1. Spürbarkeit des Verstoßes gegen die Preisangabenverordnung
Spürbarkeit des Verstoßes gegen die Preisangabenverordnung
Verstöße gegen die Preisangabenverordnung sind gleichzeitig Wettbewerbsverstöße im Sinne des § 3a UWG. Wettbewerbswidrig sind sie nur, wenn sie geeignet sind, den Wettbewerb mehr als unerheblich zu beeinträchtigen.
Verstöße gegen die Preisangabenverordnung sind in der Regel geeignet, den Wettbewerb zwischen Unternehmen mehr als unerheblich zu beeinträchtigen (§ 3 Abs. 1 UWG). Allerdings kommt es jeweils auf den konkreten Verstoß an.
BGH, Urt. v. 29. 4. 2010, I ZR 99/08, Tz. 27 – Preiswerbung ohne Mehrwertsteuer
Nicht jede Zuwiderhandlung gegen die Vorschriften der Preisangabenverordnung stellt zugleich einen Wettbewerbsverstoß nach den §§ 3, 4 Nr. 11 UWG (a.F.) dar. Vielmehr bedarf es im Einzelfall der Feststellung, dass die beanstandete Preisauszeichnung zu einer nicht nur unerheblichen Beeinträchtigung des Wettbewerbs i.S. des § 3 UWG führt. Bagatellverstöße gegen die Grundsätze der Preisklarheit und Preiswahrheit reichen dafür nicht aus (BGH, Urt. v. 4.10.2007, I ZR 182/05, Tz. 15 - Fehlerhafte Preisauszeichnung). Es kommt mithin vornehmlich darauf an, ob die Preisvergleichsmöglichkeiten der Verbraucher erheblich erschwert werden.
OLG Hamm, Urt. v. 21.3.2017, 4 U 166/16, Tz. 70, 75
Werden unter Verstoß gegen § 3a UWG Informationen vorenthalten, die das Unionsrecht als wesentlich einstuft, ist das Erfordernis der Spürbarkeit ohne weiteres erfüllt (vgl. BGH GRUR 2016, 516, 520 - Wir helfen im Trauerfall). ...
Im Regelfall kann davon ausgegangen werden, dass der durchschnittliche Verbraucher voraussichtlich eine andere Entscheidung getroffen hätte, wenn er die Informationen gehabt hätte. ...
Das Vorenthalten eines Gesamtpreises ist geeignet, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Gerade diese unzureichende Information ist nämlich dazu geeignet, den Verbraucher zu veranlassen, sich näher mit der solchermaßen offerierten Ware zu beschäftigen. Vor allem der - hier nur vermeintlich - günstige Preis stellt einen ganz erheblichen Anreiz dar, sich näher mit dem ausgestellten Produkt zu befassen. Schon dies stellt jedoch eine geschäftliche Entscheidung i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 9 UWG dar, die die Absatzchancen des Unternehmers erfahrungsgemäß erhöht. Eine geschäftliche Entscheidung ist nämlich gem. Art. 2 Buchst. k der Richtlinie 2005/29/EG jede Entscheidung eines Verbrauchers darüber, ob, wie und unter welchen Bedingungen er einen Kauf tätigen will. Dieser Begriff erfasst außer der Entscheidung über den Erwerb oder Nichterwerb eines Produkts auch damit unmittelbar zusammenhängende Entscheidungen wie insbesondere das Betreten des Geschäfts (EuGH GRUR 2014, 196, 198 - Trento Sviluppo; BGH GRUR 2015, 698, 700 - Schlafzimmer komplett) oder die sich anschließende engere Auswahl einzelner Produkte im Ladenlokal.
OLG Frankfurt, Urt. v. 4.2.2021, 6 U 269/19, II.3.d
Die Eignung zu einer spürbaren Beeinträchtigung der Interessen der Verbraucher ist erfüllt, wenn unter Verstoß gegen § 3a UWG Informationen vorenthalten werden, die das Unionsrecht nach Art. 7 Art. 4 lit. c UGP-RL und/oder nach Art. 7 Abs. 5 UGP-RL als wesentlich einstuft, was bei der PAngV der Fall ist (BGH WRP 2015, 1464 Rn 23, 46 - Der Zauber des Nordens).
... Die Tatsache, dass sich auch eine Vielzahl anderer Wettbewerber rechtswidrig verhalten, kann nicht dazu führen, mit diesem Argument die Spürbarkeit zu verneinen. Dies würde dazu führen, dass die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen, die eine ganze Branche regelmäßig begeht, nicht mehr möglich wäre. Dass dies vom Schutzweck von § 3a UWG nicht gedeckt ist, liegt auf der Hand.
Einzelfälle
Preisauszeichnung
BGH, Urt. v. 4.10.2007, I ZR 182/05 – Fehlerhafte Preisauszeichnung
Ist die Ware am Regal mit höheren als dem in der Werbung angegebenen Preis ausgezeichnet, wird dem Kunden an der Kasse jedoch von vornherein nur der beworbene Preis in Rechnung gestellt, verstößt die unrichtige Preisauszeichnung zwar gegen die Preisangabenverordnung, führt aber nicht zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Wettbewerbs nach § 3 UWG.
Versandkosten ins Ausland
OLG Hamm, Beschl. v. 28.3.2007, 4 W 19/07
Der Verstoß ist auch nicht unerheblich im Sinne von § 3 UWG. Mit dem Erfordernis der nicht unerheblichen Verfälschung des Wettbewerbs wollte der Gesetzgeber deutlich machen, dass die Wettbewerbsmaßnahme von einem gewissen Gewicht für das Wettbewerbsgeschehen und für die Interessen der geschützten Personenkreise sein muss. Dies bedeutet jedoch nicht, dass dadurch bestimmte unlautere Wettbewerbshandlungen, so hier Verstöße gegen die Preisangabenverordnung, hierdurch legalisiert werden. Insofern ist eine nur unerhebliche Beinträchtigung hier zu verneinen. Zwar erscheinen die Auswirkungen der Verletzung auf das Wettbewerbsgeschehen zunächst relativ geringfügig, zumal die Antragsgegnerin nach ihren Angaben mit derartigen Alkoholtestgeräten insgesamt nur einen eher geringfügigen Umsatz gemacht hat. Gleichwohl werden insbesondere auch die Interessen der betroffenen Verkehrskreise, nämlich der Käufer, ernstlich betroffen, wenn sie im Einzelfall die Versandkosten nicht korrekt mitgeteilt bekommen oder entsprechend berechnen können. Mittelbar kann hierdurch, was genügt ("geeignet"), auch der Wettbewerb verzerrt werden. Durch den Verstoß wird der Verbraucher irregeführt, die Möglichkeit eines richtigen Preisvergleichs wird hierdurch erheblich erschwert.
bestätigt durch OLG Hamm, Urt. v. 1.2.2011, I-4 U 196/10 (außerdem Annahme eines Verstoßes bei unterlassener Angabe der Versandkosten "auf deutsche Inseln")
gegen
KG, Urt. v. 13.4.2010, 5 W 62/10. Tz. 3, 7
Das Landgericht hat zutreffend einen bloßen Bagatellverstoß nach § 3 UWG angenommen (a. A. OLG Hamm, Beschluss vom 28.März 2007, 4 W 19/07 (s.o)).
Vorliegend ist zwar ein Versand weltweit angeboten worden. Versandkosten werden aber immerhin für die Europäische Union und die Schweiz angegeben. Darüber hinaus wird der Hinweis gegeben "... Versand in alle anderen Länder weltweit auf Anfrage". Die deutschsprachigen e.-Angebote der Antragsgegnerin auf der Internetplattform von e. Deutschland wenden sich in aller erster Linie an Inländer und deutschsprachige Ausländer. Für diese Gebiete werden die Versandkosten konkret angegeben. Eine besondere Marktbedeutung der Antragsgegnerin ist nicht ersichtlich. Eine Irreführung darüber, dass bei einem Versand in alle anderen Länder außerhalb der EU und der Schweiz weitere Versandkosten anfallen, erfolgt nicht. Die (zudem eher geringe) Erschwerung eines Preisvergleichs für allenfalls (wenn überhaupt) vereinzelte wenige Verbraucher in den Ländern außerhalb der EU und der Schweiz (oder für die wenigen Verbraucher aus diesen Ländern, die an einem Versand in das übrige Ausland interessiert sind) geht über einen bloßen Bagatellverstoß nicht hinaus.
Flugpreise
Bei der Bewerbung von Flupreisen wurde die Relevanz des Verstoßes bspw. abgelehnt, wenn unmittelbar im Zusammenhang mit dem Flugpreis darauf hingewiesen wird, dass Gebühren und Steuern noch zum Flugpreis hinzukommen.
BGH, Urt. v. 5.7.2001, I ZR 104/99, II.1.c) – Fernflugpreise (zum UWG 1994)
Die beanstandete Art der Preisangabe wird einen verständigen Durchschnittsverbraucher, der die Entscheidung für das Angebot eines Fernfluges erst nach reiflicher Überlegung treffen wird, nicht irreführen. In der Anzeige wird zwar der für den Flug als solchen zu zahlende Preis herausgestellt, der Anmerkungsstern verweist aber unstreitig deutlich sichtbar auf die Fußnote, aus der sich ergibt, dass zu dem genannten Preis Steuern und Gebühren von 20,-- DM bis 71,50 DM hinzukommen. Wer an den angebotenen Fernflügen interessiert ist, wird bei einer Anzeige in der vorliegenden Gestaltung - auch im Hinblick auf den erheblichen Preis solcher Flüge - sogleich auch auf den Text der Sternchen-Fußnote aufmerksam werden, aus dem sich ergibt, dass der letztlich zu zahlende Preis höher ist als der herausgestellte Preis. Dies gilt umso mehr, als der Verkehr nach der nicht angegriffenen Feststellung des Berufungsgerichts weitgehend daran gewöhnt ist, zwischen dem "reinen" Flugpreis und den hinzukommenden Steuern und Gebühren zu unterscheiden. Ein Interessent hat keinen vernünftigen Anlass, sicher damit zu rechnen, dass der Zuschlag für Steuern und Gebühren eher im unteren Bereich der Marge liegen wird.
KG Berlin, Urt. v. 4.9.2012, 5 U 103/11
In der zitierten Entscheidung hat der Bundesgerichtshof eine Eignung zur wesentlichen Beeinträchtigung des Wettbewerbs … in einem Fall verneint, wo mehrere Flüge zu vierstelligen Preisen mit Sternchenverweis beworben wurden und im Sternchentext noch „zzgl. Steuern und Gebühren von 20 bis 71,50 Mark“ angeführt wurde. Maßgeblich waren insoweit dort (u.a.) die tatrichterlichen Feststellungen, dass der Verkehr „weit gehend daran gewöhnt ist, zwischen dem 'reinen' Flugpreis und den hinzukommenden Steuern und Gebühren zu unterscheiden“. Das ist hier anders. Anders als Steuern und Gebühren, die auch mit dem Flugverhalten des Letztverbrauchers zu tun haben, nämlich beispielsweise, auf wie vielen und welchen Flughäfen er wann zwischenlandet, tangieren die „Fahrzeugüberführungskosten“ im Regelfall überhaupt kein gesondertes Käuferinteresse, denn er möchte beim Händler vor Ort diese Ware erwerben und interessiert sich nicht dafür, wie und auf welche Weise diese Ware dorthin gelangt ist. Deshalb schenkt er dieser Position keine Aufmerksamkeit und hat keinen Grund, sich an gesondert ausgewiesene und hinzuzurechnende Überführungs“kosten“ zu gewöhnen.
Überführungskosten
KG Berlin, Urt. v. 4.9.2012, B.IV.3 f, 5 U 103/11
Die optische Vorteilhaftigkeit des geringeren Preises (vor Überführungskosten) wird eher wahrgenommen und bleibt beim zeitlich sukzessiven Preisvergleich allein oder zumindest eher im Gedächtnis verhaftet als der vom Verbraucher „selbst im Kopf addierte“ (falls überhaupt geschehen) zutreffende Endpreis. Die Preistransparenz und Preisvergleichbarkeit wird, wollte man diese Werbung nicht als gemäß § 3 Abs. 1 UWG unzulässig ansehen, erheblich erschwert, müsste der Verbraucher sich doch zumindest stets merken, ob zum im Gedächtnis verbliebenen (hervorgehobenen) Preis Überführungskosten hinzukämen und wenn ja, in welcher Höhe.
durch diesen häufig nur (zeitlich) sukzessiven Preisvergleich beim - normalerweise über einen längeren Zeitraum hinweg ins Auge gefassten und geplanten - Neuwagenkauf unterscheidet sich der Fall im Übrigen maßgeblich von den seitens der Berufung zitierten, höchstrichterlichen entschiedenen Flugpreisfällen (BGH GRUR 2001, 1166, 1168 f. – Fernflugpreise; BGH GRUR 2004, 435 – FrühlingsgeFlüge), wo Preise für eine konkret geplante Fernreise üblicherweise (weil laufenden Schwankungen unterworfen) erst kurz vor Abschluss der Buchung und somit zeitgleich oder jedenfalls sehr zeitnah miteinander verglichen werden.