b. Verweis auf allgemeine Vorzüge eines Lebensmittels
c. Objektive Beschaffenheitsangaben
3. Beispiele nährwertbezogener Angaben
Angabe
BGH, Urt. v. 24.7.2014, I ZR 221/12, Tz. 22 – Original Bach-Blüten
Nach Art. 2 Abs. 2 Nr. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 bezeichnet der Begriff "Angabe" in dieser Verordnung jede Aussage oder Darstellung, die nach dem Unionsrecht oder den nationalen Vorschriften nicht obligatorisch ist, einschließlich Darstellungen durch Bilder, graphische Elemente oder Symbole in jeder Form, und mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Lebensmittel besondere Eigenschaften besitzt. Mit dieser Formulierung will der Gesetzgeber alle in der Etikettierung und Bewerbung von Lebensmitteln in irgendeiner Weise zum Ausdruck gebrachten Hinweise auf besondere Eigenschaften der betreffenden Lebensmittel erfassen (vgl. Meisterernst in Meisterernst/Haber, Praxiskommentar Health & Nutrition Claims, 22. Lief. Februar 2014, Art. 2 Rn. 13). Der Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 wird dadurch eröffnet, dass über bestimmte Lebensmittel Angaben gemacht werden, das heißt Aussagen erfolgen oder Darstellungen gegeben werden, die bei einem normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher den Eindruck hervorrufen können, ein Lebensmittel besitze besondere Eigenschaften (vgl. EuGH, Urt. v. 18.7.2013, C-299/12, Tz. 24 - Green - Swan Pharmaceuticals; BGH, Urt. v. 26.2.2014, I ZR 178/12, Tz. 13 - Praebiotik).
Ebenso OLG Celle, Urt. v. 26.5.2016, 13 U 76/15, II.2.b; ähnlich BGH, Urt. v. 26..2.2014 - I ZR 178/12, Tz. 13 - Praebiotik
BGH, Urt. v. 9.10.2014, I ZR 167/12, Tz. 13 – ENERGY & VODKA
Eine solche Angabe liegt dann nicht vor, wenn eine Aussage oder Darstellung aus der Sicht der angesprochenen Verbraucher lediglich auf eine Eigenschaft eines Lebensmittels hinweist, die alle Lebensmittel der angesprochenen Gattung besitzen; in einem solchen Fall fehlt der Aussage oder Darstellung die Lenkungswirkung, deren Regulierung die Beschränkungen rechtfertigt, die die Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 hinsichtlich der Verwendung nährwert- und gesundheitsbezogener Angaben vorsieht (vgl. EuGH, Urteil vom 6. September 2012 - C-544/10, GRUR 2012, 1161 Rn. 37 = WRP 2012, 1368 - Deutsches Weintor).
KG Berlin, Urt. v. 11.5.2012, 5 U 5/11, B.II.2 (= MD 2012, 702)
Nach Art. 2 Abs. 2 Nr. 1 HCV ist eine ,,Angabe“ jede Aussage oder Darstellung, die nach dem Gemeinschaftsrecht oder den nationalen Vorschriften nicht obligatorisch ist, einschließlich Darstellungen durch Bilder, grafische Elemente oder Symbole in jeder Form, und mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Lebensmittel besondere Eigenschaften besitzt.
Nährwertbezogene Angabe
Entsprechend dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und im Interesse der wirksamen Anwendung der darin vorgesehenen Schutzmaßnahmen nimmt diese Verordnung den normal informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher unter Berücksichtigung sozialer, kultureller und sprachlicher Faktoren nach der Auslegung des Gerichtshofs als Maßstab, zielt mit ihren Bestimmungen jedoch darauf ab, die Ausnutzung von Verbrauchern zu vermeiden, die aufgrund bestimmter Charakteristika besonders anfällig für irreführende Angaben sind. Richtet sich eine Angabe speziell an eine besondere Verbrauchergruppe wie z. B. Kinder, so sollte die Auswirkung der Angabe aus der Sicht eines Durchschnittsmitglieds dieser Gruppe beurteilt werden. Der Begriff des Durchschnittsverbrauchers beruht dabei nicht auf einer statistischen Grundlage. Die nationalen Gerichte und Verwaltungsbehörden müssen sich bei der Beurteilung der Frage, wie der Durchschnittsverbraucher in einem gegebenen Fall typischerweise reagieren würde, auf ihre eigene Urteilsfähigkeit unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs verlassen.
