Ihr Rechtsanwalt im Wettbewerbsrecht
Dr. Hermann-Josef Omsels*

Eine Darstellung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und wettbewerbsrechtlicher Nebengesetze



 

1. § 7 Abs. 1 UWG - Belästigende Werbung

1. Gesetzestext

2. Richtlinienkonformität

3. Systematik

4. § 7 Abs. 1 S. 1 UWG

5. § 7 Abs. 1 S. 2 UWG

Literatur: Meyer, Justus, Inhaltliche Aspekte unzumutbarer Belästigung, WRP 2017, 501

Gesetzestext

§ 7 Abs. 1 UWG Belästigende Werbung

Eine geschäftliche Handlung, durch die ein Marktteilnehmer in unzumutbarer Weise belästigt wird, ist unzulässig. Dies gilt insbesondere für Werbung, obwohl erkennbar ist, dass der angesprochene Marktteilnehmer diese Werbung nicht wünscht.

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Richtlinienkonformität

Die belästigende Werbung ist ein Unterfall der aggressiven Geschäftspraktiken gemäß Art. 8 und 9 der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken. Darüber hinaus können über § 7 Abs. 1 UWG aber auch Verhaltensweisen verboten werden, die als Verstoß gegen die guten Sitten verstanden werden, auch wenn sie die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers nicht beeinträchtigen. Diese Möglichkeit ergibt sich aus Erwägungsgrund 7 der UGP-Richtlinie:

Diese Richtlinie ... bezieht sich nicht auf die gesetzlichen Anforderungen in Fragen der guten Sitten und des Anstands, die in den Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich sind. ... Die Mitgliedstaaten sollten daher im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht in ihrem Hoheitsgebiet weiterhin Geschäftspraktiken aus Gründen der guten Sitten und des Anstands verbieten können, auch wenn diese Praktiken die Wahlfreiheit des Verbrauchers nicht beeinträchtigen.

BGH, Urt. v. 22.4.2010, I ZR 29/09, Tz. 14 - Grabmalwerbung

Nach ihrem Erwägungsgrund 7 Satz 3 bezieht sich die Richtlinie 2005/29/EG nicht auf die gesetzlichen Anforderungen in Fragen der guten Sitten und des Anstands, die in den Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich sind. So können Geschäftspraktiken wie beispielsweise das Ansprechen von Personen auf der Straße zu Verkaufszwecken in manchen Mitgliedstaaten aus kulturellen Gründen unerwünscht sein (Erwägungsgrund 7 Satz 4). Die Mitgliedstaaten sind daher durch die Richtlinie grundsätzlich nicht gehindert, weiterhin Geschäftspraktiken aus Gründen der guten Sitten und des Anstands zu verbieten, auch wenn diese Praktiken die Wahlfreiheit des Verbrauchers nicht beeinträchtigen.

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Systematik

OLG Stuttgart, Urt. v. 25.7.2013, 2 U 9/13, I.B.1.

Die Systematik des § 7 UWG besteht in einer kleinen Generalklausel in § 7 Abs. 1 S. 1. Im Rahmen dieser Generalklausel ist unter Berücksichtigung des Abs. 1 S. 2 eine umfassende Wertung des Einzelfalls über das Unzumutbarkeitskriterium vorzunehmen. § 7 Abs. 1 S. 1 erfasst, anders als § 7 Abs. 1 S. 2, nicht nur die Werbung, sondern alle geschäftlichen Handlungen. § 7 Abs. 1 S. 1 regelt nur den Fall, dass die Belästigung eines Marktteilnehmers durch eine geschäftliche Handlung im Sinn des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG erfolgt.

OLG Hamm, Urt. v. 7.5.2024, 4 U 252/22, Tz. 78

§ 7 Abs. 1 Satz 1 UWG erfasst, anders als § 7 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 und Abs. 3 UWG, nicht nur die Werbung, sondern alle geschäftlichen Handlungen, so dass gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG alle Handlungen vor, bei und nach Vertragsschluss erfasst sind, sofern sie in einem unmittelbaren und objektiven Zusammenhang mit der Förderung des Absatzes oder Bezugs oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrages – d. h.  auch mit der streitgegenständlichen Durchsetzung von vermeintlichen Ansprüchen – stehen.

Nach § 7 Abs. 1 S. 2 UWG ist eine unzumutbare Belästigung jedenfalls anzunehmen, wenn es sich um eine Werbung handelt, die der Empfänger erkennbar nicht wünscht. S. 2 ist auf Werbung beschränkt. Es ist ein Beispielstatbestand der unzumutbaren Belästigung.

OLG Frankfurt, Urt. v. 7.5.2020, 6 U 54/19, II.2.b

Während es sich bei § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG um ein sogenanntes "per se"-Verbot handelt, das ein unerwünschtes hartnäckiges Ansprechen ohne Rücksicht auf weitere Umstände untersagt, handelt es sich bei § 7 Abs. 1 UWG um eine Art Auffangtatbestand ("kleine Generalklausel", vgl. Köhler in K/B/F, UWG, 38. Aufl., § 7 Rn. 5). Beide Bestimmungen verfolgen unterschiedliche Schutzzwecke. § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG dient der Umsetzung von Nr. 26 S. 1 Anh. I der Richtlinie 2005/29/EG ("UGP-Richtlinie") und damit dem Schutz der Verbraucher vor einer Beeinträchtigung ihrer Entscheidungsfreiheit. Demgegenüber bezweckt § 7 Abs. 1 UWG den Schutz der Privatsphäre. Belästigend in diesem Sinne ist eine Werbung, die dem Empfänger aufgedrängt wird und bereits wegen der Art und Weise, wie sie ihn erreicht, unabhängig von ihrem Inhalt als störend empfunden wird. Eine Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit der Marktteilnehmer ist nicht erforderlich (BGH, Urt. v.  25.4.2019 - I ZR 23/18 Tz. 12 - WifiSpot). Für eine solche Regelung lässt die UGP-Richtlinie auch Raum. Sie regelt zwar die Frage der Unlauterkeit von Geschäftspraktiken im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmern und Verbrauchern grundsätzlich abschließend. Nach ihrem Erwägungsgrund 7 bezieht sie sich allerdings nicht auf die gesetzlichen Anforderungen in Fragen der guten Sitten und des Anstands, die in den Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich sind. Die Mitgliedstaaten sind daher grundsätzlich nicht gehindert, Geschäftspraktiken aus Gründen der guten Sitten und des Anstands zu verbieten, auch wenn diese Praktiken die Wahlfreiheit des Verbrauchers nicht beeinträchtigen (BGH, Urt. v. 22.4.2010 - I ZR 29/09 Tz. 14 - Grabmahlwerbung). Insbesondere bei der Anwendung der Generalklauseln, sollen auch die Umstände des Einzelfalles berücksichtigt werden (Erwägungsgrund 7, Satz 4). Nach der Gesetzesbegründung soll der Auffangtatbestand des § 7 Abs. 1 UWG die im Erwägungsgrund 7 der Richtlinie angesprochene umfassende Wertung der Einzelfallumstände ermöglichen (BT-Drs. 16/10145, S. 29).

