1. Irreführungsverbot und Interessenabwägung
2. Zulässige Irreführung bei wertvollem Besitzstand
3. Zulässige Irreführung wegen vorrangiger wirtschaftlicher Interessen
4. Zulässige Irreführung durch berechtigte Widergabe von Äußerungen Dritter
5. Zulässige Irreführung durch objektiv richtige Angaben
6. Zulässige Irreführung durch die Verwendung zulässiger oder vorgeschriebener Begriffe
7. Zulässige Irreführung wegen gesetzlicher Vorgaben oder bei Gesetzesänderungen
8. Verwendung des bürgerlichen Namens
9. Verwendung einer ausländischen Sprache
Literatur: Sack, Rolf: Irreführungsverbot und Interessensabwägung in der deutschen Rechtsprechung, GRUR 2014, 629
Irreführungsverbot und Interessenabwägung
Erst die Abwägung einer Irreführungsgefahr mit anderweitigen Interessen oder Rechtsgüter führt zur Annahme einer unzulässigen irreführenden Werbung. Dies ergibt sich schon daraus, dass nicht jede Begründung einer Irreführungsgefahr für irgendein Mitglied eines angesprochenen Verkehrskreises unzulässig ist. Der Irrtum Einzelner wird hingenommen. Erst wenn eine bestimmte Größe Irregeführter erreicht wird (Irreführungsquote) greift das Irreführungsverbot ein. Die erforderliche Irreführungsquote ist bereits das Ergebnis einer Interessensabwägung zwischen den Interessen des Werbenden und des angesprochenen Verkehrs.
Der Zusammenhang zwischen der Irreführungsquote und einer Abwägung der beteiligten Interssen wird in drei Konstellationen besonders augenfällig:
a) Bei objektiv richtigen Angaben wir ein größeres Quorum potentiell irregeführter Personen verlangt als bei missverständlichen Angaben.
b) Bei der gezielten Ausnutzung der Unerfahrenheit oder Oberflächlichkeit einzelner Personen des angesprochenen Verkehrskreises, der sog. dreisten Lüge, wird eine wesentlich geringere Irreführungsquote vorausgesetzt.
c) Wenn ein Begriff einem Bedeutungswandel unterliegt, kann seine Verwendung nicht schon dann unzulässig sein, wenn sich die Bedeutung erst bei einem geringeren Teil der angesprochenen Verkehrskreise, die ansonsten für die Annahme einer Irreführungsgefahr ausreichend wären, geändert hat. In diesem Falle muss der überwiegende Teil der angesprochenen Verkehrskreise den Bedeutungswandel mit vollzogen haben.
Wenn für eine ausreichend große Zahl der angesprochenen Verkehrskreise eine Irreführungsgefahr besteht, ist die Irreführung in aller Regel unlauter. Ein Ausnahmefall liegt aber vor, wenn das Interesse des irreführend Werbenden das Interesse der Irregeführten erheblich überwiegt und die Irreführung geringfügig ist, oder wenn andere überwiegende Gründe dafür sprechen, eine Irreführung (vorübergehend) hinzunehmen.
BGH, Urt. v. 18.10.2012, I ZR 137/11, Tz. 24 - Steuerbüro
Eine geschäftliche Handlung ist irreführend, wenn sie geeignet ist, bei einem erheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise irrige Vorstellungen hervorzurufen und die zu treffende Marktentschließung in wettbewerblich relevanter Weise zu beeinflussen. Zudem setzt ein Verbot voraus, dass den Adressaten unter Berücksichtigung der beteiligten Interessen nicht ausnahmsweise zuzumuten ist, die Irreführung hinzunehmen, etwa weil eine Werbung mit einer objektiv richtigen Angabe vorliegt (vgl. BGH, Urt. v. 18.3.2010, I ZR 172/08, GRUR 2010, 1024 Rn. 25 = WRP 2010, 1390 - Master of Science Kieferorthopädie; Bornkamm in Köhler/Bornkamm, UWG, § 5 Rn. 2.197 ff.).
OLG Hamburg, Urt. v. 25.2.2016, 5 U 26/12, I.2.b.bb
Das Irreführungsverbot steht stärker als andere Verbotstatbestände unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit (Köhler/Bornkamm, UWG, 34. Aufl., § 5 Rz.2.102). Hierbei ist zu ermitteln, in welchem Umfang die beanstandete Werbung zu einer Fehlvorstellung führt (Irreführung im engeren Sinne). In einem zweiten Schritt muss dann festgestellt werden, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die Marktentscheidung der Verbraucher durch die Fehlvorstellung beeinflusst wird (Relevanz). Das Quorum, das für das Eingreifen des Irreführungsverbots zu erfüllen ist, betrifft immer die wettbewerblich relevante Irreführung, also das Ergebnis der zweistufigen Prüfung (BGH GRUR 1987, 535, 537 - Wodka Woronoff; Köhler/Bornkamm, UWG, 34. Aufl., § 5 Rz.2.103).
Zulässige Irreführung bei wertvollem Besitzstand
Ein Ausnahmefall kommt bspw. in Betracht, wenn die Irreführung durch eine Bezeichnung erfolgt, an der der Werbende einen schutzwürdigen Besitzstand erworben hat. Unter Umständen spricht die Interessensabwägung in diesen Fällen aber nur dann zu Gunsten des Werbenden, wenn er seinerseits alle zumutbaren Vorkehrungen getroffen hat, um eine Irreführung in Grenzen zu halten (s.u. BGH, Urt. v. 2.7.1998, I ZR 55/96, Tz. 31 f – Warsteiner II).
BGH, Urt. v. 29.3.2007, I ZR 122/04, Tz. 33 - Bundesdruckerei
Unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit ist eine Irreführungsgefahr in besonderen Ausnahmefällen hinzunehmen ist, wenn die Belange der Allgemeinheit und der Mitbewerber nicht in erheblichem Maße ernsthaft in Mitleidenschaft gezogen werden, weil nur eine geringe Irreführungsgefahr vorliegt oder schutzwürdige Interessen des auf Unterlassung in Anspruch Genommenen entgegenstehen. Letzteres kommt vor allem dann in Betracht, wenn durch das Verbot ein wertvoller Besitzstand an einer Individualkennzeichnung zerstört würde
BGH, Urt. v. 7.11.2002, I ZR 276/99 - Klosterbrauerei
Diese Ausnahme ist Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, unter dessen Vorbehalt das Irreführungsverbot steht. Auch wenn im allgemeinen das Interesse des Werbetreibenden an der Weiterverwendung einer irreführenden Angabe nicht schutzwürdig ist, kann es doch im Einzelfall das Schutzbedürfnis der Allgemeinheit und das individuelle Interesse eines Mitbewerbers überwiegen. So ist in der Rechtsprechung seit jeher anerkannt, dass die Anwendung des Irreführungsverbots aufgrund einer Interessenabwägung ausgeschlossen sein kann, wenn eine Werbeangabe zwar objektiv zutreffend ist, vom Verkehr aber in einer vom objektiven Aussagegehalt abweichenden, irreführenden Weise verstanden wird. Auch der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zieht den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als Korrektiv für das Irreführungsverbot heran, wenn das Verbot eine Beeinträchtigung des Handelsverkehrs nicht zu rechtfertigen vermag (vgl. EuGH, Urt. v. 4.4.2000 - Rs. C-465/98, Tz. 28 - Darbo).
BGH, Urt. v. 15.8.2013, I ZR 188/11, Tz. 77 - Hard Rock Cafe
Ob eine solche Ausnahme angenommen werden kann, bestimmt sich aufgrund einer Abwägung der Interessen der Parteien sowie der Allgemeinheit.
Ebenso OLG Celle, Urteil vom 15.7.2014, 13 U 76/14, I.3.e - 6 Sterne
Zulässige Irreführung wegen vorrangiger wirtschaftlicher Interessen
BGH, Urt. v. 2.7.1998, I ZR 55/96, Tz. 31 f – Warsteiner II
Das Irreführungsverbot steht unter dem Vorbehalt seiner Verhältnismäßigkeit. Für ein expandierendes Unternehmen erweist es sich geradezu als ein Gebot wirtschaftlicher Vernunft, die Kennzeichnungskraft eines bekannten Unternehmenskennzeichens auch bei der Fortentwicklung des eigenen Unternehmens einzusetzen. Zu den Gegebenheiten eines florierenden Unternehmens gehört es auch, dass dieses weitere Produktionsstätten an anderen Orten aufbaut oder erwirbt, um dort der Expansion des Geschäftsbetriebs Rechnung tragen zu können. Zudem besteht ein berechtigtes Interesse daran, die erfolgreiche Unternehmensstrategie unter Beibehaltung des wichtigsten immateriellen Gutes (hier: der Marke "Warsteiner") fortzusetzen. Dieses Interesse gewinnt auch dadurch an Gewicht, dass die Beklagte ihren Unternehmenssitz in Warstein beibehält, wo sie die unternehmerischen Entscheidungen auch hinsichtlich der Produktionsstätte in Paderborn trifft.
Diese gewichtigen Interessen können gegenüber dem Irreführungsverbot allerdings nur durchgreifen, wenn die Beklagte bei der Verwendung ihrer Marke "Warsteiner" durch deutliche entlokalisierende Zusätze auf die Besonderheiten der Produktionsstätte in Paderborn hinweist und verbleibende Fehlvorstellungen des Verkehrs, soweit sie für seine Kaufentscheidung relevant sein können, daneben nicht ins Gewicht fallen.
Zur Frage der Unzumutbarkeit eines Händlers, die vom Hersteller übermittelten Produktangaben zu einem Produkt auf Richtigkeit und rechtliche Unbedenklichkeit hin zu überprüfen:
OLG Hamburg, Urt. v. 5.7.2012, 3 U 65/10, II.4.b.dd.(2) – 40 #1 Hits THE SIXTIES
Soweit die Beklagte auf die große Anzahl von Tonträgern verweist, die sie im Angebot hat, sowie darauf, dass sie ihr Handeln allein anhand der ihr von dritter Seite übermittelten Informationen ausrichten könne, kann dem nicht gefolgt werden. Zwar mag die Beklagte ein gewichtiges Interesse daran haben, sich bei einem Tonträgerangebot von ca. 1, 3 Millionen für den Verkauf dieser Ware im Internet und die dazu von ihr verbreiteten Informationen auf situationstypische und medienangepasste Schlüsselinformationen zu beschränken. Das ist für ihre Tätigkeit indes keineswegs unabdingbar. Dem großen Angebot der Beklagten stehen ein entsprechender Umsatz und daraus resultierende Einnahmen entgegen. Es ist also für die Beklagte im Wesentlichen von wirtschaftlicher Bedeutung, den Kontroll- und Informationsaufwand beim Verkauf der Produkte möglichst zu begrenzen. Das sind indes keine gegenüber den Interessen der Verbraucher, durch Werbeangaben nicht in die Irre geführt zu werden, überwiegenden Gesichtspunkte. Der Beklagten ist es – wie jedem rechtstreuen Mitbewerber – möglich, die durch einen erhöhten Kontroll- und Informationsaufwand anfallenden Zusatzkosten bei ihrer Preisgestaltung zu berücksichtigen und etwa an den Kunden weiter zu geben. Dafür, dass dies ihr Geschäftsmodell gefährdete, ist nichts ersichtlich. Ein Geschäftsmodell, das für seinen wirtschaftlichen Erfolg einer Irreführung der Kunden bedarf, erscheint im Übrigen keinesfalls schutzwürdig.
Zulässige Irreführung durch berechtigte Widergabe von Äußerungen Dritter
Zu Werbung mit der Darstellung in einer Zeitung:
KG Berlin, Urt. v. 27.1.2012, 5 U 191/10, B.I.3 - Ihre Experten-Kanzlei
Entscheidend ist hier aber, dass in der Werbung nur die Wortwahl der Zeitung wieder gegeben wird. Die Beklagte macht sich das zwar zu eigen, indem sie die Zeitungszitate in ihren Internetauftritt einbindet. ... Die Wiedergabe ist aber inhaltlich deshalb nicht zu beanstanden, weil dem Verkehr unschwer erkennbar ist, dass es die originäre Wortwahl der "Bild am Sonntag" ist, und er - der Durchschnittsleser - den Bedeutungsgehalt deshalb ohne weiteres selbst zu relativieren wissen wird. Ein etwaiges verbleibendes Irreführungspotential bei einem - eher kleinen - Teil der Adressaten wäre überdies insoweit nach Auffassung des Senats im Wege einer Interessenabwägung hinzunehmen, da es der berufsausübenden Beklagten von Verfassungs wegen gestattet sein muss, auf die ihr günstige Zeitungsberichterstattung auch zu Werbezwecken hinzuweisen. Bei dem hier in Rede stehenden konkreten Internetauftritt hat der Senat sonach im Ergebnis von Lauterkeitsrechts wegen nichts gegen die Gestaltung besagter Unter-Seite mit den beiden von der Klägerin beanstandeten Aussagen einzuwenden.
Zulässige Irreführung durch objektiv richtige Angaben
BGH, Urt. v. 24.9.2013, I ZR 219/12, Tz. 17 - Medizinische Fußpflege
Eine objektiv richtige Angabe kann irreführend sein, wenn sie beim Verkehr, an den sie sich richtet, gleichwohl zu einer Fehlvorstellung führt, die geeignet ist, das Kaufverhalten oder die Entscheidung für die Inanspruchnahme einer Dienstleistung durch die angesprochenen Verkehrskreise zu beeinflussen. In einem solchen Fall, in dem die Täuschung des Verkehrs lediglich auf dem Verständnis einer an sich zutreffenden Angabe beruht, ist für die Anwendung des § 5 UWG grundsätzlich eine höhere Irreführungsquote als im Fall einer Täuschung mit objektiv unrichtigen Angaben erforderlich; außerdem ist eine Interessenabwägung vorzunehmen. Bei der Abwägung der maßgebenden Umstände, insbesondere der von einer Werbung mit objektiv richtigen Angaben ausgehenden Auswirkungen, der Bedeutung der Irreführung sowie dem Gewicht etwaiger Interessen der Verbraucher und der Allgemeinheit oder des Werbenden selbst sind auch Wertungen des Gesetzgebers (BGH, GRUR 2000, 73, 75 - Tierheilpraktiker) sowie das verfassungsrechtliche und auch in Erwägungsgrund 6 der Richtlinie 2005/29/EG zum Ausdruck kommende Verhältnismäßigkeitsgebot zu beachten (vgl. Bornkamm in Köhler/Bornkamm, UWG, § 5 Rn. 2.212 mwN). Mit Blick auf die Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG kann deshalb ein uneingeschränktes Verbot unverhältnismäßig sein, das auf die Untersagung eines Hinweises auf eine rechtlich erlaubte berufliche Tätigkeit gerichtet ist.
BGH, Beschl. v. 16.8.2012, I ZR 200/11, Tz. 3 - Über 400 Jahre Brautradition
Im Falle von objektiv zutreffenden Aussagen, die lediglich von einem Teil des Verkehrs falsch verstanden werden, sind die widerstreitenden Interessen gegeneinander abzuwägen.
BGH, Urt. v. 18.10.2012, I ZR 137/11, Tz. 29 - Steuerbüro
Zwar kann auch eine objektiv richtige Angabe irreführend sein, wenn sie beim Verkehr, an den sie sich richtet, gleichwohl zu einer Fehlvorstellung führt, die geeignet ist, das Kaufverhalten oder die Entscheidung über die Inanspruchnahme einer Dienstleistung durch die angesprochenen Verkehrskreise zu beeinflussen. In einem solchen Fall, in dem die Täuschung des Verkehrs lediglich auf dem Verständnis einer an sich zutreffenden Angabe beruht, ist für die Anwendung des § 5 UWG grundsätzlich eine höhere Irreführungsquote als im Fall einer Täuschung mit objektiv unrichtigen Angaben erforderlich. Außerdem ist eine Interessenabwägung vorzunehmen (vgl. BGH, Urt. v. 7.11.2002, I ZR 276/99, GRUR 2003, 628, 630 = WRP 2003, 747 - Klosterbrauerei). An diesen Grundsätzen hat sich durch die Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken nichts geändert.
BGH, Urt. v. 31.3.2016, I ZR 86/13, Tz. 27 – Himalaya-Salz
In Fällen, in denen die Täuschung des Verkehrs lediglich auf dem Verständnis einer an sich zutreffenden Angabe beruht, ist für die Bejahung einer Irreführungsgefahr neben einer Interessenabwägung grundsätzlich auch eine höhere Irreführungsquote erforderlich.
Zulässige Irreführung durch die Verwendung zulässiger oder vorgeschriebener Begriffe
OLG Frankfurt, Urt. v. 15.4.2010, 6 U 30/10, Tz. 15 - "Rechtliche Beratung"
Jeder Gewerbetreibende hat ein anerkennenswertes Interesse daran, die von ihm angebotene Tätigkeit in der Werbung – insbesondere auch in kleineren Anzeigen, in denen eine nähere Darstellung nicht möglich oder unzweckmäßig wäre – durch ein griffiges Schlagwort zu beschreiben. Wählt er dazu den im Gesetz ausdrücklich verwendeten Begriff, kann ihm dies unter Hinweis auf das Irreführungsverbot des § 5 UWG allenfalls unter besonderen Umständen untersagt werden. Solche Umstände könnten etwa darin liegen, dass von dem Begriff eine besonders intensive Irreführungsgefahr ausgeht und es dem Werbenden ohne Weiteres möglich ist, einen anderen gleichwertigen, nicht irreführenden Begriff zu verwenden.
OLG Hamburg, Urt. v. 24.7.2003, 3 U 156/98 - Spreewälder Gurken (= GRUR-RR 2004, 36)
Nicht jede Irreführungsgefahr ist geeignet, einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch auszulösen. Vielmehr kann eine Abwägung der vielschichtigen Interessen, die durch die Irreführungsvorschriften geschützt sind, ergeben, dass eine tatsächliche - für beachtliche Verkehrskreise relevante - Irreführungsgefahr aus besonderen Gründen dennoch hinzunehmen ist.
Eine solche besonders gelagerte Fallgestaltung liegt dann vor, wenn die Verwendung einer möglicherweise irreführenden Angabe gesetzlich zulässig ist und damit ein gesetzlicher Erlaubnissatz die Rechtswidrigkeit der Irreführungsgefahr ausschließt. So hat der Senat bereits entschieden, dass die Verwendung einer gesetzlich vorgeschriebenen oder zugelassenen Bezeichnung grundsätzlich zulässig ist, sofern die Ware der in der Rechtsvorschrift vorgesehenen Beschaffenheit entspricht, auch wenn ein nicht unerheblicher Teil der betroffenen Verkehrskreise die Bezeichnung in einem anderen als dem gesetzlich festgelegten Sinne versteht. ...
Die Einhaltung der Voraussetzungen der Verordnung (EG) Nr. 590/1999 führt im materiellrechtlichen Ergebnis dazu, dass die Verordnung die Benutzung der streitgegenständlichen Bezeichnungen erlaubt, und zwar auch dann, wenn ein Teil der angesprochenen Verkehrskreise die Bezeichnungen in einem vom Inhalt der Spezifikation abweichenden Sinne verstehen sollte.
Nichtzulassungsbeschwerde abgewiesen: BGH, Beschl, v, 22.4.2004, I ZB 204/03.
Der "Spreewälder Gurken"-Fall stammt aus dem Bereich des Rechts der geographischen Herkunftsangaben. Die Bezeichnung "Spreewälder Gurken" ist als geographische Angabe auf Grundlage der VO 510/2006 (vormals VO 2089/92) - wie Hunderte andere Bezeichnungen für Lebensmittel und Agrarerzeugnisse auch - europaweit geschützt. Art. 8 der VO 510/2006 erlaubt allen Erzeugern, die in dem der Verordnung für die jeweilige Bezeichnung vorgesehene Gebiet die in der Verordnung beschriebenen Produkte herstellen, die Verwendung der entsprechenden geographischen Angabe. Sie kann daher nicht über das nationale Irreführungsrecht verboten werden.
Zulässige Irreführung wegen gesetzlicher Vorgaben oder bei Gesetzesänderungen
BGH, Urt. v. 14.10.2010, I ZR 5/09, Tz. 20 – Lohnsteuerhilfeverein Preußen
Die Anwendung der wettbewerbsrechtlichen Irreführungsvorschriften hat die Wertungen zu respektieren, die der Gesetzgeber in anderen Bestimmungen getroffen hat (vgl. BGH, Urteil vom 11. September 2008 - I ZR 120/06, II.2, GRUR 2008, 1114 Rn. 14 = WRP 2008, 1508 - Räumungsfinale; Bornkamm in Köhler/Bornkamm aaO Rn. 2.201 sowie 4.21 und 4.32).
Über das Irreführungsverbot können keine gesetzlichen Bestimmungen faktisch aufrecht erhalten werden, die vom Gesetzgeber aufgehoben wurden (BGH, Urt. v. 14.10.2010, I ZR 5/09, Tz. 20 – Lohnsteuerhilfeverein Preußen). Auch sonstige gesetzgeberische Ziele wie bspw. die Auflösung eines früheren Monopols müssen beachtet werden.
BGH, Urt. v. 12.5.2010, I ZR 214/07, Tz. 22 – Rote Briefkästen
Im Rahmen der Prüfung einer relevanten Irreführung ist zu berücksichtigen, dass eine entsprechende Fehlvorstellung der Verbraucher auf das ehemalige Monopol zurückgeht, das zu Gunsten der Klägerin in Deutschland bestand. Das gebietet die im Rahmen des § 5 UWG gebotene Interessenabwägung, bei der nach Aufhebung oder Lockerung eines Monopols dem Interesse neu hinzutretender Wettbewerber des bisherigen Monopolisten maßgebliches Gewicht zukommt, ihre Leistung angemessen anbieten zu können. Es ist anerkannt, dass Fehlvorstellungen des Verkehrs, die sich in einer Übergangszeit nach einer Gesetzesänderung bilden, hingenommen werden müssen, da andernfalls die alte Rechtslage mit Hilfe des Irreführungsverbots perpetuiert würde.
Vgl. im Markenrecht ebenso: BGH, Urt. v. 5.6.2008, I ZR 169/05, Tz. 23 – POST
BGH, Urt. v. 11.9.2008, I ZR 120/06, Tz. 14 - Räumungsfinale
Jede Rechtsänderung kann zu gewissen Fehlvorstellungen führen, wenn das bisherige Verkehrsverständnis durch die nunmehr aufgehobene oder geänderte Regelung bestimmt war. ... Eine solche während einer Übergangszeit noch bestehende Fehlvorstellung muss hingenommen werden, da andernfalls die alte Rechtslage mit Hilfe des Irreführungsverbots perpetuiert würde.
Verwendung des bürgerlichen Namens
Jedem ist die Verwendung seines eigenen Namens im geschäftlichen Verkehr gestattet. Manche tragen aber sprechenden Namen, die in bestimmten Konstellationen durchaus, z.B. als Teil einer Firma irreführend sein können. Auch ausländische Namen haben für die angesprochenen Verkehrskreise insoweit eine Bedeutung, als sie Waren und Leistungen des Namensträgers eher mit seiner Herkunft in Verbindung gebracht werden. Allerdings darf beispielsweise auch der Träger eines griechischen Namens ein französisches Feinkostgeschäft oder Restaurant führen, auch wenn die angesprochenen Verkehrskreise eher griechische Küche erwarten.
Verwendung einer ausländischen Sprache
Wird im geschäftlichen Verkehr eine fremde Sprache verwendet, die nicht von jedermann verstanden wird, wird ein Fehlverständnis Teilen der Leser hingenommen. Dies gilt insbesondere, wenn sich der Text an Personen richtet, die über eingehende Sprachkenntnisse verfügen.
[tooltip content="Zur Verfügung gestellt vom Justizportal Nordrhein-Westfalen (www.nrw.de)" url="" ]OLG Köln, Urt. v. 6.8.2004, 6 U 36/04, Tz. 84[/tooltip]
Bei der Beurteilung eines i.S. von § 5 UWG relevanten Irreführungspotentials einer fremdsprachigen Werbeäußerung ist jedenfalls dann allein auf das im Sinne einer Übersetzung "richtige" Verständnis des deutschen Verbrauchers abzustellen, wenn die werblichen Angaben - wie regelmäßig bei weltweit abrufbaren Internetauftritten - für den internationalen Markt und allenfalls auch für den deutschen bestimmt waren. Wegen der erheblichen Auswirkungen eines im Ergebnis weltweit wirkenden, aber auf einer spezifisch deutschen Fehlleistung beruhenden Verbots müssen auf eine falsche Übersetzung zurückgehende Täuschungen des deutschen Verkehrs hingenommen werden.
Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen: BGH, Beschl. v. 6.10.2005, I ZR 5/05.
Anders kann der Fall aber liegen, wenn der Text, z.B. ein Werbeslogan, sich an das breite Publikum richtet.
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Omsels, Online-Kommentar zum UWG: