Ihr Rechtsanwalt im Wettbewerbsrecht
Dr. Hermann-Josef Omsels*

Eine Darstellung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und wettbewerbsrechtlicher Nebengesetze



 

i) Weitere Einzelfragen

Das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist im Wettbewerbsrecht von außerordentlicher Bedeutung. Im Rahmen dieses Verfahren stellen sich immer wieder neue Fragen formeller Natur, die teilweise in andere Rechtsbereiche, z.B. das allgemeine Zivilprozessrecht hinein führen und keinerlei wettbewerbsrechtlichen Besonderheiten aufweisen. Diese Einzelfragen sollen – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – in dieser Rubrik angesprochen werden. Die Rubrik erhebt bei weitem keinen Anspruch auf Vollständigkeit und wird von Zeit zu Zeit ergänzt.

1. Zuständigkeit

2. Rechtsschutzbedürfnis / Rechtsmissbrauch

a. Schwierigkeiten bei der Beurteilung der Sach- und Rechtslage

b. Rücknahme des Antrags im Klageverfahren

c. Falscher oder unvollständiger Vortrag zur Abmahnung und Reaktion des Antragsgegners darauf

3. Vorschriften über vorbreitende Schriftsätze (z.B. Verspätung, Schriftsatznachlass)

4. Begründung durch das Gericht

5. Akteneinsicht

6. Formelle Voraussetzungen an den gerichtlichen Beschluss

7. Wirksamkeit und Vollziehung

8. Sicherheitsleistung gem. § 921 ZPO

9. Rechtskraft

10. Information an den Antragsgegner

11. Zeitlich begrenzte einstweilige Verfügung

Zuständigkeit

§ 943 ZPO Gericht der Hauptsache

(1) Als Gericht der Hauptsache im Sinne der Vorschriften dieses Abschnitts ist das Gericht des ersten Rechtszuges und, wenn die Hauptsache in der Berufungsinstanz anhängig ist, das Berufungsgericht anzusehen.

(2) Das Gericht der Hauptsache ist für die nach § 109 zu treffenden Anordnungen ausschließlich zuständig, wenn die Hauptsache anhängig ist oder anhängig gewesen ist.

Wenn bereits ein Klageverfahren anhängig ist, ist das Gericht für den Erlass einer einstweiligen Verfügung zuständig, bei dem das Klageverfahren anhängig ist. Das kann auch das Berufungsgericht sein.

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 29.6.2017, I-15 U 41/17, I.1

Gem. § 943 Abs. 1 Alt. 2 ZPO ist das Berufungsgericht als "Gericht der Hauptsache" i.S.v. § 937 Abs. 1 ZPO anzusehen, wenn die Hauptsache in der Berufungsinstanz anhängig ist. "Hauptsache" meint den prozessual geltend gemachten oder künftig geltend zu machen den Individualanspruch, dessen Rechtsdurchsetzung das einstweilige Rechtschutzverfahren im ordentlichen Hauptsacheverfahren einschließlich anschließender Zwangsvollstreckung sichern will. Aus der Nichtnennung des Revisionsgerichts in § 943 Abs. 1 ZPO folgt im Umkehrschluss, dass selbiges nie Gericht der Hauptsache im vorgenannten Sinne ist. Vielmehr gilt: Hat die erste Instanz bereits ein Urteil in der Hauptsache erlassen, das mit einer Berufung angefochten worden ist, ist ab dem Zeitpunkt der Berufungseinlegung bis zur Einlegung der Revision bzw. bis zu einem rechtskräftigen Berufungsurteil das Berufungsgericht das "Gericht der Hauptsache"; nach rechtskräftigem Abschluss der Berufung bzw. mit Einlegung der Revision besteht wieder die sachliche Zuständigkeit der ersten Instanz (BGH WM 1976, 134; OLG Hamm, Urt. v. 27.2.2012, 8 U 261/11). Ist der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung einmal während eines Zeitpunktes eingegangen, zu dem die Zuständigkeit des Berufungsgerichts (noch) gegeben war, besteht sie dem allgemeinen Gedanken des § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO zufolge fort (vgl. OLG Karlsruhe GRUR 1980, 314).

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Rechtsschutzbedürfnis / Rechtsmissbrauch

Schwierigkeiten bei der Beurteilung der Sach- und Rechtslage

OLG Frankfurt, Beschl. v. 21.3.2016, 6 W 21/16

Es fehlt an dem Verfügungsgrund als besonderer Form des Rechtsschutzbedürfnisses nicht deshalb, weil der Verfahrensgegenstand für das Eilverfahren "ungeeignet" ist. Die Ungeeignetheit kann insbesondere nicht aus dem Umstand abgeleitet werden, dass ein positiver oder negativer Vollbeweis der Wirksamkeit von ... im Eilverfahren nicht geführt werden kann. Die Frage der hinreichenden Glaubhaftmachung hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.

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Rücknahme des Antrags im Klageverfahren

OLG Brandenburg, Urt. v. 14.4.2011, 6 U 79/10 (= WRP 2012, 747)

Bei einer einstweiligen Verfügung handelt es sich um eine vorläufige Entscheidung zur Sicherung des Hauptanspruchs oder zur vorläufigen Regelung eines Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis (§§ 935, 940 ZPO). … Das Bedürfnis an einer vorläufig sichernden Entscheidung ist zu verneinen, nachdem die Verfügungsklägerin die …  erhobene Hauptsacheklage im Umfang des verfolgten Verfügungsantrages zurückgenommen hat.

