1. Auslegung von Unterlassungsverträgen ist Vertragsauslegung
a. Vertragsauslegung ist keine Titelauslegung
b. Ermittlung von Sinn und Zweck der Unterlassungsverpflichtung
i. Erster Anhaltspunkt: Wortlaut
iii. Ergänzend: Welche Sachverhalte wollten die Parteien erfassen?
2. Erfassung von kerngleichen Verstößen
3. Unterlassung und Beseitigung (Handlungspflichten)
4. Ab wann ist das Verhalten verboten (oder geboten)
5. Bis wann ist das Verhalten verboten (oder geboten)
Literatur: Regenfus, Thomas, Kongruenz und Äquivalenz zum Unterlassungstitel als Vorgaben für Verständnis und Auslegung strafbewehrter Unterlassungserklärungen, GRUR 2022, 1489
Auslegung von Unterlassungsverträgen ist Vertragsauslegung
BGH, Urt. v. 10.6.2009, I ZR 37/07, Tz. 19 – Unrichtige Aufsichtsbehörde
Unterlassungsverträge sind nach den auch sonst für die Vertragsauslegung geltenden Grundsätzen auszulegen. Maßgeblich ist danach der wirkliche Wille der Vertragsparteien (§§ 133, 157 BGB), bei dessen Ermittlung neben dem Erklärungswortlaut die beiderseits bekannten Umstände wie insbesondere die Art und Weise des Zustandekommens der Vereinbarung, deren Zweck, die Wettbewerbsbeziehung zwischen den Vertragsparteien sowie deren Interessenlage heranzuziehen sind.
Ebenso: BGH, Urt. v. 9.7.2015, I ZR 224/13, Tz. 29 - Kopfhörer-Kennzeichnung; BGH, Urt. v. 18.05.2006, I ZR 32/03, Tz. 18 – Vertragsstrafevereinbarung; BGH, Urt. v. 25.10.2012, I ZR 169/10. Tz. 21 - Einwilligung in Werbeanrufe II; BGH, Urt. v. 11.11.2014, VI ZR 18/14, Tz. 9; BGH, Urt. v. 18.9.2014, I ZR 76/13, Tz. 57 – CT-Paradies; OLG Koblenz, Urt. v. 6. 8.2014, 9 U 194/14; OLG Celle, Urt. v. 29.1.2015, 13 U 58/14, Tz. 9; OLG Düsseldorf, Urt. v. 24.9.2015, I-2 U 3/15, Tz. 134; OLG Düsseldorf, Urt. v. 3.9.2015, I-15 U 119/14, Tz. 81, OLG Stuttgart, Urt. v. 8.10.2015, 2 U 40/15, Tz. 60; OLG Köln, Urt. v. 24.5.2017, 6 U 161/16, Tz. 54; KG Berlin, Urt. v. 7.11.2017, 5 U 23/17, B.1.b; OLG Stuttgart, Urt. v. 14.12.2017, 2 U 58/17; OLG Stuttgart, Urt. v. 15.2.2018, 2 U 96/17, Tz. 6; OLG München, Urt. v. 22.11.2019, 6 U 1331/18, II.1.b (= WRP 2019, 379); OLG Hamm, Urt. v. 24.11.2022, 4 U 170/21, Tz. 98; OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.8.2019, I-2 U 38/18; OLG Düsseldorf, Urt. v. 29.8.2019, I-2 U 44/18, Tz. 59; OLG Nürnberg, Hinweisbeschl. v. 16.6.2021, 3 U 458/21, Tz. 11; KG, Beschl. V. 9.12.2021, 5 U 151/19, Tz. 25; OLG Schleswig, Urt. v. 9.3.2022, 6 U 36/22, Tz. 30; OLG Hamm, Urt. v. 1.6.2023, 4 U 225/22, Tz. 73
OLG Köln, Urt. v. 24.5.2017, 6 U 161/16, Tz. 54
Im Rahmen der Auslegung der Unterlassungsvereinbarung ist zu berücksichtigen, dass die Parteien bei der inhaltlichen Ausgestaltung eines Unterlassungsvertrages frei sind, so dass sich dessen Auslegung nach den allgemeinen für die Vertragsauslegung geltenden Grundsätzen richtet.
Ebenso OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.8.2019, I-2 U 38/18; OLG Düsseldorf, Urt. v. 29.8.2019, I-2 U 44/18, Tz. 59; OLG Frankfurt, Urt. v. 9.6.2022, 6 U 102/21
OLG Düsseldorf, Urt. v. 3.9.2015, I-15 U 119/14, Tz. 81
Regelmäßig lösen nur solche Zuwiderhandlungen einen Anspruch auf Zahlung der Vertragsstrafe aus, die ab dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses begangen wurden (BGH GRUR 2006, 878 – Vertragsstrafevereinbarung; BGH GRUR 1993, 34 – Bedienungsanweisung). Etwas anderes gilt nur, wenn die Parteien vereinbart haben, dass die Vertragsstrafe auch rückwirkend, d. h. ab Zeitpunkt der Abgabe des Vertragsangebotes durch den Beklagten begangene Verstöße erfassen soll.
Vertragsauslegung ist keine Titelauslegung
BGH, Urt. v. 25.1.2001, I ZR 323/98, Tz. 16 - Trainingsvertrag
Bei der Auslegung des Vertragsstrafeversprechens in einem Unterlassungsvertrag kann, wenn die Parteien nichts anderes vereinbart haben, nicht auf die Grundsätze zurückgegriffen werden, die für die Verhängung von Ordnungsmitteln bei der Unterlassungsvollstreckung nach § 890 ZPO maßgebend sind. Den Parteien kann ohne besondere Anhaltspunkte nicht der Wille unterstellt werden, bei der Vereinbarung eines Unterlassungsvertrags eine Regelung gewollt zu haben, die der Rechtslage nach Erlass eines gleichlautenden Unterlassungstitels entspricht. Die Verhängung eines Ordnungsmittels und die Verwirkung einer Vertragsstrafe sind nicht ohne weiteres miteinander vergleichbar. Während das Ordnungsgeld im Sinne des § 890 ZPO eine strafähnliche Sanktion für die Übertretung des gerichtlichen Verbots darstellt, ist die Vertragsstrafe im Sinne des § 339 BGB eine schuldrechtlich vereinbarte Leistung zur Sicherung der Vertragserfüllung und - je nach dem Inhalt des Vertrages - auch zum pauschalierten Schadensersatz. Es kann danach nicht ohne weiteres angenommen werden, dass die Parteien eines Unterlassungsvertrages die Voraussetzungen für die Verwirkung der Vertragsstrafe entsprechend den Voraussetzungen für die Verhängung eines Ordnungsmittels hätten regeln wollen.
