern ist bei anderen Darstellungen im oben genannten Sinn, welche Körperteile vergleichend abbilden, ebenso – wenn auch möglicherweise nicht in gleichem Umfang – gegeben. Dementsprechend stellt die Norm gerade nicht auf Fotografien ab, sondern verwendet den weiteren Begriff der Darstellung.
Vorher - Nachher
OLG München, Urt. v. 09.02.2023, 29 U 7850/21 (MD 2023, 549)
Für die Feststellung, welches Verständnis die beanstandete werbende Darstellung bei dem angesprochenen Verkehr erweckt, ist der Gesamteindruck im gegebenen Kontext, so wie er vom angesprochenen Verkehr wahrgenommen wird, zu würdigen und nicht lediglich auf einzelne Elemente abzustellen (BGH GRUR 2022, 1347, Rdnr. 23 - 7 x mehr).
OLG München, Urt. v. 09.02.2023, 29 U 7850/21 (MD 2023, 549)
Unter eine vergleichende Darstellung des Körperzustands oder des Aussehens vor und nach dem Eingriff i.S.d. § 11 I S. 3 HWG fallen auch die vier intraoperativen Halbzeitaufnahmen von Brustoperationen, die die eine Brust im bereits operierten und die andere im nicht operierten Zustand zeigen. Denn der Durchschnittsbetrachter wird davon ausgehen, dass die bereits operierte Brust im nicht operierten Zustand der abgebildeten noch nicht operierten Brust auf der anderen Seite entsprach oder zumindest sehr ähnlich war.
Abstraktes Gefährdungsdelikt
Zum früheren § 11 Abs. 1 Nr. 5 b) HWG, der den Vorher-Nachher-Vergleich generell untersagte, hieß es:
OLG Hamburg, Urt. v. 10. 4. 2008, 3 U 182/07, B.IV.2.b
§ 11 Abs. 1 Nr. 5 lit. b HWG ist als abstraktes Gefährdungsdelikt aufgebaut und beschränkt sich nicht nur auf besondere Formen oder Qualitäten der bildlichen Darstellung, insbesondere ist die wortlautgemäße Anwendung der Vorschrift mangels Einschränkungen nicht etwa nur auf (besonders) suggestiv wirkende Bilddarstellungen beschränkt.
Bei dem Verbot der Werbung mit vergleichenden Darstellungen des Körperzustands oder des Aussehens vor und nach der Anwendung eines Heilmittels geht es darum zu verhindern, dass mit der suggestiven Herausstellung der Wirksamkeit des beworbenen Heilmittels geworben wird. Das wird für § 11 Abs. 1 S. 3 HWG entsprechend gelten.
OLG Köln, Urt. v. 27.10.2023, 6 U 77/23, Tz. 40
Der Verstoß ist auch geeignet, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen, wie es bei Verstößen gegen Werbeverbote des HWG der Regelfall ist (BGH GRUR 2019, 1071, 1076 Rn. 57 – Brötchen-Gutschein zu § 7 Abs. 1 HWG).