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Falscher oder unvollständiger Vortrag zur Abmahnung und Reaktion des Antragsgegners darauf

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verletzt ein Gericht das Grundrecht des Antragsgegners auf rechtliches Gehör und prozessuale Waffengleichheit, wenn es eine einstweilige Verfügung erlässt, ohne sicherzustellen, dass sich der Antragsgegner zu dem ihm zur Last gelegten Vorgang und der Argumentation des Antragstellers vollständig erklären konnte. Zu dieser Rechtsprechung siehe hier.

Diese Rechtsprechung hat auch Auswirkungen auf den Vortrag des Antragstellers im Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung.

1. Erschleichen einer einstweiligen Verfügung durch Falschvortrag

OLG München, Urt. v. 8.6.2017, 29 U 1210/17, II.1.b – Vorenthalten der Abmahnungserwiderung

Die Geltendmachung der Ansprüche ist missbräuchlich, weil die Antragsteller versucht haben, den Erlass der einstweiligen Verfügung durch eine grobe Verletzung ihrer prozessualen Wahrheitspflicht zu erschleichen. Gemäß § 138 Abs. 1 ZPO haben die Parteien ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben. Statt in der Antragsschrift lediglich mitzuteilen, dass die Antragsgegner der Aufforderung zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung nicht nachgekommen sind, waren die Antragsteller verpflichtet, mitzuteilen, dass die Antragsgegner die Ansprüche vorprozessual zurückgewiesen haben, und das Schreiben der Antragsgegner vom ... vorzulegen. Wegen der Nichterwähnung des Antwortschreibens der Antragsgegner ist die Antragsschrift dahingehend zu verstehen, dass eine Reaktion der Antragsgegner auf die Abmahnung nicht erfolgt ist.

Dieser Verstoß gegen die prozessuale Pflicht zu vollständigen und wahrheitsgemäßen Erklärungen wiegt vorliegend deswegen besonders schwer, weil die Antragssteller ausdrücklich den Erlass einer einstweiligen Verfügung ohne mündliche Verhandlung beantragt haben und ausgeführt hatten, der unkollegialen, unseriösen und rechtswidrigen Praxis der Antragsgegner sei durch eine sofortige einstweilige Verfügung Einhalt zu gebieten, und überdies die Antragsgegner im Schreiben vom ... die Antragstellerin im Fettdruck darauf hingewiesen hatten, dass das Schreiben gemäß § 138 Abs. 1 ZPO, § 263 StGB dem Gericht unaufgefordert vorzulegen sei.

... Maßgeblich für die Missbräuchlichkeit des Vorgehens der Antragsteller ist, ..., dass die Antragsteller versucht haben, sich unter planmäßig-gezielter Gehörsvereitelung einen Titel zu erschleichen (vgl. KG GRUR-RR 2017, 128 zum Rechtsmissbrauch beim Forum-Shopping).

... Der Versuch der Erschleichung eines Titels durch einen groben Verstoß gegen die prozessuale Wahrheitspflicht ist auch dann missbräuchlich, wenn der geltend gemachte Anspruch materiell berechtigt ist.

Ebenso OLG München, Urt. v. 19.8.2021, 29 U 6406/20, Tz. 4

OLG Frankfurt, Beschl. v. 7.5.2024, 6 W 37/24, II.1

Nach den vom Landgericht zutreffend wiedergegebenen rechtlichen Maßstäben kann es ein Indiz für einen Rechtsmissbrauch darstellen, wenn der Antragsteller dem Gericht die Reaktion des Antragsgegners auf eine vorgerichtliche Abmahnung verschweigt. Die prozessuale Wahrheitspflicht (§ 138 Abs. 1 ZPO) verpflichtet den Antragsteller zur vollständigen Erklärung über die tatsächlichen Umstände (vgl. z.B. KG, Beschl. v. 15.10.2021, 5 W 133/21, Tz. 28 - Investoren-Präsentation; OLG Frankfurt, Beschl. v. 3.7.2023, 6 W 50/23, Tz. 31 - Urgo-Tül). Eine einstweilige Verfügung darf daher nicht ergehen, wenn dem Gericht das Erwiderungsschreiben auf eine vorgerichtliche Abmahnung nicht vorgelegt worden ist und dadurch die prozessualen Äußerungsmöglichkeiten des Antragsgegners nicht hinreichend gewahrt worden sind (vgl. z.B. BVerfG, Beschl. v. 3.12.2020, 1 BvR 2575/20, Tz. 18). Das Vorenthalten der Erwiderung kann in einem solchen Fall den Einwand des Rechtsmissbrauchs wegen (ggf. versuchter) missbräuchlicher Titelerschleichung rechtfertigen, weil dem Gericht eine sachgerechte Entscheidung über die etwaige Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor Erlass der einstweiligen Verfügung oder über eine schriftliche Anhörung des Antragsgegners respektive den Verzicht darauf unter dem Aspekt der Dringlichkeit nach § 937 Abs. 2 ZPO (in der Regel) erst bei Vorliegen der gesamten vorgerichtlichen Korrespondenz möglich ist (vgl. z.B. BVerfG, Beschl. v. 3.12.2020, 1 BvR 2575/20, Tz. 1, 9). Zwar kommt der Vorwurf einer gezielten Gehörsvereitelung grundsätzlich nur im einseitig geführten Eilverfahren in Betracht (vgl. z.B. OLG Frankfurt, Beschl. v. 3.7.2023, 6 W 50/23, Tz. 31 - Urgo-Tül). Solange die Gegenseite daran nicht förmlich beteiligt ist, hat der Antragsteller einen die Streitsache betreffenden Schriftsatz allerdings wegen seiner Pflicht zu vollständigem Vortrag grundsätzlich auch dann unaufgefordert vorzulegen, wenn ihm dieser erst nach Einleitung des Eilverfahrens zugeht (vgl. z.B. OLG München, Urt. v. 5.8.2021, 29 U 6406/20, Tz. 8 - prozessuale Waffengleichheit). Zwar kann die Einreichung unter Umständen durch die Wiedergabe des wesentlichen Inhalts einer vorgerichtlichen Antwort der Gegenseite ersetzt werden (vgl. z.B. OLG Nürnberg, Beschl. v. 14.8.2023, 3 W 1525/23, Tz. 14 - Sextoys). Wie der Senat bereits entschieden hat, kann eine Obliegenheit zur sofortigen Information im Einzelfall auch zu verneinen sein, wenn der Antragsteller darüber informiert ist, dass die Gegenseite gerichtlich angehört werden wird (OLG Frankfurt, Beschl. v. 3.7.2023, 6 W 50/23, Tz. 32 - Urgo-Tül). Der Inhalt eines zusätzlichen Telefonats muss gegebenenfalls auch nicht wiedergegeben werden, wenn zumindest die schriftliche Reaktion des Gegners vorgelegt worden ist (vgl. insofern OLG Frankfurt, Beschl. v. 22.2.2019, 6 W 9/19, Tz. 10 - gekaufte Kundenbewertungen).

OLG Frankfurt, Beschl. v. 7.5.2024, 6 W 37/24, II.2

Da einstweilige Verfügungen in Kennzeichen- und Wettbewerbssachen vielfach im Beschlusswege ohne (erneute) vorherige Anhörung des Gegners ergehen, ist bei objektiver Betrachtung aus der Sicht der Antragstellerin bei Einleitung des Eilverfahrens nicht auszuschließen gewesen, dass das Gericht die Antragsgegnerin nicht anhört, da es davon ausgeht, dass diese der vorgerichtlichen Abmahnung nichts entgegengesetzt hat. ...

An dieser Bewertung ändert entgegen ihrer Ansicht der Umstand nichts, dass sich das Vorgehen der Antragstellerin letztlich nicht ausgewirkt hat, weil die Antragsgegnerin erstinstanzlich hinreichend Gelegenheit gehabt hat, ihre rechtliche Position darzutun. ...

Dies macht den Versuch einer Titelerschleichung durch Vorenthalten möglicherweise erheblichen Vortrags der Gegenseite nach zutreffender Ansicht des Landgerichts nicht hinfällig. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob das vorgerichtliche Vorbringen der Antragsgegnerin geeignet gewesen ist, zu einer dieser günstigen Entscheidung zu führen (vgl. insoweit auch OLG München, Urteil vom 08.06.2017 - 29 U 1210/17, juris Rn. 10 - Vorenthalten der Abmahnungserwiderung). Es kann nicht vom gewählten Vorgehen des Gerichts oder anderen Zufälligkeiten abhängen, ob ein prozessual zu missbilligendes Verhalten als Rechtsmissbrauch zu werten ist.

In einem vergleichbaren Verfahren, in dem sogar ausdrücklich vorgetragen worden war, dass die Antragsgegnerin auf eine Abmahnung nicht reagierte, obwohl sie dazu Stellung genommen hat, bringt das BVerfG § 8c UWG ins Spiel. Die Rechtsfolge wäre der Wegfall des Unterlassungsanspruchs.

BVerfG, Beschl. v. 3.12.2020, 1 BvR 2575/20, Tz. 12

Erwiese sich der von der Beschwerdeführerin dargestellte Sachverhalt im weiteren Verlauf des Widerspruchsverfahrens als zutreffend, so bildete dies jedenfalls ein Indiz für ein rechtsmissbräuchliches Verhalten im Sinne von § 8c UWG und § 242 BGB. Dem Verfügungsantrag stünde dann der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegen. Bei Vorliegen eines Rechtsmissbrauchs nach § 8c UWG entfällt die Klagebefugnis, und die auf Unterlassung oder Beseitigung gerichtete Klage ist als unzulässig abzuweisen.

s.a. OLG Frankfurt, Beschl. v. 22.2.2019, 6 W 9/19 ("Ein Indiz für ein rechtsmissbräuchliches Vergehen nach § 8 Abs. 4 UWG (a.F.) kann darin gesehen werden, dass der Antragsteller die Reaktion des Antragsgegners auf eine vorgerichtliche Abmahnung verschweigt.")

2. Unvollständiger Vortrag zum vorprozessualen Abmahnvorgang

Nach Ansicht des OLG Nürnberg führt nicht jedes Verschweigen eines Kontaktes oder einer Reaktion des Antragsgegners zur Annahme eines Rechtsmissbrauchs:

OLG Nürnberg, Hinweisbeschl. v. 22.4.2021, 3 U 700/21, Tz. 31 f

Eine grobe Verletzung der prozessualen Wahrheitspflicht kann zu bejahen sein, wenn der Antragsteller seine Verpflichtung aus § 138 Abs. 1 ZPO, sich vollständig und wahrheitsgemäß zu erklären, dadurch verletzt, dass er lediglich vorträgt, der Antragsgegner habe auf Abmahnung keine Unterlassungserklärung abgegeben, und verschweigt, dass sich der Antragsgegner umfangreich dazu geäußert hat, weshalb die Abmahnung unberechtigt sei (OLG München, Urt. v. 8.6.2017, 29 U 1210/17 - Vorenthalten der Abmahnungserwiderung).

Dagegen ist es nicht als rechtsmissbräuchlich anzusehen, wenn mit dem Antrag zwar die Abmahnantwort vorgelegt, ein weiterer telefonischer Kontakt zwischen den Parteien dem Gericht jedoch nicht mitgeteilt wird. Die Wiedergabe des Inhalts von Telefongesprächen weist typischerweise eine geringe Validität auf, zumal der Inhalt von den Gesprächsparteien unterschiedlich wahrgenommen und wiedergegeben wird (OLG Frankfurt, Beschl. v. 22.2.2019, 6 W 9/19, Tz. 10 - gekaufte Kundenbewertungen).

Strenger das Kammergericht, wonach es schon zu einem Rechtsmissbrauch führt, wenn dem Gericht verschwiegen wird, dass der Antragsgegner um eine Fristverlängerung gebeten hat, auch wenn der Antragssteller die Bitte zurückgewiesen hat.

KG, Beschl. v. 15.10.2021, 5 W 133/21, Tz. 17

Die Antragstellerin gefährdet mit ihrem Antrag das Recht der Antragsgegner auf prozessuale Waffengleichheit. Rechtsfolge eines auf die Erschleichung einer einstweiligen Verfügung durch Vereitelung des Anspruchs des Antragsgegners auf Gewährung rechtlichen Gehörs gerichteten Verhaltens ist regelmäßig die Unzulässigkeit der Geltendmachung des Anspruchs im Eilverfahren.

KG, Beschl. v. 15.10.2021, 5 W 133/21, Tz. 28 f 

Eine sachgerechte Entscheidung über die etwaige Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor Erlass der einstweiligen Verfügung oder eine schriftliche Anhörung des Antragsgegners respektive den Verzicht darauf unter dem Aspekt der Dringlichkeit nach § 937 Abs. 2 ZPO ist dem Gericht regelmäßig erst bei Vorliegen der gesamten vorgerichtlichen Korrespondenz möglich (BVerfG, Beschluss vom 03. Dezember 2020 – 1 BvR 2575/20 –, Rn. 19, juris). Verschweigt der Antragsteller die Reaktion des Antragsgegners auf eine vorgerichtliche Abmahnung, kann darin ein Indiz für ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen gesehen werden. Denn die prozessuale Wahrheitspflicht nach § 138 Abs. 1 ZPO verpflichtet den Antragsteller zu vollständiger Erklärung über die tatsächlichen Umstände (BVerfG, Beschl. v. 3.12.2020, 1 BvR 2575/20; ...). Kann dem Antragsteller eine planmäßig gezielte Gehörsvereitelung zur Erschleichung eines Titels vorgeworfen werden, kann ein Verfügungsantrag als rechtsmissbräuchlich zurückzuweisen sein (OLG München, Urt. v. 5.8.2021, 29 U 6406/20, Tz. 4; BVerfG, Beschl. v. 3.12.2020, 1 BvR 2575/20, Tz. 13, 19).

In einem einstweiligen Verfügungsverfahren, das seitens des Gerichts einseitig geführt wird und in dem der Antragsgegner somit keine Gelegenheit hat, sich gegenüber dem Gericht entsprechend dem jeweiligen Verfahrensstand zu äußern, treffen somit nicht nur das Gericht aus den Grundsätzen der prozessualen Waffengleichheit resultierende Pflichten, sondern hat auch der Antragsteller alles ihm Zumutbare und Mögliche zu unternehmen, um das Gericht in die Lage zu versetzen, eine sachgerechte Entscheidung darüber zu treffen, ob, wann und wie der Antragsgegner vor einer Entscheidung in der Sache einzubeziehen ist. Dazu gehört regelmäßig das unaufgeforderte und unverzügliche Einreichen eines die Streitsache betreffenden Schriftsatzes der bislang nicht am Verfahren beteiligten Gegenseite auch dann, wenn das Verfahren bereits in Gang gesetzt wurde und der außergerichtliche Schriftsatz der Gegenseite erst danach, aber vor einer Entscheidung des Gerichts die Antragstellerseite erreicht (OLG München, Urt. v. 5.8.2021, 29 U 6406/20, Tz. 8).

Denn die prozessuale Besonderheit, dass eine einstweilige Verfügung gemäß § 937 Abs. 2 ZPO ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung und sogar ohne gerichtliche Beteiligung der Gegenseite erlassen werden kann, verschafft dem Antragsteller einen erheblichen Vorteil. Er bestimmt zunächst allein den einer Entscheidung zugrunde zu legenden Sachverhalt. Kehrseite dieses Vorteils muss aber nach den vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätzen sein, dass sein Vortrag vollständig, wahrheitsgemäß und eindeutig zu sein hat, da nur so das Gericht in die Lage versetzt wird, nicht nur über die Frage, ob dem Antrag stattzugeben ist, sachgerecht zu entscheiden, sondern auch darüber, ob zuvor die Durchführung einer mündlichen Verhandlung oder zumindest die schriftliche Anhörung des Antragsgegners erforderlich ist.

Ob der Antragsteller dies für nötig befindet oder – etwa, weil er den Inhalt des Schriftsatzes des Gegners nicht für relevant hält – für nicht nötig, ist unerheblich. Denn die Beurteilung der Relevanz tatsächlicher und rechtlicher Ausführungen obliegt nicht dem Antragsteller oder seinen Verfahrensbevollmächtigten, sondern dem Gericht.

KG, Beschl. v. 15.10.2021, 5 W 133/21, Tz. 28 f 

Unerheblich ist, ob sich das prozessual unredliche Verhalten des Antragstellers im Ergebnis ausgewirkt hat.

Allerdings führt der unvollständige Vortrag nach Auffassung des Kammergerichts nicht, jedenfalls nicht stets zum Wegfall des Unterlassungsanspruchs, sondern nur dazu, dass er nicht mehr im einstweiligen Verfügungsverfahren verfolgt werden kann.

KG, Beschl. v. 15.10.2021, 5 W 133/21, Tz. 46 ff 

Rechtsfolge des hier vorliegenden auf die Erschleichung einer einstweiligen Verfügung durch Vereitelung des Anspruchs des Antragsgegners auf Gewährung rechtlichen Gehörs gerichteten Verhaltens ist – wie regelmäßig – die Unzulässigkeit der Geltendmachung des Anspruchs im Eilverfahren.

Zwar hat das Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 03.12.2020 (– 1 BvR 2575/20 –, Tz. 19, s.o.) ausgeführt, dass einer missbräuchlichen Titelerschleichung durch gezielte Gehörsvereitelung gegenüber dem Gegner durch den Einwand des Rechtsmissbrauchs nach § 8c UWG „adäquat zu begegnen“ ist. Es hat indes in derselben Entscheidung (a. a. O., Tz. 13) ausgeführt, in einem solchen Fall „kann ein Verfügungsantrag als rechtsmissbräuchlich zurückzuweisen sein“.

Vor diesem Hintergrund sieht der Senat es nicht als zwingend an, in Fällen der vorliegenden Art Rechtsmissbrauch nach der genannten Norm des UWG, gegebenenfalls in Verbindung mit § 242 BGB, anzunehmen. Jedenfalls im vorliegenden Fall erscheint es dem Senat sachgerecht, der Antragstellerin das Rechtschutzbedürfnis für die Verfolgung ihrer Ansprüche im Eilverfahren abzusprechen.

Allerdings

KG, Beschl. v. 15.10.2021, 5 W 133/21, Tz. 56 

Da stets die Gesamtumstände des Einzelfalls in den Blick zu nehmen sind, kann im Falle des objektiv unredlichen Vortrags ausnahmsweise dann das Rechtschutzbedürfnis als weiterhin bestehend angenommen werden, wenn der in Rede stehende Vortrag zur vorprozessualen Korrespondenz nicht in vorwerfbarer Weise erfolgt, wobei im Hinblick auf Verfahrensbevollmächtigte zu beachten ist, dass gemäß § 85 Abs. 2 ZPO das Verhalten der Verfahrensbevollmächtigten der Partei zurechenbar ist. Dabei setzt der Vorwurf der Unredlichkeit und des Erschleichens eines Titels mehr voraus als bloße (einfache) Fahrlässigkeit. Liegen allerdings die objektiven Voraussetzungen eines unvollständigen, falschen oder missverständlichen Vortrags zur vorprozessualen Korrespondenz auf Seiten des Antragstellers vor, muss der Antragsteller diejenigen konkreten Umstände substantiiert darlegen, aus denen sich ergeben soll, dass der objektiv unredliche Vortrag lediglich (einfach) fahrlässig, etwa versehentlich, erfolgt ist. Dies ergibt sich auch vor dem Hintergrund, dass der Antragsgegner über die internen Vorgänge beim Antragsteller regelmäßig keine Kenntnis hat und den Antragsteller damit jedenfalls eine sekundäre Darlegungslast trifft. An den Vortrag des Antragstellers sind insoweit hohe Anforderungen zu stellen. Denn wenn die Hürden zur Entkräftung des Unredlichkeitsvorwurfs insoweit zu niedrig wären, bliebe unvollständiger, falscher oder missverständlicher Vortrag im Ergebnis doch häufig für den so Vortragenden folgenlos und könnte dieser mit derartigem Vortrag letztlich doch gefahrlos seine prozessuale Wahrheitspflicht verletzen.

Zur Auswirkung von zurückgehaltenem Vortrag zum Abmahnvorgang auf die Eilbedürftigkeit siehe hier.

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Vorschriften über vorbreitende Schriftsätze (z.B. Verspätung, Schriftsatznachlass)

OLG München, Urt. v. 02.02.12, 6 U 3180/11, II.2.a (= MD 2012, 418)

Nach allgemeiner Auffassung gelten die Vorschriften über vorbereitende Schriftsätze im Verfahren der einstweiligen Verfügung nicht. Mangels Erklärungspflichten kommt 296 ZPO nicht zur Anwendung. Das Gericht muss daher Vorbringen der Parteien (sowie deren Glaubhaftmachung) bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung berücksichtigen; neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind in den durch Rechtsmissbrauch gezogenen Grenzen bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung zulässig. Von Ausnahmefällen abgesehen kommt auch die Einräumung einer Schriftsatzfrist nach § 283 ZPO nicht in Betracht (allgemeine Auffassung, vgl. hierzu Harte/Henning/Retzer, § 12 UWG, Rdnr. 440 f. m. W. N.).

OLG Köln, Urt. v. 9.9.2022, 6 U 92/22, Tz. 70

Es handelt sich vorliegend um ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, in dem keine Verspätung in Betracht kommt. Einlassungsfristen gibt es nicht, auch die Präklusionsvorschriften des allgemeinen Verfahrensrechts gelten im Eilverfahren 1. Instanz nicht, mit der Folge, dass alles zu berücksichtigen ist, was die Parteien bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vortragen und glaubhaft machen (Feddersen in: Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 12. Aufl., 55. Kap. Rn. 19 mwN). Sachvortrag und Glaubhaftmachungsmittel, die unschwer bereits vorher in das Verfahren einzubringen gewesen wären und nur bis zur mündlichen Verhandlung zurückgehalten werden, um dem Gegner durch Überrumpelung die Verteidigungsmöglichkeiten zu nehmen, können danach ausnahmsweise unberücksichtigt bleiben oder – ganz ausnahmsweise – mindestens eine kurzfristige Vertagung, uU auch eine kurze Schriftsatzfrist rechtfertigen (Feddersen in: Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 12. Aufl., 55. Kap. Rn. 19 mwN).

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Begründung durch das Gericht

OLG Köln, Urt. v. 14.8.2020, 6 U 4/20 – Kerrygold / Dairygold (WRP 2021, 381, Tz. 51)

Es kann offenbleiben, ob eine hinreichende Begründung – das Landgericht hat lediglich kurz zur Begründung in der Beschlussverfügung ausgeführt – vorliegt. Zwar ist eine Begründung der Entscheidung gemäß § 922 Abs. 1 S. 2 ZPO vorgeschrieben. Wird die Entscheidung nicht hinreichend begründet, führt dies indes nicht zu einer Aufhebung der einstweiligen Verfügung.

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Akteneinsicht

OLG Rostock, Beschl. v. 23.9.2010, 3 W 159/10

Gemäß § 299 Abs. 1 ZPO ist zwar grundsätzlich den Parteien des Verfahrens Akteneinsicht zu gewähren. Wann in einem einstweiligen Verfügungsverfahren, in welchem ohne Heranziehung des Gegners durch das Gericht im Beschlusswege schriftlich entschieden wird, dass der Antragsgegner Partei i. S. des § 299 Abs. 1 ZPO wird, wird in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beantwortet. Die wohl herrschende Meinung stellt darauf ab, wann der Antragsgegner erstmals tatsächlich am Verfahren beteiligt wird. Das ist in aller Regel der Zeitpunkt, in dem ihm durch den Antragsteller gem. § 922 Abs. 2 ZPO der die begehrte einstweilige Verfügung erlassene Beschluss zugestellt wird. Hat der Antragsgegner hingegen bereits eine Schutzschrift bei Gericht hinterlegt, soll er von Anfang an an dem Verfahren beteiligt sein (vgl. hierzu Zöller/Greger, ZPO, § 28. Aufl., § 299 Rdnr. 2; Zöller/Vollkommer, Vorb. 5 b vor § 916 m. w. Nachw.). Erfährt der Antragsgegner – auf welche Weise auch immer – von dem einstweiligen Verfügungsverfahren vor Zustellung eines Beschlusses und begehrt er zur Geltendmachung des rechtlichen Gehörs Einsicht in die Prozessakten, bringt er hiermit zum Ausdruck, zumindest im Rahmen des rechtlichen Gehörs am Verfahren teilnehmen zu wollen. Er beteiligt sich hierdurch tatsächlich am Verfahren, so dass er von diesem Zeitpunkt an als Partei zu behandeln sein wird (Zöller/Vollkommer, Vorb. 5 b vor § 916).

Von dem gesetzlich fixierten Grundsatz des § 299 Abs. 1 ZPO, dass den Parteien stets Akteneinsicht zu gewähren ist, ist jedoch dann eine Ausnahme zu machen, wenn dies mit Sinn und Zweck des Gesetzes deshalb nicht vereinbar ist, weil diese Akteneinsicht den Zweck des angestrebten Verfahrens zuwider läuft. Als einen Zweck des einstweiligen Verfügungsverfahrens ist der in § 922 Abs. 2, Abs. 3 ZPO implizierte Überraschungseffekt zu sehen. Hat der Verfügungsantrag nämlich Erfolg und wird diesem im Beschlusswege stattgegeben, erfährt der Antragsgegner erst durch die Zustellung des Titels von der mit dem Verfügungsantrag verfolgten Maßnahme. Somit kann verhindert werden, dass der Antragsgegner in Kenntnis des Begehrten Maßnahmen trifft, die geeignet sind, die erlassene einstweilige Verfügung ins Leere laufen zu lassen. Wird dem Antrag im schriftlichen Verfahren nicht stattgegeben, ist der Antragsgegner gem. § 922 Abs. 3 ZPO ebenfalls durch das Gericht nicht zu unterrichten. Hierdurch soll verhindert werden, dass er für den Fall eines wiederholten und erfolgreichen Antrags des Antragstellers Vereitelungsmaßnahmen trifft.

Wenn in einem einstweiligen Verfügungsverfahren der Überraschungseffekt zu Gunsten des Antragsteller streitet und zumindest die Möglichkeit ernsthaft in Betracht kommt, dass der Antragsgegner Vereitelungsmaßnahmen ergreifen kann, kann auch dem beteiligten Antragsgegner die Akteneinsicht verwehrt werden. Dies gilt jedenfalls, wenn das Verfahren noch nicht abgeschlossen ist oder eine erfolgreiche Antragswiederholung ernsthaft in Betracht zu ziehen ist. Vorliegend ist das Verfahren nicht abgeschlossen und es können ernsthaft Handlungen des Antragsgegner in Betracht gezogen werden, die den Erfolg des Verfügungsverfahrens gefährden oder vereiteln können.

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Formelle Voraussetzungen an den gerichtlichen Beschluss

BGH, Beschl. v. 27.6.2003, IXa ZB 72/03

Bei einem Beschluss, aus dem wie bei einer einstweiligen Verfügung die Zwangsvollstreckung stattfindet, muss die genaue und eindeutige Bezeichnung des Rubrums und der Entscheidungsformel unmittelbar aus dem Text der vom Richter unterzeichneten Urschrift selbst ersichtlich sein. Wird in der Urschrift nur auf einen bestimmten, wenn auch eindeutig bezeichneten Teil der Akten verwiesen, ist der Beschluss fehlerhaft zustande gekommen. Trotzdem kann aus ihm vollstreckt werden.

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Wirksamkeit und Vollziehung

OLG Frankfurt, Urt. v. 4.3.2021, 6 U 123/20, II.2.b.4

Im Gegensatz zu Urteilen, die mit ihrer Verkündung wirksam werden, ist die Wirksamkeit von Beschlüssen grundsätzlich davon abhängig, dass sie den Betroffenen mitgeteilt werden. Ist für diese Mitteilung eine besondere Form vorgeschrieben, dann muss sie eingehalten werden, damit der Beschluss Wirksamkeit erlangen kann. Dies ist der Grund dafür, dass für eine Wirksamkeitszustellung die Zustellung einer Ausfertigung oder einer beglaubigten Abschrift gefordert wird. Wird diese Zustellung allerdings entgegen der gesetzlichen Anordnung in § 922 Abs. 2 ZPO nicht durch die Partei vorgenommen, sondern von Amts wegen, ist das Zustellungserfordernis erfüllt. Der Zustellungsmangel in Form der Zustellung durch das unzuständige Organ (hier: Gericht statt Partei) hindert den Eintritt der Wirksamkeit nicht. Die Voraussetzung der Zustellung hat nämlich - entgegen der die Vollziehung begründenden Zustellung - insoweit nicht den Zweck, den Gläubiger zu der Entscheidung zu zwingen, ob er von der einstweiligen Verfügung Gebrauch machen will. Vielmehr dient das Zustellungserfordernis insoweit lediglich dem Zweck, die Wirksamkeit des Verfügungsbeschlusses herzustellen. Der Zustellung der Wirksamkeitsverfügung kommt damit die Funktion zu, die Voraussetzung der Zwangsvollstreckung überhaupt zu schaffen (§ 750 Abs. 1 ZPO). Ist indes eine beglaubigte Abschrift ohnehin schon von Amts wegen zugestellt worden, liegen alle notwendigen Vollstreckungsvoraussetzungen vor (OLG München, Urteil vom 6.2.2013 - 15 U 2848/12 = BeckRS 2013, 4096). Eine Zustellung durch das Gericht statt durch den Gläubiger hindert daher das Wirksamwerden des Beschlusses nicht.

OLG Frankfurt, Urt. v. 4.3.2021, 6 U 123/20, II.2.b.5

Von der zum Wirksamwerden der Beschlussverfügung erforderlichen Zustellung zu unterscheiden ist die Vollziehung der einstweiligen Verfügung.

Diese fällt zwar im Regelfall - Zustellung einer Beschlussverfügung durch die Partei - bei einer Beschlussverfügung mit der oben dargestellten Wirksamkeitszustellung zusammen. Dies ist jedoch nicht zwingend, da die Vollziehung anderen Zwecken dient. Sie ist ein Merkmal des Eilcharakters des einstweiligen Rechtschutzverfahrens und wirkt als eine immanente zeitliche Begrenzung des dem Gläubiger gewährten Rechtschutzes. Sie verhindert, dass die Vollziehung unter Umständen erfolgt, die sich von denen zur Zeit der Anordnung wesentlich unterscheiden, und dient so dem Schutz des Schuldners (MüKoZPO/Drescher, 6. Aufl. 2020, ZPO § 929 Rn 1).

Dementsprechend ist insoweit eine Amtszustellung nicht ausreichend, weil diese die notwendige Dokumentation des Vollziehungswillens nicht enthält.

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Sicherheitsleistung gem. § 921 ZPO

Die Durchsetzung einer einstweiligen Verfügung kann gemäß § 921 Satz 1 ZPO von der Erbringung einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. Diese dient dem Antragsgegner als Sicherheit für den Fall, dass die einstweilige Verfügung später wieder aufgehoben werden sollte.

Die Anordnung einer Sicherheitsleistung steht nicht im Belieben eines Gerichts. Es muss ein konkretes Sicherheitsbedürfnis bestehen.

OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.11.2011, I-20 U 110/11, Tz. 13

Eine Sicherheitsleistung gemäß § 921 Satz 1 ZPO, die Mängel der Glaubhaftmachung ausgleichen will, scheidet aus, wenn der Verfügungsanspruch glaubhaft gemacht ist und der Verfügungsgrund nicht glaubhaft gemacht zu werden braucht, § 12 Abs. 2 UWG. Der Senat sieht auch keine sonstigen Defizite bei der Prüfung des Verfügungsanspruchs, die aufgrund des Charakters des vorliegenden Verfahrens als Eilverfahren zu Unsicherheiten hinsichtlich der getroffenen Entscheidung führen und die Anordnung einer Sicherheitsleistung rechtfertigen könnten.

Wenn das Gericht eine Sicherheitsleistung anordnet, muss sie ebenfalls binnen der Monatsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO vollzogen, d.h. in der Regel der Gegenseite zugestellt werden.

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Rechtskraft

OLG Frankfurt, Beschl. v. 7.1.2019, 6 W 86/18

Entscheidungen in Verfügungsverfahren entfalten keine Rechtskraft. Der im Eilverfahren unterlegene Antragsteller ist daher nicht daran gehindert, seinen Verfügungsantrag - auch mit identischem Gegenstand - nochmals zu stellen.

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Information an den Antragsgegner

OLG München, Beschl. v. 8.8.2019, 29 W 940/19, III - Dringlichkeitsschädliche Sachbehandlung

Der Antragsgegnerin ist der hiesige Beschluss von Amts wegen über deren Prozessbevollmächtigte bekannt zu geben. § 922 Abs. 3 ZPO steht dem nicht entgegen. Denn nach der Rechtsprechung des BVerfG (GRUR 2018, 1288) ist es verfassungsrechtlich geboten, dem Antragsgegner auch dann Hinweise des Gerichts zur Kenntnis zu bringen, wenn der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen wird. Dies betrifft insbesondere solche Hinweise, die es dem Antragsteller ermöglichen, zu Dringlichkeitsbedenken des Gerichts Stellung zu nehmen oder seinen Antrag nachzubessern (BVerfG, GRUR 2018, 1288, Rn. 24). Der Grund für die Mitteilung solcher Hinweise auch an den Antragsgegner liegt dabei nicht nur darin, dass sich der Antragsgegner im noch laufenden Verfügungsverfahren hierzu entsprechend verhalten kann, sondern auch in der dem Antragsgegner grds. zu verschaffenden Möglichkeit, diese Hinweise in einem etwaigen anderen Verfahren nutzbar zu machen (vgl. BVerfG, GRUR 2018, 1288, Rn. 24).

Vorliegend hat das Landgericht die der Antragstellerin erteilten Hinweise der Gegenseite vor seiner Entscheidung nicht zur Kenntnis gebracht. Angesichts dessen, dass die bisher erteilten Hinweise nicht dazu führen, dass der Antragsgegner diese im hiesigen Verfahren, welches durch die Zurückweisung der Beschwerde rechtskräftig abgeschlossen wird, zu seinen Gunsten nutzen können müsste, erscheint eine Beteiligung vor der Zurückweisung der Beschwerde nicht geboten. Erforderlich ist jedoch die Bekanntgabe des Beschlusses mit den dortigen Ausführungen, damit dem verfassungsrechtlichen Gebot der Waffengleichheit auch im Hinblick auf etwaige zukünftige Verfahren hinreichend Rechnung getragen wird.

Sinn und Zweck von § 922 Abs. 3 ZPO, der der Sicherung des Eilrechtsschutzes dient, stehen einer solchen Bekanntgabe nicht entgegen: die Antragstellerin hat kein schützenswertes Geheimhaltungsinteresse daran, dass sie die Antragsgegnerin im Eilverfahren in Anspruch nimmt bzw. genommen hat, zumal die Antragsgegnerin bereits durch die Abmahnung von dem beabsichtigten Vorgehen der Antragstellerin in Kenntnis gesetzt wurde. Und erst recht hat die Antragstellerin kein schützenswertes Interesse daran, dass nur sie die Gründe kennt, aufgrund derer der Senat die sofortige Beschwerde zurückgewiesen hat.

OLG Köln, Beschl. v. 8.4.2024, 15 W 22/24, Tz. 15

In verfassungskonformer Reduktion der §§ 936, 922 ZPO erhält der Antragsgegner - trotz Nichtgebrauchmachens von der Möglichkeit des § 945a ZPO mit den daran wiederum anknüpfenden Folgen aus § 5 Abs. 3 SRV - eine Ablichtung dieses Beschlusses zur Kenntnisnahme (vgl. BVerfG, Beschl. v. 30.9.2018, 1 BvR 2421/17, Tz. 36; OLG München, Beschl. v. 16.11.2021, 8 W 1541/21, Tz. 20; Mantz, WRP 2022, 154 Rn. 6 ff.; Zöller/Vollkommer, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 922 Rn. 18).

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Zeitlich begrenzte einstweilige Verfügung

OLG Frankfurt, Urt. v. 18.8.2022, 6 U 56/22, II.3.a

Der Zeitablauf bei einem Unterlassungstitel, der von vornherein befristet war, oder dem nach den Umständen nur in einem bestimmten Zeitraum zuwidergehandelt werden konnte, stellt kein erledigendes Ereignis dar (BGH NJW 2004, 506, 508; vgl. Stein/Jonas/Brehm, § 890 Rn 30; Pastor/Ahrens/Ulrich, Kap. 37 Rdn 20f.; Melullis, Rn 958).

OLG Frankfurt, Urt. v. 18.8.2022, 6 U 56/22, II.3.c

Das Erfordernis der Dringlichkeit steht der Aufrechterhaltung einer Unterlassungsverfügung für einen bereits abgelaufenen Zeitraum nicht entgegen. Für die Beurteilung des für die Zeit bis zum Eintritt des erledigenden Ereignisses noch anhängigen Verfügungsantrags kommt es vielmehr nach dem Sicherungszweck des Verfügungsverfahrens allein darauf an, ob die Dringlichkeit für die Sicherung des materiell-rechtlichen Anspruchs in diesem Zeitraum gegeben war (BGH NJW 2004, 506, 509 - Euro-Einführungsrabatt).

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