Umstritten ist, ob bei richtlinienkonformer Auslegung der Bestimmungen § 7 Abs. 1 UWG gegenüber § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG einschränkend anzuwenden ist. Teilweise wird vertreten, innerhalb des abschließenden Anwendungsbereichs des auf Nr. 26 S. 1 Anh. I der UGP-Richtlinie beruhenden § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG dürfe nicht durch einen Auffangtatbestand ein faktisch höheres Verbraucherschutzniveau geschaffen werden (vgl. Köhler in K/B/F, a.a.O., § 7 Rn. 5). Nach anderer Ansicht besteht für eine einschränkende Auslegung kein Anlass, da § 7 Abs. 1 UWG mit der erforderlichen Interessenabwägung ohnehin von anderen Voraussetzungen ausgehe (vgl. Büscher, UWG, 1. Aufl. 2019, § 7 Rn. 46). Aus Sicht des Senats handelt es sich bei § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG um eine vorrangige Sonderregelung nur für den Fall, dass ein Verbraucher insbesondere durch Briefwerbung und Briefkastenwerbung hartnäckig angesprochen wird (ebenso Koch/Seichter in: Ullmann, jurisPK-UWG, 4. Aufl., § 7 UWG - Stand: 20.03.2020 - Rn. 192). Spricht die Werbung den Umworbenen nicht hartnäckig an, ist allein § 7 Abs. 1 Satz 2 UWG anwendbar. Es wäre mit dem Ziel der Vollharmonisierung der Richtlinie zwar unvereinbar, § 7 Abs. 1 Satz 2 UWG so auszulegen, dass eine unerwünschte Briefwerbung auch bei fehlender Hartnäckigkeit per se verboten ist. Davon kann jedoch bei sachgerechter Anwendung der Bestimmung keine Rede sein. Vielmehr ist zu prüfen, ob die Indizwirkung des Regelbeispiels des § 7 Abs. 1 Satz 2 UWG bei einer Abwägung der betroffenen Interessen aufgrund der besonderen Umstände des konkreten Einzelfalls ausnahmsweise entfällt (vgl. Koch/Seichter a.a.O., Rn. 192). Ein Wertungswiderspruch wird also schon dadurch vermieden, dass - zusätzlich zu dem unerwünschten Ansprechen - im Rahmen der Zumutbarkeit eine Interessenabwägung unter Berücksichtigung der Einzelfallumstände zu erfolgen hat.

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§ 7 Abs. 1 S. 1 UWG

Eine geschäftliche Handlung, durch die ein Marktteilnehmer in unzumutbarer Weise belästigt wird, ist unzulässig.

Grundvoraussetzung ist das Vorliegen einer geschäftlichen Handlung.

BGH, Urteil vom 25. April 2019, I ZR 23/18, Tz. 12 - WiFiSpot

Ziel der Regelung ist es, das Eindringen in die Privatsphäre von Verbraucherinnen und Ver-brauchern zu verhindern.

BGH, Urt. v. 3.3.2011 - I ZR 167/09, Tz. 17 – Kreditkartenübersendung

Belästigend ist eine geschäftliche Handlung, die dem Empfänger aufgedrängt wird und die bereits wegen ihrer Art und Weise unabhängig von ihrem Inhalt als störend empfunden wird. Unzumutbar ist die Belästigung, wenn sie eine solche Intensität erreicht, dass sie von einem großen Teil der Verbraucher als unerträglich empfunden wird, wobei der Maßstab des durchschnittlich empfindlichen Adressaten zugrundezulegen ist. Dabei kommt es nicht einseitig auf die Perspektive des Adressaten der geschäftlichen Handlung an. Die Unzumutbarkeit ist vielmehr zu ermitteln durch eine Abwägung der auch verfassungsrechtlich geschützten Interessen des Adressaten, von der Werbung verschont zu bleiben (Art. 2 Abs. 1 GG), und des werbenden Unternehmers, der seine gewerblichen Leistungen durch Werbung zur Geltung bringen will.

Ebenso BGH, Urteil vom 25. April 2019, I ZR 23/18, Tz. 12, 27 - WiFiSpot (zur Installation eines öffentlichen zweiten WLAN-Zugangs auf einem privaten Router); KG, Urt. v. 19.6.2015, 5 U 7/14 (= MD 2015, 854); OLG Nürnberg, Urt. v. 15.1.2019, 3 U 724/18, Tz. 98; OLG Frankfurt, Urt. v. 7.5.2020, 6 U 54/19, II.2.d; KG, Urt. v. 1.12.2020, 5 U 26/19, Tz. 31; s.a. OLG Hamm, Urt. v. 7.5.2024, 4 U 252/22, Tz. 80

BGH, Urteil vom 25. April 2019, I ZR 23/18, Tz. 12 - WiFiSpot

Eine Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit der Marktteilnehmer ist - anders als bei einer aggressiven geschäftlichen Handlung nach § 4a Abs. 1 Satz 1 UWG - nicht Voraussetzung einer nach § 7 Abs. 1 Satz 1 UWG verbotenen Belästigung.

OLG Nürnberg, Urt. v. 15.1.2019, 3 U 724/18, Tz. 99 f

Im Rahmen der umfassenden Abwägung sind einerseits die Interessen des Handelnden (z.B. Förderung des Waren- oder Dienstleistungsabsatzes durch kostengünstige und effektive Werbemethoden) und andererseits der Adressaten der geschäftlichen Handlung (z.B. Schutz der Privatsphäre, Kostenvermeidung) zu berücksichtigen. Entscheidende Faktoren im Abwägungsprozess sind der Grad und die Intensität des Einwirkens auf den Werbeadressaten und - damit meist, aber nicht notwendig korrelierend - der Aufwand, den er betreiben muss, um der Werbung zu entgehen (Leible, in MüKoUWG, 2. Aufl. 2014, § 7 UWG Rn. 49 f.).

Bei der Interessenabwägung gelten folgende Grundsätze (vgl. Ohly, in Ohly/Sosnitza, UWG, 7. Aufl. 2016, § 7 Rn. 25):

- Je erheblicher die Störung, desto eher ist sie unzumutbar. Geringfügige Belästigungen hingegen sind vom Adressaten hinzunehmen.

- Eingriffe in die Privatsphäre haben größeres Gewicht als Störungen in der Öffentlichkeit oder die Störung betrieblicher Abläufe.

- Je größer die Bedeutung der betreffenden Werbemethode für den Werbenden und je geringer seine Ausweichmöglichkeiten auf andere, ähnlich effektive Werbemittel, desto eher ist die Werbung vom Adressaten hinzunehmen.

- Je höher der Aufwand für den Adressaten, der belästigenden Handlung zu entgehen, desto weniger ist sie hinnehmbar.

- Bei der lauterkeitsrechtlichen Beurteilung muss der Summen- bzw. Nachahmungseffekt berücksichtigt werden. Gerade bei der Verwendung kostengünstiger Werbemethoden liegt die Vermutung nahe, dass sich andere Mitbewerber zur Nachahmung veranlasst sehen. Auch wenn eine einzelne Handlung als unerhebliche Belästigung anzusehen wäre, kann sich die Unlauterkeit in diesen Fällen daraus ergeben, dass für die Zukunft mit einer erheblichen Zahl gleichartiger Handlungen zu rechnen wäre, die in ihrer Summe eine wesentliche Belästigung darstellen würden.

BGH, Urt. v. 12.9.2013, I ZR 208/12, Tz. 21 - Empfehlungs-E-Mail

Unlauter ist eine Wettbewerbshandlung, wenn dadurch Marktteilnehmer in unzumutbarer Weise belästigt werden (§ 7 Abs. 1 UWG). Ein solcher Belästigungsgrad ist regelmäßig anzunehmen, wenn die Gefahr besteht, dass der Werbende zu Mitteln greift, die auch berufsmäßigen Werbern verboten sind (vgl. BGH, Urt. v. 6.7.2006, I ZR 145/03 - Kunden werben Kunden). Dies ist anzunehmen, wenn der Empfänger in diese Art Werbung nicht eingewilligt hat und sich praktisch nicht zur Wehr setzen kann.

