Ihr Rechtsanwalt im Wettbewerbsrecht
Dr. Hermann-Josef Omsels*

Eine Darstellung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und wettbewerbsrechtlicher Nebengesetze



 

1. Geschäftsgeheimnis

1. Geschäftsgeheimnis

a. Information

b. geheim

c. von wirtschaftlichem Wert

d. Gegenstand angemessener Geheimhaltungsmaßnahmen

e. Berechtigtes Interesse

2. Richtlinie (EU) 2016/943

3. Inhaber des Geschäftsgeheimnisses

4. Rechtsverletzendes Produkt

4. Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen nach § 17 UWG

a. Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis nach § 17 UWG

b. Mangelnde Offenkundigkeit/Bekanntheit

Geschäftsgeheimnis

 

§ 2 Begriffsbestimmungen

Im Sinne dieses Gesetzes ist

1. Geschäftsgeheimnis

eine Information

a) die weder insgesamt noch in der genauen Anordnung und Zusammensetzung ihrer Bestandteile den Personen in den Kreisen, die üblicherweise mit dieser Art von Informationen umgehen, allgemein bekannt oder ohne Weiteres zugänglich ist und daher von wirtschaftlichem Wert ist und

b) die Gegenstand von den Umständen nach angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen durch ihren rechtmäßigen Inhaber ist und

c) bei der ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung besteht;

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Information

 

Als Geschäftsgeheimnis kann jede Art  von Information geschützt sein, die einen Handelswert verkörpert, nicht belanglos, nicht allgemein bekannt und nicht leicht zugänglich ist. Erwägungsgrund 14 der Richtlinie (EU) Nr. 2016/943 unterscheidet Know-How, Geschäftsinformationen und technologische Informationen.

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allgemein bekannt oder ohne weiteres zugänglich

 

Eine Information ist nach § 2 Nr. 1 a) GeschGehG geheim, wenn sie weder in ihrer Gesamtheit noch in der genauen Anordnung und Zusammensetzung ihrer Bestandteile den Personen in den Kreisen, die üblicherweise mit dieser Art von Informationen umgehen, allgemein bekannt oder ohne weiteres zugänglich ist.

Eine Information ist allgemein bekannt, wenn sie zum üblichen Erfahrungswissen in einer Branche oder in einem Beruf gehört oder wenn sie veröffentlicht wurde und prinzipiell von jedermann einsehbar oder abrufbar ist. Ob die Bekanntgabe rechtmäßig oder rechtswidrig erfolgt ist, ist irrelevant (Büscher/McGuire, UWG, § 2 GeschGehG, Rn. 27).

OLG Düsseldorf, Urt. v. 11.3.21, 15 U 6/20, Tz. 44

Allgemein bekannt ist eine Information, wenn sie zum gängigen Kenntnis- und Wissensstand der breiten Öffentlichkeit oder einer dem maßgeblichen Fachkreis angehörenden durchschnittlichen Person gehört. Dies ist z. B. der Fall, wenn die Information der interessierten Öffentlichkeit bzw. dem maßgeblichen Fachkreis durch (Fach)Veröffentlichung, Anmeldung, Registrierung oder Ausstellung bekannt gemacht wurde (Zu § 17 UWG a. F.: BGH GRUR 2018, 1161 – Hohlfasermembranspinnanlage II; BGH GRUR 2012, 1048 – MOCICOL-Zulassungsantrag; BGH NJW 2006, 830; OLG Hamburg GRUR-RR 2001, 137. Zum GeschGehG: Büscher/McGuire, UWG GeschGehG § 2 Rn. 27; Harte-Bavendamm/Ohly/Kalbfus/Harte-Bavendamm GeschGehG § 2 Rn. 23 ff. Köhler/Bornkamm/Feddersen/Alexander GeschGehG § 2 Rn. 35).

OLG Schleswig, Urt. v. 28.4.2022, 6 U 39/21, Tz. 51

Allgemein bekannt sind Tatsachen, die von interessierten Personen ohne Weiteres aufgefunden werden können. Nicht allgemein bekannt, aber ohne Weiteres zugänglich sind Informationen, von denen sich interessierte Personen ohne größeren Zeit- und Kostenaufwand Kenntnis verschaffen können. Welchen Umfang der Aufwand genau erreichen muss, ist gesetzlich nicht vorgegeben. Eine Information ist jedenfalls nicht geheim, wenn sie sich binnen weniger Stunden beschaffen lässt.

Wenn eine Mehrzahl von Personen Kenntnis von der Information hat, ist sie so lange noch nicht allgemein bekannt, wie der Geheimnisinhaber die Kontrolle über das Geheimnis behält. Davon ist auszugehen, solange nur solche Personen Kenntnis davon haben, die aufgrund einer gesetzlichen oder vertraglichen Grundlage zur Geheimhaltung verpflichtet sind (Büscher/McGuire, UWG, § 2 GeschGehG, Rn. 30).

Eine Information ist leicht zugänglich, wenn sie von Personen, die über Fachwissen verfügen, mit einem geringem Zeit- und Kostenaufwand selbst herausgefunden werden kann.   Eine Information ist aber noch nicht leicht zugänglich, wenn sie erst durch ein Reverse Engineering eines Produkts, in dem die Information verkörpert ist, ermittelt werden kann.

OLG Düsseldorf, Urt. v. 11.3.21, 15 U 6/20, Tz. 45

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von wirtschaftlichem Wert

 

Als Beispiele für einen kommerziellen Wert nennt Erwägungsgrund 14, dass der unbefugte Erwerb oder die unbefugte Nutzung oder Offenlegung der Informationen die Interessen der Person, die rechtmäßig die Kontrolle über sie ausübt, aller Voraussicht nach dadurch schädigt, dass das wissenschaftliche oder technische Potenzial, die geschäftlichen oder finanziellen Interessen, die strategische Position oder die Wettbewerbsfähigkeit dieser Person untergraben werden. Die Information muss dem Geheimnisinhaber einen wirtschaftlichen Vorteil geben. Es wird davon ausgegangen, dass Richtlinie keinen hohen Wert voraussetzt und einen potentiellen, zukünftigen Wert ausreichen lässt (Alexander WRP 2017, 1034 Tz. 48).

Allerdings ist es erforderlich, dass sich der Wert der Information daraus ergibt, dass sie geheim ist. Er muss aber nicht ausschließlich aus diesem Umstand beruhen. In der Regel werden Informationen geheim gehalten, weil sie von Wert sind. Sie bewahren diesen Wert durch die Geheimhaltung, erlangen ihn aber nicht dadurch. Das sollte ausreichen.

OLG Stuttgart, Urt. v. 19.11.2020, 2 U 575/19, Tz. 254

Eine Information besitzt wirtschaftlichen Wert, wenn ihre Erlangung, Nutzung oder Offenlegung ohne Zustimmung des Inhabers dessen wissenschaftliches oder technisches Potenzial, geschäftliche oder finanzielle Interessen, strategische Position oder Wettbewerbsfähigkeit negativ beeinflussen (BT-Drucksache 19/4724, S. 24). Rezepturen und Produktionsvorschriften können vom Wettbewerber dazu eingesetzt werden, Kunden der Klägerin abzuwerben und so deren Wettbewerbsfähigkeit zu beeinträchtigen. Aus dem Schutz vor solchen Folgen folgt das berechtigte Interesse der Klägerin an einer Geheimhaltung.

LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 18.8.2021, 4 SaGa 1/21, Tz. 28

Eine Information weist auch dann einen wirtschaftlichen Wert auf, wenn dem Inhaber des Geheimnisses im Falle einer Rechtsverletzung wirtschaftliche Nachteile drohen. Das ist insbesondere anzunehmen, wenn die Erlangung, Nutzung oder Offenlegung der Information ohne Zustimmung des Inhabers dessen wissenschaftliches oder technisches Potenzial, geschäftliche oder finanzielle Interessen, strategische Positionen oder Wettbewerbsfähigkeit negativ beeinflussen (Begr. zum RegE, BT-Drs. 19/4724, 24; vgl. Erwägungsgrund 14 Richtlinie (EU) 2016/943). Hieraus folgt, dass ein Handelswert nicht nur dann zu bejahen ist, wenn es sich bei dem Geheimnis um kommerziell verwertbare Informationen handelt, sondern es genügt, wenn die geheime Information für das Unternehmen von einem wirtschaftlichen und/oder einem unternehmensstrategischen Interesse ist. Rein ideelle Nachteile (zB ein drohender Ansehensverlust) genügen allerdings nicht (Alexander in Köhler/Bornkamm/Feddersen UWG 39. Auflage § 2 GeschGehG Rn. 45).

OLG Schleswig, Urt. v. 28.4.2022, 6 U 39/21, Tz. 56

Maßgeblich für den wirtschaftlichen Wert ist nach der Vorstellung des Gesetzgebers, dass die Erlangung, Nutzung oder Offenlegung der Information ohne Zustimmung des Inhabers dessen wissenschaftliches oder technisches Potential, geschäftliche oder finanzielle Interessen, strategische Position oder Wettbewerbsfähigkeit negativ beeinflussen. Das Erfordernis der Werthaltigkeit ist großzügig auszulegen. Das Tatbestandsmerkmal dient im Wesentlichen dazu, Geschäftsgeheimnisse von rein wissenschaftlichen Erkenntnissen und von ideellen oder persönlichen, nicht auf wirtschaftliche Verwertung gerichteten Informationen abzugrenzen.

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Gegenstand von den Umständen nach angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen

 

Lit: Maaßen, Stefan: "Angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen" für Geschäftsgeheimnisse, GRUR 2019, 352; Thiel, Linda, Das neue Geschäftsgeheimnisgesetz (GeschGehG), WRP 2019, 700; Hille, Christian, Die Bestimmung angemessener Geheimhaltung im Recht der US-amerikanischen Geschäftsgeheimnisse, WRP 2019, 1408; Lauck, Simon, Angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen nach dem GeschGehG. Weshalb der Wert des Geschäftsgeheimnisses irrelevant ist, GRUR 2019, 1132; Partsch, Christoph/Rump, Lauritz, Auslegung der „angemessenen Geheimhaltungsmaßnahme“ im Geschäftsgeheimnis-Schutzgesetz, NJW 2020, 118

Geschäftsgeheimnisse sind nur Informationen, die Gegenstand von den Umständen entsprechenden angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen durch die Person, die die rechtmäßige Kontrolle über die Informationen besitzt. Hierbei handelt es sich um eine Schutzvoraussetzung, die dem deutschen Recht (§§ 17, 18 UWG) beim Inkrafttreten der Richtlinie und des GeschGehG unbekannt war.

OLG Stuttgart, Urt. v. 19.11.2020, 2 U 575/19, Tz. 255 f

Entscheidend für die Einordnung als Geschäftsgeheimnis ist, ob ihr Inhaber den Umständen nach angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen ergriffen hat. Hierin liegt für den vorliegenden Fall der wesentliche Unterschied der Neuregelung zur bisherigen Rechtslage, die lediglich einen erkennbaren subjektiven Geheimhaltungswillen voraussetzte, der sich in objektiven Umständen manifestierte.

Es handelt sich um eine objektive Voraussetzung, für die der Inhaber im Streitfall beweisbelastet ist.

LAG Düsseldorf, Urt. v. 3.6.2020, 12 SaGa 7/20, Tz. 80 f.

Durch dieses Merkmal gibt das Gesetz zu erkennen, dass nur derjenige den Schutz durch die Rechtsordnung genießt, der die geheime Information aktiv schützt. Wer keine Bestrebungen zum Schutz einer Information unternimmt oder lediglich darauf vertraut, die geheime Information werde nicht entdeckt und bleibe verborgen, genießt keinen Schutz durch die Rechtsordnung (Köhler/Bornkamm/Feddersen a.a.O. § 2 GeschGehG Rn. 49).

Der Maßstab für angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen ist objektiv. Nicht erforderlich ist ein optimaler Schutz. Die Angemessenheit ist indes nach den konkreten Umständen des Einzelfalls im Sinne einer Verhältnismäßigkeitsprüfung zu würdigen (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen UWG § 2 Rn. 65 f.). Bei der Bewertung der Angemessenheit können z.B. folgende Aspekte berücksichtigt werden: Wert des Geschäftsgeheimnisses und dessen Entwicklungskosten; Natur der Information, Bedeutung für das Unternehmen; Größe des Unternehmens; die üblichen Geheimhaltungsmaßnahmen in dem Unternehmen, die Art der Kennzeichnung der Informationen, vereinbarte vertragliche Regelungen mit Arbeitnehmern und Geschäftspartnern (Reinfeld a.a.O. § 1 Rn. 183). Ein solches Prüfprogramm wird indiziell durch Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2016/943/EU bestätigt, wonach die zuständigen Gerichte bei ihrer Prüfung der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit unter den dort genannten Aspekten Rechnung tragen müssen.

Ebenso LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 18.8.2021, 4 SaGa 1/21, Tz. 31

OLG Schleswig, Urt. v. 28.4.2022, 6 U 39/21, Tz. 60

Es sind objektiv getroffene, angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen erforderlich (BT-Drucks. 19/4724 S. 24). In diesem Tatbestandsmerkmal gibt das Gesetz zu erkennen, dass nur derjenige den Schutz der Rechtsordnung genießt, der die geheime Information aktiv schützt. Dies kommt auch in Erwägungsgrund 14 der dem GeschGehG zugrunde liegenden Richtlinie zum Ausdruck, wonach angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen so beschaffen sein sollten, dass die legitime Erwartung bestünde, dass die Vertraulichkeit gewahrt wird.

LAG Köln, Urt. v. 2.12.2019, 2 SaGa 20/19, Tz. 23

Der Anspruchsteller muss darlegen, dass gerade die im Antrag enthaltenen besonderen Daten von ihm durch angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen geschützt wurden. Dabei ist insbesondere darzustellen, welches konkrete Geheimhaltungsmanagement die Klägerin insgesamt anwendet, welche konkreten Daten bzw. Spezifikationen im Geschäftsverkehr geheim zu halten sind. Letztlich bedeutet dies nach Inkrafttreten des GeschGehG, dass ein konkretisiertes, auf die einzelnen Geheimnisse speziell abgestelltes Geheimschutz-Management durchgeführt werden muss, um zu beweisen, welche Geheimnisse wie und wie lange welchem Schutz unterlagen und welche Personen hiermit in Kontakt kamen und dabei verpflichtet waren, Geheimnisse der Beklagten zu schützen.

Nach der Legaldefinition ist eine Information nunmehr nur noch dann noch ein Geschäftsgeheimnis und damit Ausgangspunkt der Ansprüche, die dem Inhaber der Information daran zustehen können, wenn sie durch angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen geschützt wurde. Die angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen sind damit Voraussetzung dafür, dass überhaupt ein Geschäftsgeheimnis vorliegt. Als Anspruchsvoraussetzung muss der rechtmäßige Inhaber der Information deshalb von sich aus die von ihm ergriffenen Geheimhaltungsmaßnahmen darlegen und beweisen. Andernfalls ist sein Anspruch nicht schlüssig, so dass es auf Einwendungen des Anspruchsgegners, weshalb ihm bspw. Erwerb, Offenlegung oder Nutzung erlaubt gewesen seien, nicht ankommt.

Welche Geheimhaltungsmaßnahmen angemessen sind, beurteilt sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere der Art, Bedeutung und dem Wert der Informationen, ihrer Schutzbedürftigkeit und den Schutzmöglichkeiten. Der Bezugspunkt der rechtlichen Beurteilung ist stets das konkrete Geheimnis und die konkreten Gefahren, die ihm vor einer Enthüllung drohen. Allerdings führt dieser Ansatz möglicherweise dazu, dass sensiblere Informationen weniger Schutz genießen als kleinere Geheimnisse, weil beim Schutz sensiblerer Informationen höhere Schutzmaßnahmen verlangt werden.

Die Angemessenheit beurteilt sich von einem objektiven Standpunkt her. Es ist zu fragen, welche Schutzmaßnahmen aus der Sicht eines verständigen und sachkundigen Dritten als Geheimnisinhaber angesichts der Bedeutung der betreffenden Information und ihrer Schutzbedürftigkeit getroffen worden wären (Alexander, WRP 2017, 1034, Tz. 56). Die Angemessenheit soll außerdem vom Stand der Technik abhängen. Was angemessen ist, kann sich im Laufe der Zeit ändern (Büscher/McGuire, UWG, § 2 GeschGehG, Rn. 47). Ob eine Geheimhaltungsmaßnahme angemessen war, beurteilt sich jeweils zum Zeitpunkt der behaupteten Verletzungshandlung .

Insgesamt dürfen keine zu hohen Anforderungen gestellt werden, da andernfalls der Zweck der Richtlinie, Geschäftsgeheimnisse zu schützen, unterlaufen würde. Angemessen heißt nicht bestmöglich. Ob die Anforderungen erreicht werden, lässt sich jeweils nur im Einzelfall beurteilen. Notwendig, aber auch ausreichend ist, dass Aufwand und Effizienz aus der Ex-Ante-Perspektive im Hinblick auf wahrscheinliche Gefährdungen kommerziell vernünftig sind (Büscher/McGuire, UWG, § 2 GeschGehG, Rn. 51).

OLG Stuttgart, Urt. v. 19.11.2020, 2 U 575/19, Tz. 266

Aus dem Wortlaut, der lediglich angemessene Maßnahmen erfordert, wird deutlich, dass eine extreme Sicherheit nicht erreicht werden muss. Es geht auch nicht um die Frage, ob im Nachhinein betrachtet ein Geheimnisbruch hätte verhindert werden können. Maßgebend ist vielmehr, ob der Geheimnisinhaber im Vorfeld sinnvolle und effiziente Maßnahmen getroffen hat, um die Informationen zu schützen.

OLG Stuttgart, Urt. v. 19.11.2020, 2 U 575/19, Tz. 258

Die konkreten Geheimhaltungsmaßnahmen hängen von der Art des Geschäftsgeheimnisses im Einzelnen und von den konkreten Umständen der Nutzung ab. Bei der Wertung der Angemessenheit der Schutzmaßnahmen können insbesondere berücksichtigt werden: der Wert des Geschäftsgeheimnisses und dessen Entwicklungskosten, die Natur der Informationen, die Bedeutung für das Unternehmen, die Größe des Unternehmens, die üblichen Geheimhaltungsmaßnahmen in dem Unternehmen, die Art der Kennzeichnung der Informationen und vereinbarte vertragliche Regelungen mit Arbeitnehmern und Geschäftspartnern. Hieraus folgt als Mindeststandard, dass relevante Informationen nur Personen anvertraut werden dürfen, die die Informationen zur Durchführung ihrer Aufgabe (potentiell) benötigen und die zur Verschwiegenheit verpflichtet sind (vgl. Ohly, GRUR 2019, 441 [444]). Zudem müssen diese Personen von der Verschwiegenheitsverpflichtung in Bezug auf die fraglichen Informationen Kenntnis haben. Weitere Maßnahmen sind den Umständen nach zu ergreifen, wobei eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen ist. Genauso wie das Ergreifen verschiedener verstärkender Maßnahmen zu einem angemessenen Schutzniveau führen kann, kann ein in Kauf genommenes „Datenleck“ zu der Bewertung führen, dass insgesamt kein angemessenes Schutzniveau mehr vorliegt.

OLG Hamm, Urt. v. 15.9.2020, 4 U 177/19, Tz. 464 ff

Die vom Inhaber des Geschäftsgeheimnisses getroffenen Geheimhaltungsmaßnahmen müssen angemessen sein. Bei der Angemessenheit handelt es sich um ein flexibles und offenes Tatbestandsmerkmal, das dem Gedanken der Verhältnismäßigkeit folgt. Die Angemessenheit setzt keinen optimalen Schutz voraus, weil anderenfalls der Geheimnisbegriff zu stark eingeschränkt würde. Es ist also nicht erforderlich, dass der Unternehmer zum Schutz seiner vertraulichen Informationen die nach den Umständen bestmöglichen und sichersten Maßnahmen ergreift (Ohly GRUR 2019, 441 (443)). Umgekehrt kann es zur Wahrung der Angemessenheit nicht genügen, wenn der Unternehmer – vielleicht um hohe Kosten und einen gesteigerten Organisationsaufwand zu vermeiden – lediglich ein Minimum an Schutzvorkehrungen ergreift (Alexander in: Köhler/Bornkamm/Feddersen a.a.O. § 6 GeschGehG Rn. 65 m.w.N.).

Die Angemessenheit bestimmt sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls. Es handelt sich nicht um einen absoluten, sondern einen relativen und dynamischen Maßstab. Für die rechtliche Bewertung ist auf die Sichtweise eines objektiven und verständigen Betrachters aus denjenigen (Fach-)Kreisen abzustellen, die üblicherweise mit dieser Art von Informationen umgehen. Bei der Bestimmung der Angemessenheit sind mehrere Wertungskriterien zu berücksichtigen (Alexander a.a.O. Rn. 66 m.w.N.):

Von besonderer Bedeutung sind die Art und der wirtschaftliche Wert des Geheimnisses. Die Kosten für die Geheimhaltungsmaßnahmen müssen in einem vernünftigen Verhältnis zum Wert des Geschäftsgeheimnisses stehen, wobei sich kein festes Kosten-Wert-Verhältnis angeben lässt. Die Schwelle zur Unangemessenheit ist jedenfalls dann überschritten, wenn die Kosten für die Schutzmaßnahmen den Wert des Geschäftsgeheimnisses übersteigen. Weitere Kriterien sind der Grad des Wettbewerbsvorteils durch die Geheimhaltung, etwaige Schwierigkeiten der Geheimhaltung sowie die konkrete Gefährdungslage. Auch die Unternehmensgröße und die Leistungsfähigkeit eines Unternehmens sind in die Betrachtung mit einzubeziehen. Von einem weltweit tätigen Unternehmen können bspw. größere und finanziell aufwändigere Sicherungsvorkehrungen erwartet werden als von einem Handwerksbetrieb mit wenigen Angestellten. Ein weiteres Kriterium bildet die Wirtschaftsbranche, in der das Unternehmen tätig ist. Die branchenüblichen Sicherheitsstandards bilden einen wichtigen Anhaltspunkt für die Angemessenheit von Geheimhaltungsmaßnahmen (Alexander a.a.O. Rn. 67f m.w.N.).

Stellt sich heraus, dass die von einem Unternehmen getroffenen Sicherungsmaßnahmen überwindbar sind, dann steht dies einem Geheimnisschutz nach dem GeschGehG nicht grundsätzlich entgegen, solange die Maßnahmen bei objektiver Betrachtung angemessen sind und der Unternehmer auch keine Anhaltspunkte hatte, von einer unzureichenden Sicherung auszugehen (Alexander a.a.O.).

OLG Düsseldorf, Urt. v. 11.3.21, 15 U 6/20, Tz. 53 f

Welche Geheimhaltungsmaßnahmen im Einzelfall angemessen sind, bestimmt sich anhand eines objektiven Maßstabs, wobei im Blick zu halten ist, dass das Gesetz keinen „optimalen Schutz“ oder „extreme Sicherheit“ verlangt (OLG Stuttgart GRURRS 2020, 35613 – Schaumstoffsystem; LAG Düsseldorf GRUR-RS 2020, 23408 – PUSchaum; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Alexander GeschGehG § 2 Rn. 65; Maaßen GRUR 2019, 352; Ohly GRUR 2019, 441). Zu berücksichtigen sind insoweit insbesondere die Art des Geschäftsgeheimnisses, die konkreten Umstände der Nutzung, der Wert des Geschäftsgeheimnisses und dessen Entwicklungskosten, die Natur der Informationen, die Bedeutung für das Unternehmen, die Größe des Unternehmens, die üblichen Geheimhaltungsmaßnahmen in dem Unternehmen, die Art der Kennzeichnung der Informationen und vereinbarte vertragliche Regelungen mit Arbeitnehmern und Geschäftspartnern (OLG Stuttgart GRUR-RS 2020, 35613 – Schaumstoffsystem; LAG Düsseldorf GRUR-RS 2020, 23408 – PU-Schaum).

Da es sich bei § 2 Nr. 1c) GeschGehG um eine gegenüber § 17 Abs. 2 UWG a. F. neue bzw. zusätzliche Obliegenheit des Geschäftsgeheimnisinhabers handelt, die im Zeitpunkt der streitgegenständlichen Handlung im Frühjahr 2017 noch nicht gesetzlich statuiert gewesen ist, gebietet es der Vertrauensschutz und das Verbot unzulässiger unechter Rückwirkung von Gesetzen, das Ergreifen angemessener Geheimhaltungsmaßnahmen erst ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des GeschGehG zu verlangen. Die Geheimhaltungsmaßnahmen müssen somit seit dem 26.04.2019 bis heute ununterbrochen vorliegen (OLG Stuttgart GRUR-RS 2020, 35613 – Schaumstoffsystem).

OLG Schleswig, Urt. v. 28.4.2022, 6 U 39/21, Tz. 77

Einigkeit besteht darin, dass ein angemessener Schutz nicht den Bestmöglichen verlangt, um den Geheimnisbegriff nicht zu stark einzuschränken. Art und Umfang der Maßnahmen richten sich letztlich nach der Bedeutung der Information für das Unternehmen. Der Übersichtlichkeit halber wird auf eine dreistufige Einteilung zurückgegriffen. Es kann zwischen streng geheimen (die „Kronjuwelen“ Informationen, deren Bekanntwerden existenzbedrohend wäre), wichtigen (Informationen, deren Bekanntwerden einen dauerhaften wirtschaftlichen Nachteil verursachen könnte) und sensiblen Informationen (solche, deren Bekanntwerden einen kurzfristigen wirtschaftlichen Nachteil verursachen könnte) unterschieden werden.

Als angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen in Betracht kommen personelle, organisatorische, räumliche, technische oder rechtliche Zugangs-, Zugriffs- oder Zutrittbeschränkungen zu IT oder Räumlichkeiten, Kopierschutz, Passwortschutz (dazu OGH, Urt. v. 25.10.2016, 4 Ob 165/16t), die Vereinbarung arbeitsvertraglicher Geheimhaltungspflichten oder der Abschluss von Geheimhaltungsverträgen (Non-Disclosure-Agreements) mit Geschäftspartnern u.a.. Ob allerdings eine Catch-all-Klausel ausreichend ist, ist streitig. Für das Arbeitsverhältnis:

LAG Düsseldorf, Urt. v. 3.6.2020, 12 SaGa 7/20, Tz. 80

Eine Regelung in einem Arbeitsvertrag ist ungenügend, wenn sie deutlich zu weit geht und ausdrücklich auch das erfasst, was nicht Geschäftsgeheimnis ist, wenn schlicht alle Angelegenheiten und Vorgänge, die im Rahmen der Tätigkeit bekannt werden, genannt werden und jeder Bezug zu dem Begriff des Geschäftsgeheimnisses im Sinne fehlt. Ließe man eine solche Regelung ausreichen, würde § 2 Nr. 1 Buchstabe b GeschGehG seines Inhalts und Zwecks entleert.

LAG Köln, Urt. v. 2.12.2019, 2 SaGa 20/19, Tz. 15

Die Vereinbarung einer umfassenden Geheimhaltungsklausel nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses ist nach allgemeiner Ansicht unwirksam. Es handelt sich um eine so genannte Catch-All-Klausel, die den Arbeitnehmer bis an sein Lebensende verpflichten soll, jedwede im Rahmen des bisherigen Arbeitsverhältnisses erlangte Information, vorliegend sogar nicht einmal eingeschränkt auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sondern auf sämtliche im Rahmen der Tätigkeit zur Kenntnis gelangten Angelegenheiten und Vorgänge uneingeschränkt geheim zu halten. Die erkennende Kammer folgt insbesondere Vetter/Lehmann in „Der Betrieb“ 2019 Seite 2507, wonach Catch-All-Klauseln über das berechtigte Interesse des Arbeitgebers hinausgehen und der besonderen Situation des Arbeitnehmers nicht ausreichend Rechnung tragen. Zur gleichen Ansicht gelangt auch Holthausen in NZA 2019 Seite 1377. Danach enthält eine Catch-All-Klausel insbesondere für die Zeit nach Ende des Arbeitsverhältnisses eine übermäßige Vertragsbindung, die gemäß § 138 BGB unwirksam ist. Ein berechtigtes betriebliches Interesse des Arbeitgebers an der Geheimhaltung muss sich auf konkrete Daten/Sachverhalte beschränken und muss zudem angeben, wie lange nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses die geheimhaltungsbedürftige Tatsache noch geheim zu halten ist.

Letztlich ist die vorliegende Klausel zumindest als allgemeine Geschäftsbedingung gemäß §§ 310 und 307 BGB unwirksam. Eine Bindung ohne jede zeitliche Beschränkung und ohne inhaltliche Konkretisierung berücksichtigt nicht ausreichend die grundgesetzlich geschützte Rechtsposition des Arbeitnehmers.

Aber

OLG Schleswig, Urt. v. 28.4.2022, 6 U 39/21, Tz. 99, 102

Aus der Unwirksamkeit einer Verschwiegenheitsklausel folgt nicht zwingend, dass sie im Rahmen angemessener Geheimhaltungsmaßnahmen unbeachtlich sind. ...

Jedenfalls im vorliegenden Fall steht die - einmal angenommene - Unwirksamkeit der Verschwiegenheitsklauseln einer Angemessenheit der Geheimhaltungsmaßnahmen nicht entgegen. Allgemein kann darauf verwiesen werden, dass auch solche Klauseln immerhin psychologische Auswirkungen haben und den Arbeitnehmer an seine arbeitsrechtliche Treuepflicht gemahnen, können, die in jedem Falle besteht. Von hier entscheidender Bedeutung aber ist vor Allem die Bewertung der Verschwiegenheitsklauseln im fraglichen Zeitraum durch alle Beteiligten. Es ist zu beachten, dass die Angemessenheit der Maßnahmen aus einer ex-ante-Sicht zu beurteilen ist. Es ist nicht zu fragen, ob im Nachhinein ein Geheimnisbruch hätte verhindert werden können, sondern ob im Vorfeld sinnvolle und effiziente Schutzmaßnahmen ergriffen wurden. Deshalb steht es einem Geheimnisschutz nicht notwendig entgegen, wenn sich die von einem Unternehmen getroffenen Sicherungsmaßnahmen als überwindbar erweisen, solange nur die Maßnahmen bei objektiver Betrachtung angemessen sind und der Unternehmer keine Anhaltspunkte hatte, von einer unzureichenden Sicherung auszugehen.

Zweifelhaft erscheint es, allein im Bestehen der vertraglichen Treuepflicht des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber, die ihn zur Wahrung der ihm bekannt gewordenen Geschäftsgeheimnisse während der Dauer eines Beschäftigungsverhältnisses verpflichtet, bereits eine angemessene Geheimhaltungsmaßnahme zu sehen, da der Geheimnisinhaber damit selbst zum Schutz seines Geheimnisses nichts getan hat und allein auf die Rechtsprechung zur Treuepflicht vertraut. Zwar können auch Arbeitnehmer ohne gesonderte Vereinbarung (nach)vertraglichen Geheimhaltungsverpflichtungen, auf deren Einhaltung sich der Arbeitgeber im Allgemeinen verlassen darf (OLG Stuttgart, Urt. v. 19.11.2020, 2 U 575/19, Tz. 189 m.w.N; streitig). Dennoch ist Arbeitgebern schon allein wegen der Notwendigkeit, die geheimzuhaltenden Informationen zu präzisieren, zu raten, mit Arbeitnehmern, die Zugang zu sensiblen Daten erhalten, eine ausdrückliche Geheimhaltungsvereinbarung zu treffen, die - soweit rechtlich nach §§ 132, 242, 307 BGB und §§ 74 ff HGB zulässig - auch über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinaus wirkt. Allerdings reichen die Vereinbarungen allein im Zweifel nicht aus (s.o. OLG Stuttgart: 'Mindeststandard'), um angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen zu begründen, wenn die Gefahr besteht, dass die Informationen Dritten ohne Geheimhaltungspflicht anderweitig bekannt werden können. 

OLG Stuttgart, Urt. v. 19.11.2020, 2 U 575/19, Tz. 259

Das zugelassene Speichern von Dateien mit Geschäftsgeheimnissen auf privaten Datenträgern ist als äußerst kritisch anzusehen (vgl. Maaßen, GRUR 2019, 352, 354, 358]). Insbesondere wenn die Dateien ohne Passwort zugänglich sind, ist ein Zugriff durch Dritte nicht mehr auszuschließen. Dies gilt nicht nur für berechtigte Mitbenutzer, sondern auch im Falle eines Weiterverkaufs der Privatgeräte ohne vorherige ausreichende Löschung. Damit begibt sich der Geheimnisinhaber der effektiven Kontrolle seiner Daten.

Fraglich ist, ob der Arbeitgeber sich gegenüber seinem (ehemaligen) Arbeitnehmer auf eine nachvertragliche Vertraulichkeitspflicht berufen kann, wenn die Information wegen eines anderweitigen Datenlecks nicht als Geschäftsgeheimnis  geschützt ist.

Der Geheimnisinhaber ist nicht nur verpflichtet, geheimhaltungsbedürftige Informationen davor zu schützen, dass Sie Unbefugten nicht bekannt werden. Er hat auch mit den ihm zur Verfügung stehenden rechtlichen Mitteln dafür zu sorgen, dass bekannt gewordene Datenlecks unverzüglich geschlossen werden. 

OLG Hamm, Urt. v. 15.9.2020, 4 U 177/19, Tz. 472, 482

Die getroffenen Sicherheitskehrungen genügen den Anforderungen nicht und sind zu nicht näher feststellbaren Zeitpunkten in der Vergangenheit mehrfach umgangen worden, ohne dass die Klägerin angemessen darauf reagiert hätte, obwohl sie deutliche Anhaltspunkte dafür hatte, von einer unzureichenden Sicherung auszugehen. ...

... Aus der Sichtweise eines objektiven und verständigen Betrachters aus den Fachkreisen der Parteien ist es aber zwingend erforderlich, in Anbetracht der Bedeutung des Geschäftsgeheimnisses jedem Hinweis auf eine Umgehung von (angeblichen) Geschäftsgeheimnissen sorgfältig nachzugehen und das Sicherheitskonzept zeitnah anzupassen oder Sanktionen zu ergreifen. Die aktuell ergriffenen Maßnahmen sind insoweit nicht ausreichend und es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass diese bis Ende 2012 einen deutlich höheren Standard hatten. Vielmehr ist auf Grundlage der Angabe der Klägervertreterin im Senatstermin davon auszugehen, dass die aktuell getroffenen Maßnahmen eine Verbesserung darstellen. Insoweit hat die Vertreterin der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auch eingeräumt, dass „früher“ den Mitarbeitern ein größeres Vertrauen entgegengebracht worden sei. Die Geheimhaltungsmaßnahmen seien aber fortlaufend verbessert worden. Dass diese Maßnahmen zum Zeitpunkt der angeblichen Rechtsverletzung ausreichend waren, ist damit auf Grundlage des klägerischen Vorbringens im Hinblick auf die mehrfache Umgehung der jeweiligen Maßnahmen und die Reaktion der Klägerin nicht feststellbar.

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Berechtigtes Interesse

 

OLG Schleswig, Urt. v. 28.4.2022, 6 U 39/21, Tz. 117

Dem Tatbestandsmerkmal des berechtigten Interesses an der Geheimhaltung (§ 2 Nr.1 lit. c GeschGehG) kommt keine besondere Bedeutung zu. Es ist weder in der Richtlinie noch im ursprünglichen Gesetzesentwurf enthalten und dient nur dazu, reine Bagatellfälle aus dem Schutzbereich des Gesetzes herauszunehmen (BeckOK GeschGehG/Hiéramente § 2 Rn. 71).