Ebenso BGH, Urt. v. 11.11.2014, VI ZR 18/14, Tz. 15; OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.8.2019, I-2 U 38/18 (MD 2019, 1061)
OLG Köln, Urt. v. 24.5.2017, 6 U 161/16, Tz. 55
Ein unmittelbarer Rückgriff auf die Grundsätze, die für die Auslegung eines in gleicher Weise formulierten Unterlassungstitels gelten, kommt nicht in Betracht, weil einem Unterlassungsvertrag der Charakter eines vollstreckbaren Titels fehlt.
Ebenso OLG Düsseldorf, Urt. v. 29.8.2019, I-2 U 44/18, Tz. 59; OLG Hamm, Urt. v. 1.6.2023, 4 U 225/22, Tz. 94
ABER:
BGH, Urt. v. 18.05.2006, I ZR 32/03, Tz. 21 – Vertragsstrafevereinbarung
Außerdem dient die strafbewehrte Unterlassungserklärung aus der Sicht des Gläubigers dazu, einen gerichtlichen Unterlassungstitel zu ersetzen. Es wird deshalb im Allgemeinen weder dem Interesse des Gläubigers noch dem Interesse des Schuldners entsprechen, durch die Unterlassungsverpflichtung schlechter gestellt zu werden als durch ein entsprechendes Urteil.
Ebenso BGH, Urt. v. 25.1.2001, I ZR 323/98, Tz. 19 - Trainingsvertrag; BGH, Urt. v. 11.11.2014, VI ZR 18/14, Tz. 16
Ermittlung von Sinn und Zweck der Unterlassungsverpflichtung
BGH, Urt. v. 25.1.2001, I ZR 323/98, Tz. 19 - Trainingsvertrag
Die Auslegung wird von Sinn und Zweck einer durch ein Vertragsstrafeversprechen gesicherten Unterlassungsverpflichtung auszugehen haben. Aus der Sicht des Schuldners, der eine solche Vertragsverpflichtung eingeht, hat sie vor allem den Zweck sicherzustellen, dass für Handlungen, die von der Unterlassungsverpflichtung erfasst werden, weder eine Wiederholungsgefahr noch eine Erstbegehungsgefahr besteht. Aus der Sicht des Gläubigers geht es - wie für den Schuldner offensichtlich ist - um die Sicherung seines als schutzwürdig angesehenen Einzelinteresses gegen Zuwiderhandlungen, und zwar auch gegen solche, die durch die Erfüllungsgehilfen des Schuldners und ohne dessen persönliches Verschulden begangen werden.
Ebenso: BGH, Urt. v. 18.05.2006, I ZR 32/03, Tz. 21 – Vertragsstrafevereinbarung; BGH, Urt. v. 11.11.2014, VI ZR 18/14, Tz. 16; OLG Düsseldorf, Urt. v. 24.9.2015, I-2 U 3/15, Tz. 134; OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.8.2019, I-2 U 38/18 (MD 2019, 1061)
BGH, Urt. v. 25.1.2001, I ZR 323/98, Tz. 19 - Trainingsvertrag
Es kommt hinzu, dass das Vertragsstrafeversprechen je nach den Verhältnissen des Falles auch den Zweck haben kann, dem Gläubiger im Verletzungsfall eine einfache Möglichkeit zu eröffnen, Schadensersatz zu erhalten.
OLG Hamm, Urt. v. 24.11.2022, 4 U 170/21, Tz. 78
Bei der Auslegung von Willenserklärungen kommt es grundsätzlich auf den objektiven Erklärungswert an, also darauf, wie sich die Erklärung nach Treu und Glauben für den Empfänger darstellt (st. Respr., vgl. BGH, Urt. v. 5.10.1961, VII ZR 207/60). Der Erklärungsempfänger darf der Erklärung dabei nicht einfach den für ihn günstigsten Sinn beilegen, sondern muss unter Berücksichtigung aller ihm bekannten Umstände mit gehöriger Aufmerksamkeit prüfen, was der Erklärende gemeint hat (vgl. BGH, Urt. v. 21.5.2008, IV ZR 238/06, Tz. 30 mwN.). Diese allgemein für die Vertragsauslegung geltenden Grundsätze finden auch auf Unterlassungsverträge Anwendung (vgl. BGH, Urt. v. 18.5.2006, I ZR 32/03, TZ. 18 mwN. – Vertragsstrafevereinbarung). Maßgebend ist demnach der wirkliche Wille der Vertragsparteien (§§ 133, 157 BGB), bei dessen Ermittlung neben dem Erklärungswortlaut die beiderseits bekannten Umstände wie insbesondere die Art und Weise des Zustandekommens der Vereinbarung, deren Zweck, die Wettbewerbsbeziehung zwischen den Vertragsparteien sowie deren Interessenlage heranzuziehen sind.
Erster Anhaltspunkt: Wortlaut
BGH, Urt. v. 13.2.2003, I ZR 281/01, Tz. 22 f – Hotelfotos
Maßgeblich ist in erster Linie der gewählte Wortlaut und der diesem zu entnehmende objektive Parteiwille.
Ebenso OLG Nürnberg, Hinweisbeschl. v. 16.6.2021, 3 U 458/21, Tz. 12; OLG Frankfurt, Urt. v. 9.6.2022, 6 U 102/21
Eine Auslegung entgegen dem Wortsinn des Unterlassungsvertrages kommt nicht in Betracht, wenn dies weder dem wirklichen Willen der Vertragsparteien (§ 133 BGB) noch dem Grundsatz der beiderseits interessengerechten Auslegung entsprechen würde.
OLG Stuttgart, Urt. v. 8.10.2015, 2 U 40/15, Tz. 60
Ist der Wortlaut der Vereinbarung nach dem üblichen Sprachverständnis eindeutig, so kommt ihm auch bei der Auslegung regelmäßig ausschlaggebende Bedeutung zu; insbesondere darf den Parteien nicht durch das Gericht unter Hinweis auf eine bloße Interessenwürdigung ex post eine Vereinbarung untergeschoben werden, die sie nicht erweislich getroffen haben. Eine nachträgliche Inhaltszumessung durch das Gericht wäre mit der Vertragsfreiheit unvereinbar, welche Art. 2 Abs.1 GG schützt. ...
Ebenso OLG Stuttgart, Urt. v. 14.12.2017, 2 U 58/17, II.A.1
OLG Stuttgart, Urt. v. 8.10.2015, 2 U 40/15, Tz. 62
Der Parteiwille kann dem Vertragswortlaut zuwiderlaufen (RGZ 99, 147), jedoch kann dies nur aufgrund gewichtiger Tatsachen festgestellt werden. Es gehört zu den anerkannten Grundsätzen für die Auslegung einer Individualvereinbarung, dass ihr Wortlaut den Ausgangspunkt der Auslegung bildet, dass jedoch der übereinstimmende Parteiwille dem Wortlaut und jeder anderen Interpretation vorgeht (BGH, Beschl. v. 5.4.2005, VIII ZR 160/04). Lässt sich ein besonderes, übereinstimmendes Verständnis nicht feststellen, so ist auf den allgemeinen Sprachgebrauch zurückzugreifen. Auch vorvertragliche Korrespondenz kann für die Auslegung eines Vertrages entscheidende Bedeutung haben (BGH, Beschl. v. 30.4.2014, XII ZR 124/12; BGH, Urt. v. 19.12.2001, XII ZR 281/99).
Aber:
BGH, Urt. v. 18.9.2014, I ZR 76/13, Tz. 58 – CT-Paradies
Ein vom objektiven Erklärungsinhalt einer Formulierung übereinstimmend abweichendes Verständnis der Vertragsparteien geht nach §§ 133, 157 BGB dem objektiven Erklärungsinhalt vor („falsa demonstratio non nocet“; st. Rspr.)
Ebenso OLG Nürnberg, Hinweisbeschl. v. 16.6.2021, 3 U 458/21, Tz. 12
Zweiter Anhaltspunkt: objektiv erkennbarer Erklärungsinhalt der Unterlassungserklärung / Umstände
BGH, Urt. v. 25.1.2001, I ZR 323/98, Tz. 15 - Trainingsvertrag
Wenn kein eindeutiger Vertragswille ermittelt werden kann und der Wortlaut auslegungsbedürftig ist, kommt es in erster Linie auf den objektiv erkennbaren Erklärungsinhalt des Unterlassungsversprechens an.
OLG Stuttgart, Urt. v. 8.10.2015, 2 U 40/15, Tz. 61
Es ist der Wille der Vertragschließenden zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zu ermitteln.
OLG Nürnberg, Hinweisbeschl. v. 16.6.2021, 3 U 458/21, Tz. 13
Neben dem Wortlaut sind für die Auslegung die beiderseits bekannten Umstände, der Zweck der Vereinbarung und die wettbewerbsrechtlich relevanten Beziehungen zwischen den Vertragspartnern und ihre Interessenlage maßgeblich (BGH, GRUR 2001, 758, juris-Rn. 15 - Trainingsvertrag). Zu diesen Umständen gehört auch die Art und Weise des Zustandekommens des Unterlassungsvertrags unter Berücksichtigung des Abmahnschreibens und der Korrespondenz der Parteien (Büscher, in Fezer/Büscher/Obergfell, UWG, 3. Aufl. 2016, § 8 Rn. 176).
Ebenso OLG Frankfurt, Urt. v. 9.6.2022, 6 U 102/21
OLG Nürnberg, Hinweisbeschl. v. 16.6.2021, 3 U 458/21, Tz. 15
Bei gesundheitsbezogener Werbung ist ... zu berücksichtigen, dass bei dieser besonders strenge Anforderungen an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Werbeaussage zu stellen sind, da mit irreführenden gesundheitsbezogenen Angaben erhebliche Gefahren für das hohe Schutzgut des Einzelnen sowie der Bevölkerung verbunden sein können (BGH, GRUR 2013, 649, Rn. 15 - Basisinsulin mit Gewichtsvorteil). Diese strengen Anforderungen für eine Werbung, die der angebotenen Ware oder Dienstleistung gesundheitliche Wirkungen beilegt, wirken sich auch bei der Auslegung des Unterwerfungsvertrags mit Werbebehauptungen … zur Behandlung und Linderung gesundheitlicher Beschwerden aus.
Ergänzend: Welche Sachverhalte wollten die Parteien erfassen?
BGH, Urt. v. 25.1.2001, I ZR 323/98, Tz. 15 - Trainingsvertrag
Daneben ist zu berücksichtigen, dass sich die Vereinbarung einer Vertragsstrafe auf mögliche zukünftige Sachverhalte bezieht, deren nähere Umstände naturgemäß kaum vorhersehbar sind. Dies hat zur Folge, dass die Auslegung eines Unterlassungsversprechens im Einzelfall auch Elemente einer ergänzenden Vertragsauslegung beinhalten kann. Es wird demgemäß in der Regel nicht dem Willen der Vertragsparteien entsprechen, die Verwirkung von Vertragsstrafen von starr gehandhabten Voraussetzungen abhängig zu machen, weil dies zur Folge hätte, dass den Besonderheiten der später eintretenden Fallgestaltungen in keiner Weise mehr Rechnung getragen werden könnte.
BGH, Urt. v. 18.9.2014, I ZR 76/13, Tz. 63 – CT-Paradies
Die Verpflichtung zur Unterlassung einer Handlung, durch die ein fortdauernder Störungszustand geschaffen wurde, ist mangels abweichender Anhaltspunkte regelmäßig dahin auszulegen, dass sie nicht nur die Unterlassung derartiger Handlungen, sondern auch die Vornahme möglicher und zumutbarer Handlungen zur Beseitigung des Störungszustands umfasst.
ABER:
OLG Stuttgart, Urt. v. 8.10.2015, 2 U 40/15, Tz. 60
Es ist der Wille der Vertragschließenden zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zu ermitteln, was die Möglichkeit einschließt, dass die Parteien sich in unklug erscheinender Weise eines Vorteils oder eines Rechtes begeben oder eine nachteilige Rechtsposition begründet haben, sei es sehenden Auges oder weil sie die Folgen des Vertrages verkannt haben. Eine Vermutung dahin, dass eine Vertragspartei beim Vertragsabschluss diejenige Regelung treffen wollte, die bei einer rückblickenden Betrachtung ihren wirtschaftlichen Interessen objektiv oder nach Meinung des Gerichts am besten gedient hätte, besteht nicht. Die Interessen einer Partei sind jedoch dort zu beachten, wo sie entweder im Vertrag selbst ihren Niederschlag gefunden haben oder wo sie im Vorfeld des Vertragsschlusses der anderen Partei zur Kenntnis gegeben wurden. Ob sie letztlich in den Vertrag eingeflossen sind, ist eine Frage der Auslegung, die im Zivilprozess nach den Regeln der Darlegungs- und Beweislast zu erfolgen hat.
Ebenso OLG Stuttgart, Urt. v. 14.12.2017, 2 U 58/17, II.A.1
OLG Stuttgart, Urt. v. 15.2.2018, 2 U 96/17, Tz. 13
Für die Auslegung eines Unterlassungsvertrags kann es entscheidend sein, mit welchen Erwägungen die Abmahnung begründet wurde, wenn der Schuldner nach den Umständen des Falles zu erkennen gab, die rechtliche Würdigung des Gläubigers anzuerkennen, etwa weil er die Unterlassungserklärung ohne einschränkende Erläuterung abgegeben hat.
OLG Stuttgart, Urt. v. 14.12.2017, 2 U 58/17, II.A.1
Zeitlich nach dem Vertragsschluss liegende Umstände können den objektiven Vertragsinhalt nicht mehr beeinflussen, jedoch für die Ermittlung des tatsächlichen Willens und des tatsächlichen Verständnisses der an dem Rechtsgeschäft Beteiligten im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses von Bedeutung sein (vgl. BGH, Urt. v. 16.3.2009, II ZR 68/08, Tz. 16, m.w.N.); dies aber nur in dem Umfang und mit der Bedeutung, wie sie die Partei bei Vertragsabschluss bedacht hat. Denn die Auslegung hat dasjenige zu ermitteln, was die Parteien vereinbart haben, nicht aber dasjenige was sie zu optimaler Wahrung ihrer Interessen gerne vereinbart hätten oder hätten vereinbaren müssen, noch das aus der Sicht eines Außenstehenden oder eines Betrachters ex post Ausgewogene oder Sinnvolle. Denn all diese Aspekte sind nicht Teil des wirklichen Willens der Vertragschließenden im Zeitpunkt, zu dem sie ihre Willenserklärungen abgegeben haben.
OLG Koblenz, Urt. v. 23.5.2018, 9 U 1357/17, Tz. 30 f, 34
Zu den anerkannten Grundsätzen für die Auslegung einer Individualvereinbarung zählt, dass zwar der Wortlaut einer Individualvereinbarung den Ausgangspunkt der Auslegung bildet, der übereinstimmende Parteiwille dem Wortlaut und jeder anderen Interpretation jedoch vorgeht. Der Tatrichter hat daher bei seiner Willenserforschung auch den mit der Absprache verfolgten Zweck und die Interessenlage der Parteien zu berücksichtigen. Wegen des sich aus §§ 133, 157 BGB ergebenden Verbots einer sich ausschließlich am Wortlaut orientierenden Interpretation darf der Richter schließlich einer Erklärung sogar eine Deutung geben, die von ihrem nach dem allgemeinen Sprachgebrauch eindeutigen Wortsinn abweicht, wenn Begleitumstände vorliegen, aus denen geschlossen werden kann, dass der Erklärende mit seinen Worten einen anderen Sinn verbunden hat, als es dem allgemeinen Sprachgebrauch entspricht (vgl. BGH, Urt. v. 15.10.2014, XII ZR 111/12, Tz. 48, m.w.N.). Zu den Begleitumständen, die Rückschlüsse auf den erklärten Geschäftswillen ermöglichen, gehört in erster Linie die Entstehungsgeschichte des Rechtsgeschäfts, insbesondere der Inhalt von Vorverhandlungen.
Ausgehend von diesen Grundsätzen zeigt … die Historie der entsprechenden Vereinbarung bei verständiger Würdigung aus der hier maßgeblichen objektiven Sicht eindeutig, dass mit ihr die Wiederholungsgefahr hinsichtlich eines vermeintlichen Verstoßes des Beklagten gerade gegen § xy UWG beseitigt werden sollte. Nicht anders war es nämlich aus Sicht eines objektiven Empfängers der Abmahnung … - dem klägerischen Angebot auf Abschluss eines entsprechenden Unterlassungsvertrages - zu verstehen. ...
Wenn aber gerade hinsichtlich eines Verstoßes gegen § xy UWG die Wiederholungsgefahr ausgeräumt werden sollte, lag und liegt es auf der Hand, dass die dem Beklagten aufzuerlegende Unterlassungsverpflichtung inhaltlich dem aus §§ 8 Abs. 1 Satz 1, 3 Abs. 1, xy UWG resultierenden gesetzlichen Verbot entsprechen sollte.
Erfassung von kerngleichen Verstößen
OLG Hamm, Urt. v. 1.6.2023, 4 U 225/22, Tz. 92
Ob ein Verstoß vorliegt, ist durch Auslegung der Vertragsstrafevereinbarung zu ermitteln. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Frage, ob von der Unterlassungserklärung auch kerngleiche Verstöße umfasst sind und ob Kerngleichheit vorliegt.
OLG Köln, Urt. v. 24.5.2017, 6 U 161/16, Tz. 56
Der Umstand, dass sich ein Unterlassungsvertrag seinem Wortlaut nach nur auf einen bestimmten Werbesatz bezieht, bedeutet nicht, dass sich die vertragliche Unterlassungspflicht auf diesen beschränken muss. Zweck eines Unterlassungsvertrages ist es regelmäßig, nach einer Verletzungshandlung die Vermutung der Wiederholungsgefahr durch eine vertragsstrafenbewehrte Unterlassungsverpflichtung auszuräumen und damit die Einleitung oder Fortsetzung eines gerichtlichen Verfahrens entbehrlich zu machen. Die Vermutung der Wiederholungsgefahr gilt jedoch nicht allein für die genau identische Verletzungsform, sondern umfasst auch alle im Kern gleichartigen Verletzungsformen. Der regelmäßig anzunehmende Zweck eines Unterlassungsvertrages spricht deshalb erfahrungsgemäß dafür, dass die Vertragsparteien durch ihn auch im Kern gleichartige Verletzungsformen erfassen wollten. Zwingend ist dies aber nicht. Die Auslegung des Unterlassungsvertrages kann auch ergeben, dass dieser bewusst eng auf die bezeichnete konkrete Verletzungsform bezogen ist. Eine besonders eng am Wortlaut orientierte Auslegung des Unterlassungsversprechens kann geboten sein, wenn im Verhältnis zur Bedeutung der Sache eine besonders hohe Vertragsstrafe vereinbart wurde. Dies gilt nicht, wenn sich der Versprechende zur Zahlung einer vom Kläger nach billigem Ermessen festzusetzenden Vertragsstrafe verpflichtet hat, die im Streitfall auf ihre Angemessenheit zu überprüfen ist.
Ebenso OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.8.2019, I-2 U 38/18; OLG Düsseldorf, Urt. v. 29.8.2019, I-2 U 44/18, Tz. 59; OLG Hamm, Urt. v. 1.6.2023, 4 U 225/22, Tz. 94
OLG Celle, Urt. v. 29.1.2015, 13 U 58/14, Tz. 12
Der Unterlassungsanspruch ist nicht auf ein der Verletzungshandlung in jeder Hinsicht entsprechendes Verhalten beschränkt, sondern erstreckt sich auch auf kerngleiche Verletzungshandlungen. Dabei ist es unschädlich, dass der Gläubiger die konkrete Verletzungshandlung in sein Unterlassungsbegehren aufnimmt; damit ist im Allgemeinen kein Verzicht auf die Unterlassung kerngleicher Verletzungshandlungen verbunden.
OLG Stuttgart, Urt. v. 15.2.2018, 2 U 96/17, Tz. 7
Mit der Abgabe der Unterlassungserklärung soll die Wiederholungsgefahr ausgeräumt werden. Eine in bestimmter Form begangene Verletzungshandlung lässt nicht nur die Wiederholung der genau identischen Verletzungsform vermuten, sondern auch die Begehung zwar leicht abgewandelter, aber in ihrem Kern gleicher Handlungen. Vor diesem Hintergrund ist erfahrungsgemäß regelmäßig anzunehmender Zweck eines Unterlassungsvertrages, dass die Vertragsparteien durch ihn auch im Kern gleichartige Verletzungsformen erfassen wollten.
Ebenso KG, Beschl. V. 9.12.2021, 5 U 151/19, Tz. 31 f
OLG Hamm, Urt. v. 27.3.2012, I-4 U 181/11, Tz. 60 f
Zwar bedeutet der Umstand, dass sich ein Unterlassungsvertrag seinem Wortlaut nach auf eine konkrete Verletzungsform bezieht, nicht, dass sich die vertragliche Unterlassungspflicht hierauf beschränken muss. Zweck eines Unterlassungsvertrages ist es nämlich regelmäßig, nach einer Verletzungshandlung die Vermutung der Wiederholungsgefahr durch eine vertragsstrafenbewehrte Unterlassungsverpflichtung auszuräumen und damit die Einleitung oder Fortsetzung eines gerichtlichen Verfahrens entbehrlich zu machen. Die Vermutung der Wiederholungsgefahr gilt jedoch nicht allein für die genau identische Verletzungsform, sondern umfasst auch alle im Kern gleichartigen. Der regelmäßig anzunehmende Zweck eines Unterlassungsvertrages spricht deshalb erfahrungsgemäß dafür, dass die Vertragsparteien durch ihn auch im Kern gleichartige Verletzungsformen erfassen wollten (BGH GRUR 1997, 931 - Sekundenschnell).
Ebenso OLG Frankfurt, Urt. v. 9.6.2022, 6 U 102/21
Zwingend ist dies aber nicht. Die Auslegung des Unterlassungsvertrages kann nämlich auch ergeben, dass dieser bewusst auf die bezeichnete Verletzungsform bezogen ist.
OLG Hamburg, Urt. v. 16.5.2012, 3 U 89/11, B.2.a
Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte erstreckt sich - wie auch ein auf die konkrete Verletzungsform beschränktes gerichtliches Verbot - eine auf die konkrete Verletzungshandlung Bezug nehmende Unterwerfungserklärung im allgemeinen ebenfalls nicht nur auf identische, sondern auch auf alle Handlungen, die gleichfalls das Charakteristische der Verletzungshandlung aufweisen (BGH, GRUR 1996, 290, 291 - Wegfall der Wiederholungsgefahr I; BGH, GRUR 1997, 379, 380 - Wegfall der Wiederholungsgefahr II; BGH, GRUR 1998, 483, 485 - Der Media-Markt packt aus).
ABER:
OLG Hamm, Urt. v. 16.12.2010, 4 U 118/10
Der Senat geht davon aus, dass eine Unterlassungserklärung kerngleiche Verstöße insbesondere nicht umfasst, wenn der Gläubiger eine abstrahierte Fassung der Unterwerfung verlangt und die abgegebene Erklärung dann bewusst und deutlich hinter dem Verlagen zurückbleibt. Dann kann nämlich die erforderliche Auslegung ergeben, dass die Unterlassungsverpflichtung bewusst eng gehalten und nur auf die konkrete Verletzungshandlung beschränkt bleiben sollte.
OLG Hamm, Urt. v. 18.9.2012, I-4 U 105/12, Tz. 63
Auch wenn der vertragliche Unterlassungsanspruch wie ein gerichtlicher Titel den Zweck verfolgt, künftige wettbewerbsrechtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden (BGH GRUR 1997, 931 - Sekundenschnell), so kann die Auslegung des Unterlassungsvertrages gleichwohl ergeben, dass dieser bewusst eng auf die bezeichnete konkrete Verletzungshandlung beschränkt ist (BGH a.a.O.). Das liegt bereits daran, dass derjenige, der privatautonom eine Unterlassungserklärung abgibt, die Möglichkeit hat, die Reichweite seiner persönlichen Verpflichtung selbst zu begrenzen. Der Erklärungsgegner hat demgegenüber seinerseits die Möglichkeit, die privatautonome Erklärung in reduzierter Form entweder zu akzeptieren oder aber seinen Anspruch, ggfls. auch nur dessen überschießenden Gehalt, weiter zu verfolgen. Ist er im Zweifel darüber, welche Reichweite das Unterlassungsversprechen hat, so hat er die Möglichkeit, den Erklärenden hiernach zu befragen. Akzeptieren beide Parteien eine bestimmte Formulierung, so hat die vertragliche Vereinbarung insoweit auch Vergleichscharakter. Die Parteien haben es insoweit in der Hand, bewusst über das gesetzlich geschuldete Verhalten hinauszugehen, aber auch dahinter zurückzubleiben.
Das Gleiche gilt, wenn bereits die Unterlassungsforderung so formuliert ist, dass sie nur die konkrete Verletzungsform erfasst und nicht auch ähnliche Verletzungsforderungen:
OLG Koblenz, Urt. v. 6. 8.2014, 9 U 194/14
Ein Verzicht des Gläubigers auf die Unterlassung kerngleicher Verletzungshandlungen ist dann anzunehmen, wenn nach dem Empfängerhorizont die Wahl der konkreten Verletzungshandlung als bewusste Beschränkung des Unterlassungsverlangens aufgefasst werden muss. Insoweit gelten dieselben Grundsätze, wie bei der Fassung des Klageantrags im gerichtlichen Verfahren (BGH, Beschl. v. 6.2.2013, I ZB 79/11).
OLG Nürnberg, Hinweisbeschl. v. 16.6.2021, 3 U 458/21, Tz. 14
Eine Unterlassungsverpflichtungserklärung ist im Allgemeinen dahin auszulegen, dass sie sich - über den Wortlaut der Erklärung hinaus - auch auf im Kern gleichartige Verletzungsformen beziehen soll, die gleichfalls das Charakteristische der verletzenden Handlung aufweisen (BGH, NJW-RR 2003, 1278, juris-Rn. 21 - Olympiasiegerin; BGH, GRUR 2009, 418, Rn. 18 - Fußpilz; BGH, a.a.O. Rn. 58 - CT-Paradies). Allerdings kann die Auslegung des Unterlassungsvertrages auch ergeben, dass dieser bewusst eng auf die bezeichnete konkrete Verletzungsform bezogen ist (BGH, NJW 1997, 3087, juris-Rn. 24 - Sekundenschnell).
Unterlassung und Beseitigung (Handlungspflichten)
Literatur: Husemann, Stephan, Die aus einem Unterlassungsvertrag resultierenden Handlungspflichten, WRP 2017, 270
Obwohl der Schuldner in der Unterlassungserklärung verspricht, ein bestimmtes Verhalten zukünftig zu unterlassen, können sich aus der Erklärung Handlungspflichten ergeben.
BGH, Urt. v. 18.9.2014, I ZR 76/13, Tz. 63 ff – CT-Paradies
Die Verpflichtung zur Unterlassung einer Handlung, durch die ein fortdauernder Störungszustand geschaffen wurde, ist mangels abweichender Anhaltspunkte regelmäßig dahin auszulegen, dass sie nicht nur die Unterlassung derartiger Handlungen, sondern auch die Vornahme möglicher und zumutbarer Handlungen zur Beseitigung des Störungszustands umfasst.
Hat eine Verletzungshandlung einen andauernden rechtswidrigen Verletzungszustand hervorgerufen, besteht neben dem Unterlassungsanspruch ein Beseitigungsanspruch. Dabei handelt es sich um selbständige Ansprüche mit grundsätzlich unterschiedlicher Zielrichtung. Der Gläubiger hat es in der Hand, ob er den einen oder den anderen Anspruch oder aber beide Ansprüche geltend macht. Er kann bei einer solchen Fallgestaltung allerdings auch bereits mit dem Unterlassungsanspruch die Beseitigung des Verletzungszustands verlangen. Das folgt daraus, dass bei einer Dauerhandlung die Nichtbeseitigung des Verletzungszustands gleichbedeutend mit der Fortsetzung der Verletzungshandlung ist (BGH, GRUR 1977, 614, 616 - Gebäudefassade).
Vereinbaren die Parteien in einem solchen Fall eine Unterlassungsverpflichtung, ist regelmäßig davon auszugehen, dass diese auch die Verpflichtung zur Beseitigung des Verletzungszustands umfasst, wenn keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sie allein die Verpflichtung zur Unterlassung zukünftiger Verletzungshandlungen erfassen soll. Letzteres ist etwa dann der Fall, wenn die Parteien bei ihrer Vereinbarung eindeutig zwischen Unterlassung und Beseitigung unterscheiden (vgl. BGH, Urt. v. 21.10.2010, III ZR 17/10, Tz. 15).
Ebenso BGH, Urt. v. 4.5.2017, I ZR 208/15, Tz. 26 - Luftentfeuchter; OLG Düsseldorf, Urt. v. 3.9.2015, I-15 U 119/14, Tz. 82; OLG Stuttgart, Urt. v. 8.10.2015, 2 U 40/15, Tz. 63, 75; OLG Stuttgart, Urt. v. 14.12.2017, 2 U 58/17, II.A.2
BGH, Urt. v. 4.5.2017, I ZR 208/15, Tz. 27 - Luftentfeuchter
Entsprechende Handlungspflichten setzen nicht voraus, dass die Parteien eines Unterlassungsvertrags eine ausdrückliche Vereinbarung über eine Pflicht zur Beseitigung treffen.
BGH, Urt. v. 4.5.2017, I ZR 208/15, Tz. 27 - Luftentfeuchter
Bei den Ansprüchen auf Unterlassung (§ 8 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 UWG) und Beseitigung (§ 8 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 UWG) handelt es sich zwar um selbständige Ansprüche mit grundsätzlich unterschiedlicher Zielrichtung. Hat eine Verletzungshandlung einen andauernden rechtswidrigen Verletzungszustand hervorgerufen, bestehen jedoch beide Ansprüche nebeneinander. Der Gläubiger hat es in der Hand, ob er den einen oder den anderen Anspruch oder aber beide Ansprüche geltend macht. Er kann bei einer solchen Fallgestaltung auch bereits mit dem Unterlassungsanspruch die Beseitigung des Verletzungszustands verlangen. Das folgt daraus, dass bei einer Dauerhandlung die Nichtbeseitigung des Verletzungszustands gleichbedeutend mit der Fortsetzung der Verletzungshandlung ist.
BGH, Urt. v. 13.11.2013, I ZR 77/12, Tz. 26 – Vertragsstrafenklausel
Der Schuldner eines Unterlassungsanspruchs muss nicht nur alles unterlassen, was zu einer Verletzung führen kann, sondern auch alles tun, was im konkreten Fall erforderlich und zumutbar ist, um künftige oder andauernde Verletzungen zu verhindern oder rückgängig zu machen. Zwar hat er für das selbständige Handeln Dritter grundsätzlich nicht einzustehen. Er ist jedoch gehalten, auf Dritte, deren Handeln ihm wirtschaftlich zugutekommt, einzuwirken, wenn er mit einem Verstoß ernstlich rechnen muss und zudem rechtliche und tatsächliche Einwirkungsmöglichkeiten auf das Verhalten der Dritten hat. Insoweit kann sich der Schuldner nicht darauf berufen, dass der Verstoß ohne sein Zutun erfolgt ist. Außerdem wird, wenn eine Zuwiderhandlung vorliegt, das Verschulden des Schuldners vermutet.
Ebenso BGH, Urt. v. 4.5.2017, I ZR 208/15, Tz. 29 - Luftentfeuchter
BGH, Urt. v. 4.5.2017, I ZR 208/15, Tz. 29 - Luftentfeuchter
Der Unterlassungsschuldner ist verpflichtet, im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren auf Dritte einzuwirken, soweit dies zur Beseitigung eines fortdauernden Störungszustands erforderlich ist. Danach muss ein Schuldner, dem gerichtlich untersagt worden ist, ein Produkt mit einer bestimmten Aufmachung zu vertreiben oder für ein Produkt mit bestimmten Angaben zu werben, grundsätzlich durch einen Rückruf des Produkts dafür sorgen, dass bereits ausgelieferte Produkte von seinen Abnehmern nicht weiter vertrieben werden. Dasselbe gilt, wenn der Schuldner durch vertragliche Vereinbarung eine entsprechende Unterlassungsverpflichtung übernommen hat.
OLG Stuttgart, Urt. v. 8.10.2015, 2 U 40/15, Tz. 75
Der Schuldner hat alles zu tun, was im konkreten Fall erforderlich und zumutbar ist, um künftige Verletzungen des Gebotes zu verhindern. Bezogen auf Verstöße durch leistungsbezogene Aussagen im Internet bedeutet dies, dass der Unterlassungsschuldner verpflichtet ist, organisatorische Maßnahmen innerhalb des eigenen Unternehmens und im Verhältnis zu Dritten zu ergreifen, um die Einhaltung der Unterlassungsverpflichtung zu gewährleisten. Dies gilt nicht nur in Bezug auf künftige Veröffentlichungen. Denn normativ stellt sich auch das Aufrechterhalten einer zuvor veranlassten Veröffentlichung im Internet als Verstoß gegen das Unterlassungsgebot dar. Damit korrespondiert, dass im Internet jeder Abruf eines Inhaltes und jede Zusendung der Daten eine neue Datenübermittlung erfordert. Dabei gelten strenge Anforderungen gegen denjenigen, der sich des Internets in unlauterer Weise bedient und deshalb für Beseitigung der von ihm zu verantwortenden Einträge zu sorgen hat.
BGH, Urt. v. 11.11.2014, VI ZR 18/14, Tz. 16
Eine titulierte Unterlassungsverpflichtung erschöpft sich nicht in bloßem Nichtstun. Sie umfasst vielmehr auch die Vornahme von Handlungen zur Beseitigung eines zuvor geschaffenen Störungszustands, wenn allein dadurch dem Unterlassungsgebot Folge geleistet werden kann (BGH, Urt. v. 22.10.1992, IX ZR 36/92 mwN).
Ebenso OLG Stuttgart, Urt. v. 14.12.2017, 2 U 58/17, II.B.1
OLG München, Beschl. v. 28.05.14, 29 W 546/14 (= MD 2014, 698)
Die Unterlassungsverpflichtung erschöpft sich nicht im bloßen Nichtstun, sondern umfasst auch die Vornahme von Handlungen zur Beseitigung eines zuvor geschaffenen Störungszustandes, wenn allein dadurch dem Unterlassungsgebot Folge geleistet werden kann (BGH NJW 1993, 1076 - Straßenverengung). Dazu gehört auch die Einwirkung auf Dritte, soweit deren Handeln in seinem Einflussbereich liegt und ihm wirtschaftlich zugute kommt. Maßgebend ist insoweit, welche rechtlichen und tatsächlichen Einflussmöglichkeiten der Schuldner auf den Dritten gehabt hat ( Köhler/Bornkamm, UWG, § 12 UWG, Rdnr. 6.7). Entgegen der Auffassung des OLG Hamburg (Beschl. v. 31.03.2003, 3 W 15/03, PharmR 2003, 171) gehört es sehr wohl zu den Handlungspflichten eines Schuldners nach Verhängung eines Vertriebsverbotes, dafür Sorge zu tragen, dass von ihm bereits veräußerte, aber von seinen Abnehmern noch nicht abgesetzte Vertriebsstücke vom Markt genommen werden (OLG Köln GRUR-RR 2008, 365 - Möbelhandel, Köhler/Bornkamm, a.a.O.).
OLG Stuttgart, Urt. v. 14.12.2017, 2 U 58/17, II.B.2
Der Unterlassungsschuldner hat grundsätzlich nicht für ein Handeln Dritter einzustehen, ist jedoch gehalten, vorbeugend auf Dritte, deren Handeln ihm wirtschaftlich zugutekommt, einzuwirken, wenn er mit einem Verstoß durch sie, insbesondere durch Übernahme oder Weiterverbreitung seiner eigenen unlauteren Handlungen, ernstlich rechnen muss und zudem rechtliche und tatsächliche Einwirkungsmöglichkeiten auf deren Verhalten hat. Darüber hinaus trifft ihn bezüglich dieses Kreises eine Kontroll- und gegebenenfalls eine Handlungspflicht, um vorhersehbare spätere Übernahmen seiner unlauteren Handlungen zu beseitigen.
Enger noch: OLG Stuttgart, Urt. v. 8.10.2015, 2 U 40/15, Tz. 66, 76
Einschränkend für Recherchen im Internet auch, nachdem nach Abgabe der Unterlassungserklärung keine Verstöße mehr entdeckt werden konnten:
OLG Zweibrücken, Urt. v. 19.11.2015, 4 U 120/14, II.2.c
Dem Unterlassungsschuldner war nicht zumutbar, das Internet wochen- oder sogar monatelang zu überwachen, ob eine der Bezeichnungen, zu deren Unterlassung er sich verpflichtet hatte, im Zusammenhang mit der Nennung seines Sachverständigenbüros verwendet wurde.
Zur Beweislast:
OLG Stuttgart, Urt. v. 8.10.2015, 2 U 40/15, Tz. 77
Dass eine Veröffentlichung durch einen Dritten in den Verantwortungsbereich des Unterlassungspflichtigen fällt, steht zur Darlegungs- und Beweislast dessen, der einen Beseitigungsanspruch geltend macht oder aus der unterbliebenen Beseitigung Rechte herleitet.
Beispiele:
BGH, Urt. v. 18.9.2014, I ZR 76/13, Tz. 70 – CT-Paradies
Die Verpflichtung zur Beseitigung des Verletzungszustands umfasst die Verpflichtung, im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren auf den Betreiber der Internetplattform eBay einzuwirken, um diesen zu einem Entfernen der unter der Rubrik „beendete Auktionen“ weiterhin öffentlich zugänglichen Lichtbilder zu veranlassen (vgl. Ott, WRP 2007, 605, 608). Der Unterlassungsschuldner hat zur Erfüllung der Unterlassungsverpflichtung erforderlichenfalls auf Dritte einzuwirken, wenn und soweit er auf diese Einfluss nehmen kann.
OLG München, Beschl. v. 28.05.14, 29 W 546/14 (= MD 2014, 698)
Da im vorliegenden Fall der Beschwerdeführerin der Vertrieb des Produktes nicht generell untersagt worden ist, hätte es einer entsprechenden Rückrufaktion aber gar nicht bedurft. Es hätte z. B. genügt, die Händler mit entsprechenden auf der Verpackung aufzubringenden Aufklebern zu versorgen, mit denen die unzulässige Werbung überklebt und die Pflichtangaben hätten nachgeholt werden können. Dass die Händler zur Anbringung entsprechender Aufkleber oder Ähnlichem nicht bereit gewesen wären, ..., ist ... nicht anzunehmen, zumal auch die Händler schon zur Vermeidung gegen sie gerichteter Ansprüche ein Interesse daran haben dürften, dass sich auf den von ihnen vertriebenen Produkten keine unzulässigen und die gesetzlich vorgegebenen Angaben befinden.
Wenn gegen eine Unterlassungserklärung dadurch verstoßen wird, dass versäumt wurde, einen Störungszustand zu beseitigen, führt jedes Versäumnis nur zu einer einzelnen Vertragsstrafe, auch wenn der Störungszustand mehrerer geschäftlicher Handlungen aufrecht erhalten bleibt.
BGH, Urt. v. 18.9.2014, I ZR 76/13, Tz. 76 – CT-Paradies
Hat die Beklagte schuldhaft gegen ihre Unterlassungsverpflichtung verstoßen, spricht alles dafür, dass im Streitfall nur eine einzige Zuwiderhandlung vorliegt (vgl. BGH, Urt. v. 25.1.2001, I ZR 323/98 - Trainingsvertrag), da die Beklagte nur eine einzige Beseitigungshandlung unterlassen hat.
Rückruf von Waren
Beim Rückruf von Waren aus dem Handel kommt es ebenfalls entscheidend darauf an, was die Parteien vereinbart haben. Bei Unterlassungstiteln geht der BGH davon aus, dass eine Rückrufspflicht auch dann besteht, wenn der Unterlassungsschuldner keinen Anspruch auf Rückgabe hat. Dazu siehe hier.
Ab wann ist das Verhalten verboten (oder geboten)
Der Unterlassungsschuldner schuldet Unterlassung und die Beseitigung eines fortdauernden Störungszustand ab dem Zeitpunkt, zu dem der Unterlassungsvertrag in Kraft tritt. Eine Ausnahme gilt nur für den Fall, dass er die Unterlassungspflicht unter eine vom Gläubiger akzeptierte aufschiebende Bedingung oder Befristung gestellt hat oder eine Aufbrauchfrist vereinbart wurde.
Die Unterlassungspflicht beginnt damit in der Regel in dem Zeitpunkt, in dem die Unterlassungserklärung des Gläubiger zugeht. Dass der Schuldner zu dem Zeitpunkt noch nicht alles veranlassen konnte, um eine Dauerhandlung, bspw. die Gestaltung eines Online Shops, zu beenden oder seinen aus der Unterlassungspflicht folgenden Handlungspflichten nachzukommen, ändert daran nichts. Die Frage, ob er alles Zumutbare veranlasst hat, um der Unterlassungspflicht oder Handlungspflicht nachzukommen, stellt sich erst im Zusammenhang mit dem Verschulden, dass eine weitere Voraussetzung für die Verwirkung einer Vertragsstrafe im Falle der Verletzung einer Unterlassungspflicht ist.
Bis wann ist das Verhalten verboten (oder geboten)
Unterlassungsverträge sind Dauerschuldverhältnisse. Sie gelten, solange sie nicht durch eine Kündigung beendet wurden (dazu siehe hier). Die Kündigung eines Unterlassungsvertrags ist nur möglich, wenn sich die tatsächlichen oder rechtlichen Rahmenbedingungen, unter denen die Unterlassungserklärung abgegeben wurde, geändert haben und das Verhalten, das zur Abgabe der Unterlassungserklärung führte, nicht mehr verboten ist. Bis zu einer Beendigung eines Unterlassungsvertrags durch Kündigung ist der Unterlassungsvertrag vom Unterlassungsschuldner zu beachten.
Siehe auch Veraltete Unterlassungserklärungen
Zitiervorschlag zur aktuellen Seite
Omsels, Online-Kommentar zum UWG: