1. Teilnahme ist Anstiftung oder Beihilfe
3. Voraussetzungen einer Gehilfenhaftung
a. Zumutbarkeit eines Einschreitens
Teilnahme ist Anstiftung oder Beihilfe
BGH, Urt. v. 18. 3. 2010, I ZR 158/07, Tz. 65 – Modulgerüst II
Als Teilnehmer an einer rechtswidrigen Verhaltensweise eines anderen haftet nur, wer diese Verhaltensweise zumindest mit bedingtem Vorsatz gefördert oder dazu angestiftet hat. Zum Teilnehmervorsatz gehört dabei neben der Kenntnis der objektiven Tatumstände auch das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit der Haupttat (vgl. BGHZ 180, 134 Tz. 14 - Halzband).
Gesetzestext
Als Anstifter wird gleich einem Täter bestraft, wer vorsätzlich einen anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat bestimmt hat.
(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.
(2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.
Voraussetzungen einer Gehilfenhaftung
BGH, Urt. v. 22.7.2010, I ZR 139/08, Tz. 30 – Kinderhochstühle im Internet
Die Frage, ob sich jemand als Täter, Mittäter, Anstifter oder Gehilfe in einer die zivilrechtliche Haftung begründenden Weise an einer deliktischen Handlung eines Dritten beteiligt hat, beurteilt sich nach den im Strafrecht entwickelten Rechtsgrundsätzen. Die Gehilfenhaftung setzt neben einer objektiven Beihilfehandlung zumindest einen bedingten Vorsatz in Bezug auf die Haupttat voraus, der das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit einschließen muss.
Ebenso BGH, Urt. v. 6.5.2021, I ZR 61/20, Tz. 34 - Die Filsbacher; BGH, Urt. v. 13.12.2018, I ZR 3/16, Tz. 63 – UBER BLACK II; BGH, Urt. v. 5.2.2015, I ZR 240/12, Tz. 35 - Kinderhochstühle im Internet III; OLG Brandenburg, Urt. v. 30.3.2021, 6 U 108/19, II.2.a; OLG Köln, Urt. v. 23.9.2022, 6 U 70/22, Tz. 146; OLG Frankfurt, Urt. v. 21.12.2023, 6 U 154/22
BGH, Urt. v. 20.2.2020, I ZR 193/18, Tz. 30 - Kundenbewertungen auf Amazon
Für die Haftung als Täter oder Teilnehmer einer deliktischen Handlung wie eines Wettbewerbsverstoßes gelten die strafrechtlichen Grundsätze zur Täterschaft und Teilnahme. Täter ist danach, wer die Zuwiderhandlung selbst oder in mittelbarer Täterschaft begeht (§ 25 Abs. 1 StGB). Mittäterschaft (vgl. § 830 Abs. 1 Satz 1 BGB) erfordert eine gemeinschaftliche Begehung, also ein bewusstes und gewolltes Zusammenwirken. Maßgebliches Kriterium für die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme ist die Tatherrschaft. Danach ist Täter, wer den zum Erfolg führenden Kausalverlauf beherrscht, während als Teilnehmer verantwortlich ist, wer einem mit Tatherrschaft handelnden Dritten Hilfe leistet oder dessen Tatentschluss hervorruft. Diese Grundsätze gelten auch, wenn die Prüfung der Umstände des Einzelfalls ergibt, dass der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit in einem Unterlassen liegt.
Ebenso BGH, Urt. v. 6.5.2021, I ZR 61/20, Tz. 30 - Die Filsbacher
BGH, Urt. v. 6.5.2021, I ZR 61/20, Tz. 34 - Die Filsbacher
Eine Gehilfenhaftung setzt voraus, , dass der Gehilfe die Tatumstände wenigstens in groben Zügen, die wesentlichen Merkmale der Haupttat kennt; die Einzelheiten der Tat (wann, wo, wem gegenüber und unter welchen Umständen) muss er ebenso wenig kennen wie die Person des Haupttäters.