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Richtlinie (EU) 2016/943

 

Ab dem 9. Juni 2018 ist der Begriff Geschäftsgeheimnis (trade secret) im Lichte der Richtlinie (EU) 2016/943 über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen (Geschäftsgeheimnisse) vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung auszulegen. Den Begriff Betriebsgeheimnis kennt die Richtlinie nicht.

Die Richtlinie begründet kein Ausschließlichkeitsrecht oder absolutes Recht an einem Geschäftsgeheimnis (a.A. Alexander, WRP 2017, 1034, Rn. 16). Dies ergibt sich bereits daraus, dass ein Geschäftsgeheimnis mehreren Inhabern gleichzeitig unabhängig voneinander gehören kann und entfällt, sobald es rechtmäßig öffentlich bekannt wurde. Dem Recht am Geschäftsgeheimnis kommt aber ein Zuweisungsgehalt zu, da der Inhaber des Geschäftsgeheimnisses es anderen verbieten, aber auch erlauben kann, das Geschäftsgeheimnis zu nutzen. Insoweit kann es auch als sonstiges Recht iSd § 823 Abs. 1 BGB angesehen werden, das aber - wie der eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb - als sog. Rahmenrecht betrachtet werden muss. Ein Rückgriff auf § 823 Abs. 1 BGB ist aber dann nicht mehr erforderlich, wenn das derzeit geplante Geschäftsgeheimnisgesetz (GeschGehG) verabschiedet wurde.

Die Richtlinie ist nicht voll harmonisierend. Die Regelungen in den Artikel 3, Artikel 5, Artikel 6, Artikel 7 Absatz 1, Artikel 8, Artikel 9 Absatz 1 Unterabsatz 2, Artikel 9 Absätze 3 und 4, Artikel 10 Absatz 2, Artikel 11, Artikel 13 und Artikel 15 Absatz 3 sind allerdings zwingend (Art. 1 Abs. 1, 2. Unterabs.). Daraus folgt insbesondere: Die Bestimmungen, wann ein rechtmäßiger Erwerb und eine rechtmäßige Nutzung von Geschäftsgeheimnissen vorliegen sowie die Ausnahmen von einem rechtswidrigen Erwerb oder einer rechtswidrigen Nutzung von Geschäftsgeheimnissen sind zwingend. Die Mitgliedstaaten können den Schutz von Geschäftsgeheimnissen darüber hinaus erweitern, da Art. 4 der Richtlinie (Rechtswidriger Erwerb, rechtswidrige Nutzung und rechtswidrige Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen) nicht zu den zwingenden Bestimmungen gehört.

Art. 2 Nr. 1 Der Ausdruck „Geschäftsgeheimnis“ bezeichnet Informationen, die alle nachstehenden Kriterien erfüllen:

a) Sie sind in dem Sinne geheim, dass sie weder in ihrer Gesamtheit noch in der genauen Anordnung und Zusammensetzung ihrer Bestandteile den Personen oder Kreisen, die üblicherweise mit dieser Art von Informationen umgehen, allgemein bekannt oder ohne weiteres zugänglich sind;

b) sie sind von kommerziellem Wert, weil sie geheim sind;

c) sie sind Gegenstand von den Umständen entsprechenden angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen durch die Person, die die rechtmäßige Kontrolle über die Informationen besitzt.

Dazu Erwägungsgrund 14:

Es ist wichtig, eine homogene Definition des Begriffs „Geschäftsgeheimnis“ festzulegen, ohne den vor widerrechtlicher Aneignung zu schützenden Bereich einzuengen. Eine solche Definition sollte daher so beschaffen sein, dass sie Know-how, Geschäftsinformationen und technologische Informationen abdeckt, bei denen sowohl ein legitimes Interesse an ihrer Geheimhaltung besteht als auch die legitime Erwartung, dass diese Vertraulichkeit gewahrt wird. Darüber hinaus sollten solches Know-how oder solche Informationen einen — realen oder potenziellen — Handelswert verkörpern. Solches Know-how oder solche Informationen sollten so verstanden werden, dass sie einen Handelswert verkörpern, zum Beispiel wenn ihr unbefugter Erwerb oder ihre unbefugte Nutzung oder Offenlegung die Interessen der Person, die rechtmäßig die Kontrolle über sie ausübt, aller Voraussicht nach dadurch schädigt, dass das wissenschaftliche oder technische Potenzial, die geschäftlichen oder finanziellen Interessen, die strategische Position oder die Wettbewerbsfähigkeit dieser Person untergraben werden. Die Definition eines Geschäftsgeheimnisses schließt belanglose Informationen und die Erfahrungen und Qualifikationen, die Beschäftigte im Zuge der Ausübung ihrer üblichen Tätigkeiten erwerben, sowie Informationen aus, die den Personenkreisen, die üblicherweise mit derartigen Informationen umgehen, generell bekannt sind bzw. für sie leicht zugänglich sind.

Hinsichtlich des Verständnisses des Begriffs Know-how kann mit Vorbehalten auf die Definition in Art. 5 Abs. 1 lit. i der Verordnung (EU) 316/2014 über die Anwendung von Artikel 101 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Gruppen von Technologietransfer-Vereinbarungen zurückgegriffen werden. 'Know how' bezeichnet danach

eine Gesamtheit praktischer Kenntnisse, die durch Erfahrungen und Versuche gewonnen werden und die

i) geheim, das heißt nicht allgemein bekannt und nicht leicht zugänglich sind,

ii) wesentlich, das heißt für die Produktion der Vertragsprodukte von Bedeutung und nützlich sind, und

iii) identifiziert sind, das heißt umfassend genug beschrieben sind, so dass überprüft werden kann, ob die Merkmale ‚geheim‘ und ‚wesentlich‘ erfüllt sind“.

Allerdings ist der Know-how-Begriff in der Geheimhaltungsrichtlinie eher weiter zu verstehen, da er nicht auf die Kenntnisse zur Produktion von Produkten beschränkt sein muss.

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Inhaber des Geschäftsgeheimnisses

 

Nach § 2 Nr. 2 GeschGehG (Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie) ist „Inhaber eines Geschäftsgeheimnisses“ jede natürliche oder juristische Person, die die rechtmäßige Kontrolle über ein Geschäftsgeheimnis besitzt. Das ist diejenige natürliche oder juristische Person, welche die Information geschaffen oder von einem Dritten rechtmäßig erworben hat und die tatsächliche und rechtliche Herrschaft darüber ausübt. Wer sich die Information rechtswidrig beschaffen hat, ist nicht deren Inhaber.

Auch wenn die Richtlinie Personengesellschaften nicht erwähnt, können auch sie Inhaber eines Geschäftsgeheimnisses sein (Büscher/McGuire, UWG, § 2 GeschGehG, Rn. 53; Alexander WRP 2017, 1034 Tz. 66).

Wir ein Geschäftsgeheimnis von einem Arbeitnehmer in einem Unternehmen geschaffen, ist davon auszugehen, dass es originär dem jeweiligen Unternehmen und nicht dem Arbeitnehmer zuzuordnen ist, ohne dass dies ausdrücklich vertraglich geregelt werden muss. Da es aber durchaus Fälle geben kann, in denen unklar ist, wer Inhaber des Geschäftsgeheimnisses ist, kann es sich im Einzelfall, z.B. bei Forschungs- und Entwicklungskooperationen, anbieten, mit sonstigen in Betracht kommenden Personen Vereinbarungen darüber zu treffen, wer Inhaber des Geschäftsgeheimnisses sein soll. Es ist auch durchaus möglich, dass das Geschäftsgeheimnis mehreren Personen gehört.

Durch die Ausübung der rechtmäßigen Kontrolle über das Geheimnis unterscheidet sich der Geheimnisinhaber vom Geheimnisträger, der lediglich Kenntnis vom Geheimnis hat. Geheimnisträger können Arbeitnehmer, Kooperationspartner, Lizenznehmer etc. sein.

OLG Düsseldorf, Urt. v. 11.3.21, 15 U 6/20, Tz. 70

Rechtmäßige Kontrolle bedeutet, dass die Person nicht nur die tatsächliche bzw. faktische Dispositionsbefugnis innehat, sondern zugleich rechtmäßig die Informationsherrschaft ausübt. Ihr muss das Geheimnis – nicht nur der Informationsträger – zugeordnet sein. Sie muss zur Ausübung des Geheimnisses befugt sein.

OLG Düsseldorf, Urt. v. 11.3.21, 15 U 6/20, Tz. 73

Die rechtmäßige Kontrolle kann durch eigene Generierung der Information entstehen oder abgeleitet sein, wenn das Geschäftsgeheimnis von demjenigen, der seinerseits die Kontrolle rechtmäßig innehatte, wirksam durch Rechtsgeschäft oder kraft Gesetzes auf eine andere Person übergeht.

OLG Düsseldorf, Urt. v. 11.3.21, 15 U 6/20, Tz. 75

Rechtsnachfolger eines Geschäftsgeheimnisses wird mithin der Erwerber eines solchen, wobei der Erwerb isoliert oder mit dem Erwerb des dazugehörigen Unternehmens erfolgen kann.

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Rechtsverletzendes Produkt

 

Ein rechtsverletzendes Proodukt ist nach § 2 Nr. 4 GeschGehG ein Produkt, dessen Konzeption, Merkmale, Funktionsweise, Herstellungsprozess oder Marketing in erheblichem Umfang auf einem rechtswidrig erlangten, genutzten oder offengelegten Geschäftsgeheimnis beruht.

In Erwägungsgrund 28 der Richtlinie (EU) Nr. 2016/943 heißt es dazu:

Es besteht die Möglichkeit, dass ein Geschäftsgeheimnis auf rechtswidrige Weise für die Entwicklung, Herstellung oder Vermarktung von Produkten oder deren Bestandteilen genutzt werden könnte, die dann im Binnenmarkt Verbreitung finden könnten; dadurch würde den geschäftlichen Interessen des Inhabers des Geschäftsgeheimnisses und dem Funktionieren des Binnenmarkts geschadet. In diesen Fällen ebenso wie in Fällen, in denen das Geschäftsgeheimnis sich erheblich auf die Qualität, den Wert oder den Preis der aus dieser rechtswidrigen Nutzung gewonnenen Endprodukte auswirkt oder die Kosten der Prozesse für ihre Herstellung oder Vermarktung senkt oder diese Prozesse erleichtert oder beschleunigt, ist es wichtig, die Gerichte zu ermächtigen, effektive und geeignete Maßnahmen anzuordnen, um sicherzustellen, dass die betreffenden Produkte nicht auf den Markt gebracht bzw. vom Markt genommen werden. In Anbetracht der globalen Natur des Handels ist es auch erforderlich, dass diese Maßnahmen ein Verbot der Einfuhr dieser Produkte in die Union oder ihrer Lagerung zum Zwecke einer Vermarktung beinhalten. Entsprechend dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sollten Abhilfemaßnahmen nicht unbedingt die Vernichtung der Produkte zur Folge haben, wenn andere gangbare Möglichkeiten bestehen, wie etwa die Beseitigung der rechtsverletzenden Eigenschaft des Produkts oder eine Verwertung der Produkte außerhalb des Marktes, beispielsweise in Form von Spenden an wohltätige Organisationen.

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Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen nach § 17 UWG

 

Bis zum 9. Juni 2018 wurden Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse primär über §§ 17, 18 UWG geschützt. Solange die Richtlinie (EU) Nr. 2016/943 noch nicht in nationales Recht umgesetzt wurde, muss versucht werden, sie in § 17 UWG oder in § 3 Abs. 1 UWG hineinzulesen. Die nachfolgende Darstellung betrifft § 17 UWG in der bis zum 9. Juni 2018 geltenden Auslegung.

Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis nach § 17 UWG

 

BGH, Urt. v. 26. 2. 2009, I ZR 28/06 - Versicherungsuntervertreter

Ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis i.S. von § 17 UWG ist jede im Zusammenhang mit einem Betrieb stehende Tatsache, die nicht offenkundig, sondern nur einem eng begrenzten Personenkreis bekannt ist und nach dem bekundeten, auf wirtschaftlichen Interessen beruhenden Willen des Betriebsinhabers geheimgehalten werden soll.

ebenso BGH, Urt. v. 22.3.2018, I ZR 118/16, Tz. 28 - Hohlfasermembranspinnanlage II; BGH, Urt. v. 27. 4. 2006, I ZR 126/03, Tz. 19  - Kundendatenprogramm; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 29.1.2016, 2 (6) Ss 318/15, Tz. 31

BGH, Urt. v. 22.3.2018, I ZR 118/16, Tz. 28 - Hohlfasermembranspinnanlage II

Betriebsgeheimnisse technischer Natur sind insbesondere Konstruktionen, Konstruktionszeichnungen, Rezepte, Herstellungsverfahren, technische Zusammensetzungen sowie die Funktionsweise einer Anlage.

OLG Karlsruhe, Beschl. v. 29.1.2016, 2 (6) Ss 318/15, Tz. 31

Geschäfts- und Betriebsgeheimnis unterscheiden sich dadurch, dass sich das Geschäftsgeheimnis auf den kaufmännischen Geschäftsverkehr, das Betriebsgeheimnis auf technische Inhalte bezieht (Ernst in: Ullmann, jurisPK-UWG, 3. Aufl. 2013, § 17 UWG Rn. 13).

BGH, Urt. v. 27. 4. 2006. I ZR 126/03, Tz. 19 - Kundendatenprogramm

Ein Geschäftsgeheimnis braucht keinen bestimmten Vermögenswert zu besitzen; es reicht aus, dass es sich für den Geschäftsinhaber nachteilig auswirken kann, wenn Dritte, insbesondere Wettbewerber, Kenntnis von den Daten erlangen.

Beispiele

Zu Kundendaten siehe hier.

OLG Karlsruhe, Beschl. v. 29.1.2016, 2 (6) Ss 318/15, Tz. 35 f

Der SIM-Lock-Code stellt ein betriebsbezogenes Geheimnis dar. Das Mobiltelefon wird im „Bundle“ von einem Anbieter aus Marktgesichtspunkten (Kundenbindung) billiger verkauft und gerade deshalb für andere Anbieter gesperrt, weshalb der SIM-Lock-Code nach dem erkennbaren Willen des Betriebsinhabers geheim gehalten werden soll.

Der Betriebsinhaber hat auch ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse, weil die Aufdeckung des Codes geeignet wäre, dem Geheimnisträger wirtschaftlichen Schaden zuzufügen. Bei Lösung der Sperre entfällt die mit dem Code hergestellte Bindung des Mobiltelefons an den Anbieter und der Anbieter hätte das konkrete Mobilteil umsonst subventioniert in der Erwartung, dass während des Bestehens des SIM-Locks (regelmäßig zwei Jahre) nur über den Anbieter Verbindungen (SIM-Karten) bezogen und gekauft werden und er somit durch den Code letztlich ausgleichenden Gewinn macht, da das günstiger verkaufte Mobiltelefon mindestens zwei Jahre berechtigt nur über ihn gebührenpflichtig benutzt werden kann.

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Mangelnde Offenkundigkeit/Bekanntheit

 

OLG Karlsruhe, Beschl. v. 29.1.2016, 2 (6) Ss 318/15, Tz. 32

Offenkundig und damit nicht geheim ist eine Tatsache, wenn sie allgemein bekannt oder dergestalt beliebigem Zugriff preisgegeben ist, dass für jeden an ihr Interessierten die Möglichkeit besteht, sich unter Zuhilfenahme lauterer Mittel ohne größere Schwierigkeiten und Opfer von ihr Kenntnis zu verschaffen (Hammer in Graf/Jäger/Witt, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2011, 770 UWG § 17 Rn. 9 m.w.N.).

BGH, Urt. v. 23.2.2012, I ZR 136/10, Tz. 31 - MOVICOL-Zulassungsantrag

Es führt nicht zu einer den Geheimnischarakter ausschließenden allgemeinen Bekanntheit, wenn die Betriebsgeheimnisse einem begrenzten - wenn auch unter Umständen größeren - Personenkreis zugänglich waren, etwa den aufgrund des Arbeitsvertrags zur Verschwiegenheit verpflichteten Betriebsangehörigen oder auch bestimmten Kunden und Lieferanten. Nichts anderes gilt, soweit sie den mit der Vorbereitung und Prüfung eines Zulassungsantrags dienstlich befassten Personen bekannt geworden sind.

Ebenso BGH, Urt. v. 22.3.2018, I ZR 118/16, Tz. 38 - Hohlfasermembranspinnanlage II

OLG Jena, Urt. v. 13.6.2012, 2 U 896/11, II.2. (= WRP 2013, 674)

Offenkundig ist alles das, was jeder beliebige Dritte dem verkauften Produkt der Klägerin unschwer entnehmen kann, ohne dass besondere Untersuchungen vorgenommen werden müssten.

BGH, Urt. v. 22.3.2018, I ZR 118/16, Tz. 39 - Hohlfasermembranspinnanlage II

Die Zuordnung einer Tatsache zum Stand der Technik ist für die Frage einer den Geheimnischarakter ausschließenden allgemeinen Bekanntheit ohne Bedeutung. Auch wenn der allgemeine Stand der Technik regelmäßig durch Veröffentlichung bekannt ist, kann eine Offenkundigkeit von den zugrunde liegenden Fertigungsmethoden nicht ohne weiteres angenommen werden. Für den Schutz als Betriebsgeheimnis kommt es vielmehr darauf an, ob die maßgebliche Tatsache, mag sie auch zum Stand der Technik gehören, nur mit einem großen Zeit- oder Kostenaufwand ausfindig, zugänglich und dem Unternehmer damit nutzbar gemacht werden kann. Insbesondere die auch im Streitfall in Rede stehende Nutzung von Konstruktionsplänen, in denen Maße und Anordnungen technischer Bauteile einer Maschine verkörpert sind, wird regelmäßig in erheblichem Umfang eigene Konstruktionsarbeit ersparen.

Beispiele

BGH, Urt. v. 23.2.2012, I ZR 136/10, Tz. 20 - MOVICOL-Zulassungsantrag

Veröffentlichungen in Fachzeitschriften und Fachbüchern sind regelmäßig ohne großen Aufwand allgemein zugänglich und deshalb offenkundig (Fezer/Rengier UWG § 17 Rn. 13; Harte-Bavendamm in Harte/Henning, UWG, 2. Aufl., § 17 Rn. 4; Ohly in Piper/Ohly/Sosnitza, UWG, 5. Aufl., § 17 Rn. 9).

BGH, Urt. v. 23.2.2012, I ZR 136/10, Tz. 21 - MOVICOL-Zulassungsantrag

Die Auswahl und Zusammenstellung veröffentlichter Studien und Informationen zu einem bestimmten Zweck ist nicht schon deshalb ohne weiteres als Betriebsgeheimnis für den Betriebsinhaber schützenswert, weil sie auf einer nicht „auf dem freien Markt“ erhältlichen wissenschaftlichen Leistung beruht. Es kommt nicht darauf an, ob die in einer bestimmten Dokumentation enthaltene Zusammenstellung in dieser Form „als Paket“ erworben werden kann. Für die Qualität als Betriebsgeheimnis ist vielmehr entscheidend, ob die Zusammenstellung der veröffentlichten Unterlagen einen großen Zeit- oder Kostenaufwand erfordert (vgl. BGH, Urt. v. 13.12.2007, I ZR 71/05, Tz. 19 - Schweißmodulgenerator; GRUR 2009, 603 Tz. 13 - Versicherungsuntervertreter, mwN).

OLG Karlsruhe, Beschl. v. 29.1.2016, 2 (6) Ss 318/15, Tz. 33

Selbst wenn es möglich gewesen sein sollte, im Jahr 2008 über bestimmte Internetseiten an eine Möglichkeit der Entsperrung des individuellen SIM-Lock-Codes des einzelnen Mobiltelefons (über eine spezielle Entsperrungssoftware) zu gelangen, bedurfte dies eines erheblichen und unlauteren Aufwandes und war damit jedenfalls nicht offenkundig. Vielmehr musste eine vom Vertreiber eingestellte, erkennbare und individuelle technische Sperre mit Hilfe des Einsatzes von Technik, die von externen Programmieren entwickelt wurde, im Internet gesucht (und begriffen) sowie das einzelne Mobiltelefon technisch manipuliert werden. Die Sperre musste in jedem Einzelfall mit einem anderen individuellen Code überwunden werden, sodass „der“ Entsperr-Code gerade nicht offenkundig war; vielmehr musste einige (kriminelle) Energie eingesetzt werden, um den individuellen Code aufzuheben.

OLG Jena, Urt. v. 13.6.2012, 2 U 896/11, II.2.  (= WRP 2013, 674)

Ist die Herstellung von schweinefleischfreien Minisalamis von einem Hersteller größer kalibriger Würste … (innerhalb von sechs Monaten) durch eigene Anstrengungen ohne Weiteres möglich, so kann es sich nicht um ein Geschäftsgeheimnis handeln. Vielmehr ist das Herstellungsverfahren offenkundig und bedarf lediglich der Verifikation durch einige Versuche und einiger Erfahrung, wie sie bei den Beklagten zweifelsfrei vorhanden war. Schutzbedürftig wäre die Klägerin auch gegenüber einem Unternehmen, das nicht erfahrener Fleischverarbeiter ist, nur für einen kurzen Zeitraum von weniger als sechs Monaten.

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