Ihr Rechtsanwalt im Wettbewerbsrecht
Dr. Hermann-Josef Omsels*

Eine Darstellung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und wettbewerbsrechtlicher Nebengesetze



 

 

 

e) Verschulden

Eine Vertragsstrafe muss nur zahlen, wer schuldhaft gegen eine Unterlassungserklärung verstößt. Die Darlegungs- und Beweislast für mangelndes Verschulden liegt beim Schuldner.

OLG Celle, Urt. v. 29.1.2015, 13 U 58/14, Tz. 18

Die Verwirkung der Vertragsstrafe setzt Verschulden voraus (Brüning in Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig UWG, § 12 Rn. 224; Bornkamm in Köhler/Bornkamm, UWG, § 12 Rn. 1.152).

BGH, Urt. v. 4.5.2017, I ZR 208/15, Tz. 33 - Luftentfeuchter

Wenn … eine Zuwiderhandlung vorliegt, wird das Verschulden des Schuldners vermutet, § 339 Satz 1, § 286 Abs. 4 BGB.

Ebenso KG, Beschl. v. 21.6.2021, 5 U 3/20, Tz. 22; OLG Düsseldorf, Urt. v. 17.3.2016, 15 U 64/15, Tz. 16; OLG Celle, Urt. v. 29.1.2015, 13 U 58/14, Tz. 18

OLG Frankfurt, Urt. v. 19.10.2023, 6 U 88/22

Die Darlegungs- und Beweislast für ein mangelndes Verschulden liegt nach zutreffender Auffassung des Landgerichts bei ihr (vgl. auch BGH, Urt. v. 17.7.2008, I ZR 168/05, Tz. 35 - Kinderwärmekissen; Urt. v. 10.6.2009, I ZR 37/07, Tz. 26 mwN - Unrichtige Aufsichtsbehörde).

OLG Schleswig, Urt. v. 9.3.2022, 6 U 36/22, Tz. 30

Für das Verschulden gelten die gleichen Anforderungen wie im Rahmen des § 890 ZPO (Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Brüning, § 13a UWG Rn. 33). Demnach gilt ein strenger Sorgfaltsmaßstab. Der Schuldner muss alles ihm Zumutbare tun, um einen künftigen Verstoß gegen das Verbot zu vermeiden. Er hat die notwendigen Vorkehrungen zu treffen, um sicherzustellen, dass wettbewerbswidrige Werbemittel vernichtet werden und Anzeigen mit der verbotenen Werbeangabe nicht mehr erscheinen. Geschieht das nicht in ausreichendem Maße, liegt ein Organisationsverschulden vor (Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Brüning, vor § 12 UWG Rn. 305).

OLG Frankfurt, Urt. v. 19.10.2023, 6 U 88/22

Für die Verhängung eines Ordnungsmittels wegen eines Verstoßes gegen eine titulierte Unterlassungspflicht ist anerkannt, dass ein für einen schuldhaften Verstoß genügendes Organisationsverschulden vorliegt, wenn nicht alles Mögliche und Zumutbare zur Unterbindung von Verstößen gegen das Unterlassungsgebot unternommen wird. Die Sorgfaltsanforderungen sind dabei äußerst streng.

Zu weiteren Einzelheiten und den strengen Anforderungen an den Ausschluss eines Verschuldens siehe deshalb die Darstellung zum Verschulden bei Verstößen gegen gerichtliche Unterlassungsgebote. Allerdings gilt folgende Einschränkung:

Der Unterlassungsschuldner haftet für Verstöße gegen Unterlassungstitel nicht, für Verstöße gegen Unterlassungserklärungen allerdings wohl nach § 278 BGB für Erfüllungsgehilfen.  Die Vorschrift gilt nur in vertraglichen Schuldverhältnissen, bspw. im Rahmen eines Unterlassungsvertrags, bei dem die Haftung eines Erfüllungsgehilfen nicht ausgeschlossen wurde.

OLG Frankfurt, Urt. v. 19.10.2023, 6 U 88/22

Erfüllungsgehilfe im Sinne des § 278 BGB ist jeder, der nach den rein tatsächlichen Gegebenheiten des konkreten Falles mit dem Willen des Schuldners bei der Erfüllung der diesem obliegenden Verbindlichkeit als seine Hilfsperson tätig wird. Dabei steht die unternehmerische Selbständigkeit der Hilfsperson der Annahme, der Dritte sei Erfüllungsgehilfe, nicht entgegen. Wie der Bundesgerichtshof bereits entschieden hat, handelt unter anderem eine Werbeagentur, deren sich ein Vertragsstrafeschuldner für seine Werbung bedient, bei ihrer Tätigkeit auch insoweit als Erfüllungsgehilfe des Schuldners, als es um die Erfüllung der vertraglich übernommenen Unterlassungspflicht geht (vgl. z.B. BGH, GRUR 1985, 1065, 1066 [juris Rn. 9] - Erfüllungsgehilfe; GRUR 2017, 823 Rn. 20 mwN - Luftentfeuchter). Ob das Werbeunternehmen diese Pflicht kennt, ist unerheblich (vgl. z.B. BGH, Urt. v. 9.11.2011, I ZR 204/10, Tz. 12 mwN - Touristen-Information).

OLG Frankfurt, Urt. v. 19.10.2023, 6 U 88/22

Die Verwirkung einer Vertragsstrafe und die Verhängung eines Ordnungsgeldes nach § 890 ZPO sind insoweit nicht vergleichbar. Während das Ordnungsgeld im Sinne von § 890 ZPO eine strafähnliche Sanktion für die Übertretung des gerichtlichen Verbots darstellt und daher eine persönliche Schuld des Betroffenen voraussetzt (bei juristischen Personen ihres gesetzlichen Vertreters, § 31 BGB analog), ist die Vertragsstrafe im Sinne von § 339 BGB nur eine schuldrechtlich vereinbarte Leistung zur Sicherung der Vertragserfüllung und zur Schadensersatzpauschalierung (vgl. z.B. BGH, GRUR 1985, 1065, 1066 [juris Rn. 12] - Erfüllungsgehilfe; Beschl. v. 3.4.2014, I ZB 3/12, Tz. 11 - Ordnungsmittelandrohung nach Prozessvergleich). Die Voraussetzungen für den Anspruch auf diese Ersatzleistung, insbesondere die Art des hierfür erforderlichen Verschuldens, können von den Beteiligten im Rahmen der Vertragsfreiheit frei vereinbart werden. Daher ist es angemessen, dass - wie auch sonst bei der Verletzung schuldrechtlicher Verpflichtungen - der Schuldner grundsätzlich für das Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen einzustehen hat, sofern nichts Gegenteiliges vereinbart ist (vgl. z.B. BGH, GRUR 1985, 1065, 1066 [juris Rn. 12] - Erfüllungsgehilfe). Eine Entlastungsmöglichkeit besteht insoweit nicht (vgl. z.B. BGH, GRUR 2014, 909 Rn. 11 mwN - Ordnungsmittelandrohung nach Prozessvergleich).

Die Unterlassungspflicht ist vorbehaltlich anderer Vereinbarungen sofort nach Abschluss eines Unterlassungsvertrags zu erfüllen.

OLG München, Urt. v. 17.6.2021, 29 U 22/200, Tz. 32

Nach § 271 Abs. 1 BGB kann der Gläubiger eine Leistung sofort verlangen, wenn eine Zeit für die Leistung weder bestimmt noch aus den Umständen zu entnehmen ist. Im Rahmen von Dauerschuldverhältnissen - wie sie ein Unterlassungsvertrag darstellt (vgl. BGHZ 130, 288, 293 - Kurze Verjährungsfrist) - ist insoweit bei Unterlassungspflichten der Beginn der Dauerverpflichtung maßgeblich. Das Merkmal „sofort“ ist im Rahmen von § 271 Abs. 1 BGB objektiv zu verstehen. Das bedeutet, dass der Schuldner so schnell leisten muss, wie ihm dies nach objektiven Maßstäben - unter Berücksichtigung einer etwa notwendigen Vorbereitung - möglich ist. Es gilt ein anderer Maßstab als bei § 121 Abs. 1 BGB („ohne schuldhaftes Zögern“), welcher die Berücksichtigung subjektiver Umstände erlaubt und z.B. eine angemessene Überlegungsfrist zubilligt. Solches kann der zu sofortiger Leistung verpflichtete Schuldner nicht in Anspruch nehmen. Für das Merkmal „sofort“ gelten lediglich die sich aus § 242 BGB ergebenden Schranken. So braucht der Schuldner z.B. nicht zur Unzeit, etwa nachts, zu leisten (MüKoBGB/Krüger, 8. Aufl., § 271, Rn. 33-35). Faktische Vorbereitungshandlungen, wie etwa die Verladung der zu liefernden Ware, die Beschaffung der zur Herstellung des geschuldeten Werks erforderlichen Materialien oder die formgerechte Abgabe der zu errichtenden Erklärungen, hindern nicht die sofortige Erfüllung, sofern sie ihrerseits zügig und nach objektivem Maßstab so schnell als möglich erledigt werden (BeckOGK/Krafka, 1.4.2021, BGB, § 271, Rn. 17).

Allerdings kann sich aus der vertraglichen Vereinbarung oder den Umständen ergeben, dass keine sofortige Umsetzung geschuldet wird. Dazu ebenfalls OLG München, Urt. v. 17.6.2021, 29 U 22/200, Tz. 34 ff.