1. Grundsatz: Das Abwerben von Mitarbeitern/Arbeitnehmern ist erlaubt
2. Vertraglich vereinbartes Abwerbeverbot
3. Wettbewerbswidriges Abwerben von Mitarbeitern/Arbeitnehmern
a. Art und Ort der Abwerbemaßnahme
ii. Abwerben per Besuch im Unternehmen
iii. Abwerben außerhalb des Unternehmens
b. Abwerben durch ehemalige eigene Mitarbeiter/Arbeitnehmer
i. Schutz vor dem Abwerben durch ehemalige eigene Mitarbeiter
c. Abwerben von Mitarbeitern durch eigene Mitarbeiter
i. Kenntnis des Mitbewerbers von der Vetragsverletzung
e. Systematische oder planmäßiges Abwerben von Mitarbeitern
f. Verleiten zum Vertragsbruch
h. Bedeutung des Mitarbeiterverlust für das betroffene Unternehmen
Ausnahme: Abwerben von Mitarbeitern in Behinderungsabsicht
i. Abwerben von Mitarbeitern in einem Übernahmecoup
j. Leistung von Kündigungshilfe
k. Verwendung von Geschäfts- oder Betriebsgeheimnissen
l. Verunglimpfung und Herabsetzung zum Zwecke der Abwerbung von Mitarbeitern
m. Verbreitung falscher Behauptungen zum Zwecke der Abwerbung von Mitarbeiter
4. Zurechnung früheren wettbewerbswidrigen Verhaltens des übernommenen Mitbewerber
Grundsatz: Das Abwerben von Mitarbeitern/Arbeitnehmern ist erlaubt
BGH, Urt. v. 11.1.2007, I ZR 96/04, Tz. 14 f. – Außendienstmitarbeiter
Das Abwerben fremder Mitarbeiter ist als Teil des freien Wettbewerbs grundsätzlich erlaubt. Es ist nur dann wettbewerbswidrig, wenn unlautere Begleitumstände hinzukommen, insbesondere unlautere Mittel eingesetzt oder unlautere Zwecke verfolgt werden.
Ebenso OLG Hamburg, Urt. v. 29.5.2019, 3 U 12/16, Tz. 84; OLG Oldenburg, Urt. v. 18.9.2015, 6 U 135/15, II.3; OLG Frankfurt, Urt. v. 1.3.2018, 6 U 165/17; OLG Frankfurt, Beschl. v. 15.5.2018, 6 W 39/18, II.1; OLG Frankfurt, Urt. v. 9.8.2018, 6 U 51/18, II.2; OLG Köln, Urt. v. 3.9.2021, 6 U 81/211, Tz. 79
BArbG, Urt. v. 26.9.2012, 10 AZR 370/10, Tz. 15 - Unlautere Abwerbung von Mitarbeitern
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist das Abwerben fremder Mitarbeiter als Teil des freien Wettbewerbs grundsätzlich erlaubt.
BGH, Urt. v. 11.1.2007, I ZR 96/04, Tz. 16 – Außendienstmitarbeiter
Jeder Mitarbeiter hat das durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Recht der freien Wahl des Arbeitsplatzes. Dies schließt das Recht ein, selbst über das Ende seines Arbeitsverhältnisses und den Wechsel zu einem neuen Arbeitgeber zu entscheiden und dabei gegebenenfalls das Risiko einzugehen, durch das neue Arbeitsverhältnis den Vertrag mit dem alten Arbeitgeber zu verletzen.
Ebenso OLG Frankfurt, Beschl. v. 15.5.2018, 6 W 39/18, II.1
OLG Oldenburg, Urt. v. 15.2.2007, 1 U 97/06, II.1.a
Es liegt gerade im Wesen des auch durch die Rechtsanwendung zu fördernden Leistungswettbewerbs, dass die Wettbewerber um Mitarbeiter konkurrieren und sich durch das Angebot vorteilhafter Arbeits- oder Vertragsbedingungen gute und im Verhältnis zur Konkurrenz bessere Mitarbeiter zu verschaffen. ...
Der erwünschte Leistungswettbewerb bedarf eines möglichst ungebunden Spiels der Kräfte gerade auch auf dem Arbeitsmarkt. Es besteht allgemein ein erheblicher Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften und es kann insbesondere nach der Liberalisierung des Wettbewerbsrechts nicht Aufgabe des Lauterkeitsrechts sein, für die Einhaltung von Mitarbeiterverträgen zu sorgen.
OLG Brandenburg, Urt. v. 6.3.2007, 6 U 34/06. Tz. 35
Das Abwerben von Arbeitnehmern eines Unternehmens ist grundsätzlich erlaubt. Es ist insbesondere dann erlaubt, wenn diese Arbeitnehmer zu einer ordentlichen Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses veranlasst werden sollen. Die für ein Unternehmen Tätigen sind nämlich in der Wahl ihres Arbeitsplatzes frei.
Vertraglich vereinbartes Abwerbeverbot
Vertraglich zwischen Unternehmern vereinbarte Abwerbeverbote fallen in den Anwendungsbereich des § 75f HGB. Dazu näheres hier.
Wettbewerbswidriges Abwerben von Mitarbeitern/Arbeitnehmern
BArbG, Urt. v. 26.9.2012, 10 AZR 370/10, Tz. 15f - Unlautere Abwerbung von Mitarbeitern
Das Abwerben von Mitarbeitern ist dann unlauter, wenn besondere Umstände, etwa die Verfolgung verwerflicher Zwecke oder die Anwendung verwerflicher Mittel und Methoden, hinzutreten.
OLG Oldenburg, Urt. v. 15.2.2007, 1 U 97/06, II.1.a
Es gilt generell für die Beurteilung von Abwerbungsmaßnahmen der Grundsatz, dass eine Abwerbung erst dann unlauter und mithin wettbewerbswidrig wird, wenn damit wettbewerbswidrige, weil rechtlich zu missbilligende Zwecke und Ziele verfolgt oder bei der Abwerbung unlautere Methoden bzw. Mittel eingesetzt werden, die aufgrund des Ergebnisses der wertenden Gesamtschau aller Umstände dem Vorgang ein sittenwidriges Gepräge verleihen (Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, § 4 UWG Rn. 10.104 ff.).
OLG Brandenburg, Urt. v. 6.3.2007, 6 U 34/06. Tz. 36
Das Abwerben von Beschäftigten ist nur dann unlauter, wenn besondere Begleitumstände hinzutreten, z.B. die Abwerbung der Verfolgung verwerflicher Zwecke dient oder verwerflichen Mitteln oder Methoden unterliegt.
Art und Ort der Abwerbemaßnahme
Abwerben per Telefonanruf
Die Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Abwerbung per Telefon am Arbeitsplatz eines Mitarbeiters sind weitgehend geklärt. Der BGH ordnet diese Sachverhalte dogmatisch dem § 3 Abs. 1 UWG zu. Erlaubt ist ein Anruf, der sich auf das Wesentliche beschränkt und sich rückversichert, dass der kontaktierte Mitarbeiter Interesse an einer anderen Position hat.
BGH, Urt. v. 4.3.2004, I ZR 221/01 – Direktansprache am Arbeitsplatz I
Es ist nicht wettbewerbswidrig, wenn ein Arbeitnehmer von einem Personalberater am Arbeitsplatz in einem zur ersten Kontaktaufnahme geführten Telefongespräch nach seinem Interesse an einer neuen Stelle befragt und diese kurz beschrieben wird. Eine mit den guten Sitten im Wettbewerb nicht zu vereinbarende Störung des betrieblichen Arbeitsablaufs liegt jedoch vor, wenn sich der im Auftrag eines Wettbewerbers anrufende Personalberater bei einem solchen Gespräch darüber hinwegsetzt, dass der Arbeitnehmer daran kein Interesse hat, oder das Gespräch über eine knappe Stellenbeschreibung hinaus ausdehnt.
Bei der Beurteilung, ob ein Personalberater wettbewerbswidrig handelt, wenn er zum Zweck der Personalsuche mit dem Mitarbeiter eines Wettbewerbers seines Auftraggebers ein erstes Telefongespräch an dessen Arbeitsplatz führt, sind die berichtigungsfähigen Interessen des Personalberaters, seines Auftraggebers, des betroffenen Mitarbeiters und dessen Arbeitgebers gegeneinander abzuwägen. Danach ist eine erste Kontaktaufnahme nicht wettbewerbswidrig, wenn der Mitarbeiter lediglich nach seinem Interesse an einer neuen Stelle befragt, diese kurz beschrieben und gegebenenfalls eine Kontaktmöglichkeit außerhalb des Unternehmens besprochen wird. Ein solcher erster Telefonanruf am Arbeitsplatz muss sich auf das zur ersten Kontaktaufnahme Notwendige beschränken. Eine wenige Minuten überschreitende Gesprächsdauer ist ein Indiz dafür, dass der Personalberater bereits den ersten Kontakt in wettbewerbswidriger Weise, insbesondere zu einem unzulässigen Umwerben des Angerufenen, genutzt hat. Der Personalberater ist gehalten, nachdem er sich bekannt gemacht und den Zweck seines Anrufs mitgeteilt hat, zunächst festzustellen, ob der Angerufene an einer Kontaktaufnahme als solcher und zu diesem Zeitpunkt Interesse hat. Nur wenn dies der Fall ist, darf der Personalberater die in Rede stehende offene Stelle knapp umschreiben und, falls das Interesse des Mitarbeiters danach fortbesteht, eine Kontaktmöglichkeit außerhalb des Arbeitsbereichs verabreden. Ein zu Abwerbungszwecken geführtes Telefongespräch, das über eine solche Kontaktaufnahme hinausgeht, ist als unlauterer Wettbewerb zu beurteilen.