Art. 2 Abs. 2 Nr. 4
„nährwertbezogene Angabe“ (ist) jede Angabe, mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Lebensmittel besondere positive Nährwerteigenschaften besitzt, und zwar aufgrund
a) der Energie (des Brennwerts), die es
i) liefert,
ii) in vermindertem oder erhöhtem Maße liefert oder
iii) nicht liefert, und/oder
b) der Nährstoffe oder anderen Substanzen, die es
i) enthält,
ii) in verminderter oder erhöhter Menge enthält oder
iii) nicht enthält
BGH, Urt. v. 18.5.2017, I ZR 100/06, Tz. 12 - Märchensuppe
Nährwertbezogene Angabe im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 ist jede Angabe, mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Lebensmittel aufgrund der Energie (des Brennwerts), die es liefert, in vermindertem oder erhöhtem Maße liefert oder nicht liefert, oder aufgrund der Nährstoffe oder anderen Substanzen, die es enthält, in verminderter oder erhöhter Menge enthält oder nicht enthält, besondere positive Nährwerteigenschaften besitzt. Im Unterschied zu gesundheitsbezogenen Angaben, mit denen ein Zusammenhang zwischen einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile und dem gesundheitlichen Wohlbefinden hergestellt wird, beziehen sich nährwertbezogene Angaben auf die Menge an Nährstoffen, anderen Substanzen oder Energie, die in einem Lebensmittel enthalten sind. Wie die im Anhang zu Art. 8 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 aufgeführten Angaben zeigen, sind vor allem solche Angaben als nährwertbezogen anzusehen, die sich unmittelbar auf die Energie, die das Lebensmittel liefert, oder die in diesem enthaltenen Inhaltsstoffe mit ernährungsbezogener Wirkung beziehen. Dazu zählen auch solche Angaben, die (nur) eine Sachinformation in Bezug auf einen bestimmten Nährstoff vermitteln.
Ebenso OLG Frankfurt, Urt. v. 12.9.2019, 6 U 114/18, II.2.a
BGH, Urt. v. 9.10.2014, I ZR 167/12. Tz. 13 – ENERGY & VODKA
Informationen über Eigenschaften eines Lebensmittels stellen auch dann, wenn sie sich auf Nährstoffe oder andere Substanzen beziehen, keine Angaben im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 dar, wenn mit ihnen keine besonderen Eigenschaften des Lebensmittels herausgestellt, sondern lediglich objektive Informationen über die Beschaffenheit oder die Eigenschaften der Gattung von Lebensmitteln mitgeteilt werden, zu der das beworbene Lebensmittel gehört. Bei der in diesem Zusammenhang bei nährwertbezogenen Aussagen im jeweiligen Einzelfall vorzunehmenden Abgrenzung sind Angaben über spezifische Inhaltsstoffe von Lebensmitteln und Lebensmittelzutaten, die eine ernährungsphysiologische Funktion haben, zwar regelmäßig als Angaben über besondere Eigenschaften im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 anzusehen. Nach dem Erwägungsgrund 5 dieser Verordnung sind von deren Anwendung jedoch allgemeine Bezeichnungen wie etwa "Digestif" oder "Hustenbonbon" auszunehmen, die traditionell zur Angabe einer Eigenschaft einer Kategorie von Lebensmitteln verwendet werden, die Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit haben können. Dementsprechend stellt eine Aussage oder Darstellung, die dem Verbraucher lediglich vermittelt, um welche Art von Lebensmittel es sich im konkreten Fall handelt, keine Angabe im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 dar.
BGH, Urt. v. 12.2.2015, I ZR 36/11, Tz. 28 - Monsterbacke II
Der Begriff der nährwertbezogenen Angabe ist ungeachtet dessen, dass sich zwischen nährwertbezogenen und gesundheitsbezogenen Angaben Überschneidungen ergeben können (Rathke in Zipfel/Rathke aaO Vorbemerkung Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 Rn. 8), vom Begriff der gesundheitsbezogenen Angabe abzugrenzen. Während mit gesundheitsbezogenen Angaben ein Zusammenhang zwischen einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile und dem gesundheitlichen Wohlbefinden hergestellt wird, beziehen sich nährwertbezogene Angaben auf die Menge an Nährstoffen, anderen Substanzen oder Energie, die in einem Lebensmittel enthalten sind.
Ebenso OLG Hamm, Urt. v. 4. 8.2016, 4 U 18/16, Tz. 51 - Vitalstoffe
OLG Celle, Urt. v. 26.5.2016, 13 U 76/15, II.2.b
Nährstoffe sind gem. Art. 2 b) der Richtlinie 2002/46/EG Vitamine und Mineralstoffe.
BGH, Urt. v. 12.2.2015, I ZR 36/11, Tz. 28 - Monsterbacke II
Wie die im Anhang zu Art. 8 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 aufgeführten Angaben zeigen, sind vor allem solche Angaben als nährwertbezogen anzusehen, die sich unmittelbar auf die Energie, die das Lebensmittel liefert, oder die in diesem enthaltenen Inhaltsstoffe mit ernährungsbezogener Wirkung beziehen. Nährwertbezogen sind darüber hinaus solche Angaben, die (nur) eine Sachinformation in Bezug auf einen bestimmten Nährstoff vermitteln (vgl. hierzu Guidance on the implementation of Regulation No°1924/2006 on nutrition and health claims made on foods conclusions of the Standing Committee on the Food Chain and Animal Health unter III.1.
Ebenso OLG Hamm, Urt. v. 4. 8.2016, 4 U 18/16, Tz. 51 - Vitalstoffe
Beurteilungsmaßstab für eine nährwertbezogene Angabe ist der angesprochene Verkehr unter Berücksichtigung von Personen, die für nährwertbezogene Angaben besonders anfällig sind.
BGH, Urt. v. 12.2.2015, I ZR 36/11, Tz. 29 - Monsterbacke II
Im Hinblick darauf, dass eine Angabe gemäß Art. 2 Abs. 2 Nr. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 auch dann nährwertbezogen ist, wenn mit ihr suggeriert oder nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, ein Lebensmittel besitze besondere positive Nährwerteigenschaften, kann eine Angabe ferner als nährwertbezogen anzusehen sein, wenn mit ihr bestimmte Assoziationen des Verbrauchers geweckt werden. Da sich die besonderen positiven Nährwerteigenschaften gemäß Art. 2 Abs. 2 Nr. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 aus dem Brennwert des beworbenen Lebensmittels oder den in ihm enthaltenen Nährstoffen oder Substanzen ergeben, muss sich auch das durch die Angabe hervorgerufene Verbraucherverständnis auf eine Eigenschaft beziehen, die der durch das Lebensmittel gelieferten Energie oder einem bestimmten, in ihm enthaltenen Nährstoff oder einer anderen Substanz geschuldet ist.
Ebenso OLG Hamm, Urt. v. 4. 8.2016, 4 U 18/16, Tz. 51 - Vitalstoffe
Bei der Beurteilung sind auch die weiteren Umstände, die die Angabe begleiten, z.B. das Zutatenverzeichnis zu berücksichtigen.
