Ihr Rechtsanwalt im Wettbewerbsrecht
Dr. Hermann-Josef Omsels*

Eine Darstellung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und wettbewerbsrechtlicher Nebengesetze



 

5. Höhe der Rechtsanwaltskosten

1. Höhe des Aufwendungsersatzanspruchs 

2. Berechnung der Rechtsanwaltskosten nach RVG

3. Berechnungsgrundlage Gegenstandswert/Streitwert

4. Erstattung der Mehrwertsteuer?

5. Besonderheiten bei Abmahnaktionen

Höhe des Aufwendungsersatzanspruchs

Der Aufwendungsersatzanspruch richtet sich der Höhe nach in erster Linie nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG).

BGH, Urt. v. 13.11.2013, X ZR 171/12, Tz. 12 - Einkaufskühltasche

Hat der Schuldner … für die Kosten anwaltlicher Beratung einzustehen, die der Gläubiger ... in Anspruch nehmen durfte, ist der Höhe nach die Vergütung zu erstatten, die der Rechtsanwalt nach den einschlägigen Bestimmungen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes von seinem Auftraggeber verlangen kann.

Allerdings sind nur die dem Abmahnenden tatsächlich entstandenen Rechtsanwaltshonorare erstattungspflichtig. Wenn der Abmahnende mit seinem Rechtsanwalt eine Honorarvereinbarung getroffen hat, ist nur dass dem Rechtsanwalt tatsächlich zustehende Honorar erstattungsfähig, und auch das nur bis zu der Höhe, in der ein Honorar auf der Grundlage des RVG geschuldet worden wäre.

Wenn zwischen dem Unterlassungsgläubiger und seinem Rechtsanwalt eine Honorarvereinbarung geschlossen wurde, hat der Unterlassungsschuldner den Betrag zu erstatten, der nach der Honorarvereinbarung geschuldet wird, höchstens aber den Betrag nach dem RVG.

OLG Frankfurt, Urt. v. 11.4.2019, 6 U 90/18

Wenn zwischen dem Abmahnenden und seinen Rechtsanwälten eine Honorarvereinbarung getroffen wurde, wonach der Rechtsanwalt eine geringere als die gesetzliche Vergütung nach RVG beanspruchen kann, muss der Abgemahnte nur das niedrigere Honorar erstatten. Streitig ist, wer die Darlegungs- und Beweislast trägt. „Dass in Sachen des gewerblichen Rechtsschutzes und des Lauterkeitsrechts Anwälte auf der Grundlage von Honorarvereinbarungen zu Gebührensätzen tätig werden, deren Höhe die Gebühren nach dem RVG unterschreiten, erscheint erfahrungswidrig.“

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Berechnung der Rechtsanwaltskosten nach RVG

BGH, Urt. v. 19.5.2010, I ZR 140/08, Tz. 27, 29 ff - Vollmachtsnachweis

Die Höhe der Anwaltskosten bemisst sich nach Nr. 2300 RVG VV (sog. Geschäftsgebühr).

Innerhalb des nach Nr. 2300 RVG VV bestehenden Rahmens einer 0,5 bis 2,5-fachen Gebühr bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühr nach näherer Maßgabe des § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG nach billigem Ermessen. In durchschnittlichen Fällen ist die in der Bemerkung zu Nr. 2300 RVG VV angeführte 1,3-fache Gebühr die Regelgebühr.

Bei einer wettbewerbsrechtlichen Abmahnung ist in einem durchschnittlichen Fall nicht von einer unter dem Regelsatz liegenden 1,3-fachen Gebühr auszugehen.

BGH, Urt. v. 22.3.2011, VI ZR 63/10, Tz. 24

Die für eine Abmahnung oder ein Abschlussschreiben entstehende Geschäftsgebühr ist im Allgemeinen auf der Grundlage von Nr. 2300 RVG VV zu berechnen, die einen Gebührenrahmen von 0,5 bis 2,5 vorsieht. Ein Abschlussschreiben erschöpft sich in der Regel nicht in einer bloßen Bezugnahme auf die bereits ergangene einstweilige Verfügung, sondern verfolgt insbesondere das Ziel, einen Verzicht des Antragsgegners auf sämtliche Gegenrechte herbeizuführen. Der Schwierigkeitsgrad eines solchen Schreibens ist daher in der Regel höher anzusetzen als bei bloßen Zahlungsaufforderungen, Mahnungen oder Einwohnermeldeamtsanfragen, die anerkanntermaßen der Nr. 2302 RVG VV unterfallen. Zudem bedarf es nach Zugang der Abschlusserklärung im Regelfall einer Prüfung, ob die abgegebene Erklärung zur Erreichung des Sicherungsziels inhaltlich ausreicht.

OLG Frankfurt, Beschl. v. 18.6.2018, 6 U 93/17, 2.e

Welche Gebühr der Rechtsanwalt für seine Tätigkeit im Einzelfall verdient hat, bestimmt der Rechtsanwalt gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG unter Berücksichtigung aller Umstände (Umfang und Schwierigkeit der Tätigkeit, Bedeutung der Angelegenheit für den Auftraggeber; Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Auftraggebers) nach billigem Ermessen (§ 315 Abs. 1 BGB). Bei der Einschätzung ist zunächst von der vorgegebenen Mittelgebühr in Höhe von 1,5 auszugehen, sodann ist die zusätzliche Vorgabe der Nr. 2300 VV RVG zu prüfen, die vorsieht, dass eine Geschäftsgebühr von mehr als 1,3 nur gefordert werden kann, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war. Eine 1,3 Gebühr ist daher regelmäßig als angemessen anzusehen, wenn nicht besondere Umstände vorliegen, die zwingend eine niedrigere Festsetzung erzwingen.

Zwischenzeitlich war angenommen worden, dass die 1,3 Gebühr vom Rechtsanwalt nach eigener Einschätzung der Schwierigkeit der Sache auf eine 1,5 Gebühr erhöht werden könne, ohne dass diese Erhöhung vom Gericht überprüft werden kann (vgl. etwa OLG Frankfurt, Urt. v. 1.12.2011, 6 U 251/10, Tz. 44). Diese Rechtsprechung ist aber überholt:

BGH, Urt. v. 11.7.2012, VIII ZR 323/11, Tz. 8, 10 ff

Gemäß § 2 Abs. 2 RVG in Verbindung mit Nr. 2300 des Vergütungsverzeichnisses in der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG kann eine Geschäftsgebühr von mehr als 1,3 nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig, mithin "überdurchschnittlich" war. Dementsprechend ist bei der vom Gericht anzustellenden Schlüssigkeitsprüfung … zu prüfen, ob eine Überschreitung der "Kappungsgrenze" von 1,3 wegen überdurchschnittlichen Umfangs oder überdurchschnittlicher Schwierigkeit gerechtfertigt ist. …

Zwar steht dem Rechtsanwalt gemäß § 14 Abs. 1 RVG bei Rahmengebühren wie der Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 ein Ermessensspielraum zu. Solange sich die vom Rechtsanwalt im Einzelfall bestimmte Gebühr innerhalb einer Toleranzgrenze von 20 % bewegt, ist die Gebühr nicht unbillig im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG und daher von einem ersatzpflichtigen Dritten hinzunehmen.

Diese Toleranzrechtsprechung zu Gunsten des Rechtsanwalts, der eine Gebühr von mehr als 1,3 beansprucht, greift aber nur dann ein, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen der Nr. 2300 für eine Überschreitung der Regelgebühr von 1,3 vorliegen Das ergibt sich auch aus der Gesetzesbegründung, nach der eine Ausnutzung des Gebührenrahmens unter den Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 RVG bis zum 2,5-fachen der Gebühr nur bei schwierigen oder umfangreichen Sachen im billigen Ermessen des Anwalts steht, während es bei der Regelgebühr von 1,3 verbleibt, wenn Umfang und Schwierigkeit der Sache nur von durchschnittlicher Natur sind.

Daher ist eine Erhöhung der Regelgebühr von 1,3 auf eine 1,5-fache Gebühr hinsichtlich des Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Überschreitung der Regelgebühr von 1,3 nicht der gerichtlichen Überprüfung entzogen. Andernfalls könnte der Rechtsanwalt für durchschnittliche Sachen, die nur die Regelgebühr von 1,3 rechtfertigen, ohne Weiteres eine 1,5-fache Gebühr verlangen. Das verstieße gegen den Wortlaut und auch gegen den Sinn und Zweck des gesetzlichen Gebührentatbestandes in Nr. 2300, der eine Erhöhung der Geschäftsgebühr über die Regelgebühr hinaus nicht in das Ermessen des Rechtsanwalts stellt, sondern bestimmt, dass eine Gebühr von mehr als 1,3 nur gefordert werden kann, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig und damit überdurchschnittlich war.

Im Ergebnis ist zwar eine Erhöhung des Gebührensatzes von einer 1,3 Gebühr bis auf eine 2.5 Gebühr theoretisch möglich. Die Erhöhung muss aber begründet werden - und die Begründung muss vom Gericht anerkannt werden. Allein der Hinweis auf das UWG als schwierige Rechtsmaterie reicht als Begründung nicht aus.

BGH, Urt. v. 13.11.2013, X ZR 171/12, Tz. 27 - Einkaufskühltasche

Die Klägerin muss dartun, dass die geltend gemachte Forderung nach den Bestimmungen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes in voller Höhe gerechtfertigt ist.

Zu einer Abmahnung aus einem Gebrauchsmuster:

BGH, Urt. v. 13.11.2013, X ZR 171/12, Tz. 23, 25 - Einkaufskühltasche

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann eine Erhöhung der Geschäftsgebühr über den 1,3-fachen Regelsatz hinaus nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit des Rechtsanwalts umfangreich oder schwierig und damit überduchschnittlich war, wohingegen die Schwellengebühr von 1,3 die Regelgebühr für durchschnittliche Fälle ist. ...

Gebrauchsmuster- oder Gemeinschaftsgeschmacksmusterschutzsachen können nicht allein wegen ihres Gegenstands pauschal als überdurchschnittlich umfangreich oder schwierig bewertet werden. Dies gilt insbesondere, wenn weder die Schutzfähigkeit in Ansehung des Standes der Technik bzw. vorbekannter Gestaltungen zu beurteilen ist noch im Zusammenhang mit der geltend gemachten Verletzung aufwendige oder komplexe Prüfungen erforderlich sind (vgl. BGH, Urt. v. 9.6.2011, X ZR 143/10, Tz. 22 - Rettungsdienstleistungen II).

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Berechnungsgrundlage Gegenstandswert/Streitwert

Der Gegenstandswert oder Streitwert ist relevant für die Bestimmung der Gebühren, die die beteiligten Gerichte nach dem Gerichtskostengesetz (GKG) erhalten, und die Bestimmung der Honorare, die die beteiligten Anwälte nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) erhalten.

Die Bemessung des Streitwerts für den Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch richtet sich über § 23 Abs. 1 RVG nach 51 GKG. Näheres dazu hier. Die Festsetzung des Streitwerts für andere Ansprüche richtet sich nach §§ 3 ZPO, 48 GKG.

Probleme bereitet die Bestimmung des Gegenstandswerts für die Abmahnung, weil der Streitwert des einstweiligen Verfügungsverfahrens und des Hauptsacheverfahrens auseinanderfallen (dazu mehr hier). In diesen Fällen stellt sich die Frage, nach welchem Streitwert sich die Abmahnung berechnet, nach dem Wert des einstweiligen Verfügungsverfahrens, dass einer erfolglosen Abmahnung folgt, oder dem Wert der Hauptsache. Dieses Thema diskutiert ausführlich Klein in GRUR 2012, 882, der sich - m.E. zurecht - dafür ausspricht, dass der Wert der Hauptsache zugrunde zu legen ist. So auch

OLG Hamm, Urt. v. 23.1.2014, 4 U 118/13, Tz. 34

Da die Abmahnung auf eine endgültig Beilegung des Wettbewerbsstreites gerichtet ist, muss vom Wert der Hauptsache als Gegenstandswert der Abmahnung ausgegangen werden (Köhler/Bornkamm, UWG, § 12 Rn. 1.96).

