Ihr Rechtsanwalt im Wettbewerbsrecht
Dr. Hermann-Josef Omsels*

Eine Darstellung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und wettbewerbsrechtlicher Nebengesetze



 

Verbraucher

Mit Wirkung zum 28. Mai 2022 wurde erstmals im UWG ein Schadenersatzanspruch des Verbrauchers eingeführt. Es ist ein deliktischer Anspruch, der die negativen wirtschaftlichen Konsequenzen kompensieren soll, die sich für einen Verbraucher aus einer unlauteren geschäftlichen Handlung ergeben.

1. Gesetzestext

2. Richtlinienvorgabe

3. Anwendungsbereich

a. Unzulässige geschäftliche Handlungen nach § 3 U

b. Ausgenommene unzulässige geschäftliche Handlungen

4. Tatbestandsvoraussetzungen

a. Verbraucher

b. Unzulässige geschäftliche Handlungen des Unternehmers nach § 3 UWG

b. Veranlassung zu einer geschäftlichen Entscheidung des Verbrauchers

c. Rechtswidrigkeitszusammenhang

d. Kausalität

i. Darlegungs- und Beweislast

e. Schaden

i. Mittelbare und Folgeschäden

ii. Sonstiger Schaden

f. Verschulden

i. Fahrlässigkeit ausreichend

ii. Vorsatz bei periodischen Druckschriften (§ 9 Abs. 3 UWG)

5. Konkurrenzen

a. Schadenersatz vs. Anfechtung

b. Schadenersatz vs. Gewährleistung

c. Schadenersatz vs. sonstige vertragliche Ansprüche

6. Verjährung

Literatur: Scherer, Inge, Zahnloser Tiger oder schlagkräftiges Rechtsinstitut, GRUR 2022, 787; Kreitz, Benedict, Erweiterte Haftungsrisiken für Datenschutzverstöße durch den Individualanspruch des Verbrauchers gem. § 9 Abs. 2 UWG, WRP 2023, 156

Gesetzestext

§ 9 Abs. 2, 3 UWG

(2) Wer vorsätzlich oder fahrlässig eine nach § 3 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt und hierdurch Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst, die sie andernfalls nicht getroffen hätten, ist ihnen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Dies gilt nicht für unlautere geschäftliche Handlungen nach den §§ 3a, 4 und 6 sowie nach Nr. 32 des Anhangs.

(3) Gegen verantwortliche Personen von periodischen Druckschriften kann der Anspruch auf Schadensersatz nach den Absätzen 1 und 2 nur bei einer vorsätzlichen Zuwiderhandlung geltend gemacht werden.

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Richtlinienvorgabe

Richtlinie (EU) 2019/2161 (Omnibus-Richtlinie)

Art. 3 Änderung der Richtlinie 2005/29/EG

Art. 11a

Artikel 11a

Rechtsschutz

(1) Verbraucher, die durch unlautere Geschäftspraktiken geschädigt wurden, haben Zugang zu angemessenen und wirksamen Rechtsbehelfen, einschließlich Ersatz des dem Verbraucher entstandenen Schadens sowie gegebenenfalls Preisminderung oder Beendigung des Vertrags. Die Mitgliedstaaten können die Voraussetzungen für die Anwendung und die Folgen der Rechtsbehelfe festlegen. Die Mitgliedstaaten können gegebenenfalls die Schwere und Art der unlauteren Geschäftspraktik, den dem Verbraucher entstandenen Schaden sowie weitere relevante Umstände berücksichtigen.

(2) Diese Rechtsbehelfe berühren nicht die Anwendung anderer Rechtsbehelfe, die den Verbrauchern nach dem Unionsrecht oder dem nationalen Recht zur Verfügung stehen.

Dazu Erwägungsgrund 16 der Richtlinie:

(16) Zur Beseitigung jeglicher Folgen unlauterer Geschäftspraktiken sollten die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass Verbrauchern, die durch solche Geschäftspraktiken geschädigt wurden, Rechtsbehelfe zur Verfügung stehen. Ein klarer Rahmen für individuelle Rechtsbehelfe würde die private Rechtsdurchsetzung erleichtern. Die Verbraucher sollten die Möglichkeit haben, in verhältnismäßiger und wirksamer Form Schadenersatz sowie gegebenenfalls eine Preisminderung zu erhalten oder den Vertrag zu beendigen. Den Mitgliedstaaten sollte es freistehen, Rechte im Zusammenhang mit weiteren Rechtsbehelfen, etwa Reparatur oder Ersatzlieferung, für Verbraucher, die durch unlautere Geschäftspraktiken geschädigt wurden, beizubehalten oder einzuführen, um sicherzustellen, dass die Folgen solcher Geschäftspraktiken vollständig beseitigt werden. Den Mitgliedstaaten sollte es freistehen, Voraussetzungen für die Anwendung und die Folgen der Rechtsbehelfe für die Verbraucher festzulegen. Bei der Anwendung der Rechtsbehelfe könnten gegebenenfalls die Schwere und Art der unlauteren Geschäftspraktik, der dem Verbraucher entstandene Schaden sowie weitere relevante Umstände, etwa Fehlverhalten oder Vertragsverstoß seitens des Unternehmers, berücksichtigt werden.

Anwendungsbereich

Unzulässige geschäftliche Handlungen nach § 3 UWG

§ 9 Abs. 2 UWG knüpft den Schadenersatzanspruch an eine nach § 3 unzulässige geschäftliche Handlung, die vorsätzlich oder fahrlässig vorgenommen werden musste.

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Ausgenommene unzulässige geschäftliche Handlungen

Bei unlauteren geschäftlichen Handlungen, die gegen §§ 3a, 4 und 6 UWG sowie Nr. 32 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG verstoßen besteht kein Schadenersatzanspruch des Verbrauchers. Das gleiche gilt auch bei Verstößen gegen § 7 UWG, da dieser nicht auf § 3 UWG verweist und auch nicht auf die UGP-Richtlinie zurückgeht. Hintergrund ist, dass diese Verbotsbestimmungen nicht auf der Richtlinie 2005/29/EG gegen unlautere Geschäftspraktiken beruhen (Heinze/Engel, NJW 2021, 2609, 2610).
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Tatbestandsvoraussetzungen

Verbraucher

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Unzulässige geschäftliche Handlungen des Unternehmers nach § 3 UWG

§ 9 Abs. 2 UWG knüpft den Schadenersatzanspruch an eine nach § 3 unzulässige geschäftliche Handlung, die vorsätzlich oder fahrlässig vorgenommen werden musste.

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Veranlassung zu einer geschäftlichen Entscheidung des Verbrauchers

Die unzulässige geschäftliche Handlung des Unternehmers muss den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung geführt haben. Dazu gehören bspw. das Aufsuchen eines Geschäfts, Aufwendungen für einen Vertragsschluss,  ein Vertragsschluss, eine Zahlung oder die Nichtausübung eines vertraglichen oder gesetzlichen Rechts.

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Rechtswidrigkeitszusammenhang

Da eine unlautere geschäftliche Handlung nur vorliegt, wenn sie geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls so nicht getroffen hätte, scheidet ein Schadenersatzanspruch aus, wenn keine Eignung der geschäftlichen Handlung zur Veranlassung einer geschäftlichen Entscheidung gegeben besteht (Heinze/Engel, NJW 2021, 2609, 2611). Dies gilt auch, wenn der einzelne Verbraucher aufgrund der geschäftlichen Handlung Aufwendungen getätigt hat. Darin offenbart sich der Unterschied zwischen dem konkreten Verbraucher und dem Durchschnittsverbraucher, auf den die Verbotstatbestände des UWG abstellen.

Ersatzfähig ist außerdem nur der Schaden, der aus der geschäftlichen Entscheidung folgt. Aufwendungen zur Abwehr von Ansprüchen aus einer unlauteren geschäftlichen Handlung fallen nicht unter § 9 Abs. 2 UWG. Dazu gehören bspw. Kosten für einen Rechtsanwalt, die zur Abwehr einer unberechtigten Forderung aufgewendet werden.

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Kausalität

Die unlautere geschäftliche Handlung muss für das schadenbegründende Verhalten des Verbrauchers kausal sein. Sie muss zu einer geschäftlichen Entscheidung des Verbrauchers geführt haben, durch die dem Verbraucher ein Schaden entstanden ist. Wenn die geschäftliche Entscheidung bzw. dass Verhalten des Verbrauchers nicht auf der unlauteren geschäftlichen Handlung des Unternehmers beruht, besteht kein Schadenersatzanspruch.

Die Feststellung der Kausalität kann schwierig sein, da oft nur der Verbraucher weiß, weshalb er eine geschäftliche Entscheidung getroffen hat, und dieser innere Vorgang als solcher nicht beweisbar ist. Köhler will auf die Lebenserfahrung des Gerichts und Feststellungen zum Verhalten des Durchschnittsverbrauchers zurückgreifen (Köhler GRUR 2022, 435, 439).

Häufig spielen für eine geschäftliche Entscheidung auch mehrere Gründe eine Rolle, sodass eine unlautere Handlung nur eine von mehreren Gründen für eine geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers sein könnte. Hier reicht die Mitursächlichkeit der unlauteren Handlung für die geschäftliche Entscheidung aber aus.

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Darlegungs- und Beweislast

Der Verbraucher trägt nach allgemeinen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast für alle anspruchsbegründenden Tatsachen. Er muss darlegen, dass eine konkrete nach § 3 UWG unzulässige geschäftliche Handlung ihn zu einer konkreten geschäftlichen Entscheidung veranlasst hat, die er ohne die Veranlassung durch die konkrete geschäftliche Handlung nicht getroffen hätte. Wenn die geschäftliche Handlung des Unternehmers allgemein geeignet ist, Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, trifft den Unternehmer allerdings eine sekundäre Darlegungslast bezüglich des Umstands, dass dies im konkreten Fall beim Anspruch stellenden Verbraucher nicht der Fall gewesen ist (Köhler, GRUR 2022, 435, 440; Köhler, WRP 2021, 129, 132; Heinze/Engel, NJW 2021, 2609, 2612).

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Schaden

Die Bestimmung der Schäden, die der Unternehmer nach § 9 Abs. 2 UWG zu erstatten hat, ist im Detail schwierig und von der Rechtsprechung, insbes. vom EuGH, zu klären. Relativ klar ist, dass zum Schaden jedenfalls alle Aufwendungen gehören, die aufgrund der unlauteren geschäftlichen Handlung durch die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers entstanden sind, also z.B. Fahrtkosten, Vertragskosten. Demgegenüber sollen diejenigen Kosten nicht dazu gehören, die ein Verbraucher zur Abwendung von Ansprüchen aufwendet, die der Unternehmer aus der unlauteren geschäftlichen Handlung ableitet, z.B. Rechtsanwaltskosten zur Abwehr von Zahlungsansprüchen aufgrund der Lieferung von unbestellter Ware. Auch das Verhältnis des Schadenersatzanspruchs zu sonstigen Rechtsansprüchen des Verbrauchers z.B. auf Gewährleistung ist schwierig (siehe dazu unten bei Konkurrenzen).

Schäden können bspw. sein

    • Aufwendungen im Zusammenhang mit der geschäftlichen Entscheidung wie Fahrtkosten;
    • Abschluss eines Vertrags mit dem Unternehmer. In diesem Fall kann der Verbraucher eine Rückabwicklung verlangen und/oder die Erfüllung des Vertrags verweigern;
    • Abschluss eines Vertrags mit einem Dritten;
    • Unterlassene oder verspätete Ausübung eines Rechts gegenüber dem Unternehmer. In diesem Fall kann der Verbraucher die Ausübung des Rechts nachholen;
    • Leistung einer Zahlung

Konkret richtet sich die Art des Schadenersatzanspruchs auch danach, gegenüber wem er besteht. Wird der Verbraucher von seinem Vertragspartner durch eine unlautere Handlung zu einem Vertragsabschluss bewegt, hat er einen Anspruch auf Aufhebung dieses Vertrags. Wird der Verbraucher aber von einem Dritten, etwa dem Hersteller der Ware, zum Kauf bei einem Händler bewegt, kann er nur von den wirtschaftlichen Schäden befreit werden, die sich für den Verbraucher aus dem Vertragsschluss ergeben.

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Mittelbare und Folgeschäden

Schäden, die nicht ursächlich auf der unlauteren Handlung beruhen, sondern nur bei einem Verhalten des Verbrauchers im Zusammenhang mit der geschäftlichen Entscheidung eingetreten sind, sind nicht erstattungsfähig. Dazu gehören etwa die Kosten für die Behandlung einer Verletzung, die der Verbraucher sich auf dem Weg zum Unternehmer zugezogen hat (Köhler WRP 2021, 129, 131; s.a. Köhler GRUR 2022, 435, 442).

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Sonstiger Schaden

Der Schadenersatzanspruch soll den Verbraucher nur von den wirtschaftlichen Folgen seiner geschäftlichen Entscheidung befreien, die er aufgrund einer unlauteren geschäftlichen Handlung gefällt hat. Er erfasst nicht auch den Nachteil, der dem Verbraucher dadurch entsteht, dass er keine andere geschäftliche Entscheidung getroffen hat, also das Produkt bspw. bei einem anderen Unternehmer erworben hätte. Etwas anderes soll nur gelten, wenn die unlautere Handlung sich gerade auch gegen die alternative Entscheidung des Verbrauchers richtete (Köhler GRUR 2022, 435, 442).

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Verschulden

Fahrlässigkeit ausreichend

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Vorsatz bei periodischen Druckschriften (§ 9 Abs. 3 UWG)

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Konkurrenzen

Das deutsche Recht schweigt sich zum Verhältnis des Schadenersatzanspruchs aus § 9 Abs. 2 UWG aus. Dafür heißt es in Art. 11a der UGP-Richtlinie in der Fassung der Richtlinie (EU) 2019/2161:

Diese Rechtsbehelfe berühren nicht die Anwendung anderer Rechtsbehelfe, die den Verbrauchern nach dem Unionsrecht oder dem nationalen Recht zur Verfügung stehen.

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Schadenersatz vs. Anfechtung

Trotz unterschiedlicher Tatbestandsvoraussetzungen bestehen die Ansprüche eines Verbrauchers auf Schadensersatz nach §§ 9 Abs. 2 UWG, 249 Abs. 1 BGB auf Rückgängigmachung eines Vertrags und auf Anfechtung des Vertrags nach den §§ 123, 124 BGB nebeneinander (Köhler, WRP 2021, 129, 134).

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Schadenersatz vs. Gewährleistung

Ansprüche wegen unerlaubter Handlungen auf Schadenersatz und Ansprüche auf Gewährleistung stehen unabhängig nebeneinander (Köhler GRUR 2022, 435, 444; kritisch Heinze/Engel, NJW 2021, 2609, 2613).

BGH, Urt. v. 13.3.2020, V ZR 33/19, Tz. 50

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs handelt es sich bei dem Zusammentreffen von Schadensersatzansprüchen aus Vertragsverletzung und aus unerlaubter Handlung um eine echte Anspruchskonkurrenz mit der Folge, dass grundsätzlich weder die Deliktsordnung von der Vertragsordnung verdrängt wird noch umgekehrt und dass jeder Anspruch nach seinen Voraussetzungen, seinem Inhalt und seiner Durchsetzung selbständig zu beurteilen ist und seinen eigenen Regeln folgt.

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Schadenersatz vs. sonstige vertragliche Ansprüche

Ansprüche wegen unerlaubter Handlungen auf Schadenersatz und vertragliche Ansprüche etwa aus §§ 280 ff; 320 ff BGB stehen nebeneinander.

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Verjährung

Der Schadenersatzanspruch des Verbrauchers verjährt nach § 11 Abs. 1 UWG nach einem Jahr.

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