Ihr Rechtsanwalt im Wettbewerbsrecht
Dr. Hermann-Josef Omsels*

Eine Darstellung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und wettbewerbsrechtlicher Nebengesetze



 

K. Gewinnabschöpfung

1. Gesetzeswortlaut

2. Allgemeines zum Gewinnabschöpfungsanspruch

3. Verfassungskonformität

4. Information des Bundes

5. Rechtsmissbrauch

Prozessfinanzierung

Rechtsanwalt

6. Streitwertminderung

7. Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit

8. Zulasten einer Vielzahl

Verwendung wettbewerbswidriger AGB-Klauseln

9. Gewinn

10. Auskunft- und Rechnungslegung

Literatur: Henning-Bodewig, Frauke, Der Gewinnabschöpfungsanspruch nach § 10 UWG - ein Flop?, GRUR 2015, 731; Hamacher, Karl, Die neue Abhilfeklage und der geänderte § 10 UWG - Anwendungsbereich und Bedeutung für die künftige Klagepraxis, WRP 2024, 19

Gesetzeswortlaut

§ 10 UWG

1) Wer vorsätzlich oder grob fahrlässig eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt und hierdurch zu Lasten einer Vielzahl von Abnehmern einen Gewinn erzielt, kann von den gemäß § 8 Absatz 3 Nummer 2 bis 4 zur Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs Berechtigten auf Herausgabe dieses Gewinns an den Bundeshaushalt in Anspruch genommen werden. Ist zwischen den Parteien streitig, ob durch die unzulässige geschäftliche Handlung zu Lasten einer Vielzahl von Abnehmern ein Gewinn erzielt wurde oder wie hoch der erzielte Gewinn ist, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung.

(2) Auf den Gewinn sind die Leistungen anzurechnen, die der Schuldner auf Grund der Zuwiderhandlung an Dritte oder an den Staat erbracht hat. Soweit der Schuldner solche Leistungen erst nach Erfüllung des Anspruchs nach Absatz 1 erbracht hat, erstattet das Bundesamt für Justiz dem Schuldner den abgeführten Gewinn in Höhe der nachgewiesenen Zahlungen zurück.

(3) Beanspruchen mehrere Gläubiger den Gewinn, so gelten die §§ 428 bis 430 des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechend.

(4) Die Gläubiger haben dem Bundesamt für Justiz über die Geltendmachung von Ansprüchen nach Absatz 1 Auskunft zu erteilen.

(5) Haben die Gläubiger einen Anspruch gegen den Schuldner auf Ersatz der für die Geltendmachung des Anspruchs erforderlichen Aufwendungen und können sie vom Schuldner keinen Ausgleich erlangen, so können sie die Erstattung dieser Aufwendungen vom Bundesamt für Justiz verlangen. Der Anspruch nach Satz 1 ist auf die Höhe des an den Bundeshaushalt abgeführten Gewinns beschränkt.

(6) Die Gläubiger können vom Bundesamt für Justiz Ersatz der Aufwendungen verlangen, die für eine Finanzierung des gerichtlichen Verfahrens durch einen gewerblichen Prozessfinanzierer entstanden sind, wenn das Bundesamt für Justiz vor Einleitung des gerichtlichen Verfahrens die Inanspruchnahme dieser Finanzierung bewilligt hat. Das Bundesamt für Justiz bewilligt die Inanspruchnahme der Finanzierung, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung unter Berücksichtigung der gesamten Umstände nicht missbräuchlich ist und die Aufwendungen für den Prozessfinanzierer üblich und angemessen sind.

zurück nach oben

Allgemeines zum Gewinnabschöpfungsanspruch

§ 10 UWG enthält einen Anspruch auf Abschöpfung des Gewinns, der durch eine vorsätzlich oder grob fahrlässig begangene wettbewerbswidrige Handlung zu Lasten einer Vielzahl von Verbrauchern erzielt wurde. Dieser Gewinn kann nur von

zugunsten des Bundeshaushalt geltend gemacht werden.

BGH, Urt. v. 13.9.2018, I ZR 26/17, Tz. 12 - Prozessfinanzierer

Ansprüche auf Gewinnabschöpfung können nach § 10 Abs. 1 UWG nur von den nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 bis 4 UWG zur Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs Berechtigten erhoben werden. Die Bestimmungen des § 8 Abs. 3 Nr. 2 und 3 UWG regeln nicht nur die sachlich-rechtliche Anspruchsberechtigung, sondern auch die prozessuale Klagebefugnis.

Ebenso BGH, Urteil vom 9. Mai 2019 - I ZR 205/17, Tz. 10 - Prozessfinanzierer II

BGH, Urt. v. 13.9.2018, I ZR 26/17, Tz. 20 - Prozessfinanzierer

Die Klagebefugnis des Klägers folgt nicht schon daraus, dass dieser in die Liste qualifizierter Einrichtungen eingetragen ist. Die Notwendigkeit der Prüfung, ob die Prozessführung im konkreten Einzelfall vom Satzungszweck des klagenden Verbandes umfasst ist, bleibt davon unberührt (BGH, GRUR 2012, 415 Rn. 11 - Überregionale Klagebefugnis, mwN).

Ebenso BGH, Urteil vom 9. Mai 2019 - I ZR 205/17, Tz. 15 - Prozessfinanzierer II

BGH, Urteil vom 9. Mai 2019 - I ZR 205/17, Tz. 12 - Prozessfinanzierer II

Für die Klagebefugnis ist es nicht erforderlich, dass der Kläger mit finanziellen Mitteln ausgestattet ist, die es ihm erlauben, die Kosten eines Gewinnabschöpfungsanspruchs selbst zu tragen.

BGH, Urt. v. 13.9.2018, I ZR 26/17, Tz. 16 f - Prozessfinanzierer

Die Bestimmung des § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG dient der Umsetzung der Richtlinie 2009/22/EG über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen. Das Ziel der Richtlinie besteht im Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher durch zu ihrem Schutz berufene öffentliche Stellen (vgl. Erwägungsgrund 10 sowie Art. 1, 2 und 3 der Richtlinie 2009/22/EG). Qualifizierte Einrichtung ist nach Art. 3 der Richtlinie 2009/22/EG jede Stelle oder Organisation, die nach dem Recht eines Mitgliedstaats ordnungsgemäß errichtet wurde und ein berechtigtes Interesse daran hat, die Einhaltung der in Art. 1 der Richtlinie 2009/22/EG genannten Bedingungen sicherzustellen. Mindestvorgaben für die finanzielle Ausstattung stellt die Richtlinie nicht auf.

Voraussetzung für die Aufnahme eines Verbrauchervereins in die Liste der qualifizierten Einrichtungen ist nach § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 UKlaG, dass auf Grund seiner bisherigen Tätigkeit gesichert erscheint, dass er seine satzungsmäßigen Aufgaben auch künftig dauerhaft wirksam und sachgerecht erfüllen wird. Der Verband muss dafür über eine hinreichende finanzielle, sachliche und personelle Ausstattung verfügen. Die Frage, ob die Voraussetzungen einer Eintragung nach § 4 Abs. 2 Satz 1 UKlaG vorliegen, ist in erster Linie mit Blick auf die den qualifizierten Einrichtungen nach diesem Gesetz zugewiesenen Aufgaben zu beurteilen. In die Liste der qualifizierten Einrichtungen werden nach § 4 Abs. 2 Satz 1 UKlaG auf Antrag rechtsfähige Verbände eingetragen, zu deren satzungsmäßigen Aufgaben es gehört, Interessen der Verbraucher durch nicht gewerbsmäßige Aufklärung und Beratung wahrzunehmen. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UKlaG stehen qualifizierten Einrichtungen die in den §§ 1 bis 2 UKlaG bezeichneten Ansprüche auf Unterlassung, Widerruf und Beseitigung zu.

OLG Schleswig, Urt. v. 7.6.2018, 2 U 5/17

Zweck der Regelung ist ausweislich des Gesetzentwurfs der Bundesregierung vom 22. August 2003, die Durchsetzung des Lauterkeitsrechts zu verbessern (BT-Drucks. 15/1487, S.23). Bei den so genannten Streuschäden wird durch das wettbewerbswidrige Verhalten eine Vielzahl von Abnehmern geschädigt, während die Schadenshöhe im Einzelfall gering ist. In solchen Fällen besteht die Gefahr, dass die einzelnen Geschädigten von einer Rechtsverfolgung absehen, weil der Aufwand und die Kosten in keinem Verhältnis zu ihrem jeweiligen Schaden stehen, so dass der Verletzer den vorsätzlich widerrechtlich erlangten Gewinn letztlich behalten kann. Als Beispiel nennt der Gesetzgeber unter anderem die Einziehung geringer Beträge ohne Rechtsgrund.

zurück nach oben

Verfassungskonformität

OLG Düsseldorf, Urt. v. 7.2.2017, 20 U 139/15, II.2

§ 10 UWG ist nicht verfassungswidrig. Der Regelung in § 10 UWG kommt kein Strafcharakter zu. Durch die in § 10 Abs. 1 UWG vorgesehene Gewinnabschöpfung werden dem Schuldner lediglich die Deliktsvorteile entzogen, aber keine zusätzlichen Lasten aufgebürdet, was den Charakter einer Strafe ausmacht. Die Rechtslage entspricht vielmehr der in §§ 73 ff StGB geregelten, bei der die ganz herrschende Meinung bis zur Einführung des Bruttoprinzips einen Strafcharakter verneint hat (vgl. BVerfG 2004, 2073; BGH NJW 2002, 3339). Dem als unbedenklich angesehenen Nettoprinzip, das den Abzug der angefallenen Kosten von den Umsatzerlösen vorsieht, entspricht die Regelung in § 10 UWG, bei der die angefallenen Kosten ebenfalls geltend gemacht werden können.

zurück nach oben

Information des Bundes

Der Bund muss über die Geltendmachung des Gewinnabschöpfungsanspruchs informiert werden. Aber:

BGH, Urt. v. 13.9.2018, I ZR 26/17, Tz. 31 - Prozessfinanzierer

Das Führen eines Gewinnabschöpfungsprozesses bedarf keiner Genehmigung der zuständigen Stelle des Bundes.

Anders steht es aber mit etwaigen Ansprüchen des Klägers für den Fall, dass ihm Kosten entstehen (§ 10 Abs. 6 UWG).

zurück nach oben

Rechtsmissbrauch

BGH, Urt. v. 13.9.2018, I ZR 26/17, Tz. 31, 36 - Prozessfinanzierer

Maßgebend für die Beurteilung der Frage, ob eine Gewinnabschöpfungsklage nach § 10 UWG rechtsmissbräuchlich ist, ist nicht die Bestimmung des § 8 Abs. 4 UWG in unmittelbarer oder entsprechender Anwendung, sondern das allgemeine Verbot unzulässiger Rechtsausübung nach § 242 BGB. ...

Eine analoge Anwendung von § 8 Abs. 4 UWG auf die Geltendmachung von Gewinnabschöpfungsansprüchen kommt nicht in Betracht. Die entsprechende Anwendung einer Vorschrift setzt eine vergleichbare Interessenlage und eine planwidrige Regelungslücke voraus. Hier fehlt es bereits an einer vergleichbaren Interessenlage. Wesentliche Funktion des § 8 Abs. 4 UWG ist es, als Korrektiv der weit gefassten Anspruchsberechtigung aus § 8 Abs. 3 UWG zu wirken. Bei § 10 Abs. 1 UWG fehlt es an einer vergleichbaren Gefahr der Inanspruchnahme durch mehrere Gläubiger, weil der Kreis der Anspruchsberechtigten wesentlich stärker eingeschränkt ist. Klagebefugt und anspruchsberechtigt sind allein die Verbände, Einrichtungen und Kammern nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 bis 4 UWG, nicht aber jeder Mitbewerber (§ 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG). Darüber hinaus wird die Gefahr einer mehrfachen Inanspruchnahme weiter dadurch gemindert, dass dem Bundesamt für Justiz die Einleitung eines Prozesses gemäß § 10 Abs. 4 Satz 1 UWG anzuzeigen ist. Überdies liegt keine planwidrige Regelungslücke vor. Auch für den Gewinnabschöpfungsanspruch gilt das allgemeine Verbot unzulässiger Rechtsausübung nach § 242 BGB.

Ebenso BGH, Urteil vom 9. Mai 2019 - I ZR 205/17, Tz. 20 - Prozessfinanzierer II; Diese Frage wurde noch offen gelassen in OLG Düsseldorf, Urt. v. 7.2.2017, 20 U 139/15, II.2; nun aber mit ausführlicher Begründung auch OLG Düsseldorf, Urt. v. 4.7.2019, 2 U 46/18

BGH, Urt. v. 13.9.2018, I ZR 26/17, Tz. 37 - Prozessfinanzierer

Eine gegen das Verbot unzulässiger Rechtsausübung aus § 242 BGB verstoßende Gewinnabschöpfungsklage gemäß § 10 UWG ist unzulässig. Der das materielle Recht beherrschende Grundsatz von Treu und Glauben gilt auch im Verfahrensrecht. Er verpflichtet die Parteien zu redlicher Prozessführung und verbietet den Missbrauch prozessualer Befugnisse. Ein Verstoß gegen § 242 BGB führt zur Unzulässigkeit der Ausübung prozessualer Befugnisse und ist in jeder Lage des Verfahrens - und damit auch in der Revisionsinstanz - von Amts wegen zu prüfen.

BGH, Urt. v. 13.9.2018, I ZR 26/17, Tz. 40 - Prozessfinanzierer

Bei der Prüfung des Rechtsmissbrauchs nach § 242 BGB können Umstände, die gemäß § 8 Abs. 4 UWG oder § 2b UKlaG einen Rechtsmissbrauch begründen, herangezogen werden. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass bei der Annahme eines Rechtsmissbrauchs mit Blick auf den nach Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG sowie Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK zu gewährleistenden effektiven Rechtsschutz eine gewisse Zurückhaltung geboten ist, wenn die Besonderheiten der Interessenlage des § 8 Abs. 4 UWG, namentlich eine Vielzahl von Gläubigern, nicht vorliegen. Ein Missbrauch im Sinne des § 8 Abs. 4 Satz 1 UWG liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vor, wenn Anspruchsberechtigte mit der Geltendmachung des Anspruchs überwiegend sachfremde, für sich gesehen nicht schutzwürdige Interessen und Ziele verfolgen und diese als die eigentliche Triebfeder und das beherrschende Motiv der Verfahrenseinleitung erscheinen. Die Ausübung von Befugnissen, die nicht den gesetzlich vorgesehenen, sondern anderen und rechtlich zu missbilligenden Zwecken dient, ist auch nach § 242 BGB missbräuchlich.

Ebenso BGH, Urteil vom 9. Mai 2019 - I ZR 205/17, Tz. 23 - Prozessfinanzierer II

zurück nach oben

Prozessfinanzierung

Missbräuchlich ist die Finanzierung des Gewinnabschöpfungsanspruchs durch einen Prozessfinanzierer, der sich einen Teil des abgeschöpften Gewinns als Prämie versprechen lässt.

BGH, Urt. v. 13.9.2018, I ZR 26/17, Tz. 41 f - Prozessfinanzierer

Es kommt dabei nicht entscheidend darauf an, ob der Gläubiger und der Prozessfinanzierer personell oder finanziell verflochten sind und ob der an den Prozessfinanzierer im Falle des Obsiegens abzuführende Gewinnanteil das Maß des in solchen Fällen Üblichen übersteigt. Die Rechtsmissbräuchlichkeit der Klage resultiert bereits daraus, dass die Einschaltung eines Prozessfinanzierers, dem eine Vergütung in Form eines Anteils am abgeschöpften Gewinn zugesagt wird, dem Zweck der gesetzlichen Regelung des § 10 UWG widerspricht.

Nach der Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (vgl. BT-Drucks. 15/1487, S. 25 und 43) soll die Regelung des § 10 Abs. 1 UWG der Gefahr vorbeugen, dass der Anspruch aus dem sachfremden Motiv der Einnahmeerzielung heraus geltend gemacht wird. Diesem Ziel widerspricht es, wenn die Führung von Gewinnabschöpfungsprozessen von der Entscheidung eines Prozessfinanzierers abhängig gemacht wird, dem für den Erfolgsfall eine Beteiligung am abgeschöpften Gewinn zugesagt wird. Der klagende Verband entscheidet dann letztlich nicht selbst darüber, welche Gewinnabschöpfungsklagen angestrengt werden; vielmehr werden nur solche Prozesse geführt, für die der Prozessfinanzierer eine Finanzierungszusage erteilt hat. Diese Zusage ist von einer Kosten-Nutzen-Analyse des Prozessfinanzierers abhängig. Damit wird der Anspruch aus dem - nach Ansicht des Gesetzgebers als sachfremd anzusehenden - Motiv des Prozessfinanzierers, Einnahmen aus dem abgeschöpften Gewinn zu erzielen, geltend gemacht; die Interessen der geschädigten Verbraucherinnen und Verbraucher spielen letztlich keine, zumindest keine entscheidende Rolle mehr. Daneben widerspricht auch das finanzielle Interesse des vom Verband beauftragten Rechtsanwalts dem Zweck des § 10 Abs. 1 UWG, soweit dieser - wie üblich - bei Einschaltung eines Prozessfinanzierers eine weitere Gebühr erhält.

Ebenso BGH, Urteil vom 9. Mai 2019 - I ZR 205/17, Tz. 25 f - Prozessfinanzierer II; A.A. noch die Vorinstanz OLG Düsseldorf, Urt. v. 7.2.2017, 20 U 139/15, II.2.a

Zur Finanzierungsalternative 'Streitwertminderung'

Außerdem

BGH, Urteil vom 9. Mai 2019 - I ZR 205/17, Tz. 32 - Prozessfinanzierer II

Bei den Kosten eines Prozessfinanzierers handelt es sich nicht um erforderliche Aufwendungen im Sinne dieser Regelung. Dazu zählen nur Aufwendungen, die im Grundsatz vom Schuldner zu erstatten sind, für die von diesem aber kein Ausgleich erlangt werden kann (vgl. BT-Drucks. 15/1487, S. 35; Goldmann in Harte/Henning, UWG, 4. Aufl., § 10 Rn. 168). Die Erforderlichkeit der Aufwendungen wird daran gemessen, ob sie nach den zu § 91 ZPO entwickelten Grundsätzen für Prozessvorbereitungskosten und deren Erstattungsfähigkeit als notwendig angesehen werden können (vgl. von Braunmühl in Fezer/Büscher/Obergfell, UWG, 3. Aufl., § 10 Rn. 267).

zurück nach oben

Rechtsanwalt

BGH, Urteil vom 9. Mai 2019 - I ZR 205/17, Tz. 12 - Prozessfinanzierer II

Das finanzielle Interesse des vom Verband beauftragten Rechtsanwalts widerspricht dem Zweck des § 10 Abs. 1 UWG, soweit der Rechtsanwalt oder die Rechtsanwältin - wie üblich - bei Einschaltung eines Prozessfianzierers eine weitere Gebühr erhält (vgl. BGH, GRUR 2018, 1166 Rn. 42 - Prozessfinanzierer I). Dass diese Gebühr dem Rechtsanwalt nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz zusteht, ändert nichts daran, dass sie geeignet ist, einen finanziellen Anreiz darzustellen.

zurück nach oben

Streitwertminderung

BGH, Urt. v. 13.9.2018, I ZR 26/17, Tz. 46 ff - Prozessfinanzierer

Verbraucherverbänden können die Herabsetzung des Streitwerts nach § 12 Abs. 4 Satz 1 UWG, § 51 Abs. 5 GKG beantragen. ...

Die Bestimmung des § 12 Abs. 4 UWG eröffnet damit seit ihrer Neufassung mit Wirkung vom 9. Oktober 2013 durch das Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken vom 1. Oktober 2013 (BGBl. I S. 3714) - wie bis 2004 die Regelung in § 23b UWG aF (vgl. BT-Drucks. 17/13057, S. 26) - die Möglichkeit, unter Beibehaltung des Streitwerts den Gebührenstreitwert in allen Wettbewerbssachen herabzusetzen. Die Vorschrift bezweckt - wie die entsprechenden Regelungen in § 144 PatG, § 142 MarkenG, § 26 GebrMG und § 54 DesignG - den Schutz der wirtschaftlich Schwächeren vor dem Kostenrisiko eines Prozesses mit hohem Streitwert. Sie sollen den Prozess mit einem ihren wirtschaftlichen Verhältnissen angepassten Streitwert führen können und so davor bewahrt werden, ihr Recht gegenüber den wirtschaftlich Stärkeren nicht ausreichend geltend machen zu können. Die Vorschrift dient damit der Waffengleichheit und ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (zu § 23b UWG aF vgl. BVerfG, NJW-RR 1991, 1134 f.; BVerfG, Beschl. v. 28.6.1993, 1 BvR 1321/90).

Ebenso BGH, Urteil vom 9. Mai 2019 - I ZR 205/17, Tz. 34 ff - Prozessfinanzierer II

zurück nach oben

Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit

OLG Schleswig, Urt. v. 26.3.2013, 2 U 7/12, B.IV.3

Vorsatz liegt nicht nur vor, wenn der Verwender weiß, dass er den Tatbestand des § 3 UWG verwirklicht, und dies auch will ("Wissen und Wollen des rechtswidrigen Erfolgs"). Für § 10 UWG  reicht bedingter Vorsatz aus (OLGR Stuttgart 2007, 408; Köhler, UWG, § 10 UWG Rn. 6). Es genügt daher, dass er die Verwirklichung für möglich hält und billigend in Kauf nimmt (vgl. BGHZ 133, 246, 250; OLG Frankfurt GRUR 2009, 265, 268; Köhler, UWG, § 10 UWG Rn. 6). Bedingt vorsätzlich handelt, wer sein wettbewerbsrelevantes Verhalten fortsetzt, obgleich er sich auf Grund der ihm bekannten Tatsachen nicht der Einsicht verschließen kann, dass dieses unlauter ist.

OLG Schleswig, Urt. v. 26.3.2013, 2 U 7/12, B.IV.3.b.aa

Eventualvorsatz hinsichtlich der Rechtswidrigkeit ist regelmäßig anzunehmen, wenn der Verwender sein Handeln nach einer Abmahnung fortsetzt (OLG Frankfurt GRUR-RR 2010, 482; Köhler, UWG, § 10 UWG  Rn. 6).

OLG Köln, Urt. v. 20.7.2018, 6 U 26/18, Tz. 49

Mit bedingtem Vorsatz handelt, wer den Wettbewerbsverstoß für möglich hält und billigend in Kauf nimmt. Erforderlich ist zwar das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit, für die Annahme bedingten Vorsatzes genügt es jedoch, dass sich dem Handelnden die Rechtswidrigkeit seines Tuns geradezu aufdrängen muss.

OLG Köln, Urt. v. 1.12.2023, 6 U 73/23, Tz. 36

Eine vorsätzliche Begehung ist regelmäßig dann anzunehmen, wenn der Täter sein Handeln nach einer Abmahnung fortsetzt (KBF/Köhler, UWG, 41. Aufl., § 10 Rn. 6, m.w.N.).

Der Gewinnabschöpfungsanspruch war bis zum 12.12.2023 auf vorsätzliches Handeln beschränkt. Ab dem 13.10.2023 genügt auch ein grob fahrlässiger Verstoß.

zurück nach oben

Zulasten einer Vielzahl

Verwendung wettbewerbswidriger AGB-Klauseln

Unzulässige Kosten

OLG Schleswig, Urt. v. 26.3.2013, 2 U 7/12, B.IV.3.c

Dass die Beklagte einen Gewinn zu Lasten einer Vielzahl von Kunden (Abnehmer) erzielt hat, ist bei der vorliegenden Fallgestaltung unzweifelhaft. Ihnen gegenüber erfolgte die Verwendung und Berufung auf unwirksame AGB, mit der Folge, dass die Beklagte, soweit die  Kunden den Betrag der unwirksamen Rücklastschriftpauschale bezahlt haben, einen Gewinn erzielt hat. Dies erfolgte auf Kosten ihrer Kunden, die in Höhe der bezahlten Pauschale eine Vermögenseinbuße erlitten haben, weil die Pauschale gemäß § 309 Nr. 5 BGB unwirksam war, so dass für die Kunden mit der Zahlung kein Vermögensvorteil durch Befreiung von einer bestehenden Verbindlichkeit für sie verbunden war.

OLG Köln, Urt. v. 20.7.2018, 6 U 26/18, Tz. 40

Die Beklagte hat durch Verwendung von nach § 309 Nr. 5 lit. a BGB unwirksamen AGB eine nach § 3 Abs. 1 UWG unzulässige, weil gemäß § 3a UWG n.F. unlautere geschäftliche Handlung vorgenommen. Die §§ 307 ff. BGB sind Marktverhaltensregelungen i.S.d. § 3a UWG. Ein Verstoß gegen § 309 Nr. 5a BGB, wonach die Vereinbarung eines pauschalierten Anspruchs des Verwenders auf Schadensersatz oder Ersatz einer Wertminderung in AGB unwirksam ist, wenn die Pauschale den in den geregelten Fällen nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden oder die gewöhnlich eintretende Wertminderung übersteigt, ist ohne weiteres geeignet, die Interessen von Verbrauchern spürbar zu beeinträchtigen.

zurück nach oben

Gewinn

OLG Schleswig, Urt. v. 7.6.2018, 2 U 5/17

Die Höhe des Abschöpfungsanspruchs bemisst sich ausweislich der Gesetzesbegründung nach dem „durch den Wettbewerbsverstoß auf Kosten der Abnehmer erzielten Gewinn", und zwar nach den „Umsatzerlösen abzüglich der Herstellungskosten der erbrachten Leistungen sowie abzüglich eventuell angefallener Betriebskosten". Nicht abzugsfähig sind hingegen Gemeinkosten und sonstige betriebliche Aufwendungen, die auch ohne das wettbewerbswidrige Verhalten angefallen wären. Durch die Abzugsmöglichkeit nach § 10 Abs. 2 S. 1 UWG soll sichergestellt werden, dass dem Unternehmer zwar nicht der aus dem Wettbewerbsverstoß erzielte Gewinn verbleibt, aber die Gewinnabschöpfung auch nur dann stattfindet, wenn ansonsten noch eine Schutzlücke bestände. Letzteres ist nicht der Fall, soweit die Ansprüche der betroffenen Abnehmer ausgeglichen sind oder der Unternehmer staatlichen Sanktionen wie zum Beispiel Geldstrafen ausgesetzt war.

OLG Köln, Urt. v. 20.7.2018, 6 U 26/18, Tz. 43

Ein Gewinn liegt vor, wenn sich die Vermögenslage des Unternehmens durch die Zuwiderhandlung verbessert hat; er errechnet sich grundsätzlich aus dem Umsatzerlös abzüglich Kosten - ohne Gemeinkosten -, kann aber auch bereits dann angenommen werden, wenn ein Beitrag zur Deckung der Fixkosten erzielt wurde. Aus dem Anwendungsbereich des § 10 UWG ausgeschieden werden sollen unlautere, aber wirtschaftlich erfolglose Handlungen.

OLG Köln, Urt. v. 1.12.2023, 6 U 73/23, Tz. 41

Der Gewinn errechnet sich im Grundsatz aus den Umsatzerlösen abzüglich der Kosten. Zu den abzugsfähigen Kosten gehören die Kosten für die Anschaffung oder Herstellung der Waren oder Dienstleistungen und die darauf entfallenden Betriebskosten. Gemeinkosten und sonstige betriebliche Aufwendungen, die auch ohne das wettbewerbswidrige Verhalten angefallen wären, sind nicht abzugsfähig. Ist die Höhe des Gewinns streitig, ist er nach § 287 ZPO zu schätzen (KBF/Köhler, UWG, 41. Aufl., § 10 Rn. 7).

OLG Schleswig, Urt. v. 7.6.2018, 2 U 5/17

Auf den Gewinn sind nach § 10 Abs. 2 S. 1 UWG die Leistungen anzurechnen, die der Schuldner „auf Grund der Zuwiderhandlung" an Dritte oder an den Staat erbracht hat.

OLG Schleswig, Urt. v. 7.6.2018, 2 U 5/17

In der Fallgruppe der Einziehung geringer Beträge ohne Rechtsgrund, die der Gesetzgeber bei der Schaffung des Gewinnabschöpfungsanspruchs unter anderem im Blick hatte, beruht der gesamte Gewinn auf dem Wettbewerbsverstoß (vgl. Ullmann, jurisPK-UWG, § 10 Rn. 24).

Fraglich ist aber, ob auf den Gewinn für die konkrete geschäftliche Handlung oder das Gesamtangebot abgestellt werden muss, in der die unlautere Handlung nur ein Teil ist. Das OLG Schleswig hält - m.E zurecht - die konkrete geschäftliche Handlung und nicht das Gesamtangebot für entscheidend.

OLG Schleswig, Urt. v. 7.6.2018, 2 U 5/17

Dass die Beklagte diese zusätzliche „Preiskomponente" geschaffen hat, um eine Amortisation ihrer eigenen Leistungen auch bei denjenigen Kunden zu erreichen, die nur an der Erlangung eines subventionierten Mobiltelefons interessiert sind, ist jedoch ihre eigene unternehmerische Entscheidung, deren Folgen sie selbst zu tragen hat. Wenn ein Unternehmer das Entgelt für seine Leistung kalkuliert, muss er es hinnehmen, wenn die Kalkulation nicht aufgeht. Dabei ist es ohne Bedeutung, ob Einnahmen sich letztlich aus tatsächlichen Gründen nicht realisieren lassen oder eine Preiskomponente in rechtlich unzulässiger Weise ausgestaltet wurde. Das unternehmerische Risiko einer Kalkulation unter fehlerhaften rechtlichen Annahmen kann der Beklagten nicht in der von ihr gewünschten Weise abgenommen werden. Als sie bemerkte, dass sie die Nichtnutzungsgebühr nicht einziehen durfte, hatte sie dies auch dann zu unterlassen, wenn sie die Einnahmen nach ihrer Kalkulation benötigte, um nicht zu einer Kostenunterdeckung gegenüber bestimmten Kunden zu kommen. Durch die Gewinnabschöpfung soll die Beklagte lediglich so gestellt werden, als wenn sie sich im Anschluss an die Abmahnung der Beklagten von vornherein redlich verhalten und von der Einziehung der Nichtnutzungsgebühr Abstand genommen hätte. Wenn ihr nun gegenüber bestimmten Kunden eine Kostenunterdeckung entsteht, wird dies nicht durch die Gewinnabschöpfung verursacht, sondern durch die eigene fehlerhafte Kalkulation der Beklagten. Abschöpfbar sind jedenfalls die Vorteile, die dem Verletzer anderenfalls allein deshalb verbleiben würden, weil die durch den Wettbewerbsverstoß Beeinträchtigten ihre Ansprüche nicht geltend machen. … Der Abschreckungszweck des § 10 UWG würde unterlaufen, wenn der Unternehmer die vorsätzlich zu Unrecht eingezogenen Beträge behalten dürfte, damit seine ursprüngliche Kalkulation jedenfalls nicht zu einem Verlust führt.

OLG Köln, Urt. v. 1.12.2023, 6 U 73/23, Tz. 45

Da allgemeine Vorhaltekosten wie Personalkosten und IT-Kosten nicht als Verzugskosten geltend gemacht werden können und deshalb auch nicht in AGB-Schadenspauschalen eingepreist werden dürfen, kann die Beklagte solche Positionen bei der Berechnung des abzuschöpfenden Betrages ebenfalls nicht in Ansatz bringen. Andernfalls stünde sie nach der Gewinnabschöpfung wirtschaftlich noch immer besser dar, als sie stehen würde, wenn sie sich rechtmäßig verhalten und die Gemeinkosten nicht in ihre Pauschale eingerechnet hätte.

OLG Köln, Urt. v. 1.12.2023, 6 U 73/23, Tz. 51 f

Außerdem kommt eine Berücksichtigung etwa gezahlter Steuern auf den Abschöpfungsbetrag nicht in Betracht, weil dies im Ergebnis zu einer steuerlichen Begünstigung des Abschöpfungsschuldners führen würde, der tatsächlich keinen Steuernachteil erleidet (ebenso Hoof, Anmerkung zu OLG Schleswig, 2 U 5/17, in: jurisPR-WettbR 10/2018, Anm. 5, unter C.). Dass der Schuldner den Abschöpfungsbetrag im Jahr der Abführung als Betriebsausgaben verbuchen kann, stellt die Beklagte nicht in Abrede. Der Schuldner erhält daher etwa gezahlte Steuern vom Finanzamt zurück. Könnten die gezahlten Steuern bei der Gewinnabschöpfung gewinnmindernd berücksichtigt werden, bliebe dem Schuldner aus der vorsätzlichen Rechtsverletzung ein ungerechtfertigter wirtschaftlicher Vorteil in Höhe ersparter Steuern, was in Widerspruch zu Sinn und Zweck der Gewinnabschöpfung stünde.

Die vom Landgericht angeführte Literaturansicht, nach der es sich bei gezahlten Steuern um eine abzugsfähige Position handelt (Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Goldmann, UWG, § 10 Rn. 150) überzeugt nicht. Die Kommentierung verweist ohne nähere Begründung auf die Entscheidung des OLG Schleswig (Urteil vom 07.06.2018, 2 U 5/17, GRUR 2018, 1071), das jedoch über die Frage der Abzugsfähigkeit von Steuern bei einem Gewinnabschöpfungsanspruch nach § 10 UWG nicht entschieden hatte, weil der dortige Kläger den Steuerabzug bereits selbst vorgenommen und nicht mit eingeklagt hatte.

zurück nach oben

Auskunft- und Rechnungslegung

OLG Schleswig, Urt. v. 26.3.2013, 2 U 7/12, B.IV.2.3

Es ist allgemein anerkannt, dass mit dem Gewinnabschöpfungsanspruch ein Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung gemäß § 242 BGB einhergeht (OLGR   Stuttgart 2007, 408; OLGR Frankfurt GRUR-RR 2009, 265).

zurück nach oben