Unterlassungserklärungen können gekündigt werden, wenn die sachlichen oder rechtlichen Voraussetzungen, die zur Abgabe der Erklärung führten, später wegfallen (siehe Unterlassungserklärung, Wegfall/Beendigung, Kündigung). Wenn keine Kündigung erfolgt, bleibt der Unterlassungsvertrag bestehen. Wer dagegen verstößt, muss eine Vertragsstrafe zahlen, auch wenn das Verhalten außerhalb des Vertrags legal ist. Die Geltendmachung einer Vertragsstrafe aus eine Unterlassungsvertrag kann in diesem Falle aber ausnahmsweise rechtsmissbräuchlich sein.
BGH, Urt. v. 5.3.1998, I ZR 202/95, Tz. 26 – Altunterwerfung III
Kann sich der Schuldner eines Unterwerfungsvertrages im Allgemeinen nur durch fristlose Kündigung von der übernommenen vertraglichen Verpflichtung lösen, kann es doch im Einzelfall rechtsmissbräuchlich sein, wenn sich der Gläubiger auf ein nicht rechtzeitig gekündigtes Vertragsstrafeversprechen beruft. Hiervon ist immer dann auszugehen, wenn der vertraglich gesicherte gesetzliche Unterlassungsanspruch dem Gläubiger aufgrund der erfolgten Gesetzesänderung unzweifelhaft, d.h. ohne weiteres erkennbar, nicht mehr zusteht. Hierunter fallen zum einen die Fälle, in denen die vertragliche Verpflichtung allein der Sicherung eines vom Gesetzgeber aufgehobenen Verbots - etwa dem Verbot der Werbung mit mengenmäßigen Beschränkungen oder der Eigenpreisgegenüberstellung (§§ 6 d, 6 e UWG a.F.) - dient; unter Umständen sind hierunter auch die Fälle einer beachtlichen Rechtsprechungsänderung zu zählen. Zum anderen ist einem Gläubiger die Geltendmachung des vertraglichen Anspruchs dann aus Treu und Glauben verwehrt, wenn seine Sachbefugnis aufgrund der Änderung des § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG eindeutig entfallen ist, weil er selbst oder seine Mitglieder auf dem einschlägigen Markt überhaupt nicht tätig sind oder weil er - als Verband - die im Gesetz angesprochenen gewerblichen Interessen tatsächlich nicht mehr verfolgt.
BGH, Urt. v. 13.1.2022, I ZR 35/21, Tz. 92 - Influencer III
Der Eintritt einer auf die Änderung oder endgültige Klärung der Rechtslage bezogenen auflösenden Bedingung einer vertraglichen Unterlassungsverpflichtung wirkt gemäß § 158 Abs. 2 BGB lediglich ex nunc, so dass er nicht zu einem Wegfall der Unterlassungsverpflichtung für die Vergangenheit führt.
Nach anderer Auffassung bedarf es einer Kündigung einer veralteten Unterlassungserklärung nicht. Sie entfaltet auch so keine Wirkung mehr. Eine Auseinandersetzung mit der BGH-Rechtsprechung erfolgt in der Entscheidung nicht:
OLG Brandenburg, Urt. v. 16.2.2022, 7 U 214/20
Entfällt die Rechtswidrigkeit der Handlung nach Abschluss des Unterlassungsvertrages, so dass ein gesetzlicher Unterlassungsanspruch nicht mehr besteht, so bedarf es einer Kündigung des Vertrages entgegen der Ansicht des Klägers nicht. Vielmehr wird es dem sogenannten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz oder – eher – der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) zugeschrieben, dass der Gläubiger nun die Unterlassung von dem Schuldner nicht mehr verlangen darf (MüKo-UWG-Ottofülling, 2. Aufl. 2014, § 12 Rdnr. 233; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig-Brüning, UWG, 5. Aufl. 2021, § 13 Rdnr. 164). Es besteht ein Kündigungsrecht wegen nachträglichen Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 313 III BGB) oder wegen eines wichtigen Grundes (§ 314 I BGB; Ottofülling, Rdnr. 301; Brüning, Rdnr. 162 f.), aber auch wenn der Schuldner es nicht ausübt, darf die Unterlassungsverpflichtung, die zu erklären er heute keinen Anlass mehr hätte, ihm gegenüber nicht mehr durchgesetzt werden; es handelt sich um eine Einwendung, die vorheriger Erklärung nicht bedarf (Ottofülling, Rdnr. 308; Brüning, Rdnr. 164).
Die Einwendung richtet sich auf eine Veränderung der Verhältnisse, unter denen die Parteien die Unterlassungsvereinbarung geschlossen haben. Die Einwendung ermöglicht es der Beklagten nicht, erst jetzt geltendzumachen, sie habe die Unterlassungsverpflichtung damals nicht eingehen müssen oder eingehen wollen. Ihr wird allein der Einwand zugestanden, sie hätte heute keinen Anlass zum Vertragsschluss, wenn sie gleiche Entscheidungskriterien und gleiche Beurteilungsmaßstäbe wie damals verwendete. Anders gewendet: Die Einwendung muss eine wesentliche Veränderung der Verhältnisse darlegen, nicht eine geänderte Beurteilung wesentlich gleicher Verhältnisse. Diese aus der Beurteilung von Abänderungsverlangen geläufigen Entscheidungsmaßstäbe (§ 323 a ZPO) schneiden der Beklagten die Möglichkeit ab, sich bloß anders zu besinnen und einzuwenden, heute würde sie sich auf die damals vereinbarte Unterlassung nicht mehr einlassen. Vielmehr muss sie darlegen, sie hätte sich schon damals nicht unterworfen, wenn die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse sich schon so dargestellt hätten wie heute.