Siehe auch Beendigung der Unterlassungserklärung
Solange ein Urteil noch mit einem Rechtsmittel angegriffen werden kann, kann es von der nächsten Instanz wieder aufgehoben werden. Die Aufhebung rechtskräftiger Entscheidungen ist über § 767 ZPO möglich.
§ 767 ZPO Vollstreckungsabwehrklage
(1) Einwendungen, die den durch das Urteil festgestellten Anspruch selbst betreffen, sind von dem Schuldner im Wege der Klage bei dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges geltend zu machen.
(2) Sie sind nur insoweit zulässig, als die Gründe, auf denen sie beruhen, erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung, in der Einwendungen nach den Vorschriften dieses Gesetzes spätestens hätten geltend gemacht werden müssen, entstanden sind und durch Einspruch nicht mehr geltend gemacht werden können.
(3) Der Schuldner muss in der von ihm zu erhebenden Klage alle Einwendungen geltend machen, die er zur Zeit der Erhebung der Klage geltend zu machen imstande war.
Voraussetzung einer erfolgreichen Vollstreckungsabwehrklage ist es, dass sich die Umstände, auf denen das Urteil beruht geändert haben und das Urteil aufgrund dieser Umstände so nicht hätte ergehen dürfen. Die Änderung der Umstände kann in einer Veränderung der Sachlage oder der Rechtslage liegen. Die Änderung der Rechtslage kann auf einer Änderung des Gesetzes oder der Rechtsprechung beruhen.
BGH, Urt. v. 8.5.2014, I ZR 210/12, Tz. 24 – fishtailparka
Nach der Rechtsprechung des Senats bildet der Wegfall des dem vertraglich vereinbarten Verbot zugrundeliegenden gesetzlichen Unterlassungsanspruchs einen wichtigen Grund, der die Kündigung des Unterlassungsvertrags wegen Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung rechtfertigt (BGHZ 133, 316, 321 - Altunterwerfung I). Maßgeblich ist, dass der Schuldner im Falle des Wegfalls des gesetzlichen Unterlassungsanspruchs die Zwangsvollstreckung aus einem gerichtlichen Titel im Wege einer Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO für unzulässig erklären lassen kann. ... Einer Gesetzesänderung steht der Fall gleich, dass das dem Schuldner aufgrund eines wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs untersagte Verhalten aufgrund einer höchstrichterlichen Leitentscheidung nunmehr eindeutig als rechtmäßig zu beurteilen ist (BGH, Urt. v. 2.7.2009, I ZR 146/07, Tz. 17 ff. - Mescher weis).
Ebenso: OLG Hamm, Urt. v. 13.12.2012, 4 U 107/12, Tz. 69; OLG Koblenz, Urt. v. 6. 8.2014, 9 U 194/14
OLG Frankfurt, Beschl. v. 2.9.2019, 6 U 41/19
Zu den Einwendungen, die eine Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 Abs. 1 ZPO gegen einen in der Hauptsache titulierten wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch begründen können, gehören Gesetzesänderungen und Änderungen in der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Denn Unterlassungstitel sind nicht lediglich auf eine einmalige Leistung gerichtet, sondern wirken in die Zukunft.
Das Festhalten des Unterlassungsschuldners an einem gegen ihn erwirkten Verbot erscheint nicht zumutbar, wenn das untersagte Verhalten künftig zweifelsfrei als rechtmäßig zu beurteilen ist. Da er die Unterlassungspflicht auch in Zukunft erfüllen muss, blieben ihm Werbemöglichkeiten dauerhaft verwehrt, die seinen Mitbewerbern erlaubt sind. Dabei hat ein Wandel in der höchstrichterlichen Rechtsprechung – zumindest im Bereich von Generalklauseln – ähnliche Auswirkungen wie eine Gesetzesänderung.
Es kommen daneben aber auch andere Einwendungen gegen den titulierten Anspruch in Betracht, sofern sie erst nach Schluss der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung entstanden sind. Zum Beispiel kann der Schuldner mit der Vollstreckungsabwehrklage gegen einen auf eine Kennzeichenverletzung gestützten Unterlassungstitel vorgehen, wenn das Kennzeichenrecht nachträglich erloschen ist.
OLG Hamm, Urt. v. 27.4.2023, 4 U 68/23, Tz. 22 f
Zu den Einwendungen, die eine Vollstreckungsabwehrklage gegen einen in der Hauptsache titulierten wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch begründen können, gehören neben Gesetzesänderungen (dem gleichstehen dürften Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, § 31 BVerfGG) auch Änderungen in der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BGH, Urt. v. 2.7.2009, I ZR 146/07, Tz. 17 ff. mwN – Mescher weis).
Einer solchen Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung gleichzusetzen ist – bezogen auf den Sonderfall der wettbewerbsrechtlichen Unterlassungstitel – zur Überzeugung des Senats die Konstellation, in der eine bislang ungeklärte Rechtsfrage erstmals höchstrichterlich – noch dazu durch den EuGH – entschieden worden ist.