Ebenso OLG Köln, Urt. v. 23.9.2022, 6 U 70/22, Tz. 148
OLG Frankfurt, Urt. v. 9.6.2016, 6 U 73/15, II.2 - Uber POP
Der Teilnehmer haftet auf Unterlassung nur, wenn er - zumindest bedingt - vorsätzlich den Wettbewerbsverstoß eines anderen fördert. Dabei gehört zum Teilnehmervorsatz nicht nur die Kenntnis der objektiven Tatbestandsmerkmale, sondern auch das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit der Haupttat
BGH, Urt. v. 3.7.2008, I ZR 145/05, Tz. 45 - Kommunalversicherer
Das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit setzt grundsätzlich voraus, dass die Beklagte im Zeitpunkt der Teilnahmehandlung mit der Möglichkeit rechnete und dies billigend in Kauf nahm, dass die Auftraggeber gegen geltendes Recht verstießen. Für die Annahme einer Billigung in diesem Sinne würde genügen, dass sich die Beklagte um des Ziels willen, neue Aufträge zu erhalten, mit einem Verstoß der Auftraggeber gegen Vergaberecht abfand, auch wenn ihr ein solcher Verstoß an sich gleichgültig oder unerwünscht war. Es reicht aus, dass sich der Teilnehmer einer Kenntnisnahme von der Unlauterkeit des von ihm veranlassten oder geförderten Verhaltens verschließt.
Ebenso KG Berlin, Urt. v. 11.12.2015, 5 U 31/15, B.II.1.b.aa; s.a. OLG Brandenburg, Urt. v. 30.3.2021, 6 U 108/19, II.2.a
KG Berlin, Urt. v. 11.12.2015, 5 U 31/15, B.II.1.b.bb
Einzelheiten der Haupttat muss der Gehilfe nicht kennen. Er braucht weder genaue Kenntnis von der Person des Täters zu haben, noch zu wissen, wann, wo, zu wessen Nachteil und unter welchen besonderen Umständen die Tat ausgeführt wird. Mit hinreichendem Gehilfenvorsatz handelt auch, wer dem Täter - wie die Beklagte - ein maßgebliches Tatmittel zur Verfügung stellt, gerade dadurch einen kausalen mittelbaren Rechtsgutsangriff tätigt und die wesentlichen Umstände der späteren Tatbestandsverwirklichung in seine Vorstellung aufgenommen hat. (vgl. Heine/Weißer in: Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 27, Rn 29).
OLG Brandenburg, Urt. v. 30.3.2021, 6 U 108/19, II.2.a
Die Kenntnis dieser objektiven Tatbestandsmerkmale begründet … noch nicht die Haftung der Beklagten auf Unterlassung. Vielmehr setzt diese auch das Bewusstsein der Unlauterkeit der Geschäftstätigkeit der (X) Ltd. voraus. Die Beklagte haftete also nur dann als Gehilfin auf Unterlassen, wenn sie wusste, dass die (X) Ltd. einen Wettbewerbsverstoß begeht oder wenn sie dies zumindest für möglich hielt und billigend in Kauf nahm (vgl. BGHZ 177, 150 Rn 45 - Kommunalversicherer).
BGH, Urt. v. 3.7.2008, I ZR 145/05, Tz. 47 - Kommunalversicherer
Das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit kann auch durch eine – plausibel begründete – Abmahnung herbeigeführt werden.
OLG Brandenburg, Urt. v. 30.3.2021, 6 U 108/19, II.2.b
Die erforderliche Kenntnis des Teilnehmers von der Unlauterkeit einer von ihm unterstützten geschäftlichen Handlung kann durch substantiierte Aufklärung, wie eine plausibel begründete Abmahnung, herbeigeführt werden mit der Folge, dass zwar nicht der abgemahnte Verstoß wettbewerbsrechtlich relevant ist, sondern nachfolgende gleichartige Handlungen.
OLG Düsseldorf, Urt. v. 15.2.2018, I-15 U 73/17, Tz. 67
Es besteht für denjenigen, der sich durch ein entsprechendes Verhalten in seinen wettbewerbsrechtlich geschützten Interessen verletzt sieht, die Möglichkeit, den Handelnden zunächst auf die Rechtslage hinzuweisen. Ein entsprechender Hinweis wird regelmäßig zur Folge haben, dass der Adressat der Mitteilung sein Verhalten im Weiteren korrigiert oder dass bei Fortsetzung der Verhaltensweise von einem Teilnehmervorsatz auszugehen ist (BGH, GRUR 2015, 1025 – TV-Wartezimmer).
Auf die Teilnehmerhaftung muss zurückgegriffen werden, wenn der Anspruchsgegner, bspw. in Fällen eines Verstoßes gegen eine Marktverhaltensregel des § 3 a UWG, nicht selber Normadressat ist.
BGH, Urt. v. 13.12.2018, I ZR 3/16, Tz. 63 – UBER BLACK II
Eine Teilnehmerhaftung kommt auch in Betracht, wenn der Teilnehmer selbst nicht Adressat der Marktverhaltensregelung ist, jedoch Normadressaten dazu auffordert oder ihnen dabei behilflich ist, gegen diese Regelung zu verstoßen (vgl. BGH, Urt. v. 3.7.2008, I ZR 145/05, Tz. 14 - Kommunalversicherer; Urt. v. 12.3.2015, I ZR 84/14, Tz. 15 - TV Wartezimmer).
KG Berlin, Urt. v. 11.12.2015, 5 U 31/15, B.II.1.b
Eine Teilnehmerhaftung ist grundsätzlich auch dann möglich, wenn der Teilnehmer nicht selbst Adressat der Verbotsnorm ist (vgl. BGH GRUR 2008, 810 - Kommunalversicherer, Rn 14; Köhler in: Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl., § 8, Rn 2.5.).
Ebenso OLG Frankfurt, Urt. v. 9.6.2016, 6 U 73/15, II.2 - Uber POP; OLG Frankfurt, Urt. v. 25.6.2020, 6 U 64/19, II.1.b.bb - myTaxi; OLG Brandenburg, Urt. v. 30.3.2021, 6 U 108/19, II.2.a
Beispiele
BGH, Urt. v. 3.7.2008, I ZR 145/05, Tz. 41 f - Kommunalversicherer
Die Beklagte wusste und wollte, dass die öffentlichen Auftraggeber sie ohne Ausschreibung mit Versicherungsdienstleistungen betrauten. Ebenso kannte die Beklagte die grundsätzliche Pflicht dieser Auftraggeber zur Ausschreibung und vermochte diese Pflicht als das Marktverhalten und den Wettbewerb auch auf dem Versicherungsmarkt regelnde Bestimmung zu erkennen.
BGH, Urt. v. 20.2.2020, I ZR 193/18, Tz. 30 - Kundenbewertungen auf Amazon
Für eine Haftung der Beklagten als Teilnehmerin fehlt es schon an einer rechtswidrigen Haupttat. Die Abgabe der Bewertungen ist wegen der fehlenden Absatzförderungsabsicht der Kunden keine geschäftliche Handlung (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG) und damit kein Wettbewerbsverstoß, an dem die Beklagte im Sinne von §§ 26, 27 StGB beteiligt sein könnte (zur Teilnehmerhaftung vgl. BGH, Urt. v. 5.10.2017, I ZR 232/16, Tz. 21 - Energieausweis, mwN.)
Darüber hinaus setzt der Teilnehmervorsatz beim Teilnehmer das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit der von ihm geförderten Wettbewerbshandlung.
OLG Frankfurt, Urt. v. 9.6.2016, 6 U 73/15, II.2 - Uber POP
Uber ist für das rechtswidrige Verhalten der bei Uber registrierten Fahrer verantwortlich, weil Uber die Fahrer dazu angestiftet und sie durch ihre Schwestergesellschaft angeworben und weil sie ihnen durch die oben bereits dargelegten Leistungen der Vermittlung und der Abrechnung dazu Beihilfe geleistet hat.
Zur Haftung eines Shop-Designers, der zur Kontaktaufnahme des Shops eigene Kontaktmöglichkeiten zur Verfügung gestellt hat:
OLG Köln, Urt. v. 5.4.2019, 6 U 151/18, Tz. 68
Der Tatbeitrag der Beklagten ist auch nicht derart untergeordnet, dass nicht von einer Teilnehmerhandlung auszugehen ist. Es kommt dabei nicht darauf an, ob die A auf die Kontaktdaten zwingend angewiesen war. Anderenfalls wäre jede Beihilfehandlung ausgeschlossen, die auch von anderen erlangt werden könnte. Die Handlung erfolgt auch nicht in einer unselbstständigen Art und Weise. So kann zwar bei einem Plakatkleber oder dem Drucker einer Zeitung angenommen werden, dass dieser für etwaige Wettbewerbsverstöße, die auf den Plakaten zu sehen sind, nicht haftet (vgl. Büch in Teplitzky aaO, Kap. 14 Rn. 17, mwN). Dies liegt allerdings darin begründet, dass ihm keine eigene Entscheidungsbefugnis zusteht und seine Tätigkeit vollständig untergeordnet ist.
OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.3.2019, 15 U 18/18, Tz. 55
Für den verschuldensunabhängigen Abwehranspruch gem. § 8 Abs. 1 UWG ist die strafrechtlich geprägte Definition einer „Beihilfe“ nach ihrer Funktion derart zu modifizieren, dass eine vorsätzliche Zuwiderhandlung des Haupttäters nicht erforderlich ist (BGH GRUR 2008, 810 Rn. 15 – Kommunalversicherer mwN). Ausreichend, aber auch notwendig, ist somit eine vorsätzliche Mitwirkung des Teilnehmers an der Verwirklichung des objektiven Tatbestands der Zuwiderhandlung durch einen anderen. Zum Teilnehmervorsatz gehört dabei neben der Kenntnis der objektiven Tatumstände auch der zumindest bedingte Vorsatz in Bezug auf die Haupttat, der das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit der Haupttat einschließt (BGH GRUR 2009, 597 Rn 14 – Halzband; BGH WRP 2013, 491 Rn. 47). Der Handelnde muss also wissen, dass der Täter einen Wettbewerbsverstoß begeht oder dies für möglich halten und billigend in Kauf nehmen (BGH GRUR 2008, 810 Rn. 45 – Kommunalversicherer). Die erforderliche „Bösgläubigkeit“ des Teilnehmers lässt sich durch eine substanziierte Aufklärung, insbesondere in einer plausibel begründeten Abmahnung seitens des Verletzten herbeiführen (BGH GRUR 2008, 810 Rn. 47 – Kommunalversicherer).
Das bei der Teilnehmerhaftung bestehende Vorsatzerfordernis kann zwar dazu führen, dass der Dritte, der nicht Normadressat der jeweiligen Marktverhaltensregelung ist, zunächst nicht mit Aussicht auf Erfolg wettbewerbsrechtlich in Anspruch genommen werden kann. Es besteht für denjenigen, der sich durch ein entsprechendes Verhalten in seinen wettbewerbsrechtlich geschützten Interessen verletzt sieht, aber die Möglichkeit, den Handelnden zunächst auf die Rechtslage hinzuweisen. Ein entsprechender Hinweis wird regelmäßig zur Folge haben, dass der Adressat der Mitteilung sein Verhalten im Weiteren korrigiert oder dass bei Fortsetzung der Verhaltensweise von einem Teilnehmervorsatz auszugehen ist (BGH WRP 2015, 1085 Rn 17 – TV-Wartezimmer).
OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.3.2019, 15 U 18/18, Tz. 55
Das Leisten von Beihilfe erfordert nach der Rechtsprechung in objektiver Hinsicht bloß die tatsächliche Förderung der Haupttat, indem diese ermöglicht oder verstärkt oder ihre Durchführung erleichtert wird (BGH NStZ 1985, 318, 95, 28).
Beihilfe durch Unterlassen
BGH, Urt. v. 22.7.2010, I ZR 139/08, Tz. 34 – Kinderhochstühle im Internet
Eine Beihilfe durch Unterlassen setzt zusätzlich zu der objektiven Unterstützung der Rechtsverletzung, dem Vorsatz in Bezug auf die Haupttat und dem Bewusstsein der Rechtswidrigkeit voraus, dass den Gehilfen eine Rechtspflicht trifft, den Erfolg abzuwenden (vgl. BGH, Urt. v. 6.4.2000, I ZR 67/98 - Neu in Bielefeld I). Die erforderliche Handlung zur Verhinderung des Erfolgs muss von dem Verpflichteten rechtlich gefordert werden können; sie muss ihm möglich und zumutbar sein.
Ebenso BGH, Urt. v. 5.2.2015, I ZR 240/12, Tz. 42 - Kinderhochstühle im Internet III
Zumutbarkeit eines Einschreitens
Diensteanbieter im Internet
BGH, Urt. v. 22.7.2010, I ZR 139/08, Tz. 38 f – Kinderhochstühle im Internet
Es dürfen keine Anforderungen auferlegt werden, die ein von der Rechtsordnung gebilligtes Geschäftsmodell gefährden oder die Tätigkeit unverhältnismäßig erschweren. Rechtlich nicht erforderlich ist eine Überprüfung, bei der Markenverletzungen nicht durch zumutbare Filterverfahren und eine eventuell anschließende manuelle Kontrolle der dadurch ermittelten Treffer erkennbar sind. Dazu muss im Hinblick auf die große Zahl von Angeboten auf ihrer Internetplattform eine Filtersoftware zur Verfügung stehen, die Verdachtsfälle aufspüren kann.
Nach diesen Maßstäben nicht mehr zumutbar sind Kontrollmaßnahmen, bei denen durch die Filtersoftware Verdachtsfälle von Markenverletzungen nicht aufgespürt werden können, sondern jedes Angebot, das die Klagemarken enthält, einer manuellen Kontrolle unterzogen werden muss.
OLG Frankfurt, Urt. v. 21.12.2023, 6 U 154/22
Nach diesen Maßstäben hat die Beklagte nicht dadurch, dass sie den Drittanbietern den von ihr betriebenen Amazon-Marketplace zur Verfügung gestellt hat, selbst (mit Tatherrschaft) die unzulässigen Bezeichnungen für vegane Milchersatzprodukte verwendet. Sie hat auch nicht vorsätzlich an den Verstößen der gesetzwidrig handelnden Anbieter mitgewirkt. Es ist nicht dargetan und auch nicht ersichtlich, dass die Beklagte vor den Hinweisen des Klägers Kenntnis von den konkreten Verstößen gehabt hätte. Die Produktangebote der Drittanbieter wurden automatisiert und ohne vorhergehende Prüfung durch die Beklagte eingestellt und auf die Hinweise des Klägers jeweils unverzüglich entfernt. Der Umstand, dass die Beklagte allgemein Kenntnis von möglichen Gesetzesverstößen auf ihrer Plattform gehabt und/oder damit gerechnet haben mag, dass es dort zu vergleichbaren Rechtsverletzungen kommt, begründet noch keinen bedingten Vorsatz in Bezug auf die ihr nicht konkret zur Kenntnis gelangten Gesetzesverstöße Dritter (vgl. insofern z.B. BGH, Urteil vom 12.07.2007 - I ZR 18/04, GRUR 2007, 890 Rn. 21 - Jugendgefährdende Medien bei eBay; BGH, Urteil vom 02.06.2022 - I ZR 140/15, GRUR 2022, 1308 Rn. 78 - YouTube II; Urteil vom 02.06.2022 - I ZR 53/17, GRUR 2022, 1324 Rn. 26 mwN - uploaded II, jeweils zum Urheberrecht). Dass die Beklagte gewusst hätte oder hätte wissen müssen, dass über ihre Plattform im Allgemeinen entsprechende Rechtsverletzungen begangen werden (vgl. insofern z.B. BGH, GRUR 2022, 1308 Rn. 77 - YouTube II; GRUR 2022, 1324 Rn. 33 - uploaded II), hat der Kläger nicht behauptet und ist auch nicht erkennbar. Das Geschäftsmodell der Beklagten regt auch nicht zu einem rechtswidrigen Tätigwerden an (vgl. insofern z.B. BGH, GRUR 2022, 1324 Rn. 25 mwN - uploaded II).
Am Beispiel ebay
BGH, Urt. v. 22.7.2010, I ZR 139/08, Tz. 42 – Kinderhochstühle im Internet
ebay ist eine manuelle Kontrolle aller die Klagemarken enthaltenden Angebote aufgrund einer Abwägung der wechselseitigen Interessen schon deshalb nicht zumutbar, weil die Klägerin mit der über das VeRI-Programm zur Verfügung gestellten Suchfunktion die Angebote mit den Klagemarken ebenfalls herausfiltern und einer manuellen Kontrolle auf Verletzungsfälle unterziehen kann und eine der Beklagten auferlegte manuelle Kontrolle deren Geschäftsmodell gefährdet.
Versuch einer Teilnahme
BGH, Urt. v. 12.3.2015 - I ZR 84/14, Tz. 20 – TV Wartezimmer
Versuchshandlungen erfüllen nach der entsprechend anzuwendenden Bestimmung des § 30 Abs. 1 StGB noch nicht den Tatbestand einer Zuwiderhandlung im Sinne von § 3 a UWG.
Beispiel: OLG Düsseldorf, Urt. v. 15.2.2018, I-15 U 73/17, Tz. 68
OLG Frankfurt, Urt. v. 19.12.2019, 6 U 155/18
Die Klägerin hat jedoch keinen Fall vorgetragen, in dem Steuerberater entsprechend dem Angebot der Beklagten tatsächlich gegen Provision ihren Mandanten das Geschäftsmodell der Beklagten empfohlen haben. Es kann damit mangels festgestellter Haupttat nur von einer versuchten Anstiftung ausgegangen werden, die nach der entsprechend anzuwendenden Vorschrift des § 30 I StGB eine wettbewerbsrechtliche Haftung der Beklagten unter dem Gesichtspunkt der Teilnahme nicht begründen kann. …
Zwar mag es unbefriedigend erscheinen, dass die Beklagte Steuerberater weiterhin zu berufswidrigem Verhalten auffordern kann, solange die Klägerin nicht - was nach Lage der Dinge unwahrscheinlich ist - Kenntnis davon erhält, dass ein Steuerberater von diesem Angebot tatsächlich Gebrauch gemacht hat. Dies ist jedoch die unvermeidbare Konsequenz der dargestellten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur wettbewerbsrechtlichen Haftung von Dritten, die nicht Normadressat einer verletzten Marktverhaltensregelung sind.