Der lauterkeitsrechtliche Nachahmungsschutz (vormals ergänzender wettbewerblicher Leistungsschutz genannt) steht selbständig neben dem Schutz des Erzeugnisses über ein gewerbliches Schutzrecht (Marke, Geschmacksmuster) oder das Urheberrecht. Sie bilden jeweils eigene Streitgegenstand, wenn sie nebeneinander geltend gemacht werden.
2. Design- und Geschmacksmusterschutz und lauterkeitsrechtlicher Nachahmungsschutz
a. Nebeneinander von Geschmacksmusterschutz und lauterkeitsrechtlicher Nachahmungsschutz
2b. Kein Rangverhältnis zwischen Geschmacksmusterschutz und lauterkeitsrechtlicher Nachahmungsschutz
3. Urheberrecht und lauterkeitsrechtlicher Nachahmungsschutz
4. Markenrecht und lauterkeitsrechtlicher Nachahmungsschutz
5. Patentrecht und lauterkeitsrechtlicher Nachahmungsschutz
Grundsatz
BGH, Urt. v. 24.1.2013, I ZR 136/11, Tz. 20 - Regalsystem
Der lauterkeitsrechtliche Nachahmungsschutz ist nach Schutzzweck, Voraussetzungen und Rechtsfolgen anders als die Sonderschutzrechte ausgestaltet. Ansprüche aus wettbewerbsrechtlichem Leistungsschutz wegen der Verwertung eines fremden Leistungsergebnisses können unabhängig vom Bestehen von Ansprüchen aus einem Schutzrecht gegeben sein, wenn besondere Begleitumstände vorliegen, die außerhalb des sondergesetzlichen Tatbestands liegen (vgl. BGH, Urt. v. 28.5.2009, I ZR 124/06, Tz. 19 LIKEaBIKE; Urt. v. 12.5.2011, I ZR 53/10, Tz. 41 - Seilzirkus).
Ebenso BGH, Urt. v. 4.5.2016, I ZR 58/16, Tz. 37 - Segmentsruktur; OLG Frankfurt, Urt. v. 1.2.2024, 6 U 212/22 - finish / Somat
Design- und Geschmacksmusterschutz und lauterkeitsrechtlicher Nachahmungsschutz
Der lauterkeitsrechtliche Nachahmungsschutz und ein etwaiger Geschmacksmusterschutz stehen selbstständig nebeneinander und beurteilen sich nach jeweils eigenen Kriterien.
Nebeneinander von Geschmacksmusterschutz und lauterkeitsrechtlicher Nachahmungsschutz
BGH, Urt. v. 9.10.2008, I ZR 126/06, Tz. 26 - Gebäckpresse
Ansprüche aus ergänzendem wettbewerbsrechtlichem Leistungsschutz werden nicht durch die Vorschriften der Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung ausgeschlossen. Die GGeschmVO lässt Bestimmungen der Mitgliedstaaten über den unlauteren Wettbewerb unberührt (Art. 96 Abs. 1 GGV). Dazu zählen auch die Vorschriften über den ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz nach den §§ 3, 4 Nr. 9 lit. a UWG, die sich gegen ein unlauteres Wettbewerbsverhalten richten, das in der vermeidbaren Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft der Produkte liegt. Von dieser Zielrichtung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb unterscheidet sich die Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung, die in der Form des Gemeinschaftsgeschmacksmusters ein bestimmtes Leistungsergebnis schützt. Der zeitlich befristete Schutz für ein nicht eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster berührt daher nicht den zeitlich nicht von vornherein befristeten Anspruch aufgrund ergänzendem wettbewerbsrechtlichem Leistungsschutz wegen vermeidbarer Herkunftstäuschung nach den §§ 3, 4 Nr. 9 lit. a UWG.
Ebenso BGH, Urt. v. 11.1.2018, I ZR 187/16, Tz. 46 - Ballerina Schuh
BGH, Urt. v. 10.1.2008, I ZR 67/05, Tz. 35 – Baugruppe
Ansprüche aus ergänzendem wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz gegen die Verwertung fremden Leistungsergebnisses können unabhängig vom Bestehen eines Schutzes aus einem Geschmacksmusterrecht gegeben sein, wenn besondere Begleitumstände vorliegen, die außerhalb des sondergesetzlichen Tatbestands liegen.
Ebenso OLG Köln, Urt. v. 10.7.2013, 6 U 209/12, Tz. 53; OLG Frankfurt, Urt. v. 20.6.2013, 6 U 108/12, Tz. 28 - Thermobecher
Eine andere Auffassung vertritt nunmehr das OLG Hamburg:
OLG Hamburg, Urt. v. 22.8.2012, 5 U 49/10, II.2.a
Die allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Vorschriften des ergänzenden Leistungsschutzes sind nach Auffassung des Senats neben den Vorschriften des geschmacksmusterrechtlichen Sonderrechtsschutzes nicht anwendbar. Sie werden vielmehr von diesen im Wege der Spezialität verdrängt.
Allerdings lag der Entscheidung des OLG eine besondere Konstellation zugrunde, die dadurch gekennzeichnet war, dass der Anspruchsteller die Vorlage selber unter rechtlich zumindest bedenklichen Umständen usurpiert hatte.
OLG Hamburg, Urt. v. 22.8.2012, 5 U 49/10, II.2.a.bb.bbb
Fehlt es dem Produkt an einem überschießenden „Wettbewerbsbezug“ gegenüber dem Geschmacksmuster, bedarf es nach Auffassung des Senats einer gesteigerten Rechtfertigung für die Eröffnung eines Anspruchs aus ergänzendem wettbewerblichen Leistungsschutz, der geschmacksmusterrechtlich gerade deshalb verschlossen ist, wenn der Entwerfer sich bei seiner Gestaltung an einem vorbekannten Gerät orientiert hat, das ebenfalls bereits als fertiges Produkt zumindest in den Markt der Fachkreise gelangt ist. Wollte man in derartigen Fallgestaltungen wettbewerbsrechtliche Ansprüche uneingeschränkt zur Anwendung bringen, würde hierdurch der Geschmacksmusterrechtsschutz letztlich unterlaufen.
Kein Rangverhältnis zwischen Geschmacksmusterschutz und lauterkeitsrechtlichem Nachahmungsschutz
BGH, Beschl. v. 18.10.2011, I ZR 109/10
Da sich die Voraussetzungen der Eigenart nach § 2 Abs. 3 GeschmMG und Art. 6 Abs. 1 GGV einerseits und der wettbewerblichen Eigenart nach den Grundsätzen des wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes gemäß § 4 Nr. 9 UWG nicht decken, lassen sich allgemeine Aussagen zu einem Rangverhältnis zwischen geschmacksmusterrechtlicher und wettbewerblicher Eigenart nicht treffen.
Allerdings meint das OLG Düsseldorf, dass eine später erworbene wettbewerbliche Eigenart einem älteren Geschmacksmuster nicht entgegengehalten werden kann.
OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.4.2016, 20 U 143/15, Tz. 50
Eine styroporartige Modularstruktur der Sohle wird von dem der Antragsgegnerin zustehenden Gemeinschaftsgeschmacksmuster Nr. … gezeigt wird. … Der Antragsgegnerin kann … dessen Benutzung nicht wegen eines später auf den Markt gekommenen Erzeugnisses, für das wettbewerbliche Eigenart in Anspruch genommen wird, als wettbewerbswidrig untersagt werden.
Urheberrecht und lauterkeitsrechtlicher Nachahmungsschutz
Der lauterkeitsrechtliche Nachahmungsschutz und der Urheberrechtsschutz stehen nebeneinander.
BGH, Urt. v. 12.5.2011, I ZR 53/10, Tz. 41 - Seilzirkus
Ansprüche aus ergänzendem wettbewerbsrechtlichem Leistungsschutz wegen der Verwertung eines fremden Leistungsergebnisses können unabhängig vom Bestehen von Ansprüchen aus einem Schutzrecht gegeben sein , wenn besondere Begleitumstände vorliegen, die außerhalb des sondergesetzlichen Tatbestands liegen.
s.a. BGH, Urteil vom 1.6.2011, I ZR 140/09 - Lernspiele
OLG Frankfurt, Urt. v. 11.12.2018, 11 U 12/18, II.A.1 - Modeschmuck
Ein Gleichlauf der Aktivlegitimation für urheberrechtliche und wettbewerbsrechtliche Ansprüche ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs schon deshalb abzulehnen, weil der lauterkeitsrechtliche Rechtsschutz nach Schutzzweck, Voraussetzungen und Rechtsfolgen anders als die Sonderschutzrechte ausgestattet ist.
Ansprüche aus wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz wegen der Verwertung eines fremden Leistungsergebnisses können unabhängig vom Bestehen von Ansprüchen aus einem Schutzrecht bestehen, wenn besondere Begleitumstände vorliegen, die außerhalb des sondergesetzlichen Tatbestandes liegen (BGH, Urteil vom 4.5.2016, Az.: I ZR 58/14 Tz. 37 - Segmentstruktur = GRUR 2017, 79, 82).
Markenrecht und lauterkeitsrechtlicher Nachahmungsschutz
BGH, Urt. 30.4.2008, I ZR 123/05 – Rillenkoffer
Ansprüche aus ergänzendem wettbewerbsrechtlichem Leistungsschutz sind nicht durch die Vorschriften des Markenrechts ausgeschlossen. Im Anwendungsbereich der Bestimmungen des Markengesetzes ist allerdings für einen lauterkeitsrechtlichen Schutz grundsätzlich kein Raum. Die Klägerin begehrt jedoch, soweit sie ihre Ansprüche auf die Grundsätze des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes stützt, keinen Schutz für eine Kennzeichnung, sondern für die Produktpalette ihrer Koffer als konkrete Leistungsergebnisse. Sie begründet dies damit, dass die Beklagte dadurch unlauter gehandelt habe, dass diese die die wettbewerbliche Eigenart begründenden Merkmale übernommen und dadurch eine vermeidbare Herkunftstäuschung hervorgerufen habe. Dieses Begehren fällt nicht in den Schutzbereich des Markenrechts.
Ebenso OLG Köln, Urt. v. 12.6.2020, 6 U 265/19 – Polaroid/Instax, Tz. 111
BGH, Urt. v. 15.12.2016, I ZR 197/15, Tz. 24 - Bodendübel
Bei der Anwendung der lauterkeitsrechtlichen Vorschriften zum Schutz vor Herkunftstäuschungen sind Wertungswidersprüche zum Markenrecht zu vermeiden.
Ebenso BGH, Urt. v. 15.10.2020, I ZR 210/18, Tz. 57 - Vorwerk (beim Irreführungssschutz)
OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2024, 20 U 120/23, Tz. 100
Es entspricht indes der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der ganz herrschenden Meinung im Schrifttum, dass bei der Anwendung der lauterkeitsrechtlichen Vorschriften zum Schutz vor Herkunftstäuschungen Wertungswidersprüche zum Markenrecht zu vermeiden sind. Dem Zeicheninhaber darf über das Lauterkeitsrecht keine Rechtsposition eingeräumt werden, die ihm nach dem Kennzeichenrecht nicht zukommt (BGH GRUR 2018, 924 Rn. 65 – Ortlieb; BGH GRUR 2018, 935 Rn. 57 – goFit; BGH GRUR 2016, 965 Rn. 23 – Baumann II; A. Nordemann in Ingerl/Rohnke/Nordemann, a.a.O., § 2 Rn. 1a ff.).
OLG Hamm, Urt. v. 7.4.2011, I-4 U 1/11, Tz. 31
Soweit es im Rahmen des § 4 Nr. 9 UWG (a.F.) um eine Herkunftstäuschung durch Verwendung eines geschützten Kennzeichens geht, sind wegen des Vorrangs des Markenrechts die markenrechtlichen Grundsätze der Verwechslungsgefahr heranzuziehen. Es kann insoweit nicht sein, dass zwar keine Verwechslungsgefahr besteht, aber dennoch eine durch Nachahmung herbeigeführte Herkunftstäuschung gegeben ist. Gleichfalls kann der angesprochene Verbraucher dann auch nicht über die Herkunft der Dienstleistungen aus einem bestimmten Betrieb im Sinne des § 5 UWG irregeführt werden.
OLG Nürnberg, Urt. v. 29.3.2022, 3 U 3358/21, Tz. 17 f
Die markenrechtlichen Regelungen stellen in ihrem durch Auslegung zu ermittelnden Anwendungsbereich eine grundsätzlich abschließende Regelung dar. Neben markenrechtlichen Ansprüchen können lauterkeitsrechtliche Ansprüche dann bestehen, wenn sie sich gegen ein wettbewerbswidriges Verhalten richten, das als solches nicht Gegenstand der markenrechtlichen Regelung ist (Köhler, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, 40. Aufl. 2022, UWG § 4 Rn. 3.9 m.w.N.). Bei der Nachahmung fremder Kennzeichnungen, die im Grundsatz ebenfalls lauterkeitsrechtlichen Nachahmungsschutz genießen können, ist daher zunächst zu beachten, dass die markenrechtlichen Bestimmungen zum Schutze bekannter Marken und geschäftlicher Bezeichnungen grundsätzlich keinen Raum für eine Anwendung des Lauterkeitsrechts lassen. Die markenrechtlichen Schutzvoraussetzungen dürfen durch einen wettbewerbsrechtlichen Schutz nicht unterlaufen werden. Ausnahmen vom Grundsatz des Vorrangs sind insbesondere nur zulässig, wenn es um ein Verhalten oder einen Unlauterkeitstatbestand geht, der nicht Gegenstand der markenrechtlichen Regelung ist, oder das Geschehen unter anderen Gesichtspunkten gewürdigt wird als bei der markenrechtlichen Beurteilung. Dementsprechend knüpft der lauterkeitsrechtliche Leistungsschutz an das Verhalten und weniger die Gestaltung der Waren und Dienstleistungen an. Konsequenterweise kennt daher der ergänzende wettbewerbsrechtliche Leistungsschutz auch kein Verbot der Herstellung eines bestimmten Gegenstandes, sondern ermöglicht nur eine Untersagung seines Vertriebs.
Dies gebietet, bei der Frage der Unlauterkeit des Anlehnens die konkrete Verkaufssituation in den Blick zu nehmen, weil es ein dem Zeichenschutz vergleichbares absolutes Verbot, Waren mit entsprechenden Kennzeichen auf den Markt zu bringen, hier nicht gibt. Namentlich kann ein unterschiedlicher Vertriebsweg einer Herkunftstäuschung entgegenstehen, so etwa, wenn die nachgeahmten Produkte vom Berechtigten ganz überwiegend in eigenen Geschäften oder als solche gekennzeichneten Abteilungen angeboten werden (BGH, Urteil vom 11. Januar 2007, I ZR 198/04 - Handtaschen, GRUR 2007, 795, Rn. 40) oder der eine seine Ware über stationären Handel, der andere über Heimvorführungen vertreibt (BGH, Urteil vom 10. April 2003 - I ZR 276/00 - Tupperwareparty, GRUR 2003 973 (975)).
OLG Köln, Urt. v. 29.11.2019, 6 U 82/19, Tz. 25 – Capri-Sonne (WRP 2020, 225)
Dass die Marke mittlerweile gelöscht ist, führt nicht dazu, dass man deshalb im Rahmen der Prüfung der wettbewerblichen Eigenart, die nicht mehr als Marke eingetragene „nackte“ Standbeutelform als solche bei der Betrachtung außer Acht lassen müsste, damit man den ansonsten ausgelaufenen Sonderrechtsschutz nicht unzulässig verlängerte (vgl. BGH, Urt. v. 22.1.2015, I ZR 107/13, Tz. 22 – Exzenterzähne I).
Zur Anwendung des § 4 Nr. 3 b UWG im Anwendungsbereich des Markengesetzes
LG Bochum, Urt. v. 19.6.2013, 15 O 50/12, III.2
Hatte die bisherige Rechtsprechung - freilich unter Zulassung von Ausnahmen - eine parallele Anwendung des UWG neben dem speziellen markenrechtlichen Schutz bekannter Marken grundsätzlich ausgeschlossen, scheint sich nunmehr eine Auffassung dahingehend herauszubilden, die von einem vollständigen Konkurrenzverhältnis zwischen Wettbewerbs- und markenrechtlichen Anspruchsgrundlagen ausgeht (vgl. zum Gesamtzusammenhang Ingerl/Rohnke, Markengesetz, Rn 9 u. 10 zu § 2 MarkenG), wobei jedoch auch nach dieser Auffassung ein Wertungswiderspruch zu der markengesetzlichen Regelung vermieden werden muss. Da § 4 Nr. 9 lit. b) UWG z. B. nicht ausdrücklich den Nachweis der Bekanntheit im Inland fordert, der Voraussetzung für den Bekanntheitsschutz des § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG ist, muss dieses Erfordernis in das Tatbestandsmerkmal der "Wertschätzung" integriert werden, d. h. eine Wertschätzung gemäß dieser Vorschrift darf bei Kennzeichen nicht bejaht werden, wenn nicht auch die Voraussetzungen der Bekanntheit vorlägen. Dementsprechend muss auch bei den weiteren Tatbestandsmerkmalen der Ausnutzung und Beeinträchtigung die markenrechtliche Wertung berücksichtigt werden, insbesondere dürfen insoweit keine geringeren Anforderungen gestellt werden, als dies markenrechtlich gefordert wäre. Unter diesen Voraussetzungen findet durch § 4 Nr. 9 lit. b) UWG materiell-rechtlich keine Ausweitung des Bekanntheitsschutzes des § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG statt (vgl. zum Gesamtzusammenhang Ingerl/Rohnke, a. a. O.).
Patentrecht und lauterkeitsrechtlicher Nachahmungsschutz
BGH, Urt. v. 15.12.2016, I ZR 197/15, Tz. 27 - Bodendübel
Der wettbewerbsrechtliche Leistungsschutz sieht keinen allgemeinen Nachahmungsschutz einer technisch bedingten Produktgestaltung vor, sondern dient der Absicherung eines konkreten Leistungsergebnisses vor Nachahmungen, die im Einzelfall aufgrund eines unlauteren Verhaltens des Mitbewerbers zu missbilligen sind (vgl. BGH, GRUR 2017, 79 Rn. 96 - Segmentstruktur). Damit können die formgebenden technischen Merkmale eines Erzeugnisses als Herkunftshinweis dienen, auch wenn sie zur Monopolisierung der Warenform als dreidimensionale Marke ungeeignet sind.
BGH, Urt. v. 15.12.2016, I ZR 197/15, Tz. 21 - Bodendübel
Der Umstand, dass der nach Ablauf des Patentschutzes freie Stand der Technik für den Wettbewerb offenzuhalten ist, gebietet es nicht, vom abgelaufenen Patentschutz erfassten technischen Merkmalen eines Erzeugnisses aus Rechtsgründen von vornherein die Eignung abzusprechen, auf die betriebliche Herkunft oder die Besonderheiten des Erzeugnisses hinzuweisen. ... Der lauterkeitsrechtliche Nachahmungsschutz ist nach Schutzzweck, Voraussetzungen und Rechtsfolgen anders als der Patentschutz ausgestaltet. Ansprüche aus wettbewerbsrechtlichem Leistungsschutz wegen der Verwertung eines fremden Leistungsergebnisses können unabhängig vom Bestehen von Ansprüchen aus einem Sonderschutzrecht gegeben sein, wenn besondere Begleitumstände vorliegen, die außerhalb des sondergesetzlichen Tatbestands liegen.
BGH, Urt. v. 15.12.2016, I ZR 197/15, Tz. 22 - Bodendübel
Die Nachahmung eines nicht oder nicht mehr unter Patentschutz stehenden Erzeugnisses ist jedoch nur bei Hinzutreten besonderer Umstände - wie einer vermeidbaren betrieblichen Herkunftstäuschung (§ 4 Nr. 3 Buchst. a UWG) oder einer unangemessenen Rufausnutzung (§ 4 Nr. 3 Buchst. b UWG) - unlauter. Die Beurteilung der Unlauterkeit erfordert eine einzelfallbezogene Gesamtwürdigung unter Abwägung aller betroffenen Interessen. Dazu gehört auch das Interesse der Mitbewerber, sich einer zum freien Stand der Technik gehörigen technischen Lösung zu bedienen. Danach besteht kein sachlicher Grund, einem Erzeugnis im Hinblick auf den früheren Patentschutz seiner Merkmale die wettbewerbliche Eigenart von vornherein zu versa-gen und es dadurch schlechter zu stellen als andere technische Erzeugnisse, die nicht unter Patentschutz standen.
BGH, Urt. v. 22.01.2015 - I ZR 107/13 - Excenterzähne
Das Berufungsgericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass einem patentgeschützten Erzeugnis nach dem Auslaufen des Patentschutzes wettbewerbliche Eigenart zukommen kann (vgl. BGH, Urte. v. 28.1.1988, I ZR 34/86, GRUR 1988, 385, 386 f. - Wäsche-Kennzeichnungsbänder). Es hat aber zu Unrecht angenommen, weil der abgelaufene Patentschutz nicht über das Wettbewerbsrecht verlängert werden dürfe, könnten nur solche Merkmale eines derartigen Erzeugnisses einen wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz begründen, die von der patentierten technischen Lösung unabhängig seien.
Unter dem Gesichtspunkt, den nach Ablauf eines Sonderrechtsschutzes freien Stand der Technik für den Wettbewerb offenzuhalten, besteht keine Veranlassung, vom abgelaufenen Sonderrechtsschutz erfassten, technisch bedingten Merkmalen eines Erzeugnisses aus Rechtsgründen von vornherein die Eignung abzusprechen, auf die betriebliche Herkunft oder die Besonderheiten des Erzeugnisses hinzuweisen und dem Erzeugnis damit wettbewerbliche Eigenart zu verleihen. Der lauterkeitsrechtliche Nachahmungsschutz ist nach Schutzzweck, Voraussetzungen und Rechtsfolgen anders als die Sonderschutzrechte ausgestaltet. Ansprüche aus wettbewerbsrechtlichem Leistungsschutz wegen der Verwertung eines fremden Leistungsergebnisses können unabhängig vom Bestehen von Ansprüchen aus einem Schutzrecht gegeben sein, wenn besondere Begleitumstände vorliegen, die außerhalb des sondergesetzlichen Tatbestands liegen (vgl. BGH, GRUR 2010, 80 Rn. 19 - LIKEaBIKE; GRUR 2013, 951 Rn. 20 - Regalsystem).
Auch ein ehemals patentrechtlich geschütztes Element eines Erzeugnisses (hier die mit Exzenterzähnen versehenen Steckelemente der Befestigungsvorrichtungen der Klägerin) kann diesem daher wettbewerbliche Eigenart verleihen, wenn die konkrete Gestaltung dieses Elements technisch nicht notwendig ist, sondern durch eine frei wählbare und austauschbare Gestaltung, die denselben technischen Zweck erfüllt, ersetzt werden kann, ohne dass damit Qualitätseinbußen verbunden sind.
Streitgegenstand
Der wettbewerbsrechtliche Anspruch aus § 4 Nr. 3 UWG bildet einen eigenen Streitgegenstand, wenn er in einem Gerichtsverfahren neben einem Anspruch aus einem gewerblichen Schutzrecht oder einem Urheberrecht geltend gemacht wird.
BGH, Urt. v. 12.7.2012, I ZR 102/11, Tz. 19 – Kinderwagen II
Im Streitfall stützt die Klägerin ihr Klagebegehren auf das Gemeinschaftsgeschmacksmuster Nr. … und auf ein wettbewerbswidriges Verhalten der Beklagten im Sinne von §§ 3, 4 Nr. 9 Buchst. a und b und § 5 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 UWG. Damit hat die Klägerin ihr Klagebegehren auf zwei Streitgegenstände gestützt.
Geht die Klagepartei aus einem Schutzrecht vor, wird der Gegenstand der Klage durch den Antrag und das im Einzelnen bezeichnete Schutzrecht festgelegt. Werden neben Ansprüchen aus einem Schutzrecht wettbewerbsrechtliche Ansprüche geltend gemacht, handelt es sich grundsätzlich um unterschiedliche Streitgegenstände.
BGH, Urt. v. 7.12.2000, I ZR 146/98, II.1.a, b – Telefonkarte
Kommen nebeneinander Ansprüche aus einem Schutzrecht (hier dem Urheberrecht oder einem Leistungsschutzrecht) sowie aus UWG in Betracht, muss danach unterschieden werden, ob der Kläger sich zur Begründung seiner Klage allein auf den das Schutzrecht betreffenden Lebenssachverhalt gestützt hat oder ob er … einen Lebenssachverhalt vorgetragen hat, der geeignet ist, etwa den Tatbestand einer wettbewerbswidrigen Nachahmung nach § 4 Nr. 9 UWG oder einer Irreführung nach § 5 UWG zu begründen. Dementsprechend hängt auch die Wirkung der Rechtskraft eines klageabweisenden Urteils davon ab, auf welchen Lebenssachverhalt die Klage gestützt war. Ist der Kläger (nur) mit dem auf Urheberrecht gestützten Anspruch abgewiesen worden, steht die Rechtskraft dieses Urteils einer auf § 4 Nr. 9 oder § 5 UWG gestützten Klage wegen wettbewerbswidriger Nachahmung oder Irreführung nicht entgegen.
Der Anspruchsteller muss bei der Geltendmachung mehrerer Streitgegenstände klar stellen, ob er die Ansprüche kumulativ oder nur als Haupt- und Hilfsantrag geltend machen will. Näheres dazu hier. Das Rangverhältnis kann unter Umständen aber auch aus dem Klagebegehren herausgelesen werden.
BGH, Urt. v. 12.7.2012, I ZR 102/11, Tz. 21 – Kinderwagen II
Die Klägerin hat ihre Ansprüche in erster Linie auf das Gemeinschaftsgeschmacksmuster und nur hilfsweise auf ein wettbewerbswidriges Verhalten der Beklagten gestützt. Dies ergibt sich aus den Klageanträgen, deren territoriale Reichweite das Gebiet der Europäischen Union umfasst. Derart weit reichende Ansprüche kann die Klägerin nur aus dem Gemeinschaftsgeschmacksmuster und nicht aus Vorschriften des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb ableiten. Daraus folgt, dass die Klägerin ihre Ansprüche in erster Linie aus dem Gemeinschaftsgeschmacksmuster herleitet und nur hilfsweise auf ein wettbewerbswidriges Verhalten der Beklagten stützt.
ABER:
BGH, Urt. v. 24.1.2013, I ZR 136/11, Tz. 10 - Regalsystem
Die Tatbestände des § 4 Nr. 9 Buchst. a und b UWG stellen einen einheitlichen Streitgegenstand dar.
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Omsels, Online-Kommentar zum UWG,