BGH, Urt. v. 9.10.2014, I ZR 167/12. Tz. 15 – ENERGY & VODKA
Der Verbraucher versteht im Hinblick auf den Gesamteindruck, der von der vom Kläger beanstandeten Aufmachung ausgeht, den Begriff "Energy" als Abkürzung für das auf der Rückseite der Dose näher beschriebene Erfrischungsgetränk mit erhöhtem Koffeingehalt. Es ist davon auszugehen, dass Verbraucher, die sich bei ihrer Kaufentscheidung für ein Lebensmittel nach dessen Zusammensetzung richten, regelmäßig zunächst das Zutatenverzeichnis lesen (vgl. EuGH, Urteil vom - 10 - 4. April 2000 - C-465/98, Slg. 2000, I-2297 = GRUR Int. 2000, 756 Rn. 22 f. - Darbo; BGH, Beschluss vom 26. Februar 2014 - I ZR 45/13, GRUR 2014, 588 Rn. 7 ff. = WRP 2014, 694 - Himbeer-Vanille-Abenteuer).
KG, Urt. v. 28.1.2011, 5 U 133/09, B.1.b.dd
Art. 2 Abs. 2 Nr. 4 HCVO definiert „nährwertbezogene Angabe“ als jede Angabe, mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Lebensmittel besondere positive Nährwerteigenschaften besitzt.
S.a. KG Berlin, Urt. v. 7.11.2017, 5 U 175/16
OLG Hamburg, Beschl. v. 24.4.2014, 3 W 27/14, II.1
Nährwertbezogene Angaben sind nach Art. 2 Abs. 2 Nr. 4 HCV alle Angaben, mit denen erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Lebensmittel besondere positive Nährwerteigenschaften besitzt, und zwar aufgrund der Nährstoffe oder anderen Substanzen, die es liefert (lit. b] i]), in verminderter oder erhöhter Menge enthält (lit. b] ii]) oder nicht enthält (lit. b] iii]). Zu den erfassten Nährstoffen gehören gerade auch die Kohlehydrate (Art. 2 Abs. 2 Nr. 2 HCV).
OLG Hamm, Urt. v. 30.4.2013, 4 U 149/12, Tz. 59 f - Vitalstoffe
Zwar mag es an einer nährwertbezogenen Angabe fehlen, wenn auf allgemeine Vorzüge des Lebensmittels oder einer Lebensmittelkategorie verwiesen wird oder es um nichtssagende anpreisende Auslobungen geht. Dem entspricht es, dass nach dem Erwägungsgrund 5 der HCVO auch allgemeine Bezeichnungen, die traditionell zur Angabe einer Eigenschaft einer Kategorie von Lebensmitteln oder Getränken verwendet werden, die Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit haben könnte, wie z.B. „Digestif“ oder „Hustenbonbon“, von der Anwendung der Verordnung ausgenommen werden sollten.
Besondere positive Nährwerteigenschaften hat ein Lebensmittel aber jedenfalls dann, wenn es Energie in erhöhter Menge liefert bzw. Nährstoffe oder andere Substanzen i. S. v. Art. 2 Abs. 2 Nr. 3 HCVO in erhöhter Menge enthält. Zu den Nährstoffen gehören nach Art. 2 Abs. 2 Nr. 2 HCVO Proteine, Kohlenhydrate, Fett, Ballaststoffe, Natrium und die im Anhang der Richtlinie 90/496/EWG aufgeführten Vitamine und Mineralstoffe. Es ist deshalb nur konsequent, dass etwa auch die Angabe „reich an wertvollen Vitaminen und Nährstoffen“ auf der Verpackung eines Hirseproduktes als nährwertbezogen angesehen worden ist (so OLG Rostock, WRP 2011, 1330). Dem entspricht es auch, dass der Verordnungsgeber in dem Anhang zur HCVO u. a. die Angabe, ein Lebensmittel habe einen hohen Vitamingehalt und/oder Mineralstoffgehalt, sowie jegliche Angabe, die für den Verbraucher voraussichtlich dieselbe Bedeutung hat, als nährwertbezogen ansieht.
Mittelbare Nährwertangaben
BGH, Urt. v. 2.6.2022, I ZR 93/21, Rn. 45 - 7x mehr
Eine nährwertbezogene Angabe liegt bereits dann vor, wenn besondere positive Nährwerteigenschaften nur mittelbar zum Ausdruck gebracht werden. Hierfür reicht es aus, wenn Erklärungen erst durch Assoziationen einen Bezug auf die Eigenschaft eines Lebensmittels erlangen.
OLG Stuttgart, Urt. v. 3.2.2011, 2 U 61/10, II.B.1.b.aa. (2)-(d)
Durch die Tatbestandsmerkmale "erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht" soll sichergestellt werden, dass auch Angaben erfasst werden, mit denen die Eigenschaft des Lebensmittels nicht direkt angesprochen werden. "Mittelbar" sind dabei Erklärungen, die erst durch bewusste oder unbewusste Assoziationen einen Bezug auf die Eigenschaft des Lebensmittels ergeben, die also einen bestimmten Eindruck vermitteln. Da sich die Verbote der Verordnung im Vorfeld des Schutzes vor Täuschung bewegen, ist für den Begriff "Angabe" der Eindruck maßgebend, der bei den angesprochenen Verkehrskreisen entsteht; handelt es sich um Verbraucher, ist entsprechend Art. 5 Abs. 2 VNGA auf den durchschnittlichen Verbraucher abzustellen. Dabei ist auf den vom EuGH entwickelten Maßstab des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers abzustellen, wie sich aus Erwägungsgrund 16 (aktuelle Fassung: 15) zur VNGA ausdrücklich ergibt, wobei aber dann, wenn sich eine Angabe speziell an eine besondere Verbrauchergruppe wie z.B. Kinder richtet, die Auswirkung der Angabe aus Sicht eines Durchschnittsmitglieds dieser Gruppe zu beurteilen ist. Damit liegt keine Abweichung vom allgemeinen (europäischen) Verbraucherleitbild vor, wie auch Art. 5 Abs. 3 S. 1 der UGP-Richtlinie und der in deren Umsetzung erlassene neue § 3 Abs. 2 S. 2 UWG zeigen.
Bei einer systematischen Auslegung ist zu berücksichtigen, dass die VNGA in Art. 5 allgemeine Bedingungen für nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben aufstellt (insbesondere in Abs. 1 a) und b)) und in Art. 8 f. besondere Bedingungen für nährwertbezogene Angaben, insbesondere dass nach Art. 8 Abs. 1 nährwertbezogene Angaben nur gemacht werden dürfen, wenn sie im Anhang zur Verordnung aufgeführt sind. Diese an nährwertbezogene Angaben gestellten Anforderungen lassen durchaus Rückschlüsse darauf zu, was der Verordnungsgeber überhaupt als nährwertbezogene Angabe ansieht.
Verweis auf allgemeine Vorzüge eines Lebensmittels (auch gegenüber anderen)
OLG Stuttgart, Urt. v. 3.2.2011, 2 U 61/10, II.B.1.b.aa. (2)-(d)
Eine nährwertbezogene Angabe liegt nur vor, wenn unmittelbar oder mittelbar erklärt wird, ein Lebensmittel habe besondere (Hervorhebung durch den Senat) positive Nährwerteigenschaften. Dies spricht dafür, dass ein Verweis auf allgemeine Vorzüge des Lebensmittels oder einer Lebensmittelkategorie nicht als nährwertbezogene Angabe anzusehen ist.
OLG Hamburg, Beschl. v. 24.4.2014, 3 W 27/14, II.2
Die Angaben „LowCarb“ und „mit wenig Kohlehydraten“ haben keinen unmittelbar vergleichenden Charakter. Sie werden vom angesprochenen Verkehr, zu denen auch die Mitglieder des Senats gehören, dahin verstanden, dass lediglich ein geringer Kohlehydratgehalt des Produkts versprochen wird und nicht ein geringerer Gehalt an Kohlehydraten, was auf ein – auch unbenanntes – Vergleichsobjekt hinweisen könnte. Die Angabe wird vom Verkehr daher … nicht dahin verstanden, dass ein – gegenüber welchem Vergleichsobjekt auch immer – reduzierter Kohlehydratanteil werblich hervorgehoben wird. Denn es heißt nicht „LowerCarb“ oder „mit weniger Kohlehydraten“. Dass auch derartige Angaben ohne unmittelbar vergleichenden Charakter von der Verordnung erfasst sind, macht der Umstand deutlich, dass sich im Anhang zur HCV auch bloß auf einen geringen Gehalt von Nährstoffen hinweisende nährwertbezogene Angaben, wie „fettarm“, „natriumarm“, „arm an gesättigten Fettsäuren“, finden.
OLG Hamburg, Beschl. v. 24.4.2014, 3 W 27/14, II.1
Die Angaben „LowCarb“ und „mit wenig Kohlehydraten“ weisen auf eine geringe Menge von Nährstoffen – hier Kohlehydraten – hin, so dass Art. 2 Abs. 2 Nr. 4 lit. b) ii) HCV, jedenfalls aber Art. 2 Abs. 2 Nr. 4 lit. b) i) HCV, einschlägig ist.
S.a. OLG Hamburg, Beschl. v. 15.6.2020, 3 U 10/20; OLG Hamburg, Beschl. v. 9.11.2020, 13 U 15/20 Kart
OLG Stuttgart, Urt. v. 12.12.2019, 2 U 23/19
Die Angabe Low Carb ist nährwertbezogen. …
Ein erheblicher Teil der angesprochenen Verbraucher versteht den Begriff „Low Carb“ nicht dahingehend, dass durch diesen ausschließlich Lebensmittel bezeichnet würden, die im Vergleich zu anderen Produkten einen geringeren Anteil an Kohlenhydraten aufweisen, sondern entsprechend dem Wortsinn dahingehend, dass es sich um Lebensmittel handele, die absolut gesehen einen geringen Anteil an Kohlenhydraten aufweisen. Damit aber wird mit diesem Begriff dem beworbenen Lebensmittel eine besonderen Nährwerteigenschaft zugeschrieben …
Die nährwertbezogene Angabe erfüllt nicht die Voraussetzungen des Art. 8 Abs. 1 HCVO, dass sie nicht im Anhang aufgeführt ist.
OLG Stuttgart, Urt. v. 12.12.2019, 2 U 23/19
Angaben über den absoluten Nährstoffgehalt sind in der Regel nicht vergleichend im Sinne von Art. 9 HCVO. Der Verbraucher wird in diesen Fällen allein durch den Hinweis auf einen hohen oder niedrigen Gehalt dieser Stoffe nicht schon zu einem Vergleich mit anderen Produkten veranlasst. Anders kann dies zu beurteilen sein, wenn im Rahmen der Aufmachung weitere Elemente hinzu kommen.
Objektive Beschaffenheitsangaben
OLG Stuttgart, Urt. v. 3.2.2011, 2 U 61/10, II.B.1.b.aa. (2)-(d)
Streitig ist dabei, ob auch objektive Beschaffenheitsangaben nährwertbezogene Angaben sein können. Dagegen spricht, dass nach Art. 2 Abs. 2 Nr. 1 VNGA jede "Angabe" zum Ausdruck bringen muss, dass ein Lebensmittel besondere (Hervorhebungen durch den Senat) Eigenschaften besitzt, was bei bloßen Sachinformationen verneint werden könnte. Diese Sicht ist aber nicht zwingend; die Formulierung "besondere Eigenschaften" könnte auch dahingehend verstanden werden, dass nur solche Angaben nicht erfasst sein sollen, die sich auf allgemeine - und nicht besondere - Eigenschaften des konkreten Lebensmittels beziehen.
Beispiele nährwertbezogener Angaben
BGH, Urt. v. 18.5.2017, I ZR 100/06, Tz. 13 - Märchensuppe
Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob die Angabe "Mild gesalzen - voller Geschmack" vom Durchschnittsverbraucher mit der Angabe "natriumarm/kochsalzarm" gleichgesetzt oder im Sinne von "weniger gesalzen" verstanden wird. Es hat zu Recht angenommen, dass es sich in beiden Fällen um eine nährwertbezogene Angabe handelt, weil jeweils eine Aussage über den Kochsalzgehalt des Produkts getroffen wird.
OLG Rostock, Urt. v. 25.5.2011, 2 U 2/11
Die Angabe "reich an wertvollen Vitaminen und Nährstoffen" ist eine nährwertbezogene Angabe.
OLG Frankfurt, Urt. v. 12.9.2019, 6 U 114/18, II.2.b
Die Angabe „reich an Salicin und Flavonoiden“ suggeriert, das Produkt besitze positive Nährwerteigenschaften aufgrund der genannten Substanzen. Die Angabe bezieht sich auf die in dem Lebensmittel enthaltenen Inhaltsstoffe und vermittelt durch das Adjektiv „reich“ den Eindruck einer positiven ernährungsbezogenen Wirkung.
BGH, Urt. v. 12.2.2015, I ZR 36/11, Tz. 29, 31 - Monsterbacke II
Da sich die besonderen positiven Nährwerteigenschaften gemäß Art. 2 Abs. 2 Nr. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 aus dem Brennwert des beworbenen Lebensmittels oder den in ihm enthaltenen Nährstoffen oder Substanzen ergeben, muss sich auch das durch die Angabe hervorgerufene Verbraucherverständnis auf eine Eigenschaft beziehen, die der durch das Lebensmittel gelieferten Energie oder einem bestimmten, in ihm enthaltenen Nährstoff oder einer anderen Substanz geschuldet ist. Dies ist bei einer allgemein gehaltenen Gleichwertigkeitsbehauptung ("So wichtig wie das tägliche Glas Milch!") nicht der Fall, die auf ein Lebensmittel mit verschiedenen Nährstoffen Bezug nimmt, ohne dass der Verbraucher sie dahin versteht, dass sie sich auf sämtliche oder bestimmte Inhaltsstoffe des Vergleichslebensmittels bezieht. ...
Der Umstand, dass dem angegriffenen Slogan die Aussage entnommen werden kann, das Produkt sei ebenso wichtig wie Milch, weil es wie diese unter anderem den Knochenaufbau fördernde Mineralstoffe enthalte, ändert nichts daran, dass mit dem Slogan nicht auf bestimmte Nährstoffe, sondern auf Milch als alternatives Lebensmittel Bezug genommen wird.
BGH, Urt. v. 9.10.2014, I ZR 167/12. Tz. 14 – ENERGY & VODKA
Bei der anregenden und stimulierenden Wirkung, auf die die Bezeichnung "ENERGY" hinweist, handelt es sich aus der nach dem Erwägungsgrund 16 dieser Verordnung maßgeblichen Sicht des normal informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers um eine Eigenschaft, die bei jedem Energydrink vorliegt.