In eine andere Richtung weist aber das Kammergericht (in einer Einzelrichterentscheidung):

KG Berlin, Urt. v. 3.8.2012, 5 U 169/11

Die Abmahnung hat hier das Eilverfahren vorbereitet, denn einer Vorbereitung der Hauptsachenklage diente das Abschlussschreiben, mithin nicht schon die Abmahnung, und die Geschäftsgebühr wegen der Abmahnung betraf deshalb denselben Gegenstand wie die Verfahrensgebühr des Eilverfahrens (vgl. auch BGH, WRP 2011, 894, Tz. 14).

Der Streitwert der Abmahnung ist in der Regel auch der Wert, den der Abgemahnte daran hat, dass festgestellt wird, dass der erhobene Unterlassungsanspruch nicht besteht.

OLG Frankfurt, Urt. v. 25.3.2014, 11 U 14/13, Tz. 42

Allerdings gilt nach ständiger Rechtsprechung des BGH für den Wert gerichtlicher Verfahren der Grundsatz, dass das Interesse des zur Unterlassung verurteilten Beklagten an der Beseitigung der Verurteilung regelmäßig dem Interesse des Klägers an dieser Verurteilung entspricht (BGH GRUR 2013, 1067, Tz.  12, 17; Beschlüsse vom 24.2.2011 und 5.5.2011, I ZR 220/10). Danach ist zwar bei der Bemessung des (Rechtsmittel)interesses des Beklagten an der Beseitigung einer Verurteilung auch der Aufwand zu berücksichtigen, den der Beklagte zur Einhaltung einer entsprechenden Verpflichtung betreiben muss; dieser Aspekt kann jedoch nur zu einem höheren Wert führen (BGH aaO). Diese Grundsätze sind nach Auffassung des Senats auf die Feststellung des außergerichtlichen Verfahrenswertes ohne weiteres übertragbar. Dabei macht es auch keinen Unterschied, ob sich der Abgemahnte - gerichtlich oder außergerichtlich - gegen die Abmahnung „nur“ mit dem Ziel wendet, den Abmahnenden zur Abstandnahme von den behaupteten Ansprüchen zu bewegen oder ob er sich - wie hier - gegen die Abmahnung unter dem Gesichtspunkt eines Eingriffs in den Gewerbebetrieb wehrt.

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Erstattung der Mehrwertsteuer?

Lit.: Pustovalov, Evgeny/Johnen, Janina, Auswirkungen der umsatzsteuerrechtlichen Behandlung von Abmahnungen durch den BFH auf die Praxis der Rechtsverfolgung im 'grünen Bereich' und darüber hinaus, WRP 2019, 857

Wenn der Unterlassungsgläubiger die Abmahnung durch einen Rechtsanwalt ausspricht, fällt Umsatzsteuer an. Lange Zeit ging die Praxis davon aus, dass diese Umsatzsteuer nicht vom abgemahnten Unterlassungsschuldner erstattet werden muss, weil der Unterlassungsgläubiger sie als eine Leistung, die er vom Rechtsanwalt bezieht, im Rahmen des Vorsteuerausgleichs mit Umsatzsteuer, die er für eigene Leistungen in Rechnung stellt, verrechnen kann.

Dieser Praxis hat der Bundesfinanzhof widersprochen. Der Unterlassungsgläubiger erbringt nach seiner Ansicht mit der Abmahnung eine Leistung gegenüber dem Unterlassungsschuldner, die umsatzsteuerpflichtig ist. Deshalb muss der Unterlassungsgläubiger (nicht sein Rechtsanwalt) dem Unterlassungsschuldner für die Abmahnung eine Rechnung mit ausgewiesener Umsatzsteuer legen, die der Unterlassungsschuldner erstatten muss. Diese Rechnung liegt in aller Regel in der gleichen Höhe, wie die Rechnung des Rechtsanwalt an den Unterlassungsgläubiger.

BFH, Urt. v. 21.12.2016, XI R 27/14, Tz. 14, 18

Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG unterliegen der Umsatzsteuer die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Entgelt ist gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG grundsätzlich alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer. ...

Eine Leistung gegen Entgelt liegt regelmäßig auch dann vor, wenn der Leistende im Auftrag des Leistungsempfängers für diesen eine Aufgabe Übernimmt und insoweit gegen Aufwendungsersatz tätig wird. Dasselbe gilt auch dann, wenn ein Unternehmer für einen anderen als Geschäftsführer ohne Auftrag tätig wird und von ihm nach § 683 des Bürgerlichen Gesetzbuchs den Ersatz seiner Aufwendungen verlangen kann.

BFH, Urt. v. 21.12.2016, XI R 27/14, Tz. 23 ff

Der BFH hat zu einem sog. Abmahnverein entschieden, dass dieser an den abgemahnten Unternehmer eine Leistung gegen Entgelt i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG erbringt, soweit er für diesen als Geschäftsführer ohne Auftrag tätig wird; zwischen der Geschäftsführungsleistung und dem Aufwendungsersatz, der dem Abmahnverein zusteht, bestehe ein unmittelbarer Zusammenhang, der Aufwendungsersatz ist der Gegenwert für die Abmahnleistung des Vereins.

Auch die Klägerin als Mitbewerberin i.S. des § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG hat mit ihren Abmahnungen gegenüber Mitbewerbern steuerbare und steuerpflichtige Leistungen erbracht. Das bestimmende Rechtsverhältnis zwischen Mitbewerbern ist insofern kein anderes. ...

Mit den Abmahnungen hat die Klägerin ihren Mitbewerbern einen Weg gewiesen, sie als Gläubigerin ohne Inanspruchnahme der Gerichte klaglos zu stellen, und ihnen hiermit einen konkreten Vorteil verschafft, der zu einem Verbrauch i.S. des gemeinsamen Mehrwertsteuerrechts führte.

Der Einordnung der streitgegenständlichen Abmahnungen als Leistungen i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG steht schließlich nicht entgegen, dass die Klägerin die Erstattung ihrer Rechtsverfolgungskosten ggf. nicht nur aufgrund § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG als Aufwendungsersatz beanspruchen konnte, sondern diese Kosten bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen (auch) zu dem wegen einer unerlaubten Handlung zu ersetzenden Schaden gehören können.

Denn die Frage, ob ein Leistungsaustausch im umsatzsteuerrechtlichen Sinne vorliegt, ist nicht nach zivilrechtlichen, sondern ausschließlich nach den vom Unionsrecht geprägten umsatzsteuerrechtlichen Vorgaben zu beantworten. Die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Neutralität der Mehrwertsteuer gebieten, die Abmahnleistung, die der Abmahnende an den Abgemahnten erbringt, gleich zu besteuern, ob sie nun zivilrechtlich auf § 9 UWG oder auf § 12 UWG gestützt ist.

Diese Rechtsprechung wurde mittlerweile vom BGH bestätigt.

BGH, Beschl. v. 21.1.2021, I ZR 87/20, Tz. 10

Nach der nunmehr gefestigten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs sind Zahlungen, die an einen Unternehmer als Aufwendungsersatz aufgrund von urheberrechtlichen oder wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen zur Durchsetzung eines Unterlassungsanspruch geleistet werden, umsatzsteuerrechtlich als Entgelt im Rahmen eines umsatzsteuerbaren Leistungsaustauschs zwischen dem Unternehmer und dem von ihm abgemahnten Rechtsverletzer zu qualifizieren (vgl. BFH, GRUR 2003, 718; GRUR 2017, 826; GRUR 2019, 825; die gegen die letzte Entscheidung gerichtete Verfassungsbeschwerde hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 27. Dezember 2019 - 1 BvR 1327/19 – nicht zur Entscheidung angenommen). Diese Rechtsprechung, die sich konkret nur auf das Wettbewerbs- und das Urheberrecht bezieht, ist auf den gesamten Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes auszudehnen und findet insbesondere auch im Kennzeichenrecht Anwendung (vgl. Bornkamm/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 39. Aufl., § 13 Rn. 136a; Omsels, jurisPR-WettbR 6/2017 Anm. 1).

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Besonderheiten bei Abmahnaktionen

Die Berechnung der zu erstattenden Kosten bei einer Mehrzahl von Abmahnungen durch einen Anwalt für einen Mandanten ist schwierig. Der BGH geht davon aus, dass es sich bei mehreren Abmahnungen um ein und dieselbe Angelegenheit im Sinne des § 15 Abs. 2 RVG handeln kann, so dass dafür nur eine Gebühr geschuldet wird. Die müssen die Abgemahnten dann nur jeweils nach dem Anteil erstatten, der auf sie entfällt.

BGH, Urt. v. 6.6.2019, I ZR 150/18 - Der Novembermann

Die gegenüber der Beklagten erfolgte Abmahnung stellte mit den weiteren im Zeitraum von Dezember 2016 bis Januar 2017 ausgesprochenen Abmahnungen nur eine Angelegenheit rechtsanwaltlicher Tätigkeit im Sinne des § 15 Abs. 2 RVG dar. Nach dieser Vorschrift kann der Rechtsanwalt die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs betreffen weisungsgemäß erbrachte anwaltliche Leistungen in der Regel dieselbe Angelegenheit, wenn zwischen ihnen ein innerer Zusammenhang besteht und sie sowohl inhaltlich als auch in der Zielsetzung so weitgehend übereinstimmen, dass von einem einheitlichen Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit gesprochen werden kann. Ein einheitlicher Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit kann grundsätzlich auch dann noch vorliegen, wenn der Anwalt zur Wahrnehmung der Rechte des Geschädigten verschiedene, in ihren Voraussetzungen voneinander abweichende Anspruchsgrundlagen zu prüfen oder mehrere getrennte Prüfungsaufgaben zu erfüllen hat. Denn unter einer Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne ist das gesamte Geschäft zu verstehen, das der Rechtsanwalt für den Auftraggeber besorgen soll. Ihr Inhalt bestimmt den Rahmen, innerhalb dessen der Rechtsanwalt tätig wird. Die Angelegenheit ist von dem Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit abzugrenzen, der das konkrete Recht oder Rechtsverhältnis bezeichnet, auf das sich die anwaltliche Tätigkeit bezieht. Eine Angelegenheit kann durchaus mehrere Gegenstände umfassen. Für einen einheitlichen Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit reicht es grundsätzlich aus, wenn die verschiedenen Gegenstände in dem Sinn einheitlich vom Anwalt bearbeitet werden können, dass sie verfahrensrechtlich zusammengefasst oder in einem einheitlichen Vorgehen - zum Beispiel in einem einheitlichen Abmahnschreiben - geltend gemacht werden können. Ein innerer Zusammenhang zwischen den anwaltlichen Leistungen ist zu bejahen, wenn die verschiedenen Gegenstände bei objektiver Betrachtung und unter Berücksichtigung des mit der anwaltlichen Tätigkeit nach dem Inhalt des Auftrags erstrebten Erfolgs zusammengehören.

Eine Angelegenheit kann auch vorliegen, wenn ein dem Rechtsanwalt zunächst erteilter Auftrag vor dessen Beendigung später ergänzt wird. Ob eine Ergänzung des ursprünglichen Auftrags vorliegt oder ein neuer Auftrag erteilt wurde, ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls festzustellen.

Ebenso BGH, Vers-Urt. v. 23.3.2023, I ZR 17/22, Tz. 74 ff – Aminosäurekapseln

Siehe dazu Büscher, Wolfgang: Die Entscheidung "Der Novembermann" des I. Zivilsenats des BGH, GRUR 2021, 162

Das Urteil ist zu einem urheberrechtlichen Sachverhalt ergangen, gilt aber auch im UWG:

BGH, Vers-Urt. v. 23.3.2023, I ZR 17/22, Tz. 78 – Aminosäurekapseln

Die zuvor dargestellten Maßstäbe der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu § 15 Abs. 2 RVG sind grundsätzlich auch auf lauterkeitsrechtliche Fallkonstellationen anwendbar.

Ebenso OLG Frankfurt, Beschl. v. 12.5.2021, 6 W 23/21, II.4

Die Rechtsprechung führt zu einigen Problemen, die noch nicht abschließend geklärt sind, z.B.

  • Gesamtschuld der Abgemahnten (und Gesamtschuldnerausgleich); siehe BGH, Urteil vom 22. Januar 2019 - VI ZR 402/17
  • Umfang der Offenlegungspflicht durch den Abmahnenden (Nennung von Details zu Abmahnungen und zugrunde liegenden Sachverhalten, damit geprüft werden kann, ob ein innerer Zusammenhang vorliegt und welcher Anteil der Gebühr ein Abgemahnter tragen muss)

BGH, Vers-Urt. v. 23.3.2023, I ZR 17/22, Tz. 75 – Aminosäurekapseln

Der verfahrensrechtliche Zusammenhang wird grundsätzlich nicht dadurch gesprengt, dass bei einem außergerichtlichen Vorgehen gegen verschiedene Rechtsverletzer an jeden Adressaten ein eigenes Abmahnschreiben zu richten ist. Dies gilt insbesondere bei der Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen gegenüber Rechtsverletzern, denen eine gleichgerichtete Verletzungshandlung vorzuwerfen ist, so dass die erforderlichen Abmahnungen einen identischen oder zumindest weitgehend identischen Inhalt haben. Eine wirtschaftliche oder rechtliche Verbundenheit der abgemahnten Unternehmen ist in einer solchen Fallgestaltung nicht erforderlich (BGH, GRUR 2019, 1044 [juris Rn. 31] - Der Novembermann, mwN).

Aber;

BGH, Vers-Urt. v. 23.3.2023, I ZR 17/22, Tz. 78 – Aminosäurekapseln

Für einen inneren Zusammenhang reicht es nicht aus, dass die Wettbewerbshandlungen, die den Kläger zur Abmahnung veranlasst haben, hinsichtlich ihrer rechtlichen Qualifikation gleichartig sind (vgl. Büscher, GRUR 2021, 162, 165). Es kann auch nicht entscheidend darauf ankommen, dass der Kläger die Auswahl der Abgemahnten seinem Prozessbevollmächtigten überlassen hat. Vielmehr hat das Berufungsgericht zutreffend darauf abgestellt, dass wegen der jeweils unterschiedlichen konkreten Wettbewerbshandlungen davon auszugehen ist, dass die mit den 25 Abmahnungen gerügten Rechtsverstöße zusammenhanglos nebeneinanderstehen (vgl. Brau, GRUR-Prax 2022, 501, 503).

Bestätigung von OLG Hamburg, Urt. v. 20.1.2022, 3 U 66/21, Tz. 21

Andererseits

OLG Frankfurt, Urt. v. 17.2.2022, 6 U 202/20 - Swatch

Für einen einheitlichen Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit reicht es grundsätzlich aus, wenn die verschiedenen Gegenstände in dem Sinn einheitlich vom Anwalt bearbeitet werden können, dass sie verfahrensrechtlich zusammengefasst oder in einem einheitlichen Vorgehen geltend gemacht werden können. Ein innerer Zusammenhang zwischen den anwaltlichen Leistungen ist zu bejahen, wenn die verschiedenen Gegenstände bei objektiver Betrachtung und unter Berücksichtigung des mit der anwaltlichen Tätigkeit nach dem Inhalt des Auftrags erstrebten Erfolgs zusammengehören (BGH GRUR 2019, 1044 Rn 24 - Der Novembermann; BGH GRUR 2019, 763 Rn 17 - Ermittlungen gegen Schauspielerin).

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Zitiervorschlag zur aktuellen Seite

Omsels, Online-Kommentar zum UWG:

http://www.webcitation.org/6qUira7cd