S.a. OLG Frankfurt, Urt. v. 9.8.2018, 6 U 51/18, II.2
BGH, Urt. v. 9.2.2006, I ZR 73/02, – Direkta.ansprache am Arbeitsplatz II
Bei der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung von Anrufen bei Mitarbeitern anderer Unternehmen zu Abwerbungszwecken, bei denen dienstliche Telefoneinrichtungen benutzt werden, ist nicht danach zu unterscheiden, ob Festnetz- oder Mobiltelefone benutzt werden.
BGH, Urt. v. 22.11.2007, I ZR 183/04 – Direktansprache am Arbeitspaltz III
Ein Personalberater, der bei einem ersten Telefongespräch, das er mit einem Arbeitnehmer eines Mitbewerbers seines Auftraggebers zur Personalsuche an dessen Arbeitsplatz führt, dem Arbeitnehmer Daten zu dessen Lebenslauf und bisherigen Tätigkeiten vorhält, geht über das für eine erste Kontaktaufnahme Notwendige hinaus und handelt daher wettbewerbswidrig.
Unzulässig ist es aber, wenn in einem Unternehmen angerufen wird, um dort durch Gespräche mit Mitarbeitern erst einmal herauszufinden, welcher Mitarbeiter in dem Unternehmen geeignet ist, eine offene Position in einem anderen Unternehmen zu besetzen.
OLG Frankfurt, Urt. v. 9.8.2018, 6 U 51/18, II.2.b
Es besteht kein Anlass, von diesen Erwägungen grundsätzlich nur aufgrund der Tatsache Abstand zu nehmen, dass ein Abwerbeversuch am Arbeitsplatz mittels des privaten Mobiltelefons des Mitarbeiters und nicht mittels dessen dienstlichen Telefonanschlusses erfolgt.
OLG Frankfurt, Urt. v. 9.8.2018, 6 U 51/18, II.2.c
Im Gegensatz zu einem Anruf auf einem aufgrund der Telefonnummer erkennbar betrieblichen Anschluss kann der Personalberater bei dem Anruf auf einer privaten oder nicht erkennbar dienstlichen Mobilnummer indes nicht im Vorhinein wissen, ob er den Arbeitnehmer am Arbeitsplatz erreicht und damit in die betriebliche Sphäre dessen Arbeitgebers eingreift. Ihm ist jedoch in Abwägung mit den rechtlich geschützten Interessen des Arbeitgebers und auch des Arbeitnehmers zumutbar, zu Beginn des Gesprächs nachzufragen, ob der Arbeitnehmer sich am Arbeitsplatz befindet, um bejahendenfalls dann den … Anforderungen zu genügen, die der Bundesgerichtshof für den Fall der Direktansprache am Arbeitsplatz aufgestellt hat. Diese kurze Nachfrageobliegenheit zu Beginn des Gesprächs belastet den Personalberater nicht über Gebühr und lässt sich zwanglos in eine höfliche Gesprächseröffnung integrieren. Gleichzeitig sind die Interessen des Arbeitgebers gewahrt, nicht über Gebühr durch gegen ihn gerichtete Maßnahmen von Wettbewerbern belästigt zu werden.
Ebenso OLG Frankfurt, Beschl. v. 8.8.2019, 6 W 70/19
Abwerben per Besuch im Unternehmen
BGH, Beschl. v. 13.12.2007, I ZR 137/07 – Abwerbung von Mitarbeitern am Arbeitsplatz
Nach einhelliger Auffassung ist es wettbewerbswidrig, einen fremden Betrieb zum Zweck der Abwerbung dort beschäftigter Mitarbeiter aufzusuchen. Die Rechtsprechung des Senats zur telefonischen Ansprache am Arbeitsplatz zu Abwerbungszwecken gibt zu einer Änderung dieser Bewertung keinen Anlass.