Anders noch OLG Hamm, Urt. v. 10.7.2012, I-4 U 38/12, Tz. 74, 84, 88 - Energy & Vodka
OLG Nürnberg, Beschl. v. 14.2.2012, 3 U 2074/11, II.2.b
Ebenso wenig kann der Kläger damit argumentieren, dass allein die Tatsache als solche, nämlich dass "mit bioaktiven Pflanzenstoffen" überhaupt gesondert geworben werde, zwangsläufig als nährwertbezogene Angabe nach Art. 2 Abs. 2 Nr. 4 VNGA zu qualifizieren sei, da damit dieser Charakter suggeriert werde und eine solche Suggestion nach der genannten Vorschrift bereits genüge. Allein die Präposition "mit" ist jedoch ohne nähere Erläuterung nicht geeignet, ein solches Verständnis beim Verbraucher hervorzurufen.
OLG Karlsruhe, Urteil v. 17.03.2016, Az. 4 U 218/15, II.1
Der Begriff „mild gesalzen" ist nährwertbezogen i.S.v. Art. 2 Abs. 2 Ziff. 4 HCV.
OLG Celle, Urt. v. 6.9.2019, 13 U 69/18, Tz. 38
Die Aussage ‚Kein zugesetzter Zucker‘ stellt eine nährwertbezogene Angabe i.S.d. Art. 2 Abs. 2 Nr. 1, 4 HCVO dar, weil mit dem Hinweis auf den fehlenden Zuckerzusatz zum Ausdruck gebracht wird, dass das Lebensmittel besondere positive Nährwerteigenschaften besitzt, und zwar aufgrund des Umstandes, dass ihm der Nährstoff Zucker nicht hinzugesetzt worden sei (Art. 2 Abs. 2 Nr. 4 b) iii) HCVO).
OLG Hamm, Urt. v. 30.4.2013, 4 U 149/12, Tz. 61, 64 - Vitalstoffe
Bei dem Begriff der Vitalstoffe handelt es sich um einen Oberbegriff für alle vom menschlichen Körper benötigten bzw. der Gesundheit des Organismus förderlichen Substanzen mit Ausnahme der Nährstoffe, die der direkten Energiezufuhr dienen, nämlich Eiweiß, Kohlenhydrate und Fett (vgl. Brockhaus, Ernährung, Artikel Vitalstoffe, 2. Aufl. 2004). Unter Vitalstoffen sind also nicht nur Ballaststoffe, Vitamine und Mineralstoffe zu verstehen, sondern auch Enzyme. ...
Die nährwertbezogene Werbung mit dem Begriff der Vitalstoffe ist unzulässig. Dieser ist im Anhang zur HCVO nicht aufgeführt. Der Begriff der Vitalstoffe ist unspezifisch und für den wissenschaftlichen Gebrauch ungeeignet, weil er eine große Anzahl verschiedener Substanzen mit unterschiedlichen Wirkmechanismen zusammenfasst. Er wird vielmehr umgangssprachlich und in der Populärliteratur verwendet (vgl. Brockhaus, Ernährung, Artikel Vitalstoffe, 2. Aufl. 2004). Der Begriff eröffnet Möglichkeiten zur Irreführung der Verbraucher.
Ebenso OLG Frankfurt, Urt. v. 29.1.2015, 6 U 170/14, Tz. 7 ff; KG, Urt. v. 10.7.2015, 5 U 131/13, B.I.1.a.aa (= MD 2015, 1086); OLG Hamm, Urt. v. 4. 8.2016, 4 U 18/16, Tz. 52 ff - Vitalstoffe
OLG Hamburg, Beschl. v. 12.12.2022, 3 W 38/22, Tz. 22
Es handelt sich bei der Angabe „ohne Zucker“ um eine nährwertbezogene Angabe i. S. v. Art. 2 Abs. 2 Nr. 4 HCVO, da damit suggeriert wird, dass das beworbene Lebensmittel besondere positive Nährwerteigenschaften aufgrund eines verminderten Brennwerts hat. Gem. Art. 8 Abs. 1 HCVO dürfen nährwertbezogene Angaben jedoch nur gemacht werden, wenn sie im Anhang aufgeführt sind und den in dieser Verordnung festgelegten Bedingungen entsprechen.