Gesetzliche oder vertragliche Pflicht zur Wahrung der Interessen Dritter
Versicherungsnehmer als Interessenswahrer der Versicherung
Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Ärzte
Wahrung sonstiger Interessen Dritter
Gesetzliche oder vertragliche Pflicht zur Wahrung der Interessen Dritter
In dieser Konstellation geht es darum, dass Personen bei Entscheidungen beeinflusst werden, die sie - zumindest auch - für und im Interesse von Dritten treffen.
BGH, Urt. v. 20.2.2020, I ZR 5/19, Tz. 26 - Sofort-Bonus II
Die Werbung mit einem Sofort-Bonus (beim Kauf eines preisgebundenen Arzneimittels) kann einen Verstoß gegen die unternehmerische Sorgfalt gemäß § 3 Abs. 2 UWG darstellen, wenn und soweit die angesprochenen Verkehrskreise Drittinteressen zu wahren haben, die durch die Annahme des Bonus beeinträchtigt werden. Maßgeblich für die zu wahrenden Drittinteressen ist das Rechtsverhältnis zwischen dem Verbraucher und dem Dritten.
BGH, Urt. v. 20.2.2020, I ZR 5/19, Tz. 29 - Sofort-Bonus II
Eine Geschäftspraxis, die den Verbraucher zur Verletzung seiner Pflichten gegenüber Dritten verleitet, berücksichtigt dessen Schutzbedürftigkeit unzureichend und entspricht folglich nicht der unternehmerischen Sorgfalt. Dagegen darf der Unternehmer im Regelfall mit Vorteilen werben, deren Annahme keinen Pflichtenverstoß im Verhältnis zwischen dem angesprochenen Verbraucher und einem Dritten darstellt.
BGH, Urt. v. 8.11.2007, I ZR 192/06 – Erstattung der Selbstbeteiligung
Eine unangemessene unsachliche Beeinflussung kommt dann in Betracht, wenn der angesprochene Verkehr bei Entscheidungen, die er zu treffen hat, auch die Interessen dritter Personen zu wahren hat.
BGH, Urt. v. 2.7.2009, I ZR 147/06, Tz. 10 – Winteraktion
Eine unangemessene unsachliche Einflussnahme i.S. von § 4 Nr. 1 UWG kommt in Betracht, wenn der angesprochene Verkehr bei von ihm zu treffenden Entscheidungen auch die Interessen dritter Personen zu wahren hat und er durch die beanstandete Werbemaßnahme veranlasst werden kann, seine Entscheidung nicht allein an dem Interesse des Dritten auszurichten, sondern sich bei ihr auch davon leiten zu lassen, ob ihm ein versprochener Vorteil oder eine Vergünstigung zufließt.
ebenso BGH, Urt. v. 24. Juni 2010 - I ZR 182/08, Tz. 17 – Brillenversorgung II zur Beeinflussung von Ärzten; ebenfalls BGH, Urt. v. 30.11.2003, I ZR 142/00, II.2.a - Kleidersack; OLG Naumburg, Urt. v. 14.11.2019, 9 U 24/19, Tz. 51
Allerdings muss genau geprüft werden, ob der Adressat einer Werbemaßnahme im Einzelfall tatsächlich und konkret Interessen eines Dritten zu wahren hat.
BGH, Urt. v. 20.2.2020, I ZR 5/19, Tz. 33 - Sofort-Bonus II
Die Pflicht zur Wahrung der Interessen Dritter wird mit Blick auf die grundsätzlich zulässige Werbung mit Rabatten oder Gutscheinen durch die Pflichten begrenzt, die im Rechtsverhältnis zwischen den durch die Werbung angesprochenen Verkehrskreisen und dem Dritten bestehen. Der Unlauterkeitsvorwurf kann sich in diesem Zusammenhang allein darauf beziehen, dass die Beklagte die unternehmerische Sorgfalt verletzt, weil sie die Interessen der angesprochenen Verbraucher nicht wahrt, sich gegenüber ihrem Krankenversicherer vertragstreu zu verhalten.
Versicherungsnehmer als Interessenswahrer der Versicherung
BGH, Urt. v. 8.11.2007, I ZR 192/06 – Erstattung der Selbstbeteiligung
Soweit ein Versicherungsnehmer die Interessen des Versicherers wahrzunehmen hat, kann das Versprechen eines Vorteils zu seinen Gunsten gegen § 4 Nr. 1 UWG (a.F.) verstoßen, wenn der Versicherungsnehmer dadurch veranlasst werden kann, auf das Angebot einzugehen, ohne den Vorteil an den Versicherer weiterzuleiten.
In der Entscheidung ging es um das Versprechen eines Rabatts für Glasschadenreparaturen, bei dem die Gefahr bestand, dass er vom Versicherungsnehmer nicht an die Versicherung weitergegeben wird.
OLG Hamm, Urt. v. 12.11.2013, 4 U 31/13, Tz. 68ff
Das Werben mit Preisnachlässen unterliegt einer Missbrauchskontrolle, wenn der angesprochene Verkehr bei Entscheidungen, die er zu treffen hat, auch die Interessen dritter Personen zu wahren hat. Soweit ein Versicherungsnehmer die Interessen des Versicherers wahrzunehmen hat, verstößt das Versprechen eines Vorteils zu seinen Gunsten gemäß § 3 Abs. 2 S. 1 UWG gegen die geltende fachliche Sorgfalt, wenn der Versicherungsnehmer dadurch veranlasst werden kann, auf das Angebot einzugehen, ohne den Vorteil an den Versicherer weiterzuleiten (vgl. insoweit noch zu § 4 Nr. 1 UWG BGH, Versäumnisurteil vom 08.11.2007 - I ZR 121/06).
Nach § 7 Abs. 2 Satz 2 AKB sind Versicherungsnehmer gehalten, alles zu tun, was der Minderung des Schadens dienen kann. Dies schließt neben der Verpflichtung, die Kosten für die Reparatur niedrigzuhalten, auch ein, dass dem Versicherer gegenüber zutreffende Angaben zu den Kosten der Reparatur gemacht werden. Die nach dem Versicherungsvertrag gebotene objektive Entscheidung wird durch die von der Beklagten versprochene Gewährung eines Gutscheins beeinträchtigt. Der Kunde hat in der Regel durch die Beauftragung einer günstigeren Werkstatt keine wirtschaftlichen Vorteile. Demgegenüber profitiert er unmittelbar von den von der Beklagten versprochenen Vergünstigungen, wenn er bereit ist, diesen Vorteil seinem Versicherer zu verschweigen (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 08.11.2007 - I ZR 121/06).
Nach der Lebenserfahrung besteht bei einem nicht unerheblichen Teil der Bevölkerung die Bereitschaft, die Interessen der Versicherer im Blick auf den eigenen Vorteil nicht hinreichend zu wahren (BGH, Versäumnisurteil vom 08.11.2007 - I ZR 121/06).
Zu einer ähnlichen Konstellation, in der der Rabatt mit einer kostenpflichtigen 'Schadens-Card' verbunden wurde, siehe OLG Naumburg, Urt. v. 3.3.2011, 1 U 92/10 (Hs). Auch der Versuch, dem Versicherungsnehmer eine Erstattung in Höhe der Selbstbeteiligung für Windschutzscheibenwerbung zu zahlen, ist gescheitert.
OLG Köln, Urt. v. 12.10.2012, 6 U 93/12, Tz. 11
Die Beklagte hat ihren Kunden die in den Reparaturrechnungen ausgewiesene Selbstbeteilung von 150,00 € letztlich nicht abgefordert, sondern absprachegemäß mit der gleich hohen angeblichen Vergütung aus dem Werbepartnervertrag ausgeglichen. Für die rechtliche Bewertung dieses Vorgangs als verschleierter Nachlass auf die Reparaturkostenrechnung ist es ohne Bedeutung, ob das durch wechselseitige Quittungen belegte Geschäft mit oder ohne einen Austausch von Bargeldbeträgen vonstatten ging. Die von den Kunden in dem Werbepartnervertrag erteilte Zustimmung zum Anbringen eines Aufklebers der Beklagten auf der neuen Windschutzscheibe ist auch nicht als gleichwertige Gegenleistung für eine Zahlung in Höhe von 150,00 € anzusehen. Vielmehr liegt es auf der Hand, dass … die vertragliche Konstruktion nur dazu dient, den Kunden die nach den Kaskoversicherungsbedingungen von ihnen zu tragende Selbstbeteilung vollständig zu erstatten, ohne diesen Vorteil der Versicherung mitzuteilen.
Ein Gutschein mit einem Preisnachlass für spätere Aufträge wurde ebenso als unlauter angesehen:
OLG Hamm, Urt. v. 12.11.2013, 4 U 31/13, Tz. 74
Eine abweichende Beurteilung ist nicht deshalb angebracht, weil den Kunden „lediglich“ Gutscheine angeboten wurden. Insoweit reicht es aus, dass sich der angesprochene Verkehr durch das Versprechen des Vorteils über die Interessen seines Vertragspartners hinwegsetzt. Dies ist schon der Fall, wenn er ein gleichwertiges oder günstigeres Angebot eines Mitbewerbers ausschlägt, um die Zugabe zu erhalten (BGH, Versäumnisurteil vom 08.11.2007 - I ZR 121/06). Dass hierbei zunächst ein weiterer Vertragsschluss notwendig ist, um in den Genuss des Gutscheinwertes zu kommen, stellt den Anreiz dieser Zugabe nicht in Frage. Denn allein hierdurch wird deren wirtschaftlicher Vorteil nicht erheblich entwertet.
Nach OLG Naumburg ist bereits ein Gutschein von 30,- Euro für einen Folgeauftrag unzulässig (OLG Naumburg, Urt. v. 6.2.2014, 9 U 75/13 = WRP 2014, 728).
Anders aber in der Krankenversicherung, wenn der Bonus dem Verbraucher zwar beim Kauf eines erstattungspflichtigen Arzneimittel ausgegeben, aber erst bei dem Folgekauf eines nicht erstattungsfähigen Arzneimittels eingelöst wird:
BGH, Urt. v. 20.2.2020, I ZR 5/19, Tz. 35, 39 - Sofort-Bonus II
Auf dieser Grundlage wäre ein Verstoß gegen die unternehmerische Sorgfalt nur anzunehmen, wenn der Versicherungsnehmer sich gegenüber seinem privaten Krankenversicherer durch die Einreichung eines Rezepts, das den Bonus nicht ausweist, vertragswidrig verhalten würde. ... Eine versicherungsrechtliche Pflicht oder Obliegenheit des Versicherungsnehmers, gegenüber seinem privaten Krankenversicherer anzuzeigen, dass er bei der Einlösung eines Rezepts über ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel von der Apotheke - wie im Streitfall - einen Gutschein erhalten hat, den er beim späteren Erwerb nicht verschreibungspflichtiger Produkte einlösen kann, besteht nicht. …
… Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass der Versicherungsnehmer für das mit dem Rezept verordnete Arzneimittel den vollen Preis zahlt, während der Vorteil sich für ihn erst realisiert, wenn ein weiterer Kauf nicht verschreibungspflichtiger Produkte bei der Beklagten erfolgt. Anders als im Fall eines Sofortrabatts entspricht die Bestätigung der Zahlung des vollen Betrags den tatsächlichen Verhältnissen.
Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Ärzte
BGH, Urt. v. 2.7.2009, I ZR 147/06, Ls. – Winteraktion
Eine Werbung für die Vermittlung des Erwerbs einer Vorratsgesellschaft, bei der den als Vermittlern angesprochenen Rechtsanwälten, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern für die Vermittlung die Teilnahme an einem Gewinnspiel mit einem attraktiven Gewinn (hier: Smart-Cabriolet) angeboten wird, ist unlauter i.S. von §§ 3, 4 Nr. 1 (alt) UWG.
Ärzte/Zahnärzte
BGH, Urt. v. 23.2.2012, I ZR 231/10, Tz. 23, 26, 30f - Dentallaborleistungen
Ärzte sind aus dem Behandlungsvertrag und dem Berufsrecht gehalten, die Entscheidung darüber, an wen sie einen Patienten verweisen oder wem sie Untersuchungsmaterial zur Laboruntersuchung überlassen, allein nach ärztlichen Gesichtspunkten mit Blick auf das Patienteninteresse zu treffen. Ihre Nachfrageentscheidung darf nicht nach den eigenen Interessen des Arztes als Nachfrager oder Nachfragedisponent des Patienten getroffen werden, insbesondere darf der Arzt seine Entscheidung nicht davon abhängig machen, ob ihm für die Überweisung eine Gegenleistung zufließt oder nicht. Dieser auch für Zahnärzte geltende Gesichtspunkt kommt in dem berufsrechtlichen Verbot zum Ausdruck, sich für die Zuweisung von Patienten oder für die Zuweisung von Untersuchungsmaterial eine Gegenleistung gewähren zu lassen oder selbst eine solche Gegenleistung zu gewähren. ...
Es ist deshalb unter dem Gesichtspunkt der unangemessenen unsachlichen Einflussnahme unlauter, einen Arzt durch die Gewährung oder das Inaussichtstellen eines finanziellen Vorteils zu veranlassen, diese Interessenwahrungspflicht zu verletzen. ...
Ein Verstoß gegen die genannten berufsrechtlichen Vorschriften hängt nicht von einer rechtlichen Kopplung einer Überweisung von einer Gegenleistung ab. … Indirekte Möglichkeiten zur Erlangung einer Gegenleistung reichen für die Annahme einer unangemessenen unsachlichen Beeinflussung der ärztlichen Diagnose- und Therapiefreiheit aus.
Apotheker
Das OLG München hat angenommen, dass auf einen Apotheker, der seine Kunden neutral beraten muss, ein unangemessener Einfluss ausgeübt wird, wenn er von einer ausländischen Apotheke für die Vermittlung von deren Arzneimittelsortiment eine Vermittlungsgebühr erhält, die höher ist als seine Gewinnspanne beim Verkauf desselben Arzneimittels.
OLG München, Urt. v. 26.6.2014, 29 U 800/13, II.2.a
Haben Marktteilnehmer bei ihren geschäftlichen Entscheidungen (auch) die Interessen Dritter zu wahren, so ist eine unangemessene unsachliche Einflussnahme i. S. d. § 4 Nr. 1 UWG gegeben, wenn sie durch die Gewährung oder das Inaussichtstellen eines finanziellen Vorteils dazu veranlasst werden können, diese Interessenwahrungspflicht zu verletzen.
Im Streitfall war ... bei dem Modell Vorteil24 bei Arzneimitteln mit einem Apothekenverkaufspreis ab 29,– € der Betrag der Provision, den der an dem Modell teilnehmende Apotheker für die Vermittlung eines Kunden an die M.-Apotheke erhielt, im Hinblick auf den aus dem Geschäft insgesamt zu erzielenden Ertrag höher als der regulär durch Arzneimittelabgabe im eigenen Namen zu erzielende Ertrag.
Damit bestand ein strukturell verankerter finanzieller Anreiz für die teilnehmenden Apotheker, einem Kunden nicht die Abgabe aus dem eigenen Sortiment anzuraten, sondern die für sie ertragreichere Bestellung bei der niederländischen Apotheke. Das begründete die Gefahr, dass die Apotheker sowohl bei der Darstellung des Modells dem Kunden gegenüber als auch bei der Prüfung, ob die konkreten Umstände des Einzelfalls eine umgehende Abgabe an den Kunden erforderlich machten oder die Verzögerung bis zum Eingang der Lieferung von der niederländischen Apotheke unter medizinischen Gesichtspunkten bedeutungslos war, nicht nur die gesundheitlichen Interessen des Kunden, sondern auch die eigenen Erwerbsmöglichkeiten zu beachten und dabei die gegenüber dem Kunden bestehende Interessenwahrungspflicht zu verletzen.
Wahrung sonstiger Interessen Dritter
Zur Ausstellung von Quittungen über Zuzahlungen beim Kauf von Arzneimitteln, wenn die Zuzahlung gar nicht erfolgt ist:
OLG Stuttgart Urteil vom 23.3.2017, 2 U 113/16, Tz. 38 ff
Als "unternehmerische Sorgfalt" gilt der Standard an Fachkenntnissen und Sorgfalt, von dem billigerweise angenommen werden kann, dass ein Unternehmer ihn in seinem Tätigkeitsbereich gegenüber Verbrauchern nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der anständigen Marktgepflogenheiten einhält (§ 2 Absatz 1 Nr. 7 UWG, Artikel 2 Buchst. h UGP-Richtlinie). Selbst bei einer Zulässigkeit von Rabatten auf Arzneimittel unterliegen entsprechende Angebote der Missbrauchskontrolle, wenn der angesprochene Verkehr bei Entscheidungen, die er zu treffen hat, auch die Interessen dritter Personen zu wahren hat.
Die Interessen Dritter werden durch die ausgestellte Zuzahlungsquittung nicht gewahrt. Sie begründet die Gefahr einer missverständlichen Betrachtung der Quittung durch die Sozialbehörden und Finanzämter. ...
Gemäß § 61 Satz 1 SGB V haben gesetzlich Versicherte Zuzahlungen von 10 % des Abgabepreises, mindestens fünf und höchstens zehn Euro, zu bezahlen. Die Pflicht zur Zuzahlung besteht nur bis zu einer Belastungsgrenze, die grundsätzlich bei zwei Prozent - in manchen Fällen auch nur bei einem Prozent - der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt liegt (§ 62 Absatz 1 SGB V). Nach § 61 Satz 4 SGB V ist über die Zuzahlungen eine Quittung auszustellen. Diese Quittung dient dem Versicherten zum Nachweis der während eines Kalenderjahres geleisteten Zuzahlungen im Hinblick auf die Belastungsgrenze. ...
Auch gegenüber dem Finanzamt könnte die Zuzahlungsquittung missbräuchlich eingesetzt werden.
Gemäß § 33 EStG wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird. Die Belastungsgrenze liegt je nach Einkommen und Unterhaltspflicht bei ein bis sieben Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte (§ 33 Absatz 3 Satz 1 EStG).