Ihr Rechtsanwalt im Wettbewerbsrecht
Dr. Hermann-Josef Omsels*

Eine Darstellung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und wettbewerbsrechtlicher Nebengesetze



 

§ 8c Abs. 2 Nr. 7 - Mehrere Schuldner getrennt

1. Gesetzestext und -begründung

2. Rechtsprechung zu § 8c Abs. 2 Nr. 7

3. Rechtsprechung zu § 8 Abs. 4 UWG (a.F.)

Gesetzestext und -begründung

(2) Eine missbräuchliche Geltendmachung ist im Zweifel anzunehmen, wenn

7. wegen einer Zuwiderhandlung, für die mehrere Zuwiderhandelnde verantwortlich sind, die Ansprüche gegen die Zuwiderhandelnden ohne sachlichen Grund nicht zusammen geltend gemacht werden.

In der Gesetzesbegründung der Bundesregierung fand sich dieser Vermutungstatbestand noch nicht. Er wurde später vom Rechtsausschuss eingefügt, weil es sich um ein in der Rechtsprechung anerkanntes Indiz für einen Rechtsmissbrauch handelt.

zurück nach oben

Rechtsprechung zu § 8c Abs. 2 Nr. 7 UWG

OLG Frankfurt, Urt. v. 8.10.2021, 6 W 83/21, II.2.b

Anhaltspunkte für ein missbräuchliches Verhalten können sich u. a. daraus ergeben, dass ein Gläubiger bei einem einheitlichen Wettbewerbsverstoß gegen mehrere rechtlich unabhängige Konzernunternehmen als verantwortliche Unterlassungsschuldner getrennte Verfahren anstrengt und dadurch die Kostenlast erheblich erhöht, obwohl eine streitgenössische Inanspruchnahme auf der Passivseite mit keinerlei Nachteilen verbunden wäre (BGH GRUR 2000, 1089, 1091 - Missbräuchliche Mehrfachverfolgung; BGH GRUR 2001, 78, 79 - Falsche Herstellerpreisempfehlung; BGH GRUR 2001, 82, 83 - Neu in Bielefeld I; BGH GRUR 2002, 715, 717 - Scanner-Werbung; BGH GRUR 2006, 243 Tz 16 f. - MEGA SALE).

Die Indizwirkung des § 8c Abs. 2 Nr. 2 UWG kann aber nicht eintreten, wenn ein sachlicher Grund für die Aufspaltung der Rechtsverfolgung der Antragsgegnerin einerseits und ihrer slowakischen Schwestergesellschaft anderseits besteht. Ein sachlicher Grund, zwei Konzerngesellschaften wegen derselben Werbung in zwei getrennten Klageverfahren in Anspruch zu nehmen, liegt vor, wenn eine der Beklagten ihren Sitz im Ausland hat (OLG Düsseldorf LMRR 2009, 76; Teplitzky in: FS 100 Jahre Wettbewerbszentrale, S. 195, 204). ... Das Landgericht hat nicht berücksichtigt, dass die Erlangung des Titels für die Antragstellerin allein wertlos ist, sondern der Titel auch der Vollziehung bedarf, die wiederum im Ausland mit Schwierigkeiten verbunden sein kann. Die hiermit verbundenen Unterschiede in der Wirksamkeit der einstweiligen Verfügungen, aber auch hierdurch ausgelöste unterschiedliche Zeitpunkte für Widersprüche können zu zeitlichen Interferenzen und prozessualen Komplikationen führen.

OLG Köln, Urt. v. 25.11.2022, 6 U 102/22 (WRP 2023, 233)

Nach 8c Abs. 2 Nr. 7 UWG ist eine missbräuchliche Geltendmachung im Zweifel anzunehmen, wenn wegen einer Zuwiderhandlung, für die mehrere Zuwiderhandelnde verantwortlich sind, die Ansprüche gegen die Zuwiderhandelnden ohne sachlichen Grund nicht zusammen geltend gemacht werden. Ein sachlicher Grund liegt vor, wenn das mehrfache Vorgehen unter den gegebenen Umständen der prozessual sicherste Weg wäre, weil etwa unterschiedliche Streitgegenstände angegriffen werden und die rechtliche Beurteilung oder Beweisbarkeit unterschiedlich sein kann oder wenn das Risiko von Verzögerungen besteht oder ein einheitlicher Gerichtsstand fehlt (Feddersen in: KBF, UWG, 40. Aufl. § 8c Rn. 29 m.w.N.). Den Regelbeispielen soll lediglich eine Indizwirkung und keine Beweislastumkehr zukommen, so dass gleichwohl noch eine Abwägung der Umstände des Einzelfalls zu erfolgen hat, andererseits im Regelfall davon auszugehen sein wird, dass bei Verwirklichung eines Beispielstatbestandes ein Missbrauch vorliegt, da ansonsten diese Regelungstechnik keinen Sinn ergeben würde. Daher setzt die Ablehnung eines Missbrauchs im Falle der Erfüllung eines Beispielstatbestandes voraus, dass der Anspruchsberechtigte erhebliche Gründe vorträgt, die sein Handeln trotz Vorliegen eines Beispielstatbestandes nicht als rechtsmissbräuchlich erscheinen lassen (Seichter in: Seichter, jurisPK-UWG, 5. Aufl., § 8c UWG, Rn. 43 [Stand: 03.01.2022]).

KG, Urt. v.22.11.2022, 5 U 1043/20, Tz. 23 f

Die Indizwirkung (vgl. BT-Drs. 19/22238, S. 17), die § 8c Abs. 2 Nr. 7 UWG nunmehr insoweit in Umsetzung der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung normiert, kann im vorliegenden Fall schon deshalb nicht eintreten, da ein sachlicher Grund für die Aufspaltung der Rechtsverfolgung gegen die französische Beklagte einerseits und ihre deutsche Tochtergesellschaft anderseits besteht. Ein sachlicher Grund, zwei Konzerngesellschaften wegen derselben Werbung in zwei getrennten Klageverfahren in Anspruch zu nehmen, liegt vor, wenn eine der Beklagten ihren Sitz im Ausland hat, da die Inanspruchnahme einer im Ausland ansässigen Partei regelmäßig mit gewissen zeitlichen Nachteilen verbunden ist (vgl. etwa OLG Düsseldorf, Urt. v. 11.8.2009, I-20 U 41/08, Tz. 23).

Eine Aufspaltung ist auch hinzunehmen, wenn die Möglichkeit besteht, dass die Anspruchsgegner an verschiedenen Gerichtsständen in Anspruch genommen werden müssen.

KG, Urt. v.22.11.2022, 5 U 1043/20, Tz. 28

Bei einer einheitlichen Geltendmachung vor dem Landgericht Düsseldorf oder dem Landgericht Berlin hätte das Risiko bestanden hätte, dass sich das jeweilige Gericht (teilweise) für örtlich unzuständig erklärt hätte oder ein Verfahren nach § 36 Nr. 3 ZPO notwendig gewesen wäre.

In solchen Fällen schadet es auch nicht, wenn getrennt abgemahnt wird.

KG, Urt. v.22.11.2022, 5 U 1043/20, Tz. 33

Aus dem Umstand, dass der Kläger die Tochtergesellschaft und die Beklagte getrennt abgemahnt hat, ergibt sich nichts Anderes. Vorliegend musste der Kläger zwei getrennte Abmahnungen fertigen, da zwei Rechtssubjekte unter zwei verschiedenen Anschriften adressiert werden mussten. Daher ist die Abmahnkostenpauschale jedenfalls zwei Mal angefallen. Daher kann die Beklagte sich auch in Bezug auf die Abmahnkosten nicht darauf berufen, der Kläger hätte die Kosten in die Höhe treiben wollen.

zurück nach oben

Rechtsprechung zu § 8 Abs. 4 UWG (a.F.)

Es ist rechtsmissbräuchlich, wenn ein Mitbewerber die an einer gemeinschaftlichen Werbeaktion beteiligten Unternehmen wegen dieser Werbung in getrennten Verfahren in Anspruch nimmt, es sei denn, dass dafür ein plausibler Grund geltend genannt werden kann (BGH, Urt. v. 17.11.2005, I ZR 300/02 - MEGA SALE).

Davon wurde bspw. ausgegangen, wenn eine Partei ihren Sitz im Ausland hat, da ein Prozess gegen eine ausländische Partei regelmäßig mit zeitlichen Nachteilen verbunden ist (OLG Düsseldorf v. 11.08.2009, 20 U 41/08).

BGH, Urt. v. 17. 11 2005, I ZR 300/02, Tz. 16 - MEGA SALE

Anhaltspunkte für ein missbräuchliches Verhalten können sich u.a. daraus ergeben, dass ein Gläubiger bei einem einheitlichen Wettbewerbsverstoß gegen mehrere verantwortliche Unterlassungsschuldner getrennte Verfahren anstrengt und dadurch die Kostenlast erheblich erhöht, obwohl eine streitgenössische Inanspruchnahme auf der Passivseite mit keinerlei Nachteilen verbunden wäre.

Ebenso BGH, Urt. v. 22.4.2009, I ZR 14/07, Tz. 20  – 0,00 Grundgebühr

ABER:

BGH, Urt. v. 31.5.2012, I ZR 106/10, Tz. 23 - Ferienluxuswohnung

Es ist nicht missbräuchlich, dass der Kläger wegen eigenständiger Rechtsverletzungen gesonderte Abmahnungen ausgesprochen hat. Aus der vom Berufungsgericht herangezogenen Entscheidung des Bundesgerichtshofs in der Sache „MEGA SALE“ zu § 8 Abs. 4 UWG (BGH, GRUR 2006, 243 Rn. 15 ff.) ergibt sich nichts anderes. Dort ging es nicht um die Abmahnung mehrerer eigenständiger Rechtsverstöße, sondern um die Abmahnung eines einheitlichen Wettbewerbsverstoßes mehrerer Verletzer, nämlich die - wettbewerbswidrige - gemeinschaftliche Werbeanzeige dreier Gesellschaften eines Konzerns.

 OLG Brandenburg, Urt. v. 29.4.2014, 6 U 201/12, II.1.b.aa - Media Markt

Sämtliche an der Gemeinschaftswerbung beteiligten Unternehmen waren Schuldner des Unterlassungsanspruches, weil im Impressum der beanstandeten Werbeanzeige sämtliche 16 Unternehmen aufgeführt waren. Der Kläger wäre ohne vorherige Abmahnung der Unterlassungsschuldner Gefahr gelaufen, bei einem sofortigen Anerkenntnis der Beklagten im Prozess gemäß § 93 ZPO mit den Kosten belastet zu werden.

OLG Brandenburg, Urt. v. 29.4.2014, 6 U 201/12, II.1.b.bb - Media Markt

Die Klage ist auch nicht deshalb rechtsmissbräuchlich, weil der Kläger die Beklagten und die in B… geschäftsansässigen Schwestergesellschaften in getrennten Prozessen in Anspruch genommen hat.

… Für die in Anspruch genommenen Unternehmen bestand kein einheitlicher Gerichtsstand. Das Risiko, sämtliche 16 an der Gemeinschaftswerbung beteiligten Unternehmen in einem Rechtsstreit in Anspruch zu nehmen und auf eine rügelose Einlassung sämtlicher Beklagter zu hoffen, brauchte der Kläger nicht einzugehen, zumal das Verhalten der Beklagten in dem vorliegenden Rechtsstreit zeigt, dass damit nicht zwingend zu rechnen war. Der Kläger hat vielmehr versucht, die entstehenden Prozesskosten möglichst gering zu halten, indem er die in … ansässigen Unternehmen einheitlich vor dem Landgericht Potsdam in Anspruch genommen hat.

Der Kläger war schließlich auch nicht gehalten, vor Durchführung des vorliegenden Rechtsstreits eine Gerichtsstandsbestimmung nach § 36 Nr. 3 ZPO vornehmen zu lassen. Vor Beantragung der einstweiligen Verfügung hätte er mit einem Antrag auf Bestimmung des Gerichtsstands sich der Gefahr ausgesetzt,  dass die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG wegen zu langen Zuwartens widerlegt sei. Auf dieses Risiko brauchte sich der Kläger nicht einzulassen.

OLG Brandenburg, Urt. v. 28.4.2015, 6 U 6/14, Tz. 61f

Die gerichtliche Inanspruchnahme der an der Gemeinschaftsanzeige beteiligten Ärzte in getrennten Verfahren begründet den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs nicht. Zwar kann die Rechtsverfolgung in getrennten Verfahren gegen mehrere Unterlassungsschuldner, die eine gemeinschaftliche Werbeanzeige geschaltet haben, rechtsmissbräuchlich sein, wenn diese einen einheitlichen Gerichtsstand haben und durch denselben Rechtsanwalt vertreten werden, weil dadurch im Vergleich zu einer streitgenössischen Inanspruchnahme eine höhere Kostenbelastung entsteht. Andererseits kann ein berechtigter Grund für eine Aufspaltung in mehrere Verfahren vorliegen, etwa wenn das mehrfache Vorgehen unter den gegebenen Umständen den prozessual sichersten Weg darstellt, um das Rechtsschutzbegehren umfassend durchzusetzen.

Im Streitfall stellt das Vorgehen des Klägers den prozessual sichersten Weg dar. Für die in Anspruch genommenen zehn Ärzte bestanden sechs unterschiedliche Gerichtsstände. Der Beklagte war der einzige der an der Gemeinschaftswerbung beteiligten Ärzte, der im Gerichtsbezirk des Landgerichts Cottbus seinen allgemeinen Gerichtsstand hatte. Der einheitliche Gerichtsstand des Begehungsortes nach § 14 Abs. 2 Satz 1 UWG stand dem Kläger (einem Verband) gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 UWG nicht zur Verfügung.

zurück nach oben