S.a. Unternehmen
Die Definition des Begriffs des Unternehmers fand sich bis zum 27.5.2022 in § 2 Abs. 1 Nr. 6 UWG. Mit Wirkung zum 28.5.2022 wurde sie nach § 2 Abs. 1 Nr. 8 UWG verschoben.
§ 2 Abs. 1 Nr. 8 UWG
Unternehmer“ jede natürliche oder juristische Person, die geschäftliche Handlungen im Rahmen ihrer gewerblichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit vornimmt, und jede Person, die im Namen oder Auftrag einer solchen Person handelt
Im Rahmen des Anwendungsbereichs der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (B2C) wird der Unternehmerbegriff vom europäischen Recht vorgegeben. Da es allgemein als wünschenswert angesehen wird, dass innerhalb des UWG keine Wertungswidersprüche zwischen europäischem Recht und deutschem Recht entstehen, sollte der Unternehmerbegriff außerhalb des Anwendungsbereichs der Richtlinie (B2B) nicht anders verstanden werden.
Der Unternehmerbegriff wird im Rahmen der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken im wesentlichen von der Verbraucherseite her bestimmt. Unternehmer ist, wer Verbrauchern entgeltlich eine Ware oder Dienstleistung anbietet. Es ist unerheblich, in welcher Rechtsform der Unternehmer auftritt und ob er aus eigenem wirtschaftlichen Interesse oder in Erfüllung einer offentlich-rechtlichen Aufgabe agiert.
EuGH, Urt. v. 3.10.2013, C‑59/12, Tz. 31 ff – BKK Mobil Oil/Zentrale
Für die Zwecke der Anwendung der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken stimmen die Begriffe „Unternehmen“ und „Gewerbetreibender“ in der Richtlinie in ihrer Bedeutung und rechtlichen Tragweite überein.
Aus dem Wortlaut von Art. 2 Buchst. b der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken ergibt sich, dass der Unionsgesetzgeber den Begriff „Gewerbetreibender“ besonders weit konzipiert hat als „jede natürliche oder juristische Person“, die eine entgeltliche Tätigkeit ausübt, und davon weder Einrichtungen, die eine im Allgemeininteresse liegende Aufgabe erfüllen, noch öffentlich-rechtliche Einrichtungen ausnimmt.
Darüber hinaus sind der Sinn und die Bedeutung des Begriffs „Gewerbetreibender“, wie er in der Richtlinie verwendet wird, im Hinblick auf den Wortlaut der Definitionen in ihrem Art. 2 Buchst. a und b anhand des korrelativen, aber antinomischen Begriffs „Verbraucher“ zu bestimmen, der jeden nicht gewerblich oder beruflich Tätigen bezeichnet (vgl. entsprechend Urt. v. 19.1.1993, C‑89/91, Tz. 22 - Shearson Lehman Hutton).
Ebenso EuGH, Urt. v. 4.10.2018, C-105/17, Tz. 33 – Kamenova
EuGH, Urt. v. 4.10.2018, C-105/17, Tz. 34 f – Kamenova
Der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist zu entnehmen, dass sich ein Verbraucher im Vergleich zu einem Gewerbetreibenden in einer unterlegenen Position befindet, da er als wirtschaftlich schwächer und rechtlich weniger erfahren als sein Vertragspartner angesehen werden muss.
Folglich ist der Begriff „Gewerbetreibender“ im Sinne von Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 2005/29 ein funktionaler Begriff, der die Beurteilung impliziert, ob die Vertragsbeziehung oder die Geschäftspraxis innerhalb der Tätigkeiten liegt, die eine Person im Rahmen ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit vornimmt.
EuGH, Urt. v. 4.10.2018, C-105/17, Tz. 37 f – Kamenova
Eine Einstufung als „Gewerbetreibender“ bzw. „Unternehmer“ erfordert eine „Vorgehensweise von Fall zu Fall“. Folglich wird das vorlegende Gericht auf der Grundlage aller ihm vorliegenden tatsächlichen Angaben prüfen müssen, ob eine natürliche Person, die auf einer Online-Plattform gleichzeitig acht Anzeigen veröffentlicht hat, in denen neue und gebrauchte Waren zum Verkauf angeboten wurden, im Rahmen ihrer gewerblichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit oder im Namen oder Auftrag eines Gewerbetreibenden bzw. Unternehmers gehandelt hat.
Das Gericht wird insbesondere zu untersuchen haben, ob der Verkauf über die Online-Plattform planmäßig erfolgte, ob mit diesem Verkauf Erwerbszwecke verfolgt wurden, ob der Verkäufer über Informationen oder technische Fähigkeiten hinsichtlich der von ihm zum Verkauf angebotenen Waren verfügt, über die der Verbraucher nicht notwendigerweise verfügt, so dass er sich gegenüber diesem Verbraucher in einer vorteilhafteren Position befindet, ob der Verkäufer eine Rechtsform hat, die ihm die Vornahme von Handelsgeschäften erlaubt, und in welchem Ausmaß der Online-Verkauf mit einer wirtschaftlichen Tätigkeit des Verkäufers zusammenhängt, ob der Verkäufer mehrwertsteuerpflichtig ist, ob der Verkäufer, der im Namen oder im Auftrag eines bestimmten Gewerbetreibenden oder durch eine andere Person auftritt, die in seinem Namen oder Auftrag handelt, eine Vergütung oder Erfolgsbeteiligung erhalten hat, ob der Verkäufer neue oder gebrauchte Waren zum Zweck des Wiederverkaufs erwirbt und dieser Tätigkeit auf diese Weise eine gewisse Regelmäßigkeit, Häufigkeit und/oder Gleichzeitigkeit im Verhältnis zu seiner gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit verleiht, ob die zum Verkauf gestellten Waren alle gleichartig sind oder denselben Wert haben, insbesondere, ob sich das Angebot auf eine begrenzte Anzahl von Waren konzentriert.
Diese Kriterien sind weder abschließend noch ausschließlich, so dass der Umstand, dass eines oder mehrere von ihnen erfüllt sind, für sich genommen grundsätzlich nicht ausreicht, um zu beurteilen, ob der Online-Verkäufer unter den Begriff „Gewerbetreibender“ bzw. „Unternehmer“ fällt.
EuGH, Urt. v. 3.10.2013, C‑59/12, Tz. 36 – BKK Mobil Oil/Zentrale
Der Gerichtshof hat bereits entschieden, dass dem Begriff „Verbraucher“ entscheidende Bedeutung für die Zwecke der Auslegung dieser Richtlinie zukommt und dass ihre Bestimmungen im Wesentlichen aus der Sicht des Verbrauchers als des Adressaten und Opfers unlauterer Geschäftspraktiken konzipiert sind (vgl. in diesem Sinne Urt. v. 12.5.2011, C‑122/10, Tz. 22 und 23 - Ving Sverige, sowie Urt. v. 19.9.2013, C‑435/11, Tz. 43 - CHS Tour Services).
EuGH, Urt. v. 3.10.2013, C‑59/12, Tz. 38 – BKK Mobil Oil/Zentrale
Angesichts dessen ist eine Einrichtung wie eine öffentlich-rechtliche Krankenkasse als „Gewerbetreibender“ im Sinne der Richtlinie einzustufen.
Die Entscheidung erging auf der Grundlage einer Vorlagefrage des BGH: BGH, Beschl. v. 18.1.2012, I ZR 170/10, Tz. 15 - Betriebskrankenkasse. Im Anschluss an die EuGH-Entscheidung: BGH, Urt. v. 30.4.2014, I ZR 170/10 - Betriebskrankenkasse II
EuGH, Urt. v. 3.10.2013, C‑59/12, Tz. 26 – BKK Mobil Oil/Zentrale
Es ist unerheblich, wie die Einordnung, die Rechtsstellung und die spezifischen Merkmale der Einrichtung nach nationalem Recht ausgestaltet sind.
EuGH, Urt. v. 3.10.2013, C‑59/12, Tz. 37 – BKK Mobil Oil/Zentrale
Der öffentliche oder private Charakter der Einrichtung sowie die spezielle von ihr wahrgenommene Aufgabe sind unerheblich
BGH, Urt. v. 22.1.2014, I ZR 218/12, Tz. 17 – Nordjob-Messe
Der Gerichtshof der Europäischen Union hat entschieden, dass es für die Eröffnung des persönlichen Anwendungsbereichs der Richtlinie 2005/29/EG unerheblich ist, wie die Einordnung und die Rechtsstellung der fraglichen Einrichtung (hier: die Beklagte) nach nationalem Recht ausgestaltet ist. Die Richtlinie gilt nach ihrem Art. 3 Abs. 1 "für unlautere Geschäftspraktiken … von Unternehmen gegenüber Verbrauchern vor, während und nach Abschluss eines … Handelsgeschäfts". Der in der Richtlinie ebenfalls verwendete Begriff "Gewerbetreibender" stimmt in seiner Bedeutung und rechtlichen Tragweite mit dem Begriff "Unternehmen" überein. Beide Begriffe umfassen daher gemäß Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 2005/29/EG jede natürliche oder juristische Person, die eine entgeltliche Tätigkeit ausübt. Einrichtungen, die eine im Allgemeininteresse liegende Aufgabe erfüllen, werden davon ebenso wenig ausgenommen wie öffentlich-rechtliche Einrichtungen (EuGH, Urt. v. 3.10.2013, C-59/12, Tz. 26, 28, 32 - BKK MOBIL OIL).
OLG Hamburg, Urt. v. 24.10.2024, 5 U 83/23, Tz. 112
Der Begriff des Unternehmers ist grds. weit auszulegen. Geboten ist eine wirtschaftliche Betrachtungsweise, die auf die tatsächliche Stellung im Wettbewerb abhebt. Erforderlich ist eine auf Dauer angelegte, selbstständige wirtschaftliche Betätigung, die darauf gerichtet ist, Waren oder Dienstleistungen gegen Entgelt zu vertreiben (Köhler/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 42. Aufl., § 8 Rn. 3.27b). Der Mitbewerber muss seine unternehmerische Tätigkeit im Zeitpunkt der Verletzungshandlung bereits aufgenommen haben und er darf sie im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung noch nicht beendet haben. Maßstab hierfür ist, ob der Betreffende schon oder noch als Wettbewerber auf dem Markt anzusehen ist. Die Anerkennung eines nur potentiellen Wettbewerbsverhältnisses hat der Bundesgerichtshof abgelehnt, um der Gefahr der uferlosen Ausweitung der Anspruchsberechtigung des Mitbewerbers vorzubeugen (BGH GRUR 2021, 1207 Rn. 15 – Vorsicht Falle; BGH GRUR 2020, 303 Rn. 42 – Pflichten des Batterieherstellers). Nicht ausreichend ist z.B. die bloße Anmeldung und Eintragung einer Marke, soweit es um den Vertrieb von Waren oder Dienstleistungen unter einer Marke geht (Köhler/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 42. Aufl., § 8 Rn. 3.29).
Die Definition des Unternehmers in § 14 Abs. 1 BGB, die bis zur vorstehenden EuGH-Entscheidung maßgeblich war, ist demgegenüber nachrangig.
BGH, Urt. v. 21.1.2016, I ZR 252/14, Tz. 18 - Kundenbewertung im Internet
Ohne Bedeutung für die Unternehmenseigenschaft ist, dass Waren nur konzernintern veräußert werden. Für den Unternehmerbegriff des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb kommt es gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 6 UWG allein darauf an, ob eine natürliche oder juristische Person geschäftliche Handlungen im Rahmen ihrer gewerblichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit vornimmt. … Die Unternehmereigenschaft im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 6 UWG ist danach abstrakt zu bestimmen. Für den Unternehmerbegriff kommt es nicht darauf an, ob der Anspruchssteller selbst konkret geschäftliche Handlungen der Art vornimmt wie derjenige, dessen Handeln er lauterkeitsrechtlich beanstandet.
Zu einer Influencerin auf Instagram:
KG, Urt. v. 8.1.2019, 5 U 83/18, B.II.1.a – Vreni Frost
Da die Antragsgegnerin die kommerzielle Vermarktung ihres eigenen Images zum Geschäftsmodell gemacht hat, ist sie Unternehmerin im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 6 UWG). Posts sind keine private Selbstdarstellung auf der Grundlage reiner Mitteilungsfreudigkeit, sondern darauf gerichtet, Aufmerksamkeit und Resonanz sowohl in Verbraucher- wie auch in Unternehmerkreisen zu erzielen, die das Image der Darstellerin stärken und damit das eigene Unternehmen fördern, etwa durch die Erhöhung der Zahl der Follower und der Zahl der Kommentare der Besucher ihres Auftritts unter Instagram. Die Aufwertung des Images der Antragsgegnerin und ihres Bildes in den angesprochenen Verkehrskreisen (Verbraucher und Unternehmer) ist gleichbedeutend mit einer Steigerung des Wertes der von ihr angebotenen Dienstleistungen.
OLG Hamburg, Urt. v. 31.8.2023, 5 U 27/22, Tz. 55
Wird das Unternehmen von einer Gesellschaft betrieben, ist als Unternehmer grundsätzlich nur die Gesellschaft als Inhaber des Unternehmens anzusehen und nicht der oder die einzelnen Gesellschafter (OLG Hamm Urt. v. 14.11.2013 – 4 U 88/13).
Zur öffentlichen Hand:
OLG Köln, Beschl. v. 7.2.2024, 6 U 109/23, Tz. 21
Das Bundesministerium für Gesundheit tritt durch die Erfüllung der ihm in § 395 SGB V zugewiesenen öffentlichen Aufgabe nicht als Unternehmer in ein konkretes Wettbewerbsverhältnis mit den Anbietern anderer Gesundheitsportale, weil das sich im Rahmen der Ermächtigungsgrundlage haltende Informationsangebot kostenfrei und nicht werbefinanziert ist. Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt wesentlich von den Sachverhalten, die den bisherigen wettbewerbsrechtlichen BGH-Entscheidungen zu staatlichen Medienangeboten im Hinblick auf das Gebot der Staatsferne der Presse (Crailsheimer Stadtblatt II, Urteil vom 20.12.2018, I ZR 112/17; dortmund.de, Urteil vom 14.07.2022, I ZR 97/21, muenchen.de, Urteil vom 13.07.2023, I ZR 152/21) zugrunde lagen. Dabei hat der BGH in der letzten Entscheidung die Bedeutung der Entgeltlichkeit betont, indem er ausführt: „Diese Beurteilung [keine hoheitliche Tätigkeit] hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand. Im Streitfall liegt schon wegen der auf dem Stadtportal veröffentlichten Anzeigenwerbung eine geschäftliche Handlung vor“ (Urteil vom 13.07.2023, I ZR 152/21 - muenchen.de, juris, Tz. 17; in der BGH-Entscheidung WarnWetterApp war die unentgeltliche Erbringung der meteorologischen Dienstleistung von der Ermächtigungsgrundlage des § 4 Abs. 6 DWDG nicht gedeckt und daher das Handeln der dortigen Beklagten als wettbewerbswidrige geschäftliche Handlung i.S.d. § 2 UWG anzusehen, s. Urteil vom 12.03.2020, I ZR 126/18, juris, Tz. 42, 47 ff.). Mangels Entgeltlichkeit der von der Beklagten angebotenen Dienstleistung ist auch nicht erkennbar, dass / in welcher Weise eigener oder fremder Wettbewerb gefördert werden soll.