Darlegungs- und Beweislast
Zur Darlegung der wettbewerblichen Eigenart siehe auch hier.
1. Verteilung der Vortragslast auf Anspruchsteller und Nachahmer
2. Beweis der wettbewerblichen Eigenart durch eigene Sachkunde des Gerichts
Verteilung der Vortragslast auf Anspruchsteller und Nachahmer
Vortragslast des Klägers
BGH, Urt. v. 1.7.2021, I ZR 137/20, Tz. 22 - Kaffeebereiter
Der Kläger trägt nach allgemeinen Grundsätzen grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen aller Tatbestandsvoraussetzungen des § 4 Nr. 3 UWG. Soweit es die wettbewerbliche Eigenart des Produkts betrifft, muss er zu dem Produkt und dessen Merkmalen, die seine wettbewerbliche Eigenart begründen, konkret vortragen. Der Kläger muss deshalb das Produkt, für das er Schutz beansprucht, detailliert beschreiben. Hierfür kann er sich Abbildungen bedienen, soweit diese die in Rede stehende Ware und die die wettbewerbliche Eigenart begründenden Merkmale deutlich erkennen lassen. Unklarheiten der Abbildungen gehen zu seinen Lasten. Im Regelfall wird der Kläger gehalten sein, dem Gericht das Produkt vorzulegen.
Ebenso OLG Frankfurt, Urt. v. 31.3.2022, 6 U 191/20; OLG Hamburg, Urt. v. 31.8.2022, 5 U 60/22, II.2.c.bb - Grannini/albi-Saftflaschen
BGH, Urt. v. 22.09.2021, I ZR 192/20, Tz. 21 – Flying V
Die eine wettbewerbliche Eigenart begründenden Merkmale müssen vom Kläger konkret vorgetragen und vom Tatgericht festgestellt werden. Diese Merkmale bestimmen nicht nur den wettbewerbsrechtlichen Schutzgegenstand und seinen Schutzumfang, sondern sind auch für die Feststellung einer Verletzungshandlung maßgeblich.
BGH, Urt. v. 6.11.1997, I ZR 102/95, II.1.b.aa - Trachtenjanker
Bei der Geltendmachung eines wettbewerbsrechtlichen Nachahmungsschutzes obliegt es zunächst dem Kläger, die klagebegründenden Tatsachen darzulegen und zu beweisen, insbesondere also die Merkmale darzutun, aus denen sich die wettbewerbliche Eigenart ergibt. Stützt er sich auf eine dem Erzeugnis innewohnende Eigenart, wird häufig die Vorlage des Produkts ausreichen, für das der Nachahmungsschutz begehrt wird; in anderen Fällen, in denen der Kläger nicht von einer allgemeinen Kenntnis der Marktverhältnisse ausgehen kann, gehört es zu einem schlüssigen Klagevorbringen, dass auch zu dem Abstand vorgetragen wird, den das fragliche Produkt zu vorbekannten Erzeugnissen und zu den Erzeugnissen der Wettbewerber hält.
OLG Frankfurt, Urt. v. 11.12.2018, 11 U 12/18, II.A.2.a.aa - Modeschmuck
Der Anspruchsteller hat die klagebegründenden Tatsachen darzulegen und zu beweisen, zu denen auch die wettbewerbliche Eigenart des als Schutzgegenstand geltend gemachten Erzeugnisses gehört. In diesem Zusammenhang kann es aber ausreichend sein, das Produkt vorzulegen, sofern sich der Anspruchsteller berechtigterweise auf eine dem Erzeugnis innewohnende Eigenart beruft. In einem solchen Fall obliegt es dann dem Anspruchsgegner darzulegen, dass die für die Eigenart relevanten Gestaltungsmerkmale schon vorbekannt waren oder im Verletzungszeitpunkt am Markt bekannt waren, was zu einer Schwächung oder dem Wegfall der Eigenart führen kann.
Ebenso OLG Frankfurt, Urt. v. 18.6.2020, 6 U 66/19, II.1.c - Bodum Chambord
OLG Köln, Urt. v. 18.7.2014, 6 U 4/14, Tz. 47 - Stuhlmöbel
Nur in Fällen, in denen nicht von einer allgemeinen Kenntnis der Marktverhältnisse ausgegangen werden kann, ist dies erforderlich.
OLG Frankfurt, Urt. v. 3.12.2020, 6 U 136/20
Das Gericht kann auch Merkmale heranziehen, die in der Klageschrift nicht gesondert benannt sind, sofern das Produkt selbst vorgelegt oder bildlich wiedergegeben wird (OLG Köln WRP 2019, 1055 Rn 37).
Der Kläger ist auch darlegungs- und beweispflichtig für die unlauterkeitsbregündenden ergänzenden Umstände (Köhler in Köhler/Bornkamm § 4 Rdn. 9.78; Piper/Ohly/Sosnitza § 4 Rdn 9/149).
Anderer Ansicht:
BGH, Urt. v. 2.7.1969, I ZR 118/67 - Kunststoffzähne (= GRUR 1969, 618, 620 a.E.)
Handelt es sich um die Übernahme solcher Arbeitsergebnisse, die eine gewisse schutzwürdige Leistung verkörpern, dann hat der Ausbeuter regelmäßig Gründe dafür darzutun, daß und inwiefern eine solche bloße Vervielfältigung des von einem Konkurrenten erarbeiteten Ausgangserzeugnisses im Einzelfall wettbewerbsrechtlich unbedenklich erscheint. Das könnte möglicherweise dann anzunehmen sein, wenn die Früchte der unverändert und unmittelbar übernommenen Leistung ihrem Erbringer bereits auf Grund eines Sonderschutzes oder auf andere Weise hinreichend zugeflossen sind und wenn es dem Allgemeininteresse dient, einfache technische Vervielfältigungsverfahren zur Herstellung preiswerter Konkurrenzerzeugnisse einzusetzen.
Vortragslast des Beklagten
Übernahme
OLG Köln, Urt. v. 18.10.2013, 6 U 11/13. Tz. 79 - Seilwinde
Ist der Anspruchsgegner mit seinem Produkt zeitlich nach dem Anspruchsteller auf dem Markt erschienen, so spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass er bei der Entwicklung seines Produkts Kenntnis von dem Produkt des Anspruchstellers hatte. Der Beklagte hat in diesem Fall zu beweisen, dass er das von ihm angebotene Produkt in Unkenntnis der Existenz des Originals geschaffen hat (Senat, Urt. v. 9.11.2007, 6 U 9/07 - Bigfoot; Köhler/Bornkamm, UWG, § 4 Rn. 9.78).
OLG Frankfurt, Urt. v. 11.6.2015, 6 U 73/14, Tz. 41
Angesichts der Bekanntheit des Originals kann ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass auch die Gestalter des angegriffenen Modells Kenntnis vom Original hatten. Die Kenntnis wird vermutet.
Keine wettbewerbliche Eigenart
BGH, Urt. v. 6.11.1997, I ZR 102/95, II.1.b.aa - Trachtenjanker
Ist der Kläger insoweit seiner Darlegungs- und Beweislast nachgekommen, ist es Sache des Beklagten, darzutun und gegebenenfalls zu beweisen, daß die in Rede stehenden Merkmale einzeln oder auch in der fraglichen Verbindung bereits vorbekannt oder inzwischen üblich geworden sind.
Ebenso OLG Köln, Urt. v. 18.7.2014, 6 U 4/14, Tz. 48 - Stuhlmöbel
Das heißt konkret:
BGH, Urt. v. 1.7.2021, I ZR 137/20, Tz. 23 - Kaffeebereiter
Hat die Klägerin ihrer Darlegungs- und Beweislast zum Vorliegen wettbewerblicher Eigenart des ... genügt, trifft die Beklagten die Darlegungs- und Beweislast für die Tatsachen, die das Entstehen der an sich gegebenen wettbewerblichen Eigenart hindern oder eine an sich bestehende wettbewerbliche Eigenart schwächen oder entfallen lassen (vgl. BGH, GRUR 2018, 311 Rn. 22 - Handfugenpistole).
BGH, Urt. v. 1.7.2021, I ZR 137/20, Tz. 23 - Kaffeebereiter
Das Vorliegen vorbekannter Gestaltungen auf dem Markt ist ein Umstand, der das Entstehen einer aufgrund des Gesamteindrucks der Merkmale des Erzeugnisses an sich gegebenen wettbewerblichen Eigenart hindern kann. Es ist daher ... nicht Sache des Klägers, sondern der Beklagten, zum wettbewerblichen Umfeld des in Rede stehenden Produkts vorzutragen und die Marktbedeutung von Produkten darzulegen, mit denen sie die wettbewerbliche Eigenart des nachgeahmten Produkts in Frage stellen wollen.
Ebenso OLG Hamburg, Urt. v. 12.10.2023, 5 U 104/22, Tz. 111; OLG Frankfurt, Urt. v. 31.3.2022, 6 U 191/20
OLG Köln, Urt. v. 18.7.2014, 6 U 4/14, Tz. 48 f - Stuhlmöbel
Insbesondere muss er dabei die Marktbedeutung von Produkten darlegen, mit denen er die wettbewerbliche Eigenart des nachgeahmten Produkts in Frage stellen will (BGH, GRUR 2005, 600, 602 – Handtuchklemmen).
Dazu ist es allerdings nicht zwingend erforderlich, Absatzzahlen der Wettbewerber zu benennen, die dem Anspruchsgegner in der Regel nicht bekannt sein werden. Bei der Prüfung der „hinreichenden Bekanntheit“ des nachgeahmten Produkts kann diese nicht nur aus hohen Absatzzahlen, sondern auch aus entsprechenden Werbeanstrengungen abgeleitet werden (BGH, GRUR 2013, 951 = WRP 2013, 1188 Tz. 27 – Regalsystem; Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, § 4 Rn. 9.41a). Solche Werbeanstrengungen können in Prospekten, Katalogen und Messeauftritten bestehen. Diese Grundsätze lassen sich auch auf die hier zu beurteilende Frage der Marktbedeutung von Produkten des wettbewerblichen Umfelds übertragen.
Allerdings kommen dem Anspruchsgegner Erleichterungen zugute, weil er sich nicht zu Umständen äußern kann, die nicht ihm, sondern im Lager des Anspruchsstellers bekannt sind:
BGH, Urt. v. 1.7.2021, I ZR 137/20, Tz. 40, 44 - Kaffeebereiter
Der Umfang der sekundären Darlegungslast richtet sich nach der Intensität des Sachvortrags der beweisbelasteten Partei. Er findet seine Grenzen in der Zumutbarkeit der den Prozessgegner treffenden Offenbarungspflicht. ...
Der nicht näher präzisierte Vortrag der Klägerin lässt nicht erkennen, wann die Klägerin in welchem Umfang ihren Kaffeebereiter unter dem Kennzeichen "Melior" in Deutschland vertrieben hat und ist damit für die Beklagten nicht einlassungsfähig, die zu dem Umfang des Vertriebs aus eigener Anschauung nicht vortragen können, weil es sich dabei um Umstände handelt, die in der Sphäre der Klägerin liegen. Diesen Vortrag haben die Beklagten deshalb gemäß § 138 Abs. 4 ZPO zulässigerweise mit Nichtwissen bestritten. Danach oblag es der Klägerin, hierzu weiteren Vortrag zu halten.
Wegfall der wettbewerblichen Eigenart
OLG Hamburg, Urt. v. 16.5.2019, 3 U 104/17, Tz. 65
Die Beklagte hat zwar vorgetragen, dass es eine Reihe von Wettbewerbsprodukten gebe, die hochgradig ähnlich, wenn nicht sogar beinahe identisch gestaltet seien. Die Klägerin hat aber bestritten, dass diese Produkte nennenswerten im Inland vertrieben werden. … Dem ist die Beklagte nicht mit tauglichen Beweisangeboten entgegen getreten.
Beweis der wettbewerblichen Eigenart durch eigene Sachkunde des Gerichts
BGH, Urt. v. 15.9.2005, I ZR 151/02, Tz. 27 - Jeans I
Auch wenn die Mitglieder des Gerichts selbst nicht zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehören, können sie auf Grund ihrer durch ständige Befassung mit Wettbewerbssachen besonderen Sachkunde die wettbewerbliche Eigenart ohne sachverständige Hilfe selbst beurteilen.