Allerdings ist noch offen, ob die Rechtslage entsprechend ist, wenn der Mitarbeiter nicht im Betrieb seines Arbeitgebers, sondern bei einem Dritten kontaktiert wird, bei dem der Mitarbeiter von seinem Arbeitgeber eingesetzt wird.
Abwerben außerhalb des Unternehmens
Das Abwerben fremder Mitarbeiter außerhalb des Unternehmens, für das sie tätig sind, ist grundsätzlich erlaubt.
Abwerbung durch ehemalige eigene Mitarbeiter/Arbeitnehmer
LAG München, Urt. v. 4.3.2009, 11 Sa 247/08, II.1.a
Es ist nicht unlauter ist, wenn ein ehemaliger Beschäftigter versucht, Kunden seines früheren Arbeitgebers abzuwerben. ... Daher ist es grundsätzlich auch hinzunehmen, wenn ein Angestellter unmittelbar nach seinem Ausscheiden nahezu den gesamten Kundenkreis seines früheren Dienstherrn an sich zieht. Etwas anderes gilt nur dann, wenn besondere Umstände hinzukommen.
Die Rechtsprechung betrifft das Abwerben von Kunden. Für das Abwerben von Mitarbeitern sokkte aber nichts anderes gelten.
Schutz vor dem Abwerben durch ehemalige eigene Mitarbeiter
LAG München, Urt. v. 4.3.2009, 11 Sa 247/08, II.1.a
Der Arbeitgeber kann und muss sich durch Vereinbarung eines Wettbewerbsverbots (§§ 74 ff, 90 a HGB) vor Wettbewerb eines früheren Beschäftigten schützen und dafür den Preis in Gestalt einer Karenzentschädigung bezahlen.
Ebenso OLG Frankfurt, Beschl. v. 15.5.2018, 6 W 39/18, II.1
LAG München, Urt. v. 4.3.2009, 11 Sa 247/08, II.2.a
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urt. vom 10.4.2003, Az. III ZR 196/02, NJW 2003,1864) wie auch des Bundesarbeitsgerichts (Urt. vom 21.1.1997, 9 AZR 778/95, NZA 1997, 1284) sind die Vorschriften des § 74 b Abs. 2 HGB und § 75 a HGB nicht nur entsprechend auf gewerbliche Arbeitnehmer, sondern wegen des mit kaufmännischen Angestellten vergleichbaren Schutzbedürfnisses auch auf wirtschaftlich abhängige freie Mitarbeiter anzuwenden.
OLG Brandenburg, Urt. v. 6.3.2007, 6 U 34/06. Tz. 35
Will sich ein Unternehmen vor Abwerbemaßnahmen schützen, so kann es dies durch entsprechende Zugeständnisse gegenüber den Arbeitnehmern oder durch Auferlegung vertraglicher Wettbewerbsverbote tun.
Abwerben von Mitarbeitern durch eigene Mitarbeiter
Beim Abwerben von Mitarbeitern unter Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten vertreten die allgemeinen Zivilgerichte und die Arbeitsgerichte unterschiedliche Auffassungen. Während es nach Ansicht des BGH wettbewerbswidrig ist, wenn ein Mitarbeiter während der Laufzeit seines Arbeitsvertrages zugunsten eines Dritten abwirbt, ist das für die Arbeitsgerichte nicht ohne weiteres schlimm.
BGH, Urt. v. 22.4.2004, I ZR 303/01 - Verabschiedungsschreiben
Der Beklagte verhielt sich schon deshalb unlauter i.S. des § 1 UWG (a.F.), weil er zu dem Zeitpunkt, zu dem er das Rundschreiben versandte, noch in einem Arbeitsverhältnis zum Kläger stand und sich daher diesem gegenüber loyal zu verhalten hatte.
ACHTUNG: Der Sachverhalt betraf ein Abwerben von Kunden.
OLG Hamm, Urt. v. 9.5.2003, 35 U 59/02, II.1.a
Ein Vertragsbruch ist, auch wenn er einem Wettbewerbszweck dient, nicht ohne weiteres wettbewerbswidrig. Das gilt sowohl gegenüber dem Vertragspartner als auch gegenüber außenstehenden Dritten. Gegen das UWG kann ein Vertragsbruch nur dann verstoßen, wenn im Einzelfall besondere unlauterkeitsbegründende Umstände hinzutreten, die den Verstoß nicht mehr als reine Vertragsverletzung erscheinen lassen.