OLG Hamm, Urt. v. 7.5.2024, 4 U 252/22, Tz. 80

Unzumutbar ist eine Belästigung im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 UWG, wenn sie eine solche Intensität erreicht, dass sie von einem großen Teil der Verbraucher als unerträglich empfunden wird, wobei der Maßstab des durchschnittlich empfindlichen Adressaten zugrunde zu legen ist. Dabei kommt es nicht einseitig auf die Perspektive des Adressaten an. Die Unzumutbarkeit ist vielmehr zu ermitteln durch eine Abwägung der auch verfassungsrechtlich geschützten Interessen des Adressaten, von der geschäftlichen Handlung verschont zu bleiben, und des Unternehmers, der seine gewerblichen Leistungen zur Geltung bringen will (vgl. BGH GRUR 2010, 939 Rn. 24 – Telefonwerbung nach Unternehmenswechsel; GRUR 2010, 1113 Rn. 15 – Grabmalwerbung; GRUR 2011, 747 Rn. 17 – Kreditkartenübersendung; WRP 2019, 879 Rn. 27 – WiFiSpot; KG, Beschl. v. 3.11.2021, 5 W 140/21; Köhler/Bornkamm, a.a.O., Rn. 31).

OLG Stuttgart, Urt. v. 25.7.2013, 2 U 9/13, I.B.3.c.aa

Bei der gebotenen Beurteilung spielt auch eine Rolle, welche Alternativen dem Unternehmen zur Verfügung stehen. Von Bedeutung ist auch, welches Maß an Zeit, Arbeit und Kosten der Adressat aufwenden muss, um der geschäftlichen Handlung des sendenden Unternehmens zu entgehen oder sich ihrer zu entledigen.

OLG Stuttgart, Urt. v. 25.7.2013, 2 U 9/13, I.B.3.c.bb

Bei der Beurteilung der Unzumutbarkeit einer Belästigung ist zunächst zu fragen, ob einer der Spezialtatbestände des § 7 Abs. 2 UWG oder einer der Schwarzen Liste (Anh. zu § 3 Abs. 3 UWG) verwirklicht ist. In die gebotene umfassende Wertung des Einzelfalls kann auch die Wertvorgabe des Gesetzgebers in § 7 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 UWG ein gewisses Bewertungsmoment abgeben.

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§ 7 Abs. 1 S. 2 UWG

Eine geschäftliche Handlung, durch die ein Marktteilnehmer in unzumutbarer Weise belästigt wird, ist unzulässig. Dies gilt insbesondere für Werbung, obwohl erkennbar ist, dass der angesprochene Marktteilnehmer diese Werbung nicht wünscht.

OLG Stuttgart, Urt. v. 25.7.2013, 2 U 9/13, I.B.2

§ 7 Abs. 1 S. 2 ist ein abstrakt gefasster Beispielstatbestand der unzumutbaren Belästigung.

Eingangsvoraussetzung ist das Vorliegen einer > Werbung.

OLG Stuttgart, Urt. v. 25.7.2013, 2 U 9/13, I.B.2.b

Die Regelung bezieht sich nur auf die Form der Werbung, d. h. die Art und Weise, wie die Werbung dem Empfänger nahegebracht wird, nicht auch auf den Inhalt der Werbung. Es geht nur darum, ob und inwieweit eine Werbung jemandem gegen seinen Willen aufgedrängt werden kann, so dass er gezwungen ist, sich damit auseinanderzusetzen (Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, § 7, 34).

Zu einer Faxanfrage einer Auskunftei bei einem Unternehmen mit der Bitte um Korrektur einer Aufstellung der Unternehmensdaten:

OLG Stuttgart, Urt. v. 25.7.2013, 2 U 9/13, I.B.2.e

Die Beklagte hat zwar, was nach den Umständen geboten war und was im Falle des Unterlassens erst Aufmerksamkeit erregen würde, mit Briefkopf Fragen nach Wirtschaftsdaten an die Gärtnerei herangetragen. Damit hat sie objektiv die Grundlage ihres Unternehmensgegenstandes gestärkt (aktuelle Daten), hat damit auch eine Unternehmensaufgabe wahrgenommen, welche für das Funktionieren der Wirtschaft von erheblicher Bedeutung ist (vgl. BGH NJW 2011, 2204, Tz. 21) und trug mit der unmittelbaren Anfrage beim (späteren) Mitteilungsgegenstand, der Gärtnerei, wohl auch den Anforderungen des § 4 Abs. 2 BDSG Rechnung. Danach konnte aus der maßgeblichen Sicht des angesprochenen Verkehrs nur der berechtigte Eindruck entstehen, die Beklagte ergänze gleichsam die Betriebsmittel (der Speditions-Lkw, der tankt, wirbt nicht), nicht aber, sie wolle die Gärtnerei als Kunden gewinnen, auch nicht, sich dieser in künftigen Fällen als Dienstleister anbieten, oder auch nur sich als kompetentes, leistungsfähiges Unternehmen präsentieren. Solches wäre allenfalls ein rechtlich unbeachtlicher Reflex des unternehmerischen Auftretens gewesen.

Zur einer Briefwerbung nach ausdrücklichem Wunsch, keine Werbung mehr erhalten zu wollen.

OLG Frankfurt, Urt. v. 7.5.2020, 6 U 54/19, II.2.d

Die Werbung der Beklagten war erkennbar unerwünscht. Die Zeugin hatte spätestens mit Email vom … weiteren Werbemaßnahmen widersprochen. Damit ist das Regelbeispiel des § 7 Abs. 1 Satz 2 UWG erfüllt. Die Unzumutbarkeit wird dadurch indiziert.  …

Es wird teilweise vertreten, eine geschäftliche Handlung könne ausnahmsweise nicht als unzumutbare Belästigung zu bewerten sein, weil es sich dabei um eine einmalige oder ungewollte Belästigung - um einen "Ausreißer" - handelt (Koch/Seichter in: Ullmann, jurisPK-UWG, a.a.O., § 7 UWG - Stand: 20.03.2020 - Rn. 35 unter Berufung auf BGH, Urt. v.  9.9.2004, I ZR 93/02 - Ansprechen in der Öffentlichkeit II; OLG Hamm, Beschl. v. 25.11.2014, I-9 U 225/13). Nach anderer Ansicht ist der Einwand, es habe sich um ein einmaliges Versehen ("Ausreißer") gehandelt, unbeachtlich, soweit es um den Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch geht. Anders könne es sich bei dem verschuldensabhängigen Schadensersatzanspruch und bei dem ebenfalls verschuldensabhängigen Vertragsstrafeanspruch verhalten (Köhler in K/B/Fr, 38. Aufl. 2020, UWG § 7 Rn. 29).

Der Senat schließt sich der zweitgenannten Ansicht an. Für sie spricht, dass der Unterlassungsanspruch verschuldensunabhängig ist und bereits ein einmaliger Verstoß eine Weiderholungsgefahr begründet. Es kommt hinzu, dass eine Vollstreckung des gerichtlichen Verbots nur dann droht, wenn eine schuldhafte Zuwiderhandlung vorliegt. Dem Verletzer werden also keine unmöglich erfüllbaren Verhaltenspflichten auferlegt. Der Umstand, dass ein Ausreißer vorliegt, kann daher nicht ohne weiteres tatbestandsausschließende Wirkung haben. Allerdings ist eine Belästigung umso eher unzumutbar, je mehr sie nicht eine ungewollte oder nur gelegentliche Nebenwirkung einer Werbemaßnahme darstellt, sondern bewusst und gezielt erfolgt (vgl. BGH, Urt. v.  9.9.2004, I ZR 93/02 - Ansprechen in der Öffentlichkeit II). Der Sache nach handelt es sich daher bei dem "Ausreißer"-Argument um den Einwand eines Bagatellverstoßes (vgl. BGH, Urt. v.  21.9.2016, I ZR 234/15 Tz. 31 - Quecksilberhaltige Leuchtstofflampen). Im Rahmen des § 7 Abs. 1 UWG, der keine ausdrückliche Bagatellschwelle vorsieht, ist der Umstand somit im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigen. An den Nachweis eines Bagatellverstoßes, für den der Verletzer die Darlegungs- und Beweislast trägt, sind allerdings strenge Anforderungen zu stellen (BGH, Urt. v.  21.9.2016, I ZR 234/15 Tz. 31 - Quecksilberhaltige Leuchtstofflampen).

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