§ 3 a - Rechtsbruch
Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.
§ 3a UWG hat die Vorschrift des § 4 Nr. 11 UWG 2008 zum 9. Dezember 2015 abgelöst. Rechtliche Änderungen ergeben sich dadurch nicht (BGH, Urt. v. 6.6.2019, I ZR 206/1, Tz. 7 – Brötchen Gutschein; BGH, Urt. v. 6.6.2019, I ZR 60/18; BGH, Urt. v. 5.10.2017, I ZR 232/16, Tz. 10 – Energieausweis; BGH, Urt. v. 24.11.2016, I ZR 163/15, Tz. 26 - Freunde werben Freunde; BGH, Urt. v. 26.1.2017, I ZR 207/14, Tz. 25 - ARD-Buffet; BGH, Vers.-Urt. v. 12.1.2017, I ZR 258/15, Tz. 12 - Motivkontaktlinsen; BGH, Urt. v. 15.12.2016, I ZR 213/15, Tz. 18 - Energieverbrauchskennzeichnung; BGH, Urt v. 10.11.2016, I ZR 29/15, Tz. 9 - Hörgeräteausstellung, BGH, Urt. v. 14.1.2016, I ZR 61/14 - Wir helfen im Trauerfall; BGH, Urt. v. 4.2.2016, I ZR 181/14, Tz. 11 - Energieeffizienzklasse; OLG Düsseldorf, Urt. v. 17.3.2016, I-15 U 38/15, Tz. 50). Soweit in Urteilen, die im Kommentar auf § 4 Nr. 11 (alt) UWG Bezug genommen wird, gelten die Ausführungen seitdem für § 3a UWG.
Allerdings wird diskutiert, ob geschäftliche Handlungen gegenüber Verbrauchern, die gegen eine gesetzliche Vorschrift zum Schutze des Verbrauchers verstoßen, nicht in den Anwendungsbereich des § 5a Abs. 2, Abs. 4 UWG fallen. Dafür spricht, dass die Spürbarkeitsklausel, die im Rahmen der UWG-Reform 2015 in den Tatbestand aufgenommen wurde, andere Voraussetzungen stellt als das von der UGP-Richtlinie vorgegebene Kriterium, wonach die geschäftliche Handlung den Verbraucher voraussichtlich zu einer Entscheidung führt, die er ohne dass Unlauterkeitsmoment so nicht getroffen hätte. Der BGH scheint dieser systematischen Verortung aber nicht zu folgen.
§ 3a UWG verbietet bestimmte geschäftliche Handlungen, durch die sich ein Unternehmer einen Vorsprung im Wettbewerb durch die Verletzung einer Rechtsnorm verschafft.
Gesetzliche Vorschrift
Rechtsnorm im Sinne des § 3a UWG ist grundsätzlich jede Bestimmung aus einer Verordnung der Europäischen Union, einem deutschen Gesetz oder einer deutschen Verordnung oder einer Satzung einer Körperschaft des öffentlichen Rechts (Gemeinden, Kammer) handeln. Auf eine Verletzung vertraglicher Bestimmungen kann ein Vorsprung durch Rechtsbruch allerdings nicht gestützt werden, auch wenn die vertraglichen Bestimmungen für eine Vielzahl von Personen gelten. Auch Wettbewerbsregeln, die von Verbänden aufgestellt werden, Standesregeln, Handelsbräuche oder technische Regeln, wie DIN- oder VDI-Normen sind keine gesetzlichen Vorschriften im Sinne des § 3a UWG.
Marktverhaltensregel
Nicht jeder Verstoß gegen eine "gesetzliche Vorschrift" im Sinne des § 3a UWG begründet einen "Vorsprung durch Rechtsbruch". Voraussetzung ist,
- dass es sich um eine Marktverhaltensregel handelt und
- dass sie bei geschäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern ihre Grundlage in einer Norm des Europäischen Rechts findet, soweit die Richtlinie Ausnahmen hiervon nicht ausdrücklich zulässt.
BGH, Urt. v. 11.5.2006, I ZR 250/03, Tz. 15 – Kraftfahrzeuganhänger mit Werbeschildern
Nach § 4 Nr. 11 (alt) UWG handelt unlauter, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Die Vorschrift knüpft an die Rechtsprechung des BGH zu § 1 UWG (a.F.) an, wonach unter Berücksichtigung des Schutzzwecks des Wettbewerbsrechts nicht jeder Rechtsbruch wettbewerbswidrig ist. Die verletzte Norm muss (zumindest auch) die Funktion haben, das Marktverhalten zu regeln und so gleiche Voraussetzungen für die auf diesem Markt tätigen Wettbewerber zu schaffen. (vgl. BGH, Urt. v. 15.5.2003, I ZR 292/00 - Ausschreibung von Vermessungsleistungen; Urt. v. 23.10.2003, I ZR 64/01 - Rechtsanwaltsgesellschaft; Urt. v. 4.11.2003 - KZR 16/02 - Strom und Telefon I)
Näheres dazu hier.
Hintergrund
OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.10.2011, 20 U 36/11, Tz. 24 f
Gemäß § 4 Nr. 11 (alt) UWG handelt unlauter, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. … Es kann nicht Aufgabe des Lauterkeitsrechts sein, alle nur denkbaren Gesetzesverstöße im Zusammenhang mit geschäftlichen Handlungen (auch) lauterkeitsrechtlich zu sanktionieren, sofern sie zu einem Vorsprung im Wettbewerb führen. Vielmehr liegt "der eigentliche Zweck des UWG darin, das Marktverhalten der Unternehmen im Interesse der Marktteilnehmer, insbesondere der Mitbewerber und der Verbraucher, und damit zugleich das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb zu regeln". Die Vorschrift muss das Marktverhalten folglich im Interesse der Marktteilnehmer regeln. Dem Interesse der Mitbewerber dient eine Norm dann, wenn sie die Freiheit ihrer wettbewerblichen Entfaltung schützt (BGH, GRUR 2010, 654 Tz. 18 - Zweckbetrieb). Steuerrechtliche Vorschriften stellen von daher grundsätzlich keine Marktverhaltensregelungen dar, da sich ihr Zweck im Normalfall darauf beschränkt, die Finanzierung des Gemeinwesens zu ermöglichen; sie bezwecken nicht den Schutz der Interessen der Marktteilnehmer (BGH, GRUR 2010, 654, Tz. 19).
Auch wichtige Gemeinschaftsgüter unterfallen daher nicht notwendiger Weise § 4 Nr. 11 (alt) UWG. … Das Lauterkeitsrecht mit seinen spezifischen Sanktionen darf nicht zum Schutze anderer Rechtsgüter instrumentalisiert werden, mögen sie auch "gewichtige Allgemeininteressen" darstellen. Stets ist also zu fragen, ob das geschützte Rechtsgut auch ein Interesse der Verbraucher oder Mitbewerber repräsentiert. Ist dies nicht der Fall, kann der Schutz nur über die dafür vorgesehenen Sanktionen erfolgen (Köhler/Bornkamm, UWG, 29. Aufl., § 4 Rn. 13.53).