LAG München, Urt. v. 4.3.2009, 11 Sa 247/08, II.1.a
Die bloße Verletzung vertraglicher oder nachvertraglicher Wettbewerbsverbote reicht nicht aus. Insoweit handelt es sich nämlich lediglich um Marktzutrittsregeln und nicht um Marktverhaltensregeln. Für deren Einhaltung zu sorgen, ist nicht Aufgabe des Wettbewerbsrechts. Der betroffene Arbeitgeber ist durch das Vertragsrecht hinreichend geschützt. Es ist daher wettbewerbsrechtlich ohne Belang, wenn der Angestellte das Abwerben von Kunden schon während seines Arbeitsverhältnisses oder im Fall eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots während der nachvertraglichen Karenzzeit vorbereitet oder gar vornimmt. Unerheblich ist auch, dass sich der Abwerbende ohne Not ausschließlich oder überwiegend nur an die Kunden seines früheren Arbeitgebers beendet, es sei denn, er handelt in Verdrängungsabsicht.
Der Kläger/Antragsteller kann sich nicht aussuchen, ob er seine Ansprüche beim allgemeinen Zivilgericht oder Arbeitsgericht geltend macht. Für Ansprüche gegen (ehemalige) Mitarbeiter ist das Arbeitsgericht nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 a, c ArbGG zuständig, auch wenn das Arbeitsverhältnis geendet hat.
Kenntnis des Mitbewerbers von der Vertragsverletzung
BGH, Urt. v. 11.1.2007, I ZR 96/04, Tz. 18 – Außendienstmitarbeiter
Die Unlauterkeit des Ausnutzens eines fremden Vertragsbruchs kann nicht allein aus der Kenntnis oder dem Kennenmüssen des ausgenutzten Vertragsbruchs hergeleitet werden (ebenso Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm § 4 UWG Rdn. 10.111; Omsels in Harte/Henning § 4 Nr. 10 Rdn. 29).
Systematische oder planmäßiges Abwerben von Mitarbeitern
OLG Oldenburg, Urt. v. 15.2.2007, 1 U 97/06, II.1.a
Der Vorwurf einer gezielt gegen die Verfügungsklägerin gerichteten Abwerbungskampagne ist für sich gesehen nicht zwingend erheblich. Die Abwerbungsversuche dürfen durchaus auch planmäßig erfolgen (Köhler in Hefermehl/ Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, § 4 UWG Rn. 10.105. Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig – Omsels, UWG, § 4 Rn. 18). Die Grenze zu einem nicht mehr lauteren Verhalten wird erst dann überschritten, wenn nicht mehr der eigene Wettbewerbsvorteil, sondern die Schädigung des Konkurrenten im Vordergrund der Abwerbungsaktivitäten steht.
OLG Brandenburg, Urt. v. 6.3.2007, 6 U 34/06. Tz. 35
Auch eine bewusste und planmäßige Abwerbung, die von einem Mitbewerber ausgeht, ist rechtlich zulässig.
Ebenso OLG Frankfurt, Urt. v. 1.3.2018, 6 U 165/17; OLG Frankfurt, Beschl. v. 15.5.2018, 6 W 39/18, II.1
Verleiten zum Vertragsbruch
BGH, Urt. v. 11.1.2007, I ZR 96/04, Tz. 14 – Außendienstmitarbeiter
Unlauter ist es, den Mitarbeiter eines Mitbewerbers zum Vertragsbruch zu verleiten, d.h. gezielt und bewusst auf dessen Vertragsbruch hinzuwirken.
Ebenso OLG Hamburg, Urt. v. 29.5.2019, 3 U 12/16, Tz. 84
OLG Oldenburg, Urt. v. 15.2.2007, 1 U 97/06, II.1.a
Die Abwerbung kann wettbewerbsrechtlich verboten sein, wenn sie mit dem Mittel der Verleitung zum Vertragsbruch betrieben wird (BGH GRUR 2004, 696, 697 – Direktansprache am Arbeitsplatz. Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, § 4 UWG Rn. 10.107 ff.). … Insbesondere derjenige, der heimlich hinter dem Rücken eines Konkurrenten dessen Mitarbeiter zur Vertragsverletzungen anstiftet, bedient sich nicht der Mittel des Marktes, zu dessen Regeln gerade auch die Vertragstreue gehört.
BGH, Urt. v. 11.1.2007, I ZR 96/04, Tz. 16 – Außendienstmitarbeiter
Diese Grundsätze gelten auch für das Ausnutzen des Vertragsbruchs eines bei einem Mitbewerber beschäftigten Mitarbeiters (Omsels in Harte/ Henning, UWG, § 4 Nr. 10 Rdn. 29).
OLG Hamburg, Urt. v. 29.5.2019, 3 U 12/16, Tz. 84
Das bloße Ausnutzen eines fremden Vertragsbruchs, ohne den vertraglich Gebundenen zu dem Vertragsbruch zu verleiten, ist grundsätzlich nicht unlauter, wenn nicht besondere die Unlauterkeit begründende Umstände hinzutreten.
Zum Verleiten zum oder zur Ausnutzung eines Vertragsbruch siehe im übrigen hier.
Abwerben von Mitarbeitern durch Überrumpelung oder Ausübung eines unangemessenen unsachlichen Einflusses
OLG Oldenburg, Urt. v. 15.2.2007, 1 U 97/06, II.1.a
Der beworbene Mitarbeiter des Konkurrenten ist nicht schutzbedürftig. Denn im Normalfall ist es seine freie Entscheidung, ob er das fremde Angebot unter Verletzung seiner anderweitigen vertraglichen Bindungen annehmen will oder nicht (in diesem Sinne auch Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, § 4 UWG Rn. 10.108 a).
Das wettbewerbsrechtlich relevante Verleiten zum Vertragsbruch muss deshalb eine spezifische und wettbewerbswidrige Eigenart aufweisen, die im Wertungszusammenhang der Regelbeispiele unlauteren Wettbewerbs der §§ 4 und 5 UWG einen Gleichklang mit den gesetzlichen Tatbeständen aufweist. Der Senat folgt daher der Auffassung Köhlers (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, § 4 UWG Rn. 10.108 a), der die Rechtfertigung für eine Abwerbungsverbot in den Fällen sieht, in denen unlauter auf die Entschließungsfreiheit des Beschäftigten eingewirkt wird, und insoweit auf die Regelungen in § 4 Nr. 1 und 2 sowie § 5 UWG hinweist.
Zur Abwerbung durch Überrumpelung oder sonstige aggressive Handlungen siehe hier.
Bedeutung des Mitarbeiterverlust für das betroffene Unternehmen
OLG Brandenburg, Urt. v. 6.3.2007, 6 U 34/06. Tz. 35
Es spielt keine Rolle, welche Arbeitnehmer (z.B. Spezialisten oder Schlüsselkräfte) abgeworben werden, auch die Zahl der abgeworbenen Arbeitnehmer ist in der Regel unerheblich. … Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, den Bestand von Mitarbeitern in ihrem Unternehmen zu erhalten.
Ebenso OLG Frankfurt, Urt. v. 1.3.2018, 6 U 165/17; OLG Frankfurt, Beschl. v. 15.5.2018, 6 W 39/18, II.1
Ausnahme: Abwerben von Mitarbeitern in Behinderungsabsicht
OLG Brandenburg, Urt. v. 6.3.2007, 6 U 34/06. Tz. 45
Unlauter ist die planmäßige Abwerbung von Beschäftigten in der Absicht, den Arbeitgeber dieser Beschäftigten als Mitbewerber zu behindern. Hierfür genügt es jedoch nicht, dass der Abwerber planmäßig davon ausgeht, dem Mitbewerber Beschäftigte abzuwerben, auch dann nicht, wenn es sich um Beschäftigte in Spitzen- oder Schlüsselpositionen handelt. Vielmehr muss eine ernsthafte Beeinträchtigung des Mitbewerbers bezweckt werden. Das Vorgehen muss sich sozusagen als wettbewerbliche Kampfmaßnahme darstellen, die erkennen lässt, dass der Abwerber den Mitbewerber durch planmäßiges Ausspannen eingearbeiteter Arbeitskräfte schädigen will. Wie viele Beschäftigte abgeworben werden müssen, um eine ernsthafte Behinderung annehmen zu können, lässt sich nicht allgemein sagen.
Zweifelnd das OLG Frankfurt:
OLG Frankfurt, Beschl. v. 15.5.2018, 6 W 39/18, II.2
Es genügt für die Annahme einer Unlauterkeit noch nicht, dass die Wettbewerbsposition lediglich beeinträchtigt wird. Erschwerend kann andererseits berücksichtigt werden, dass die Übernahme der Mitarbeiter putsch- oder handstreichartig erfolgt und neben Mitarbeitern auch Kunden, Kundendaten, Lieferanten und Produktionsmittel in einer Art und Weise übernommen werden, dass dem Mitbewerber keine ernsthafte Möglichkeit verbleibt, der Übernahme entgegenzusteuern.
