Ihr Rechtsanwalt im Wettbewerbsrecht
Dr. Hermann-Josef Omsels*

Eine Darstellung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und wettbewerbsrechtlicher Nebengesetze



 

 

 

5. Abschluss oder Durchführung eines Vertrags

1. Rechtsgrundlagen

a. UWG

b. Richtlinie 2005/29/EG

2. Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen

3. Abschluss eines Vertrages

4. Abgrenzung zur Förderung des Absatzes oder Bezugs einer Ware oder Dienstleistung

5. Durchführung eines Vertrags

a. Vor, bei oder nach einem Geschäftsabschluss

b. Durchsetzung oder Abwehr vertraglicher Ansprüche

c. Nicht- oder Schlechterfüllung

d. Verletzung von Schutzpflichten

6. UWG und Vertragsrecht

Rechtsgrundlagen

UWG

§ 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG

Im Sinne dieses Gesetzes bedeutet

geschäftliche Handlung“ jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens vor, bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das … mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt; …;

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Richtlinie 2005/29/EG

Art. 3 Abs, 1 UGP-Richtlinie

Diese Richtlinie gilt für unlautere Geschäftspraktiken im Sinne des Artikels 5 von Unternehmen gegenüber Verbrauchern vor, während und  nach Abschluss eines auf ein Produkt bezogenen Handels­geschäfts.

Art. 2 lit. d UGP-Richtlinie

Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck „Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrau­chern“   jede Handlung, Unterlassung, Verhaltensweise oder Erklärung, kommer­zielle Mitteilung einschließlich Werbung und Marketing eines Ge­werbetreibenden, die unmittelbar mit der Absatzförderung, dem Ver­kauf oder der Lieferung eines Produkts an Verbraucher zusammen­ hängt;

Art. 3 Abs, 2 UGP-Richtlinie

Diese Richtlinie lässt das Vertragsrecht und insbesondere die Be­stimmungen über die Wirksamkeit, das Zustandekommen oder die Wir­kungen eines Vertrags unberührt.

Erwägungsgrund 7 zur UGP-Richtlinie

Diese Richtlinie bezieht sich auf Geschäftspraktiken, die in un­mittelbarem Zusammenhang mit der Beeinflussung der geschäft­lichen Entscheidungen des Verbrauchers in Bezug auf Produkte stehen.

Art. 2 lit. k UGP-Richtlinie

Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck  „geschäftliche Entscheidung“ jede Entscheidung eines Verbraucher darüber, ob, wie und unter welchen Bedingungen er einen Kauf tätigen, eine Zahlung insgesamt oder teilweise leisten, ein Produkt behalten oder abgeben oder ein vertragliches Recht im Zusammen­hang mit dem Produkt ausüben will, unabhängig davon, ob der Ver­braucher beschließt, tätig zu werden oder ein Tätigwerden zu unter­lassen

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Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen

Erfasst werden alle Verträge zwischen einem Unternehmers und einem Dritten über Waren oder Dienstleistungen, einschl. Arbeitsverträge (Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, § 2, Rdn. 76). Zwar findet die Richtlinie 2005/29/EG nur Anwendung im Verhältnis eines Unternehmers zum Verbraucher. Der deutsche Gesetzgeber wird dadurch aber nicht daran gehindert, Verträge zwischen einem Unternehmer und sonstigen Marktteilnehmern gleich zu behandeln.

BGH, Urt. v. 6.6.2019, I ZR 216/17, Tz. 14 – Identitätsdiebstahl

Bezugspunkt einer geschäftlichen Handlung kann auch ein tatsächlich nicht bestehendes und lediglich behauptetes Vertragsverhältnis sein kann, wie sich aus Nr. 29 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG ergibt, wonach die Aufforderung zur Bezahlung nicht bestellter, aber erbrachter Dienstleistungen eine (unzulässige) geschäftliche Handlung ist.

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Abschluss eines Vertrages

Der Abschluss eines Vertrages erfasst alle Erklärungen zum Angebot oder der Annahme eines Angebots zum Abschluss eines Vertrags. In welcher Form diese Erklärungen abgegeben werden, ist unerheblich. Es ist ebenso unerheblich, ob dieses Erklärungen formell oder materiell-rechtlich wirksam, schwebend unwirksam, anfechtbar oder nichtig sind.

Es ist aber zu beachten, dass Schutzobjekt des UWG nicht diese Willenserklärungen sind, sondern die geschäftlichen Entscheidungen, die unmittelbar damit zusammenhängen. Es muss auch streng unterschieden werden zwischen der geschäftlichen Handlung (Geschäftspraxis) des Unternehmers einerseits, deren (Un-)zulässigkeit beurteilt werden muss, und der geschäftlichen Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers (oder anderen Marktteilnehmers) andererseits, um deren Schutz es dabei geht.

Ob auch Erklärungen zur Änderung oder Beendigung eines Vertrages unter die Tatbestandsvariante des Abschlusses eines Vertrags (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, § 2, Rdn. 79) oder nicht vielmehr unter die Tatbestandsvariante der Durchführung eines Vertrags fallen, kann dahinstehen, weil beide Variante lauterkeitsrechtlich gleich behandelt werden.

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Abgrenzung zur Förderung des Absatzes oder Bezugs einer Ware oder Dienstleistung

Eine genaue Abgrenzung der beiden Erscheinungsformen der geschäftlichen Handlung ist im Einzelfall schwer möglich, aber auch nicht erforderlich. Beide Varianten werden in der UGP-Richtlinie gleich behandelt

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Durchführung eines Vertrags

Vor, bei oder nach einem Geschäftsabschluss

Eine „geschäftliche Handlung“ ist jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens vor, bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das … mit der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt. Es kommt nicht darauf an, ob dieses Verhalten zeitlich vor, bei oder nach Vertragsschluss liegt. Entscheidend ist, ob sich das Verhalten auf spätere Durchführung des Vertragsverhältnisses auswirken kann, indem bei Vertragsschluss bspw. Rechte des Vertragspartners ausgeschlossen werden, die ihm ansonsten in der Vertragsdurchführungsphase zuständen. Ob der Ausschluss der Rechte wirksam ist oder nicht, ist dabei wieder ohne Belang.

BGH Urt. v. 31.3.2010, I ZR 34/08Gewährleistungsausschluss im Internet

Der Beklagte hat mit der angekündigten Vereinbarung eines Gewährleistungsausschlusses eine geschäftliche Handlung i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG vorgenommen. Er hat mit dem Ziel gehandelt, zugunsten seines Unternehmens den Absatz von Waren zu fördern, ohne dass es darauf ankommt, ob sich dieses Verhalten vor, bei oder nach Geschäftsabschluss auswirkt. Die Vereinbarung eines Gewährleistungsausschlusses ist geeignet, dem Unternehmer Kosten zu ersparen, indem er Verbraucher durch einen - wenn auch nicht durchsetzbaren - Gewährleistungsausschluss davon abhält, seine Gewährleistungsansprüche geltend zu machen. Der Unternehmer kann dadurch in die Lage versetzt werden, günstigere Preise zu kalkulieren. Die angegriffene Klausel ist deshalb geeignet, den Absatz der Waren zu fördern.

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Durchsetzung oder Abwehr vertraglicher Ansprüche

Eine geschäftliche Handlung liegt in allen Fällen vor, wenn das Verhalten geeignet ist,

  • den Vertragspartner zur Erfüllung seiner vertraglichen Pflichten, z.B. der Zahlung, anzuhalten (Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, § 2, Rdn. 84) oder

  • von der Geltendmachung seiner vertraglichen oder gesetzlichen Ansprüche (z.B. Erfüllungs-, Gewährleistungs- oder Schadenersatzansprüche) oder der Ausübung von Gestaltungsrechten (z.B. Widerruf, Rücktritt, Anfechtung oder Kündigung) abzuhalten (Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, § 2, Rdn. 85; vgl. zum UWG 2004 OLG Jena, GRUR-RR 2008, 83).

In diesen Fällen kann der Vertragspartner durch das Verhalten zu einer geschäftlichen Entscheidung im Rahmen des bestehenden Vertragsverhältnisses bewegt werden.

BGH, Urt. v. 23.4.2020, I ZR 85/19, Tz. 32 - Preisänderungsregelung

Eine geschäftliche Handlung kann auch in einem Verhalten liegen, das sich auf die geschäftliche Entscheidung von Verbrauchern im Rahmen eines bereits bestehenden Vertragsverhältnisses auswirkt.

BGH, Urt. v. 4.5.2017, ZR 114/16, Tz. 15

Bei dem zur Durchführung des mit der Kundin abgeschlossenen "Servicevertrags" erstellten Schreiben handelt es sich um eine geschäftliche Handlung.

OLG München, Urt. v. 9.7.2009, 29 U 1852/09

Die Geltendmachung von vertraglichen Erfüllungsansprüchen, insbesondere von Zahlungsansprüchen, durch den Unternehmer steht stets in einem objektiven Zusammenhang mit der Vertragsdurchführung und ist daher auch stets geschäftliche Handlung i. S. d. § 2 Nr. 1 UWG 2008.

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Nicht- oder Schlechterfüllung

Wenn ein Unternehmer schon vor dem Vertragsschluss die Absicht hat, einen Vertrag nicht oder schlecht zu erfüllen, liegt in seinem vorvertraglichen Verhalten eine Irreführung gem. § 5 UWG.

Problematischer sind demgegenüber die Fälle, in denen der Unternehmer den Vertrag nach dem Vertragsabschluss - aus welchen Gründen auch immer - de facto nicht oder schlecht erfüllt. Darin liegt für sich genommen in aller Regel keine geschäftliche Handlung im Sinne des § 2 Abs. 1  Nr. 1 UWG. Denn der Unternehmer wirkt durch die schlichte Schlechterfüllung nicht auf die Entscheidungsfreiheit der Marktgegenseite ein (Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, § 2, Rdn. 81). Das kann nur in Ausnahmefällen anders sein, wenn nämlich

Die Situation stellt sich ebenfalls anders dar, wenn das Verhalten des Unternehmers darauf gerichtet ist, den Vertragspartner zu veranlassen oder davon abzuhalten, geschäftliche Entscheidungen im Rahmen des Vertragsverhältnisses zu treffen.

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Verletzung von Schutzpflichten

Die Verletzung vertraglicher Nebenpflichten zum Schutz des Vertragspartners oder Dritter ist keine geschäftliche Handlung im Sinne des UWG.

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UWG und Vertragsrecht

EuGH, Urt. v. 15. 3.2012, C-453/10, Tz. 45 f - Pereničová und Perenič

Die Beurteilung, ob eine geschäftliche Handlung im Sinne des Wettbewerbsrechts vorliegt und ggfs. auch unlauter ist, hat keinen Einfluss auf die zivilrechtlichen Folgen für das Vertragsverhältnis.

Infolgedessen hat die Feststellung des unlauteren Charakters einer Geschäftspraxis keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Frage, ob der Vertrag … wirksam ist.

Siehe hierzu auch hier.

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Zitiervorschlag zur aktuellen Seite

Omsels, Online-Kommentar zum UWG:

http://www.webcitation.org/6FOstYgoZ