Ihr Rechtsanwalt im Wettbewerbsrecht
Dr. Hermann-Josef Omsels*

Eine Darstellung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und wettbewerbsrechtlicher Nebengesetze



 

Boykott

 

1. Boykott

2. Beurteilungsmaßstab GWB und UWG

3. Tatbestand des Boykottaufrufs

a. Gegenstand des Boykottaufrufs

b. Boykottierer (Verrufer)

c. Boykottierter (Verrufener)

d. Adressat des Boykottaufrufs

e. Geschäftliche Handlung

f. Aufforderung zur Sperre (zum Boykott)

i. in Form einer Bitte

ii. durch vertragliche Vereinbarungen

durch Ausschließlichkeitsverträge oder -bindungen

durch die Koppelung von Leistungen

iii. durch Informationen

g. Absicht zur Beeinträchtigung des Verrufenen

e. Unbilligkeit des Boykotts

4. Boykottaufruf und Meinungs- und Pressefreiheit

Boykottaufruf und Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb

Boykottaufruf und Persönlichkeitsrecht

Boykott

 

Der Boykott ist die bewusste Weigerung, einem bestimmten Unternehmen oder einer bestimmten Unternehmensgruppe Waren oder Dienstleistungen abzunehmen oder zu liefern. Er kann Ausdruck einer politischen Haltung sein, aber auch objektiv mit der Förderung des Wettbewerbs des eigenen oder eines oder mehrerer dritter Unternehmen im Zusammenhang stehen.

Der rein politisch motivierte Boykott fällt nicht in den Anwendungsbereich des UWG, da er keine geschäftliche Handlung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG ist. Beim Boykott mit wettbewerbsrechtlicher Relevanz geht es um die Aufforderung (Boykottaufruf) an eine oder mehrere Personen, Waren oder Dienstleistungen eines anderen nicht oder nicht mehr zu beziehen oder keine Waren oder Dienstleistungen (mehr) zu liefern oder zu erbringen, um objektiv ein anderes Unternehmen oder eine Gruppe anderer Unternehmen zu unterstützen.

Der Boykott als Liefer- oder Bezugssperre eines Unternehmens ist in der Regel nicht rechtswidrig, sofern nicht ausnahmsweise eine Liefer- oder Bezugspflicht aus dem Gesetz gegen Wettbewerbsveschränkungen (z.B. aus § 20 GWB) besteht. Der Aufruf zum Boykott eines bestimmten Unternehmens oder einer Unternehmensgruppe kann demgegenüber unlauter sein. Darum geht es im folgenden.

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Beurteilungsmaßstab GWB und UWG

 

Der wirtschaftlich motivierte Boykottaufruf ist unter den Voraussetzungen des § 21 GWB verboten. Daneben liegt regelmäßig eine gezielte Behinderung nach § 4 Nr. 4 UWG vor.

BGH, Urt. v. 28.9.1999, KZR 18/98, II.2.b - Beteiligungsverbot für Schilderpräger (= GRUR 2000, 344)

Die Merkmale eines nach § 4 Nr. 10 (vormals § 1 UWG) wettbewerbswidrigen Boykotts decken sich weitgehend mit den objektiven Merkmalen des kartellrechtlichen Boykottatbestandes. Insbesondere müssen die Erwägungen, die im Rahmen der kartellrechtlichen Prüfung maßgeblich die Interessenabwägung bestimmen, auch im Rahmen der lauterkeitsrechtlichen Prüfung zum Tragen kommen.

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Tatbestand des Boykottaufrufs

 

BGH, Urt. v. 27.4.1999, KZR 54/97, II.2.a - Sitzender Krankentransport (= GRUR 1999, 1031)

Ein Boykottaufruf setzt die Beteiligung dreier Unternehmen (oder Unternehmensvereinigungen) - den Verrufer oder Boykottierer, den Adressaten oder Ausführer des Boykottaufrufs und den Verrufenen oder Boykottierten – voraus.

Ebenso BGH, Urt. v. 28.9.1999, KZR 18/98, II.1.b - Beteiligungsverbot für Schilderpräger (= GRUR 2000, 344)

OLG München, Urt. v. 17.8.2017, U 2225/14 Kart, Tz. 175

Ein Boykottaufruf ist der Versuch, die freie Willensentscheidung des Adressaten dahingehend zu beeinflussen, dass er bestimmte Geschäftsbeziehungen mit Dritten nicht eingeht oder nicht aufrechterhält. Dies setzt die Beteiligung von drei Parteien voraus, nämlich die Beteiligung des Verrufers oder Boykottierers, des Adressaten oder Ausführers des Boykottaufrufs und des Verrufenen oder Boykottierten (vgl. BGH GRUR 1999, 1031, 1032 - Sitzender Krankentransport).

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Gegenstand des Boykottaufrufs

 

BGH, Urt. v. 27.4.1999, KZR 54/97, II.2.b - Sitzender Krankentransport (= GRUR 1999, 1031)

Gegenstand einer Liefer- oder Bezugssperre kann jede Tätigkeit im geschäftlichen Verkehr sein.

Es reicht aus, wenn die Liefer- oder Bezugssperre nur vorübergend erfolgen soll oder sich nicht auf ein ganzes Unternehmen, sondern nur auf bestimmte Waren oder Dienstleistunges des Unternehmens bezieht.

Der Boykottaufruf kann sich auch darauf beziehen, bestimmten Dritten keine Anteile am Unternehmen des Boykottadressaten zukommen zu lassen oder ihnen sonst in irgendeiner Weise besonderen Einfluss auf ein anderes Unternehmen einzuräumen. Siehe dazu BGH, Urt. v. 28.9.1999, KZR 18/98, II.1.c - Beteiligungsverbot für Schilderpräger (= GRUR 2000, 344)

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Boykottierer (Verrufer)

 

Der Boykottierer (Verrufer) muss entweder Mitbewerber des Verrufenen sein, da sonst der Tatbestand des § 4 Nr. 10 UWG („wer Mitbewerber gezielt behindert“) nicht gegeben wäre oder zumindest im objektiven Zusammenhang mit der Förderung des Wettbewerbs eines Mitbewerbers oder einer Gruppe von Mitbewerbern handeln (Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, § 4, Rdn. 10.117 f).

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Boykottierter (Verrufener)

 

BGH, Urt. v. 22.7.1999, KZR 13/97, II.2.b.bb – Kartenlesegerät (= 2000, 340)

Die zu sperrenden Unternehmen müssen für die Adressaten bestimmt oder bestimmbar sein.

OLG München, Urt. v. 17.8.2017, U 2225/14 Kart, Tz. 175

Adressat des Aufrufs und Verrufener müssen bestimmt sein. Für die Bestimmtheit der Verrufenen reicht eine nähere Bezeichnung nach Gruppen-, Tätigkeits- oder Organisationsmerkmalen aus (vgl. BGH GRUR 1980, 242, [244] – Denkzettel-Aktion; Köhler in: Köhler/Bornkamm, UWG, 35. Auflage 2017, § 4 UWG Rz. 4.120). Es genügt, wenn der Verrufene aufgrund bestimmter Merkmale bestimmbar ist. Die Individualisierbarkeit fehlt aber, wenn der Kreis der zu sperrenden Unternehmen praktisch unübersehbar ist (vgl. Omsels in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 4. Aufl. 2016, § 4 Nr. 4 UWG Rz. 234).

OLG Celle, Urt. v. 16.10.2003, 13 U 60/03, 2.b

Es genügt, dass aus einem größeren Kreis potenziell Betroffener einzelne Unternehmen oder Gruppen - aus Sicht des Aufgeforderten - noch hinreichend bestimmbar sind (Immenga/Mestmäcker, GWB, 3. Aufl., § 21 Rdnr. 17; Langen/Schultz, § 21 Rdnr. 11).

Zu einem Boykottaufruf außerhalb des Anwendungsbereichs des UWG:

BGH, Urt. v. 19.1.2016, VI ZR 302/15, Tz. 33

Opfer eines Boykottaufrufes und damit Boykottierter kann wegen des hohen Rangs der Meinungsfreiheit zulässigerweise auch derjenige sein, über den das Boykottziel (hier die Verbesserung der Haltungsbedingungen für Pelztiere) aus der Sicht des objektiven Empfängerhorizonts des Adressatenkreises zumindest mittelbar verwirklicht werden kann. Das kann derjenige sein, der rechtlich oder faktisch Einfluss auf das Boykottziel (und damit den eigentlichen Gegner) nehmen kann.

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Adressat des Boykottaufrufs

 

Adressat kann jedermann, natürlich auch der Verbraucher sein, der den Verrufenen boykottieren soll. Der Adressat und der Boykottierende müssen nicht identisch sein. Es genügt, wenn der Adressat seinerseits auf Drirre einwirken soll, den Boykott durchzuführen.

BGH, Urt. v. 2.2.1984, I ZR 4/82 – Kundenboykott (= GRUR 1984, 461, 462)

Der Adressat eines Boykottaufrufs braucht nicht mit demjenigen identisch zu sein, der die Liefer- bzw. Bezugssperre verhängen soll, sondern daß es genügt, wenn der Adressat veranlaßt wird, seinerseits mit ihm zu Gebote stehenden Mitteln auf einen Boykott des Wettbewerbers durch dessen Lieferanten oder Kunden hinzuwirken.

Der Adressat muss hinsichtlich des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen vom Boykottierten oder alternativ einem Dritten einen Entscheidungsspielraum haben. Wer rechtlich gebunden ist oder den Weisungen des Boykottierers unterliegt, scheidet als geeigneter Adressat eines Boykottaufrufs aus.

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Geschäftliche Handlung

 

Bei der rechtlichen Beurteilung eines Boykottaufrufs ist die Abgrenzung von Boykottaufrufen, die rein politisch motiviert sind, von Boykottaufrufen, die – jedenfalls auch – der Förderung des Absatzes von Waren oder des Bezugs von Dienstleistungen bestimmter Unternehmen dienen.

In den Anwendungsbereich des UWG fallen nur Boykottaufrufe, die objektiv bestimmte Mitbewerber fördern (wollen). Davon kann regelmäßig ausgegangen werden, wenn der Verrufer selber Mitbewerber ist. Problematisch ist das Vorliegen einer geschäftlichen Handlung aber bei Dritten. Deren Boykottaufruf unterfällt nicht dem UWG, wenn er sich darauf beschränkt, aus bestimmten Gründen, die man teilen mag oder nicht, ein Unternehmen zu boykottieren. Eine geschäftliche Handlung liegt aber dann vor, wenn gleichzeitig empfohlen wird, die Waren bei bestimmten anderen Unternehmen zu beziehen. Eine andere Frage ist bei solchen Boykottaufrufen Dritter, ob sie unbillig sind oder nicht jedenfalls von der Meinungs- und Pressereiheit gedeckt werden.

Zu einer Aktion des Deutschen Tierschutzbundes:

OLG München, Beschl. v. 14.1.1999, 29 W 3470/98

Der von der Antragstellerin beanstandete Prospekt des Antragsgegners äußert sich umfangreich zu Tierversuchen in der Kosmetik. Der Antragsgegner hat Richtlinien erarbeitet, deren Einhaltung durch Unternehmen der Kosmetikindustrie zur Aufnahme in eine Positivliste führt. Im Prospekt listet der Antragsgegner in alphabetischer Reihenfolge auch eine Vielzahl von Firmen auf, die diese Richtlinien nicht erfüllen. Eine solche Gegenüberstellung von Firmen, die positiv bzw. negativ bei Anlegung der Maßstäbe des Antragsgegner bewertet werden, ist in objektiver Hinsicht geeignet, den Absatz der als positiv bewerteten Firmen zum Nachteil der negativ bewerteten zu fördern. Obwohl Antragstellerin und Antragsgegner zueinander nicht in einem Wettbewerbsverhältnis stehen und der Antragsgegner ideelle Interessen verfolgt, seine Wettbewerbsabsicht also nicht vermutet wird, liegt ein Handeln des Antragsgegner in Wettbewerbsabsicht vor.

Das Verhalten war jedoch durch das Grundrecht auf Meinungsfreiheit gedeckt. Dazu weiter unten. S.a. OLG Frankfurt, Urt. v. 18.6.2015, 6 U 46/14 u.a. zur Abgrenzung von geschäftlichen und anderen Handlungen bei Boykottaufrufen in Medien.

Boykottaufrufe, die nicht in den Anwendungsbereich des UWG fallen, stehen nicht im rechtsfreien Raum. Ihre rechtliche Zulässigkeit beurteilt sich nach § 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit den Grundsätzen zum eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb sowie nach § 826 BGB.

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Aufforderung zur Sperre (zum Boykott)

 

BGH, Urt. v. 27.4.1999, KZR 54/97, II.2.b - Sitzender Krankentransport (= GRUR 1999, 1031)

Unter einer Aufforderung zur Bezugssperre ist jeder Versuch zu verstehen, einen anderen Unternehmer dahin zu beeinflussen, dass er bestimmte Lieferbeziehungen nicht eingeht oder nicht aufrechterhält.

Ebenso BGH, Urt. v. 22.7.1999, KZR 13/97, II.2.b.bb – Kartenlesegerät (= 2000, 340)

OLG Frankfurt, Urt. v. 18.6.2015, 6 U 46/14, Tz. 36

Für die Qualifizierung einer Äußerung als Boykott kommt es darauf an, ob die Aufforderung objektiv geeignet ist, den Adressaten zu einer Liefer- oder Bezugssperre eines Mitbewerbers zu veranlassen. Hierzu muss eine umfassende Abwägung der Interessen aller Beteiligten einschließlich des Schutzes der Meinungs- und Pressefreiheit vorgenommen werden (vgl. Köhler/Bornkamm a.a.O. Rn. 10.122 zu § 4 UWG).

Der Nachweis günstigerer Bezugsmöglichkeiten kann als Aufforderung zu einer Bezugssperre zu werten sein. Dies setzt aber voraus, dass die gegen das zu sperrende Unternehmen gerichtete Zielrichtung dieser Erklärung für den Adressaten erkennbar bleibt. Wird lediglich - und sei es auch unter Einsatz unlauterer Mittel - für das eigene Angebot geworben, liegt darin noch kein Boykott. Hinzu kommt, dass die zu sperrenden Unternehmen für die Adressaten weder bestimmt noch bestimmbar waren.

BGH, Urt. v. 27.4.1999, KZR 54/97, II.2.b - Sitzender Krankentransport (= GRUR 1999, 1031)

Die Anwendung von Druckmitteln zur Durchsetzung des angestrebten Verhaltens setzt der Begriff der Aufforderung im Sinne des Gesetzes nicht voraus.

Die Boykottaufforderung muss geeignet sein, den Adressaten zu einem Boykott zu veranlassen. Ob der Adressat der Aufforderung nachkommt, ist für die rechtliche Beurteilung der Aufforderung ohne Belang.

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in Form einer Bitte

 

BGH, Urt. v. 27.4.1999, KZR 54/97, II.2.b - Sitzender Krankentransport (= GRUR 1999, 1031)

Eine Bitte kann ausreichen, die weiter geht als eine bloße Information über die verschiedenen Anbieter einer Leistung, soweit sie nicht lediglich als unverbindliche Anregung zu verstehen ist. … Die Anwendung von Druckmitteln zur Durchsetzung des angestrebten Verhaltens setzt der Begriff der Aufforderung im Sinne des Gesetzes nicht voraus.

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durch vertragliche Vereinbarungen

 

BGH, Urt. v. 28.9.1999, KZR 18/98, II.1.a - Beteiligungsverbot für Schilderpräger (= GRUR 2000, 344)

Die restriktive Anwendung des § 21 Abs. 1 GWB auf wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen in Vertikalverträgen findet dort ihre Grenze, wo die Beschränkung eine gegen bestimmte Dritte gerichtete Zielsetzung aufweist und wo mit ihrer Hilfe bestimmte, individualisierbare Unternehmen getroffen oder sogar vom Markt verdrängt oder ferngehalten werden sollen. Mit der Öffnung des Anwendungsbereichs des § 21 Abs. 1 GWB für derartige Vertikalvereinbarungen ist im Übrigen nicht notwendig ein Unwerturteil verbunden. Denn besondere Umstände, die eine derartige Klausel als berechtigt erscheinen lassen, können noch im Rahmen der Interessenabwägung, die bei Prüfung des Merkmals der Unbilligkeit der Beeinträchtigung stattzufinden hat, berücksichtigt werden.

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durch Ausschließlichkeitsverträge oder -bindungen

 

BGH, Urt. v. 28.9.1999, KZR 18/98, II.1.a - Beteiligungsverbot für Schilderpräger (= GRUR 2000, 344)

Die regelmäßigen Wirkungen von Ausschließlichkeitsbindungen fallen nicht unter § 21 Abs. 1 GWB; denn, die jeder Ausschließlichkeitsbindung immanente Folge des Ausschlusses anderer Unternehmen nimmt das Gesetz hin und unterwirft sie lediglich einer Missbrauchskontrolle durch die Kartellbehörden.

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durch die Koppelung von Leistungen

 

BGH, Urt. v. 9.7.2002, KZR 30/00, II.2.b - Fernwärme für Börnsen

Kopplungen sind in Austauschverträgen grundsätzlich zulässig. Die mit solchen Vereinbarungen notwendig verbundenen Nachteile für andere Unternehmen fallen nicht unter § 21 Abs. 1 GWB; denn die jeder Ausschließlichkeitsbindung immanente Folge des Ausschlusses anderer Unternehmen nimmt das Gesetz hin und unterwirft sie lediglich einer Missbrauchskontrolle durch die Kartellbehörden. Die restriktive Anwendung des § 21 Abs. 1 GWB auf wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen in Vertikalverträgen findet jedoch dort ihre Grenze, wo die Beschränkung eine gegen bestimmte Dritte gerichtete Zielsetzung aufweist und wo mit ihrer Hilfe bestimmte, individualisierbare Unternehmen getroffen oder sogar vom Markt verdrängt oder fern gehalten werden sollen.

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durch Informationen

 

BGH, Urt. v. 14.3.2000, KZR 15/98, II.3.b – Zahnersatz aus Manila

Wird lediglich auf das günstige Angebot bestimmter Betriebe hingewiesen, liegt darin noch kein Boykott.

BGH, Urt. v. 22.7.1999, KZR 13/97, II.2.b.bb – Kartenlesegerät (= GRUR 2000, 340)

Der Nachweis günstigerer Bezugsmöglichkeiten kann als Aufforderung zu einer Bezugssperre zu werten sein. Dies setzt aber voraus, dass die gegen das zu sperrende Unternehmen gerichtete Zielrichtung dieser Erklärung für den Adressaten erkennbar bleibt. Wird lediglich - und sei es auch unter Einsatz unlauterer Mittel - für das eigene Angebot geworben, liegt darin noch kein Boykott.

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Absicht zur Beeinträchtigung des Verrufenen

 

BGH, Urt. v. 27.4.1999, KZR 54/97, II.2.c - Sitzender Krankentransport (= GRUR 1999, 1031)

Weitere Voraussetzung ist die Absicht, bestimmte Unternehmen unbillig zu beeinträchtigen.

BGH, Urt. v. 27.4.1999, KZR 54/97, II.2.c.cc - Sitzender Krankentransport (= GRUR 1999, 1031)

Für die Bejahung der Absicht , den Verrufenen unbillig zu benachteiligen, genügt es, dass dieser Zweck mitbestimmend war und gegenüber sonstigen Zielen nicht völlig zurücktritt. Hinsichtlich der Unbilligkeit der Beeinträchtigung ist die Kenntnis der Umstände ausreichend, die den Ausschluss des Verrufenen unbillig erscheinen lassen. Ob der Verrufer sein Verhalten für rechtmäßig hielt und ob er die zur Feststellung der Unbilligkeit führende Interessenabwägung zutreffend vorgenommen hat, ist unerheblich.

BGH, Urt. v. 28.9.1999, KZR 18/98, II.1.a - Beteiligungsverbot für Schilderpräger (= GRUR 2000, 344)

Die regelmäßigen Wirkungen von Ausschließlichkeitsbindungen fallen nicht unter § 21 Abs. 1 GWB; denn, die jeder Ausschließlichkeitsbindung immanente Folge des Ausschlusses anderer Unternehmen nimmt das Gesetz hin und unterwirft sie lediglich einer Missbrauchskontrolle durch die Kartellbehörden. Die restriktive Anwendung des § 21 Abs. 1 GWB auf wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen in Vertikalverträgen findet jedoch dort ihre Grenze, wo die Beschränkung eine gegen bestimmte Dritte gerichtete Zielsetzung aufweist und wo mit ihrer Hilfe bestimmte, individualisierbare Unternehmen getroffen oder sogar vom Markt verdrängt oder ferngehalten werden sollen. Mit der Öffnung des Anwendungsbereichs des § 21 Abs. 1 GWB für derartige Vertikalvereinbarungen ist im Übrigen nicht notwendig ein Unwerturteil verbunden. Denn besondere Umstände, die eine derartige Klausel als berechtigt erscheinen lassen, können noch im Rahmen der Interessenabwägung, die bei Prüfung des Merkmals der Unbilligkeit der Beeinträchtigung stattzufinden hat, berücksichtigt werden.

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Unbilligkeit des Boykottaufrufs

 

§ 21 Abs. 1 GWB verbietet es, ein anderes Unternehmen oder Vereinigungen von Unternehmen in der Absicht, bestimmte Unternehmen unbillig zu beeinträchtigen, zu Liefersperren oder Bezugssperren auffordern  In § 21 Abs. 1 GWB ist die Unbilligkeit Tatbestandsvoraussetzung, in § 4 Nr. 10 UWG nicht. Es wird deshalb die Auffassung vertreten, dass es bei § 4 Nr. 10 UWG nicht auf die Unbilligkeit des Boykottaufrufs ankomme (Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, § 4, Rdn. 10.122).

Letztlich kann die Frage dahinstehen, da die Unlauterkeit der gezielten Behinderung gemäß § 4 Nr. 19 UWG stets aufgrund einer Abwägung aller Umstände konkret festgestellt werden muss und dabei auch Umstände zu berücksichtigen sind, die eine Boykottaufforderung als billig erscheinen lassen. Insofern kann auf die folgenden Ausführungen des BGH zurückgegriffen werden, die zu § 21 Abs. 1 GWB bemacht wurden.

BGH, Urt. v. 27.4.1999, KZR 54/97, II.2.c.aa - Sitzender Krankentransport (= GRUR 1999, 1031)

Ob die beabsichtigte Beeinträchtigung unbillig ist, ist aufgrund einer Abwägung der Interessen der Beteiligten unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des Gesetzes zu beurteilen. Entscheidend ist hierfür, ob das Anliegen, das der Verrufer verfolgt, rechtmäßig ist.

BGH, Urt. v. 28.9.1999, KZR 18/98, II.1.d.aa - Beteiligungsverbot für Schilderpräger (= GRUR 2000, 344)

Die Frage, ob eine Beeinträchtigung unbillig ist, muss durch eine umfassende Abwägung der schutzwürdigen Interessen der Beteiligten unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des GWB beantwortet werden. Die alternativen Absatz- oder Bezugsmöglichkeiten des gesperrten Unternehmens können in diesem Rahmen eine Rolle spielen, jedoch allein als ein Umstand unter mehreren. Keinesfalls ist eine Liefer- oder Bezugssperre schon deshalb unbedenklich, weil das gesperrte Unternehmen andere Absatz- oder Bezugsmöglichkeiten hat. Denn die Abhängigkeit des gesperrten Unternehmens ist keine Voraussetzung des Boykottatbestandes.

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Boykottaufruf und Meinungs- und Pressefreiheit

 

Beim Boykottaufruf ist das Grundrecht der Meinungsfreiheit und - soweit einschlägig - der Pressefreiheit des Verrufenden zu beachten, die für die Zulässigkeit des Boykottaufrufs streiten können.

Bei Boykottaufrufen, die sich als geschäftliche Handlungen zugunsten des eigenen oder fremder Unternehmer darstellen, gilt allerdings ein wesentlich strengerer Maßstab als bei rein gesellschaftlich oder politisch motivierten Boykottaufrufen.

Ein objektiv der Förderung des Wettbewerbs des eigenen Unternehmens dienender Boykottaufruf gegen einen Wettbewerber lässt sich wohl ausnahmslos nicht über das Grundrecht der Meinungsfreiheit legitimieren.

BGH, Urt. v. 6.2.2014, I ZR 75/13, Tz. 31 – Aufruf zur Kontokündigung

Für diese unter die strengeren Regeln des Wettbewerbsrechts mit dem Verbot der gezielten Behinderung von Mitbewerbern (§ 4 Nr. 10 (alt) UWG) fallenden Sachverhalte gilt nicht der grundsätzliche Vorrang der Meinungsfreiheit gemäß § 5 Abs. 1 GG (vgl. BVerfG, NJW-RR 2008, 200, 201).

Daraus folgt aber nicht, dass Boykottaufrufe, die objektiv auch wirtschaftlichen Zwecken dienen, stets unzulässig sind. Bei einem  objektiv der Förderung des Wettbewerbs eines fremden Unternehmens dienenden Boykottaufruf sind die Motivation und der Kontext maßgeblich. Je mehr es dem Verrufenden um die Durchsetzung wirschaftlicher Interessen geht, umso weniger wiegt das Grundrecht der Meinungsfreiheit; je mehr es um politische oder Interessen der Allgemeinheit berührende Belange geht, desto eher ist der Boykottaufruf von der Meinungs- oder Pressefreiheit gedeckt.

OLG Frankfurt, Urt. v. 18.6.2015, 6 U 46/14, Tz. 38

Mit Rücksicht auf die Meinungs- und Pressefreiheit kann ein Boykottaufruf gerechtfertigt sein, wenn der Handelnde die Absicht hat, Ziele der Allgemeinheit, wie beispielsweise politische oder kulturelle Belange zu verfolgen, wenn er das gebotene Maß nicht überschreitet und wenn seine Mittel verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sind (vgl. Köhler/Bornkamm, UWG, Rn. 10.123 zu § 4 UWG).

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Boykottaufruf und Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb

 

Zu einem Boykottaufruf außerhalb eines Wettbewerbsverhältnisses, der nach den Grundsätzen des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb zu beurteilen ist:

BGH, Urt. v. 6.2.2014, I ZR 75/13, Tz. 12, 15 – Aufruf zur Kontokündigung

Ein Anspruch wegen Verletzung des als sonstiges Recht im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB geschützten eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs kommt in Betracht, wenn spezielle Schutzvorschriften zugunsten eines Unternehmens nicht durchgreifen. Der Schutz des § 823 Abs. 1 BGB wird gegen jede Beeinträchtigung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gewährt, wenn die Störung einen unmittelbaren Eingriff in den gewerblichen Tätigkeitskreis darstellt. Durch den dem eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb von der Rechtsprechung gewährten Schutz soll das Unternehmen in seiner wirtschaftlichen Tätigkeit und in seinem Funktionieren vor widerrechtlichen Eingriffen bewahrt bleiben. Die Verletzungshandlung muss sich gerade gegen den Betrieb und seine Organisation oder gegen die unternehmerische Entscheidungsfreiheit richten und über die bloße Belästigung oder eine sozial übliche Behinderung hinausgehen. Unmittelbare Eingriffe in das Recht am bestehenden Gewerbebetrieb, gegen die § 823 Abs. 1 BGB Schutz gewährt, sind nur diejenigen, die gegen den Betrieb als solchen gerichtet, also betriebsbezogen sind und nicht vom Gewerbebetrieb ohne weiteres ablösbare Rechte oder Rechtsgüter betreffen. ...

Das Recht am Gewerbebetrieb ist ein offener Tatbestand, dessen Inhalt und Grenzen sich erst aus einer Interessen- und Güterabwägung mit den konkret kollidierenden Interessen anderer ergeben. Die Behinderung der Erwerbstätigkeit ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt

BGH, Urt. v. 6.2.2014, I ZR 75/13, Tz. 17 – Aufruf zur Kontokündigung

Der Aufruf zu einer Boykottmaßnahme, dem eine bestimmte Meinungskundgabe zu Grunde liegt, kann in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG fallen (BVerfG, Beschl. v. 8.10.2007, 1 BvR 292/02, NJW-RR 2008, 200, 201, mwN).

BGH, Urt. v. 6.2.2014, I ZR 75/13, Tz. 24 f – Aufruf zur Kontokündigung

Der ... Eingriff in die Meinungsäußerungsfreiheit kann allerdings durch das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gemäß § 823 Abs. 1 BGB, der ein allgemeines Gesetz im Sinne von Art. 5 Abs. 2 GG darstellt, gerechtfertigt sein (BVerfGE 7, 198, 211). Dabei ist zu berücksichtigen, dass diesem Recht seinerseits durch Art. 12 Abs. 1 GG grundrechtlicher Schutz zukommt (vgl. BVerfG, NJW-RR 2004, 1710, 1711). Ob der in der Untersagung eines Boykottaufrufs liegende Eingriff in die Meinungsäußerungsfreiheit gerechtfertigt ist, hängt von einer Abwägung der wechselseitig betroffenen Interessen ab. Wesentlich sind zunächst die Motive und damit verknüpft das Ziel und der Zweck des Aufrufs. Findet dieser seinen Grund nicht in eigenen Interessen wirtschaftlicher Art, sondern in der Sorge um politische, wirtschaftliche, soziale oder kulturelle Belange der Allgemeinheit, dient er also der Einwirkung auf die öffentliche Meinung, dann spricht dies dafür, dass der Schutz durch Art. 5 Abs. 1 GG regelmäßig Vorrang hat, auch wenn dadurch private und namentlich wirtschaftliche Interessen beeinträchtigt werden. Die Verfolgung der Ziele des Aufrufenden darf allerdings das Maß der nach den Umständen notwendigen und angemessenen Beeinträchtigung des Angegriffenen oder betroffener Dritter nicht überschreiten. Schließlich müssen die Mittel der Durchsetzung des Boykottaufrufs verfassungsrechtlich zu billigen sein. Das ist grundsätzlich der Fall, wenn der Aufrufende sich gegenüber dem Adressaten auf den Versuch geistiger Einflussnahme und Überzeugung, also auf Mittel beschränkt, die den geistigen Kampf der Meinungen gewährleisten, nicht aber, wenn zusätzlich Machtmittel eingesetzt werden, die der eigenen Meinung Nachdruck verleihen sollen und die innere Freiheit der Meinungsbildung zu beeinträchtigen drohen (BVerfGE 25, 256, 264; BVerfG, NJW-RR 2008, 200, 201).

Es kann von maßgeblicher Bedeutung sein, dass der Verrufende keine eigennützigen wirtschaftlichen Ziele verfolgt. … Die Verfolgung von nicht wirtschaftlichen Interessen ist im Zuge der Abwägung auch dann von Belang, wenn als Nebeneffekt eines Aufrufs wirtschaftliche Folgen eintreten, selbst wenn diese mitbeabsichtigt sind. Meinungsäußerungen, sei es in der Form eines Boykottaufrufs, sei es in anderer Form, tragen das Risiko in sich, für bestimmte Personenkreise wirtschaftlich nachteilige Wirkungen mit sich bringen zu können, wenn die angesprochenen Kreise auf Grund der Meinungsäußerung ihr bisheriges Verhalten ändern und dadurch wirtschaftliche Folgen auslösen (BVerfGE 7, 198, 219; BVerfG, NJW-RR 2008, 200, 201, mwN).

Unter Aufhebung von OLG München, Urt. v. 15.11.12 - 29 U 1481-12, B.II.1 - Abofallenbetreibern das Handwerk legen

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Boykottaufruf und Persönlichkeitsrecht

 

Zu einem Boykottaufruf außerhalb des Anwendungsbereichs des UWG:

BGH, Urt. v. 19.1.2016, VI ZR 302/15, Tz. 21

Den angegriffenen Äußerungen ist der grundrechtliche Schutz nicht deshalb entzogen, weil sie die öffentliche Aufforderung zu einer Kontokündigung zum Gegenstand und damit den Charakter einer Boykottmaßnahme haben. Auch der Aufruf zu einer Boykottmaßnahme, dem eine bestimmte Meinungskundgabe zu Grunde liegt, kann in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG fallen.

BGH, Urt. v. 19.1.2016, VI ZR 302/15, Tz. 23f

Bei einem Aufruf zu Boykottmaßnahmen sind für die Abwägung zunächst die Motive und - damit verknüpft - das Ziel und der Zweck des Aufrufs wesentlich. Findet dieser seinen Grund nicht in eigenen Interessen wirtschaftlicher Art, sondern in der Sorge um politische, wirtschaftliche, soziale oder kulturelle Belange der Allgemeinheit, dient er also der Einwirkung auf die öffentliche Meinung, dann spricht dies dafür, dass der Schutz durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG regelmäßig Vorrang hat, auch wenn dadurch private und namentlich wirtschaftliche Interessen beeinträchtigt werden. Die Verfolgung der Ziele des Aufrufenden darf allerdings das Maß der nach den Umständen notwendigen und angemessenen Beeinträchtigung des Angegriffenen oder betroffener Dritter nicht überschreiten. Schließlich dürfen die Mittel der Durchsetzung des Boykottaufrufs verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sein. Das ist grundsätzlich der Fall, wenn der Aufrufende sich gegenüber dem Adressaten auf den Versuch geistiger Einflussnahme und Überzeugung, also auf Mittel beschränkt, die den geistigen Kampf der Meinungen gewährleisten, nicht aber, wenn zusätzlich Machtmittel eingesetzt werden, die der eigenen Meinung etwa durch Androhung oder Ankündigung schwerer Nachteile und Ausnutzung sozialer oder wirtschaftlicher Abhängigkeit Nachdruck verleihen sollen und so die innere Freiheit der Meinungsbildung zu beeinträchtigen drohen.

Der Umstand, dass der Beklagte mit den gleichzeitig mit dem Artikel erfolgten Spendenaufrufen auf der Internetseite seinerseits eigene wirtschaftliche Interessen verfolgt, während die Kontokündigung, zu der öffentlich aufgerufen wird, nachteilige wirtschaftliche Folgen für den Kläger haben kann, führt nicht dazu, dass das Recht des Beklagten auf Meinungsfreiheit in der Abwägung hinter dem Schutzinteresse des Klägers zurückzutreten hat. Die Rechtsprechung misst den Interessen des vom Boykottaufruf Betroffenen dann eher Vorrang zu, wenn die Meinungsäußerung nicht dem geistigen Meinungskampf dient, sondern als Mittel zum Zweck der Förderung privater Wettbewerbsinteressen eingesetzt wird, wenn es also um die Durchsetzung wirtschaftlicher Interessen gegen andere wirtschaftliche Interessen im Rahmen des wirtschaftlichen Wettbewerbs geht. Wird mit der Meinungsäußerung hingegen ein die Öffentlichkeit wesentlich berührendes Anliegen verfolgt, kommt der Meinungsfreiheit grundsätzlich das größere Gewicht zu, auch wenn als Nebeneffekt eines Boykottaufrufs wirtschaftliche Folgen eintreten können, selbst wenn diese mitbeabsichtigt sind. Meinungsäußerungen, sei es in der Form eines Boykottaufrufs, sei es in anderer Form, tragen das Risiko in sich, für bestimmte Personenkreise wirtschaftlich nachteilige Wirkungen mit sich bringen zu können, wenn die angesprochenen Kreise auf Grund der Meinungsäußerung ihr bisheriges Verhalten ändern und dadurch wirtschaftliche Folgen auslösen.

Es darf aber nicht zu rechtwidrigem Verhalten aufgefordert werden.

BGH, Urt. v. 19.1.2016, VI ZR 302/15, Tz. 26

Es darf nicht zu rechtswidrigem Verhalten aufgefordert werden.

Es dürfen keine zusätzlichen Machtmittel eingesetzt werden:

BGH, Urt. v. 19.1.2016, VI ZR 302/15, Tz. 28f

Verfassungsrechtlich nicht zu billigende zusätzliche Machtmittel werden eingesetzt, wenn sie den Bereich freier geistiger Auseinandersetzung verlassen und den Angesprochenen die Möglichkeit nehmen, anhand einer freien Willensentschließung darüber zu befinden, ob sie dem Aufruf folgen wollen. Die Androhung oder Ankündigung schwerer Nachteile und Ausnutzung sozialer  oder wirtschaftlicher Abhängigkeit sind daher unzulässig. Denn dies führt dazu, dass die Angesprochenen darauf beschränkt sind, die Vor- und Nachteile einer Nichtbefolgung des Appells gegeneinander abzuwägen und auf Grund dieser ausschließlich wirtschaftlichen Erwägungen zu handeln. Durch die Ausübung von Druck soll ihre Entscheidungsfreiheit in Wahrheit aufgehoben und die gewünschte Meinung erzwungen werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob der zum Boykott Aufrufende selbst seine Aufforderung mit unzulässigem wirtschaftlichem Druck durchsetzen will oder ob er Dritte - insoweit mit dem Mittel freier Überzeugung - dazu zu veranlassen sucht, solchen Druck auszuüben, um die eigentlichen Adressaten des Aufrufs zu bewegen, die angestrebten Boykottmaßnahmen durchzuführen. Umgekehrt werden unzulässige Machtmittel nicht eingesetzt, wenn dem Aufrufer keinerlei Zwangsmittel zur Verfügung stehen, um seiner Aufforderung Nachdruck zu verleihen, und er sich nur an das Verantwortungsbewusstsein und die sittliche Haltung der Angesprochenen wenden kann.

Nicht jede druckvolle Einflussnahme auf die Meinungsbildung, auch nicht jede Ausübung von (mittelbarem) wirtschaftlichen Druck, ist von vornherein - also ohne weitere Interessenabwägung im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung - als verfassungsrechtlich nicht zu billigendes zusätzliches Machtmittel zu qualifizieren. … Mit Blick auf die Eigenart und Eindeutigkeit der Fälle, in denen das Bundesverfassungsgericht den Einsatz unzulässiger Machtmittel angenommen hat (BVerfGE 25, 256, 265 und 266 - Blinkfüer; 62, 230, 246 und 248), ist für die Einordnung des Machtmittels als von vornherein unzulässig maßgeblich, ob es sich um Druckmittel innerhalb oder außerhalb des geistigen Meinungskampfes handelt, ob es also die Macht der Argumente oder die Macht und die Intensität des ausgeübten Drucks sind, durch die die Willensentschließung des Aufgerufenen wesentlich bestimmt wird.

Das Mittel des Boykottaufrufs darf für die Erreichung des Zwecks des Verrufenden nicht unverhältnismäßig sein.

BGH, Urt. v. 19.1.2016, VI ZR 302/15, Tz. 32

Das vom Beklagten mit dem öffentlichen Boykottaufruf gewählte Mittel ist zur Erreichung des Zwecks nicht unverhältnismäßig. Dabei ist, wie dargelegt, zu berücksichtigen, dass dem Schutz der Meinungsäußerung trotz der Beeinträchtigung privater und wirtschaftlicher Interessen ein besonderes Gewicht zukommt, weil der Aufruf seinen Grund in der Sorge um ein die Öffentlichkeit wesentlich berührendes Anliegen hat. Dennoch darf auch die Verfolgung uneigennütziger Ziele des Aufrufenden das Maß der nach den Umständen notwendigen und angemessenen Beeinträchtigung des Betroffenen nicht überschreiten.

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