1. Gesetzestext und -begründung
3. Rechtsprechung zu § 8c Nr. 6 UWG
3. Rechtsprechung zu § 8 Abs. 4 UWG (a.F.)
Gesetzestext und -begründung
(2) Eine missbräuchliche Geltendmachung ist im Zweifel anzunehmen, wenn
6. mehrere Zuwiderhandlungen, die zusammen hätten abgemahnt werden können, einzeln abgemahnt werden.
In der Gesetzesbegründung der Bundesregierung fand sich dieser Vermutungstatbestand noch nicht. Er wurde später vom Rechtsausschuss eingefügt, weil es sich um ein in der Rechtsprechung anerkanntes Indiz für einen Rechtsmissbrauch handelt.
Kommentar
§ 8c Abs. 2 Nr. 6 UWG unterscheidet sich von § 8c Abs. 2 Nr. 7 durch die Anzahl der Schuldner, gegen die vorgegangen wird. In § 8c Abs. 2 Nr. 6 UWG wird ein Schuldner wegen mehrerer geschäftlicher Handlungen abgemahnt, § 8c Abs. 2 Nr. 7 liegt eine geschäftliche Handlung zugrunde, für die mehrere Personen in Anspruch genommen werden.
§ 8c Abs. 2 Nr. 6 UWG setzt mehrere Abmahnungen eines Gläubigers gegen ein und denselben Schuldner voraus. Weiterhin ist es erforderlich, dass die Abmahnungen in weniger Abmahnungen hätten zusammengefasst werden können. Eine Bündelung in nur einer Abmahnung ist nicht erforderlich. Der zugrundeliegende Rechtsgedanke kommt auch zum Tragen, wenn ohne Grund verschiedene einstweilige Verfügungs- und Klageverfahren eingeleitet werden.
Aus § 8c Abs. 2 Nr. 6 UWG ergibt sich für den Gläubiger keine Verpflichtung, das Gesamtverhalten des Schuldners auf seine Konformität mit den Lauterkeitsrecht hin zu überprüfen, bevor eine Abmahnung ausgesprochen werden darf. Von § 8c Abs. 2 Nr. 6 UWG wird keine Mitbewerberbeobachtung erwartet. Die Vorschrift verlangt nur, dass Wettbewerbsverstöße, die zum Zeitpunkt einer Abmahnung bekannt waren, in einer Abmahnung zusammengefasst werden.
Rechtsprechung zu § 8c Nr. 6 UWG
OLG Köln, Urt. v. 30.8.2024, 6 U 25/24 (WRP 2024, 1380)
Nach § 8c Abs. 2 Nr. 6 UWG ist eine missbräuchliche Geltendmachung im Zweifel anzunehmen, wenn mehrere Zuwiderhandlungen, die zusammen hätten abgemahnt werden können, einzeln abgemahnt werden. Hiermit hatte der Gesetzgeber Fälle im Auge, die von der Rechtsprechung bereits zuvor unter dem Aspekt der nicht sachlich gerechtfertigten Mehrfachverfolgung von Verstößen als missbräuchlich angesehen worden waren (vgl. BT-Drs. 19/22238, S. 17). Hiernach konnte zwar auch die getrennte Verfolgung unterschiedlicher Streitgegenstände den Einwand des Rechtsmissbrauchs begründen, wenn sie gleich gelagert oder ähnlich waren (etwa OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2014, 164, 165 – Karnevals-Wurfware).
OLG Frankfurt, Beschl. v. 13.7.2021, 6 W 43/21
Ist es dem Anspruchsberechtigten möglich und zumutbar, mehrere Wettbewerbsverstöße mit einem Klageantrag (oder einem Verfügungsantrag oder einer Abmahnung) geltend zu machen, so kann es zwar einen Missbrauch darstellen, wenn er ohne sachlichen Grund eine Aufspaltung vornimmt und mehrere Abmahnungen ausspricht oder Klagen neben- oder nacheinander erhebt (BGH GRUR 2009, 1180 Rn 20 - 0,00 Grundgebühr; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Feddersen UWG, 39. Aufl. 2021, § 8c Rn 28; OLG Frankfurt am Main WRP 2018, 736 - zum Fall einer „versehentlichen“ Verfahrensspaltung).
Ein sachlicher Grund ist indes anzunehmen, wenn eine inhaltlich übereinstimmende Werbung in unterschiedlichen Medien oder mittels unterschiedlicher Maßnahmen erfolgt und der Kläger jeweils die konkrete Verletzungsform angreift (und somit unterschiedliche Streitgegenstände vorliegen), sofern die rechtliche Beurteilung oder die Beweisbarkeit des jeweiligen Wettbewerbsverstoßes unterschiedlich sein kann (BGH GRUR 2019, 631 Rn 62 - Das beste Netz; OLG Frankfurt am Main WRP 2010, 158, 160). Dies gilt insbesondere bei Wettbewerbsverstößen, die zwar Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede aufweisen, etwa im Hinblick auf Art, Zeit, Ort und Gegenstand der Werbung (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Feddersen UWG, 39. Aufl. 2021, § 8c Rn. 29).
Beispiele
OLG Frankfurt, Beschl. v. 13.7.2021, 6 W 43/21
Zwar sind die gelten gemachten Verstöße auf der Website und dem Flyer weitgehend identisch und ist es angesichts der Kenntnisnahme am 10.3.21 auch nicht erkennbar, warum aus Dringlichkeitsgründen die Abmahnungen am 30.3. und 31.3. nicht hätten zusammengefasst werden können. In der Gesamtschau ist dies jedoch für den Senat nicht ausreichend, um dem ungewöhnlichen Vorgehen der Antragstellerin das Verdikt der Rechtsmissbräuchlichkeit zu verleihen. Hierbei ist nämlich zu betrachten, dass der Antragstellerin die Verstöße beim Verfügungsantrag wieder zusammengeführt hat und keine kostentreibende Aufspaltung vorgenommen hat.
OLG Köln, Urt. v. 30.8.2024, 6 U 25/24 (WRP 2024, 1380)
Da der mit der ersten Klageschrift geltend gemachte Verstoß leicht festzustellen war, während die Fallgruppe der Behinderung bzw. Irreführung umfangreichere Möglichkeiten für eine Rechtsverteidigung der Beklagten bot, entsprach es im Streitfall sachgerechter Prozessführung, nicht die bereits anhängige Klage zu erweitern, sondern den anders gelagerten Verstoß separat geltend zu machen. Denn in Bezug auf den ersten Verstoß durfte der Kläger … berechtigterweise mit einem schnellen Verfahrensablauf, u.U. sogar einem Anerkenntnis, rechnen und war nicht zur Vermeidung des Vorwurfs des Rechtsmissbrauchs gehalten, diesen mit dem absehbar streitig geführten Vorwurf der Behinderung wegen des Sperrens von Angeboten zu verbinden.
Rechtsprechung zu § 8 Abs. 4 UWG (a.F.)
Siehe auch Mehrfachverfolgung mit Unterkapiteln.
Wenn es prozessualer Vorsicht entspricht, mehrere ähnliche Unterlassungsansprüche geltend zu machen, liegt kein Rechtsmissbrauch vor (BGH, Urt. v. 19.7.2012, I ZR 199/10, Tz. 23 - Unbedenkliche Mehrfachabmahnung). Oder:
BGH, Urt. v. 22. 10. 2009, I ZR 58/07, Ls.2 - Klassenlotterie
Von einem Missbrauch i.S. des § 8 Abs. 4 UWG ist nicht auszugehen, wenn der Gläubiger zur getrennten Verfolgung in verschiedenen Prozessen im Hinblick auf die unterschiedliche Beweissituation Anlass hat (hier: angegriffene Werbeaussagen in einem Spielplan und einem Internetauftritt einerseits und im Rahmen von Telefon- und Postmarketingmaßnahmen andererseits).
Zur Abmahnaktion einer Internetapotheke, gegen die vom Bayerischen Apothekenverband mehrfach gerichtlich vorgegangen wurde und gegen die hohe Ordnungsgelder verhängt wurden:
OLG München, Urt. v. 25.4.2013, 29 U 194/13
Das vorrangige Motiv dieses Vorgehens liegt offenkundig nicht darin, Wettbewerbsverstöße der Antragsgegner aufzuzeigen und zukünftig zu unterbinden, sondern durch diese gewählte Verfahrensweise … ein Druckpotential aufzubauen, damit dieser aus seinen erwirkten Titeln nicht weiter gegen die Antragstellerin vorgeht … Letztlich werden die sachfremden Motive der Antragstellerin deutlich durch den von ihr unterbreiteten …Vergleichsentwurf, in dem die Antragstellerin vorschlägt, auf alle ihr erwachsenen Ansprüche aus den Testkäufen zu verzichten, wenn der BAV seinerseits bereit ist, auf seine in den abgeschlossenen Verfahren erworbenen Ansprüche und Rechte zu verzichten, die entsprechenden Titel gegen die Antragstellerin zu entwerten und aus diesen nicht mehr vorzugehen.
… Die Antragstellerin benutzt somit ihre Antragsbefugnis gegenüber dem Antragsgegner und den anderen Apothekern, bei denen sie Testkäufe durchgeführt hat, um trotz der bestehenden Unterlassungstitel ihre Geschäfte unter Fortsetzung ihrer Rabattverstöße sanktionslos fortsetzen zu können und sich finanzielle Vorteile bezüglich der vom BAV gegen sie gerichteten Verfahren zu "erkaufen"; dies ist rechtsmissbräuchlich (vgl. OLG München GRUR-RR 2012, 169, 171 – Branchenbuchformular).
Rechtsmissbrauch kann in solchen Fällen auch vorliegen, wenn ein Anspruch aus dem UWG und ein Anspruch aus einem Kennzeichenrecht getrennt verfolgt werden.
OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.10.2015, 20 U 200/14
Ein Indiz für das Vorliegen eines Kostenbelastungsinteresses ist es, wenn ein schonenderes Vorgehen im Einzelfall möglich und zumutbar ist. Geht der Gläubiger bei einem einheitlichen Wettbewerbsverstoß mit mehrfachen Klagen vor und erhöht er dadurch die Kostenlast erheblich, obwohl ein einheitliches Vorgehen für ihn mit keinerlei Nachteilen verbunden wäre, ist dies ein Anhaltspunkt für einen Missbrauch.
Dieser Grundsatz gilt auch, wenn es um die getrennte Verfolgung kerngleicher Verletzungshandlungen geht. Denn die Stellung mehrerer nahezu identischer Unterlassungsanträge, die sich auf kerngleiche Verletzungshandlungen beziehen und ohne inhaltliche Erweiterung des begehrten Verbotsumfangs zu einer Vervielfachung des Streitwerts führen in getrennten Verfahren, ist ein Indiz für einen Missbrauch, wenn dem Kläger im Einzelfalls ein schonenderes Vorgehen durch Zusammenfassung seines Begehrens in einem Antrag möglich und zumutbar ist.
Nichts anderes kann gelten, wenn – auf denselben Sachverhalt gestützt – Ansprüche aus Markenrecht und unlauterem Wettbewerb geltend gemacht werden. Dass diese Ansprüche nebeneinander bestehen, … steht dem nicht entgegen und besagt insbesondere nichts dazu, ob diese Ansprüche auch gesondert geltend gemacht werden können.
Auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Geltendmachung eines markenrechtlichen Unterlassungsanspruchs und eines Unterlassungsanspruchs aufgrund unlauteren Wettbewerbs zwei selbständige Streitgegenstände darstellen, an deren gleichzeitiger Bescheidung der Gläubiger ein berechtigtes Interesse hat, war es nicht notwendig zwei getrennte Verfahren einzuleiten. Vielmehr steht es dem Gläubiger in einem solchen Fall auch frei, die verschiedenen Aspekte der Beanstandung ein- und desselben Handlung im Wege der kumulativen Klagehäufung zu jeweils getrennten Klagezielen zu machen. Die Kostenbelastung für den Schuldner ist dann geringer, als wenn die Ansprüche in verschiedenen Verfahren geltend gemacht werden.
Ebenso OLG Düsseldorf, Urt. v. 15.12.2015, I-20 U 24/15, Tz. 29; OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.1.2016, 20 U 25/15, Tz. 30
OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.10.2015, 20 U 200/14
Ein Indiz für das Vorliegen eines Kostenbelastungsinteresses ist es, wenn ein schonenderes Vorgehen im Einzelfall möglich und zumutbar ist. Geht der Gläubiger bei einem einheitlichen Wettbewerbsverstoß mit mehrfachen Klagen vor und erhöht er dadurch die Kostenlast erheblich, obwohl ein einheitliches Vorgehen für ihn mit keinerlei Nachteilen verbunden wäre, ist dies ein Anhaltspunkt für einen Missbrauch.
Dieser Grundsatz gilt auch, wenn es um die getrennte Verfolgung kerngleicher Verletzungshandlungen geht. Denn die Stellung mehrerer nahezu identischer Unterlassungsanträge, die sich auf kerngleiche Verletzungshandlungen beziehen und ohne inhaltliche Erweiterung des begehrten Verbotsumfangs zu einer Vervielfachung des Streitwerts führen in getrennten Verfahren, ist ein Indiz für einen Missbrauch, wenn dem Kläger im Einzelfalls ein schonenderes Vorgehen durch Zusammenfassung seines Begehrens in einem Antrag möglich und zumutbar ist.
Nichts anderes kann gelten, wenn – auf denselben Sachverhalt gestützt – Ansprüche aus Markenrecht und unlauterem Wettbewerb geltend gemacht werden. Dass diese Ansprüche nebeneinander bestehen, … steht dem nicht entgegen und besagt insbesondere nichts dazu, ob diese Ansprüche auch gesondert geltend gemacht werden können.
Auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Geltendmachung eines markenrechtlichen Unterlassungsanspruchs und eines Unterlassungsanspruchs aufgrund unlauteren Wettbewerbs zwei selbständige Streitgegenstände darstellen, an deren gleichzeitiger Bescheidung der Gläubiger ein berechtigtes Interesse hat, war es nicht notwendig zwei getrennte Verfahren einzuleiten. Vielmehr steht es dem Gläubiger in einem solchen Fall auch frei, die verschiedenen Aspekte der Beanstandung ein- und desselben Handlung im Wege der kumulativen Klagehäufung zu jeweils getrennten Klagezielen zu machen. Die Kostenbelastung für den Schuldner ist dann geringer, als wenn die Ansprüche in verschiedenen Verfahren geltend gemacht werden.
Rechtsmissbrauch kann nicht unterstellt werden, wenn die Wahl verschiedener Gerichtsstände versehentlich erfolgte:
OLG Frankfurt, Urt. v. 27.3.2018, 6 U 170/17
Die Verfolgung des Zahlungsanspruchs ist nicht … deswegen rechtsmissbräuchlich, weil die gesonderte Geltendmachung des Kostenerstattungsanspruchs in einem weiteren Rechtsstreit zu einer vermeidbaren und sachlich nicht gerechtfertigten Mehrbelastung der Beklagte geführt hat (vgl. hierzu Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 36. Aufl., Rdz. 4.14 zu § 8 m.w.N.). Die Klägerin hat … nach Einlegung des Widerspruchs gegen den Mahnbescheid … die Abgabe an das Landgericht Schweinfurt, bei dem bereits die Unterlassungsklage anhängig war, beantragt. … Die Angabe … im Mahnbescheidsantrag beruhte ersichtlich auf einem Versehen und rechtfertigt daher nicht den Schluss darauf, dass die Klägerin mit einer unnötigen Verfahrensaufspaltung der Beklagten vermeidbare Mehrkosten verursachen wollte.