OLG Frankfurt, Beschl. v. 15.5.2018, 6 W 39/18, II.2
Soweit die Antragstellerin der Auffassung ist, der Zweck der Abwerbung sei hier als unlauter anzusehen, weil die Abwerbung gezielt erfolge, um eine existenzvernichtende Beeinträchtigung des Wettbewerbers zu erreichen oder diese zumindest in Kauf genommen werde, kann dahinstehen, ob die diese Ansicht begründende Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 1966 noch unverändert Anwendung findet. Diese hat nämlich in der Folgezeit zunehmend Kritik erfahren, da es eine Ausprägung der Wettbewerbsfreiheit ist, dass der eigene Vorteil auch um den Preis der wirtschaftlichen Gefährdung des Konkurrenten gesucht werden darf. Auch die Gefährdung der Existenz eines Mitbewerbers steht im Einklang mit der dem Wettbewerb innewohnenden Auslesefunktion. Es spricht daher viel dafür, die hiermit verbundene Behinderung (inzwischen) als wettbewerbskonform anzusehen.
Abwerben von Mitarbeitern in einem Übernahmecoup
Das Abwerben von Mitarbeitern ist wettbewerbswidrig, wenn die Übernahme in einem Coup erfolgt, der dem betroffenen Unternehmen so gut wie keine Chance zum Gegenwehr lässt. In der Regel erfolgt die Übernahme in solchen Fällen durch leitende Mitarbeiter des betroffenen Unternehmens, ggfs. mit Einbindung externer Personen, in einer Art verdeckter Meuterei.
BArbG, Urt. v. 26.9.2012, 10 AZR 370/10, Tz. 15f - Unlautere Abwerbung von Mitarbeitern
Es liegt nahe, dass die Beklagte die wettbewerbsrechtlich unbedenkliche Schwelle für Kontaktaufnahmen am Arbeitsplatz überschritten hat, indem sie mithilfe der noch im Arbeitsverhältnis zur Klägerin stehenden Streitverkündeten und unter Nutzung sächlicher und personeller Betriebsmittel der Klägerin Führungspersonal abgeworben hat; das die Anwerbung steuernde und begleitende Handeln des Mitglieds ihrer Führungsebene ist der Beklagten dabei nach den Grundsätzen der Repräsentantenhaftung nach § 31 BGB zuzurechnen.
Zum zugrunde liegenden Sachverhalt siehe LAG Düsseldorf, Urt. v. 23.10.2010, 17 Sa 1133/08
OLG Hamburg, Urt. v. 29.5.2019, 3 U 12/16, Tz. 90
Eine Vereinbarung eines Wettbewerbers mit den Leitungskräften eines anderen Mitbewerbers über eine konzertierte Abwerbung eines Großteils von dessen Mitarbeitern gleichsam "von innen heraus" ist grundsätzlich den Tatbestand der unangemessenen Beeinträchtigung zu erfüllen geeignet.
OLG Hamburg, Urt. v. 29.5.2019, 3 U 12/16, Tz. 92, 96
Wird die Abwerbung in Verabredung mit dem Wettbewerber von den Leitungskräften des betroffenen Mitbewerbers systematisch "von innen" vorgenommen, stellt dies regelmäßig eine unlautere Störung des Betriebsablaufs des betroffenen Unternehmens dar, die der betroffene Mitbewerber nicht hinzunehmen braucht. Die mit einem externen Unternehmen vereinbarte Abwerbung durch Leitungskräfte des betroffenen Mitbewerbers von innen reicht hinsichtlich der Störung des Betriebsablaufs signifikant über Telefonanrufe eines Dritten hinaus. Die Autorität und das Vertrauen der (abwerbenden) Leitungskräfte hat im Betriebsablauf regelmäßig besonderes Gewicht; ein Effekt, der sich bei einer hohen Anzahl angesprochener Kollegen weiter verstärken kann. Zwar ist es immer möglich und zulässig, dass mehrere Mitarbeiter eines Unternehmens ihrem bisherigen Chef von sich aus folgen und der Wechsel einzelner Mitarbeiter daher aus eigenem Antrieb ohne Mit- oder Einwirkung des Vorgesetzen erfolgt. Von einer - wie im Streitfall von den Beklagten behaupteten - selbstmotivierten Kündigung einer Vielzahl von Mitarbeitern ohne Störung des Betriebsablaufes durch den Vorgesetzten kann indes dann nicht mehr ohne Weiteres ausgegangen werden, wenn der neue Arbeitgeber zum Zeitpunkt der Mitarbeiterkündigungen noch nicht gegründet oder seine Gründung noch nicht öffentlich publik gemacht worden war. Davon kann auch nicht mehr ausgegangen werden, wenn ein Wechsel größerer Teile des Personalstammes eine aktive Zusammenarbeit von leitenden Mitarbeitern des betroffenen Wettbewerbers einerseits und der Personalabteilung des abwerbenden Wettbewerbers andererseits voraussetzt, wie es im Streitfall mit der vom Kläger behaupteten einvernehmlichen Personal- und Abwerbungsplanung möglich erscheint. ...
Für die Verwirklichung dieser Variante des Behinderungstatbestandes ist erforderlich, dass sich feststellen lässt, dass das betroffene Unternehmen aufgrund der Handlungen des Wettbewerbers nicht mehr in der Lage war, seine Leistung am Markt durch eigene Anstrengung in angemessener Weise zur Geltung zu bringen.
Leistung von Kündigungshilfe
Der Abwerbende darf dem Mitarbeiter helfen, das Vertragsverhältnis zum bisherigen Arbeitgeber zu beenden, solange er dabei nicht gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz verstößt. Die folgenden Entscheidungen wurden zum Abwerben von Kunden getroffen. Für das Abwerben von Mitarbeitern gilt aber nichts anderes.
BGH, Urt. v. 7.4.2005, I ZR 140/02, II.1.b, d - Kündigungshilfe
Kunden zur ordnungsgemäßen Vertragsauflösung unter Beachtung der gesetzlichen oder vertraglichen Kündigungsfristen zu bestimmen, ist grundsätzlich zulässig. Ebenso ist es wettbewerbskonform, Kündigungshilfe durch Hinweise auf Notwendigkeit, Frist und Form einer Kündigung zu leisten, solange dabei nicht unlautere Mittel eingesetzt werden. …
BGH, Urt. v. 8.11.2001, I ZR 124/99, II.1 - Mietwagenkostenersatz
Das Bestimmen zu ordnungsgemäßer Vertragsauflösung unter Beachtung der gesetzlichen oder vertraglichen Kündigungsfristen ist wettbewerbsrechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden.
BGH, Urt. v. 8.11.2001, I ZR 124/99, II.2.a.bb - Mietwagenkostenersatz
Die Leistung von Kündigungshilfe durch bloße Hinweise auf Notwendigkeit, Frist und Form einer Kündigung ist grundsätzlich wettbewerbskonform.
Verwendung von Geschäfts- oder Betriebsgeheimnissen
Zur Ausnutzung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen zur Abwerbung von Kunden siehe hier.
Verunglimpfung und Herabsetzung zum Zwecke der Abwerbung von Mitarbeitern
Zur Verunglimpfung oder Herabwürdigung siehe hier.
Verbreitung falscher Behauptungen zum Zwecke der Abwerbung von Mitarbeiter
Zur Verbreitung unwahrer betriebs- und kreditschädigender Tatsachen siehe hier.
Zurechnung früheren wettbewerbswidrigen Verhaltens des übernommenen Mitbewerber
Das wettbewerbswidrige Verhalten des Mitarbeiters eines Konkurrenten, der einem anderen Mitbewerber Mitarbeiter seines (bisherigen) Arbeitgebers zuführt, kann dem übernehmenden Mitbewerber nicht nach § 8 Abs. 2 UWG zugerechnet werden.
OLG Brandenburg, Urt. v. 6.3.2007, 6 U 34/06. Tz. 51
Der neue Arbeitgeber haftet nicht für Zuwiderhandlungen, die der Mitarbeiter in seinem früheren Unternehmen begangen hat, weil insoweit der Sinn und Zweck der Zurechnungsvorschrift des § 8 Abs. 2 UWG nicht erfüllt ist. Der Zweck der Zurechnungsvorschrift liegt in dem Bedürfnis des Verletzten, nicht auf Ansprüche gegen Mitarbeiter oder Beauftragte beschränkt zu sein, weil sie oftmals nicht durchsetzbar oder wirtschaftlich wertlos sind. Da der Unternehmer mit Hilfe dieser Mitarbeiter seinen Geschäftskreis erweitert und Nutzen aus deren Tätigkeit zieht, gehört das damit verbundene Risiko von Wettbewerbsverstößen zu dem von ihm beherrschten oder doch beherrschbaren Gefahrenkreis.
Eine Verantwortlichkeit des übernehmenden Mitbewerbers kann sich aber aus einer Anstiftung oder Beihilfe zum wettbewerbswidrigen Verhalten ergeben. Außerdem kann das Verhalten des übernehmenden Unternehmens aus sonstigen Gründen, z.B. wegen eines Verleitens zum Vertragsbruchs, selber wettbewerbswidrig sein.
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Omsels, Online-Kommentar zum UWG: