Ihr Rechtsanwalt im Wettbewerbsrecht
Dr. Hermann-Josef Omsels*

Eine Darstellung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und wettbewerbsrechtlicher Nebengesetze



 

5. Schadenersatzfeststellung

1. Allgemeines zum Schadenersatzfeststellungsanspruch

2. Feststellungsinteresse

3. Begründetheit des Schadenersatzfeststellungsanspruchs

4. Auskunftsanspruch

5. Schadenersatz aus Feststellungsurteil

6. Schadenersatzfeststellung und Insolvenz

Allgemeines zum Schadenersatzfeststellungsanspruch

Wegen der Schwierigkeiten, die bei der Berechnung eines Schadens durch eine unlautere geschäftliche Handlung bestehen, und wegen der kurzen Zeit von sechs Monaten, binnen der ein Schadensersatzanspruch im Wettbewerbsrecht verjährt, kann der Geschädigte zunächst einen Schadenersatzfeststellungsanspruch geltend machen. Dadurch wird - ggfs . gerichtlich - geklärt, ob ein Schadensersatzanspruch dem Grunde nach besteht. Auf der Grundlage einer positiven gerichtlichen Feststellung eines Schadenersatzanspruchs dem Grunde nach kann der Geschädigte dann in aller Ruhe einen konkret bezifferten Schadensersatzanspruch geltend machen. Zu diesem Zwecke sollte der Schadenersatzfeststellungsanspruch mit einem Auskunftsanspruch kombiniert werden.

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Feststellungsinteresse

Eine Feststellungsklage ist nach § 256 Abs. 1 ZPO nur zulässig, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch die Entscheidung eines Gerichts alsbald festgestellt werde.das ist in der Regel nicht der Fall, wenn der Kläger statt der Feststellungsklage eine Leistungsklage (auf Zahlung) oder eine Stufenklage (auf Auskunft in Kombination mit einem noch unbezifferten Zahlungsanspruch) erheben kann. Im Wettbewerbsrecht und im gewerblichen Rechtsschutz ist die Rechtsprechung mit der Annahme eines Feststellungsinteresses allerdings sehr großzügig.

BGH, Urt. v. 6.6.2002, I ZR 79/00, B.I.1.a – Titelexklusivität

Der Feststellungsantrag kann nicht mit der Begründung als unzulässig behandelt werden, der Klägerin fehle das Feststellungsinteresse, weil sie bereits Leistungsklage auf Zahlung von Schadensersatz erheben könne.

Das prozessuale Erfordernis des rechtlichen Interesses an der begehrten Feststellung ist lediglich die besondere Ausgestaltung des bei jeder Rechtsverfolgung erforderlichen Rechtsschutzinteresses. Es ist regelmäßig gegeben, wenn eine tatsächliche Unsicherheit das behauptete Rechtsverhältnis gefährdet. ... Die Zulässigkeit der Klageerhebung ist auch bei der Feststellungsklage nicht davon abhängig, ob die begehrte Feststellung materiell-rechtlich getroffen werden kann, die Klage also sachlich begründet ist.

Ein Feststellungsinteresse besteht auch dann, wenn ein Teil des Schadenersatzanspruchs bei Erhebung der Klage oder nach Einleitung eines Klageverfahrens beziffert werden könnte.

OLG Köln, Urt. v. 18.10.2013, 6 U 11/13. Tz. 101 - Seilwinde

Auch wenn diese Kosten der Rechtsverfolgung für die Klägerin bereits zu Beginn des Verfahrens bezifferbar gewesen sein sollten, konnte sie vor Erteilung der Auskunft durch die Beklagte nicht wissen, ob ihr ein darüber hinausgehender Schaden entstanden ist. In einem solchen Fall darf der Anspruchsteller in vollem Umfang eine Feststellungsklage erheben, auch wenn er einen Teil seines Schadens bereits beziffern kann.

OLG Köln, Urt. v. 18.10.2013, 6 U 11/13. Tz. 101 - Seilwinde

Grundsätzlich besteht keine Verpflichtung des Verletzten, von der Feststellungsklage auf die Leistungsklage überzugehen, wenn Letztere während des Prozesses möglich wird. Eine Ausnahme ist lediglich dann gegeben, wenn der Kläger lange vor Beendigung des ersten Rechtszugs zur Leistungsklage hätte übergehen können, ohne dass dadurch die Sachentscheidung verzögert worden wäre (BGH, Urt. v. 28.6.2007, I ZR 132/04, Tz. 18 - INTERCONNECT/T-InterConnect).

OLG Frankfurt, Urt. v. 20.5.2021, 6 U 39/20, II.1.e

Das Feststellungsbegehren setzt lediglich voraus, dass die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts dargelegt ist. Daran werden in der Rechtsprechung grundsätzlich keine hohen Anforderungen gestellt. Es genügt, dass nach der Lebenserfahrung der Eintritt des Schadens in der Zukunft mit einiger Sicherheit zu erwarten ist; einer hohen Wahrscheinlichkeit dafür bedarf es nicht (BGH NJW 1995, 3177 - Feuer, Eis & Dynamit).

Ein Feststellungsinteresse fehlt aber, wenn der Schadenersatzanspruch dem Grunde nach anerkennt wurde und der Anspruchsgegner auf die Einrede der Verjährung dauerhaft verzichtet hat.

OLG Köln, Urt. v. 21.11.2014, 6 U 90/14, Tz. 55

Ein Feststellungsinteresse gemäß § 256 ZPO … kann fehlen, wenn der Beklagte die Haftung anerkannt und auf die Verjährungseinrede verzichtet hat (vgl. Zöller-Greger, ZPO, § 256 Rn. 9).

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Begründetheit des Schadenersatzfeststellungsanspruchs

Der Schadenersatzfeststellungsanspruch ist begründet, wenn der Schuldner vorsätzlich oder fahrlässig, d.h. schuldhaft eine unlautere geschäftliche Handlung begangen hat und dem Konkurrenten dadurch wahrscheinlich ein Schaden entstanden ist.

BGH, Urt. v. 24.5.2000, I ZR 222/97, Ls. 2 - Falsche Herstellerpreisempfehlung

Für die Feststellung der Verpflichtung zur Leistung von Schadensersatz genügt es, wenn der Eintritt des Schadens wahrscheinlich, d.h. mit einiger Sicherheit zu erwarten ist. Liegt jedoch ein kalkulierbarer Schaden aufgrund einer eher geringfügigen Irreführung fern, muss der Kläger Näheres zu dem behaupteten Schaden vortragen, indem er beispielsweise darlegt, in welchem Umfang die Parteien dieselben Kunden ansprechen und wie sich Werbeaktionen des in Rede stehenden Wettbewerbers üblicherweise auf seine Umsätze auswirken.

BGH, Urt. v. 7.5.2013, X ZR 69/11, Tz. 21 - Fräsverfahren

Ein auf Feststellung der Schadensersatzpflicht gerichteter Klageantrag ist, sofern eine Schutzrechtsverletzung vorliegt, schon dann begründet, wenn eine gewisse Wahrscheinlichkeit für den Eintritt eines Schadens besteht. Diese braucht nicht hoch zu sein. Ob und was für ein Schaden entstanden ist, bedarf keiner Klärung, wenn nach der Erfahrung des täglichen Lebens der Eintritt eines Schadens mit einiger Sicherheit zu erwarten ist. Hierfür genügt es in der Regel, wenn zumindest eine rechtswidrig und schuldhaft begangene Verletzungshandlung vorliegt. ...

OLG Hamm, Urt. v. 28.1.2010, 4 U 157/09, Tz. 28

Für die Begründetheit des Feststellungsanspruchs genügt zwar nicht nur die theoretische Möglichkeit eines Schadenseintritts, aber jedenfalls eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass ein Schaden eingetreten ist oder eintreten wird. An diese Schadenswahrscheinlichkeit werden bei feststehenden Wettbewerbsverstößen grundsätzlich keine hohen Ansprüche gestellt. Es genügt insbesondere auch, wenn nach der Lebenserfahrung der Eintritt des Schadens zumindest denkbar und möglich ist oder jedenfalls in der Zukunft mit einiger Sicherheit zu erwarten ist.

OLG Hamm, Urt. v. 8.11.2016, 4 U 1/10, Tz. 140

Es genügt, dass nach der Lebenserfahrung der Eintritt eines Schadens zumindest denkbar und möglich ist, wobei ein großzügiger Maßstab anzulegen ist (BGH, GRUR 2001, 849, 850 - Remailing-Angebot; BGH, GRUR 2012, 193 - Sportwetten im Internet II). Dies ist bei Wettbewerbsverstößen grundsätzlich zu bejahen (BGH, aaO. - Remailing-Angebot). In der Regel bedarf es daher keiner detaillierten Darlegungen (BGH, GRUR 2001, 84 - Neu in Bielefeld II; Köhler/Bornkamm, UWG, 35. Aufl., § 12 Rn. 2.55).

Ebenso OLG Frankfurt, Urt. v. 15.11.2018, 6 U 159/17, II.6

OLG Frankfurt, Urt. v. 15.11.2018, 6 U 159/17, II.6

Dies ist bei Wettbewerbsverstößen grundsätzlich zu bejahen, nicht aber bei bloß drohenden Verstößen (BGH GRUR 2001, 849 (850) [BGH 06.03.2001 - KZR 32/98] - Remailing-Angebot). In der Regel bedarf es daher keiner detaillierten Darlegungen. Liegt aber nach der allgemeinen Lebenserfahrung ein Schaden fern, wie etwa bei einer geringfügigen Irreführung oder bei einer unberechtigten Abmahnung, muss der Kläger näher darlegen, aus welchen besonderen Umständen (z.B. Überschneidung der Kundenkreise und übliche Auswirkungen von Werbeaktionen auf Umsätze) sich gleichwohl ein Schaden ergeben könnte

Wie hoch der Schaden ist, ist für die Begründetheit des Schadenersatzfeststellungsanspruch unmaßgeblich. Auch ein noch so kleiner Schaden wäre ersatzpflichtig.

BGH, Urt. v. 7.5.2013, X ZR 69/11, Tz. 24 - Fräsverfahren

Schon das Anbieten begründet eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass es auch zur Lieferung gekommen ist. Diese Wahrscheinlichkeit reicht zwar zum Nachweis einer solchen Lieferung und damit für die Begründetheit einer bezifferten Schadensersatzklage in aller Regel nicht aus. Sie lässt aber nach der Erfahrung des täglichen Lebens mit einiger Sicherheit erwarten, dass ein Schaden entstanden ist, und führt deshalb zur Begründetheit eines unbezifferten Antrags auf Feststellung der Schadensersatzpflicht.

OLG Frankfurt, Urt. v. 22.9.2016, 6 U 103/15, II.3

Unerheblich bleibt das Argument, es fehle an der Darlegung eines Schadens, weil Umsatzeinbußen der Klägerin nicht ersichtlich seien. Für den Feststellungsantrag ist das irrelevant, weil ein solcher schon dann begründet ist, wenn ein Gewinnentgang nicht gänzlich unwahrscheinlich ist.

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Auskunftsanspruch

In aller Regel wird die Geltendmachung eines Schadenersatzanspruchs dem Grunde nach mit der Geltendmachung eines Auskunftsanspruchs verbunden. Die Auskunft soll den Geschädigten in die Lage versetzen, seinen konkreten Schaden der Höhe nach zu berechnen.

OLG Frankfurt, Urt. v. 15.11.2018, 6 U 159/17, II.6

Ist der Feststellungsantrag begründet, gilt dies auch für den akzessorischen Auskunftsantrag.

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Schadenersatz aus Feststellungsurteil

Wird nach einem rechtskräftigen Urteil, mit dem der Schadenersatzanspruch dem Grunde nach festgestellt wurde, in einer zweiten Stufe ein Schadensersatzanspruch der Höhe nach beziffert, stellt sich die Frage der Reichweite des Feststellungsurteils.

BGH, Urt. v. 14.2.2008, I ZR 135/05, Ls. - Schmiermittel

Die Reichweite der Bindungswirkung eines Feststellungsurteils ist in erster Linie der Urteilsformel zu entnehmen. Nur wenn die Urteilsformel allein nicht ausreicht, die Reichweite der Bindungswirkung zu erfassen, sind der Tatbestand und die Entscheidungsgründe, erforderlichenfalls auch das Parteivorbringen, ergänzend heranzuziehen.

Der Rechtstreit zeigt, dass auf die Formulierung des Feststellungsantrags genau geachtet werden muss. Es lässt sich in dem Folgeverfahren nicht mehr einwenden, dass ein bestimmtes Verhalten oder bestimmte Aspekte des Verhaltens gar nicht wettbewerbswidrig waren, wenn dieses Verhalten vom Wortlaut der Urteilsformel des Feststellungsurteil, ggfs. unter Hinzuziehung der Entscheidungsgründe und dem Parteivorbringen erfasst wird.

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Schadenersatzfeststellung und Insolvenz

BGH, Urt. v. 18. 3. 2010, I ZR 158/07, Tz. 43 – Modulgerüst II

Ansprüche, die eine Schadensersatzverpflichtung dem Grunde nach zum Gegenstand haben, können als solche nicht in die Insolvenztabelle eingetragen werden können. Sie müssen nach § 174 Abs. 2, § 45 Satz 1 InsO mit einem bezifferten Geldbetrag geltend gemacht werden, der im UWG-Verfahren zu schätzen ist.

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Zitiervorschlag zur aktuellen Seite

Omsels, Online-Kommentar zum UWG:

http://www.webcitation.org/6HU7x0BSy