1. Belästigung durch Zusendung unbestellter Waren oder Dienstleistungen
2. Nr. 29 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG
3. Irrtümliche Annahme einer Bestellung
Siehe zu der Thematik auch hier.
Belästigung durch Zusendung unbestellter Ware
BGH, Urt. v. 17.8.2011, I ZR 134/10, Tz. 12 – Auftragsbestätigung
Das Zusenden unbestellter Ware stellt regelmäßig ebenso wie die entsprechende Ankündigung eine unzumutbare Belästigung im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 UWG dar.
OLG Koblenz, Urt. v. 17.6.2009, 9 U 120/09
Die Zusendung unbestellter Waren und die Erbringung unbestellter Dienstleistungen dient der Förderung des Absatzes dieser Waren und ist als eine solche Werbung zu werten. Sie erfüllt schon nach der bisherigen Rechtsprechung den Tatbestand des § 7 Abs. 1 und 2 Nr. 1 UWG a.F. als sogenannte anreißerische Werbung. Auch durch die Unlauterkeitsrichtlinie wird ein solches Verhalten als unlautere Geschäftspraktik ausdrücklich verboten (Art. 5 Abs. 5 i.V.m. Anhang I Nr. 29 Unlauterkeitsrichtlinie). Danach ist es unter allen Umständen unlauter, einen Verbraucher zur sofortigen oder späteren Bezahlung oder Zurücksendung oder Verwahrung von Produkten, die der Gewerbetreibende geliefert, der Verbraucher aber nicht bestellt hat, aufzufordern.
OLG Köln, Urt. v. 2.2.2018, 6 U 85/17, II.3.a.cc (WRP 2018, 498)
Grundsätzlich sind unbestellte Dienstleistungen Belästigungen im Sinne des § 7 Abs. 1 UWG. Die Belästigung liegt darin, dass dem Kunden eine geschäftliche Handlung aufgedrängt wird, die er nicht selbst nachgesucht hat und für deren Vornahme auch seine Entscheidung nicht abgewartet wurde (BGH GRUR 2011, 747 Rn. 17 – Kreditkartenübersendung). Auch bei unbestellter Werbung liegt die Belästigung darin, dass sich der Adressat mit der Handlung befassen, ihr Aufmerksamkeit oder in seinem Eigentum oder Besitz befindliche Ressourcen zuwenden muss (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen, § 7 Rn. 19). Geschützt durch § 7 UWG sind die räumliche Privatsphäre des Verbrauchers und sein Eigentum. § 7 Abs. 1 S. 2 UWG zeigt, dass der Verbraucher selbst zu erkennen geben muss, ob er Werbung wünscht. Entsprechendes gilt auch für sonstige geschäftliche Handlungen. Insoweit sieht das Gesetz ein „opt-out-System“ für jede aufgedrängte geschäftliche Handlung vor.
Siehe dazu auch BGH, Urteil vom 25. April 2019, I ZR 23/18, Tz. 16 ff - WiFiSpot
OLG Köln, Urt. v. 2.2.2018, 6 U 85/17, II.3.a.dd (WRP 2018, 498)
Allein aus dem belästigenden Charakter einer geschäftlichen Handlung folgt noch nicht, dass diese auch unzumutbar ist.
Die Unzumutbarkeit folgt nach der Gesetzessystematik nicht allein daraus, dass der Kunde einer Handlung nicht ausdrücklich zugestimmt hat. Wie die Systematik des § 7 UWG zeigt, genügt dies nur im Falle elektronischer und telefonischer Werbung gegenüber Verbrauchern (§ 7 Abs. 2 Nr. 2, Nr. 3 UWG). Hier hat der Gesetzgeber ein Opt-in-System eingeführt.
Für die Gewichtung des Abwehrinteresses spielt eine entscheidende Rolle, ob und in welcher Intensität die räumliche Privatsphäre des Adressaten oder sein Eigentum oder Besitz durch die Maßnahme beeinträchtigt werden (Köhler/Bornkamm/Feddersen, § 7 Rn. 24). Unzulässig wäre ein körperlicher Eingriff in das Eigentum des Betroffenen sowie das ungebetene Betreten seiner Privaträume. Unzulässig wäre es auch, wenn der Adressat die Folgen der Einwirkung nur mit hohem Aufwand beseitigen kann. Zumutbar ist dagegen das Vernichten von Werbepost oder der Widerspruch gegenüber dem an der Haustür oder in der Öffentlichkeit Werbenden
Mit dieser Begründung hielt das OLG Köln das Zuschalten eines Öffentlichen WLANs an den privaten WLAN-Anschluss eines Kunden für zulässig, weil der Router im Eigentum des Netzbetreibers lag und der Kunde widersprechen konnte.
Nr. 29 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG
Unzulässige geschäftliche Handlungen im Sinne des § 3 Absatz 3 sind
Die Vorschrift hatte bis zum 13. Juni 2014 folgenden Wortlaut:
Unzulässige geschäftliche Handlungen im Sinne des § 3 Absatz 3 sind
die Aufforderung zur Bezahlung nicht bestellter Waren oder Dienstleistungen oder eine Aufforderung zur Rücksendung oder Aufbewahrung nicht bestellter Sachen, sofern es sich nicht um eine nach den Vorschriften über Vertragsabschlüsse im Fernabsatz zulässige Ersatzlieferung handelt
Die Änderung erfolgte im Rahmen der Umsetzung von Art. 27 der Richtlinie 2011/83/EU über die Rechte der Verbraucher. Dem Erfordernis gemäß Erwägungsgrund 17 S. 3 der UGP-Richtlinie, wonach Bestimmungen der Black List nur durch Änderungen der UGP-Richtlinie möglich sind, wurde nicht genügt (Alexander WRP 2014, 501, Rdn. 19).
BGH, Urt. v. 17.8.2011, I ZR 134/10, Tz. 12 – Auftragsbestätigung
Der Tatbestand der Nr. 29 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG erfasst auch die Ankündigung einer fortlaufenden Lieferung von Waren, wobei eine unbestellte, aber als bestellt dargestellte Ware zugesandt und, falls der Verbraucher nicht binnen einer Frist widerspricht, deren Zusendung gegen Entgelt fortgesetzt wird. Eine solche unberechtigte Ankündigung verunsichert den Verbraucher mindestens ebenso wie die mit einer Zahlungsaufforderung verbundene Übersendung unbestellter Ware und belästigt ihn dabei noch stärker.
BGH, Urt. v. 17.8.2011, I ZR 134/10, Tz. 16 – Auftragsbestätigung
Die spezielle Regelung in Nr. 29 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG verdrängt in ihrem Anwendungsbereich das in § 7 Abs. 1 Satz 1 UWG statuierte generelle Verbot unzumutbarer Belästigungen nicht, sondern ergänzt es. Das Zusenden unbestellter Ware und deren Ankündigung stellt regelmäßig - zumal wenn sie an einen Verbraucher und unter den in Nr. 29 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG bestimmten Voraussetzungen erfolgt - eine unzumutbare Belästigung im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 UWG dar.
Nach der Änderung der Vorschrift durch Streichung der 'nach den Vorschriften über Vertragsabschlüsse im Fernabsatz zulässige Ersatzlieferungen', werden jetzt auch solche Ersatzlieferungen erfasst. Die Zulässigkeit solcher Ersatzlieferungen beruhre auf Art. 7 der Richtlinie 97/7/EG, die mit der Verbraucherrechterichtlinie aufgehoben wurde. Nr. 29 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG erfasst damit auch vom Unternehmer gut gemeinte Ersatzlieferungen (Alexander WRP 2014, Rdn. 20).
Irrtümliche Annahme einer Bestellung
BGH, Urt. v. 6.6.2019, I ZR 216/17, Tz. 36, 38 – Identitätsdiebstahl
Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die Voraussetzungen von Nr. 29 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG nicht erfüllt sind, wenn der Unternehmer irrtümlich von einer Bestellung ausgeht und der Irrtum seine Ursache nicht in seinem Verantwortungsbereich hat, weil die Ware beispielsweise von einem Dritten unter dem Namen des Belieferten bestellt worden ist oder wenn unter derselben Adresse mehrere Personen gleichen Namens wohnen.
An dieser Ansicht hält der Senat nicht fest. Für die Annahme einer unzulässigen geschäftlichen Handlung gemäß Nr. 29 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG ist es vielmehr unerheblich, ob der Unternehmer irrtümlich von einer Bestellung des Verbrauchers ausgeht.
Der Lauterkeitsverstoß gemäß Nr. 29 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG ist nach dem Wortlaut der Bestimmung objektiv zu beurteilen. Die Vorschrift stellt auf die objektive Handlung des Unternehmers und die in ihr angelegte Drucksituation für den Verbraucher ab und verbietet diese Handlung per se. ...
Aus Art. 9 Buchst. c der Richtlinie 2005/29/EG, der ein bewusstes Handeln des Gewerbetreibenden voraussetzt, kann kein Erfordernis einer Kenntnis des Gewerbetreibenden von einer fehlenden Bestellung abgeleitet werden. Dieser Tatbestand betrifft bestimmte Verhaltensweisen des Gewerbetreibenden, die auf eine aggressive Geschäftspraktik schließen lassen können, wie das bewusste Ausnutzen von konkreten Unglückssituationen; ihm kann nicht entnommen werden, dass bei aggressiven Geschäftspraktiken stets ein subjektives Element gegeben sein muss.
Anderer Ansicht noch BGH, Urt. v. 17.8.2011, I ZR 134/10, Tz. 18 – Auftragsbestätigung; s.a. OLG München, Urt. v. 28.2.2019, 6 U 914/18, Tz. 31
Zitiervorschlag zur aktuellen Seite
Omsels, Online-Kommentar zum UWG: